Michael Ruben Rinaldi (Aruba.it Ducati) und sein Blick zurück – in den ersten beiden WM-Runden ist der junge Italiener viel schuldig geblieben, für dass er anstelle von Davies in das Werksteam der Roten geholt wurde.

Erwartungen an die Italien-Runde der WorldSBK

Ducati und Yamaha stehen besonders unter Druck, respektive zwei ihrer Fahrer im Werksteam und deren Manager. Nicht nur wir hatten uns darüber gewundert, dass Chaz Davies relegiert und durch Michael Ruben Rinaldi im Werksteam ersetzt wurde. Der erfahrene Waliser war die ganze Saison 2020 besser als der junge Italiener gewesen. Michael Ruben Rinaldi hatte exakt an einem von aufgrund der Pandemie nur 8 Wochenenden zu glänzen vermocht. Am Ende war er aber nur WM-Siebter, hatte wie Chaz einen Sieg eingefahren, aber dieser hatte deren 2 auf dem Konto und 7 Podestplätze gegenüber nur 2 von Rinaldi. Dazu war der dreifache Vizeweltmeister immerhin WM-Dritter geworden.

Andrea Locatelli (Pata Yamaha with Brixx) hat dasselbe Problem wie Ducati-Werkspilot Rinaldi, da er direkt ins Werksteam befördert wurde und dort die Erwartungen der Öffentlichkeit automatisch höher sind, als wäre er bei GRT Yamaha für ein Lehrjahr gelandet. Nun kommt eine Strecke, die er wie seine Westentasche kennt und auf welcher man wie von Rinaldi entsprechend viel erwarten darf.

Rinaldi und Locatelli müssen nun liefern
Auf diese Saison hat Davies mit dem 25-jährigen aus Rimini den Platz getauscht, fährt als Privatfahrer mit Werksunterstützung für GoEleven Ducati und ist erneut deutlich besser als dieser. WM-Rang 5 für Davies gegenüber P10 für den Mann aus dem Land der Pizza ist ein klares Verdikt. Nur wenige Kilometer von seinem Heimatort entfernt muss der Italiener nun liefern, sonst blamiert er die Ducati-Verantwortlichen. Sie würden vor der Öffentlichkeit als Laien dastehen, sollte sich die Tendenz der ersten Runden fortsetzten. Ähnliches gilt für Yamaha Europa Manager Dosoli, der statt Garrett Gerloff den WorldSSP Weltmeister Andrea Locatelli direkt ins Werksteam verfrachtet hatte. Zwei Jahre davor war Sandro Cortese WSSP Champion geworden und kam danach ins B-Team zu GRT Yamaha. Trotz 2 Stürzen in den zweiten Läufen von Aragon und Estoril liegt aber der Texaner deutlich vor dem Italiener im WM-Zwischenklassement. Deshalb muss er wie Rinaldi nun bald liefern, sonst gilt seine Verpflichtung direkt ins Werksteam als Fehlentscheidung, weil es wie bei Rinaldi und Ducati eine Alternative gab.

Toprak Raztaglioglu (Kawasaki Puccetti) von uns am 23. Juni 2019 nach seinem zweiten Platz im 2. Rennen von Misano fotografiert. Im Regenrennen am Tag davor war der Türke noch gestürzt, aber tags darauf trumpfte er im trockenen stark auf.

Die besten WSBK-Fahrer in der Heimat von Rinaldi und Locatelli

Wenig überraschend ist als erster in diesem Zusammenhang Jonathan Rea zu nennen. Der Nord-Ire gewann hier bereits am 21. Juni 2009 auf der Ten Kate Honda das 526. Rennen der WorldSBK. Dies war im zweiten Lauf gewesen und ganze sechs Jahre später folgte in seinem ersten Jahr bei den Grünen ebenfalls im 2. Rennen der nächste Triumph. Es folgten weitere 6 Siege, womit seine Marke bereits bei 8 steht, was den WM-Leader natürlich automatisch zum Favoriten macht. Dies dient seinen Gegnern nicht als Beruhigung und nebst Tom Sykes (4 Siege) gewann von den aktuellen WSBK-Fahrern auf dem Autodromo an der Adria bisher nur Alvaro Bautista zweimal. Scott Redding hat immerhin gute Erinnerungen an den heute „Misano World Circuit Marco Simoncelli“ genannten Kurs. Einen von nur zwei MotoGP Podestplätzen seiner Karriere hatte der Engländer nämlich auf dieser Strecke geholt. Und nachdem sein Bike unter Alvaro Bautista vor zwei Jahren dort beinahe dreimal gewonnen hatte, gibt es beim Italien Event keine Ausreden für die Roten.

Scott Redding (Aruba.it Ducati) bei seinem Test in Misano anfangs Februar 2021 – natürlich sind die Temperaturen Mitte Juni wesentlich höher, aber zumindest fuhr er mit der Ducati Panigale V4R damit dort bereits einmal, weil im Vorjahr das Rennen aufgrund der Pandemie gestrichen wurde.

Wer sind die Hauptfavoriten für das einzige Italien-Event 2021?

Natürlich kann sich aufgrund der Statistik und seiner Resultate der ersten beiden Runden Jonathan Rea nicht als Aussenseiter bezeichnen, dies gilt aber auch für Toprak und Scotty. Nur bei Honda Pilot Alvaro Bautista liegen die Dinge wesentlich anders, weil er hier auf der Honda nach den ersten beiden Events von 2021 höchstens auf top fünf Resultate hoffen darf. Alex Lowes wurde auf Yamaha vor zwei Jahren immerhin zweiter und vierter am Sonntag, nachdem er bei Regen tags zuvor in Führung liegend gestürzt war. Bereits in der Saison 2017 war er hinter Sykes und vor seinem heutigen Teamkollegen Rea zweiter geworden. Genau in diesem Jahr schaffte mit Michael van der Mark der damalige Mannschaftskamerad von Lowes einen vierten Rang. Ein Jahr davor stand er in Misano gar auf dem Podest. Auch 2018 war er als vierter und zweiter dort sehr erfolgreich gewesen, während er eine Saison später verletzt pausieren musste, da er sich im Training das Handgelenk gebrochen hatte. Damit haben wir nebst den Lokalmatadoren die wichtigsten Fahrer evaluiert, welche vorne mitmischen dürften.

Doug Polen (Fast by Ferracci Ducati) war der erste Sieger der WorldSBK in Misano und dies gleich in beiden Rennen – als Privatfahrer deklassierte er vor heimischem Publikum die Werksfahrer der Roten und wurde am Saisonende erster sogenannten Independent-Weltmeister der Geschichte. Natürlich wurde er für die folgende Saison direkt vom Werk aus Borgo Panigale in deren Dienste genommen und verteidigte 1992 seinen Titel erfolgreich. Später unternahm Ducati sogar den Versuch der Geschichtsfälschung, um ihn nachträglich zum Werksfahrer zu stempeln – aber die Programmhefte und Resultatblätter unseres Archivs lügen nicht!
Das Podium von Misano zwei Jahre nach Doug Polens Doppelsieg mit von links dem späteren Weltmeister Scott Russell (Kawasaki), Sieger Giancarlo Falappa („Il leone di Jesi“ genannt, was der Löwe von Jesi, seinem Geburtsort bedeutet) und ein gewisser Carl Fogarty (wie Falappa auf Ducati). Mehr über die früheren Jahre der WorldSBK siehe in unserer reich illustrierten History.

Die Rennstrecke von Misano

Der aus Italien stammende Sandro Cortese hat an diesen Kurs gemischte Erinnerungen. Wir waren 2019 unweit der Stelle wo er auf Position 3 liegend in der Zielkurve sein Rennen in der WorldSBK mit einem Crash beendete. Hinter Jonathan Rea war er aus der ersten Reihe gestartet und entsprechend hoch waren die Erwartungen damals gewesen. Seitdem Misano im Uhrzeigersinn befahren wird, verfügt die Strecke über 6 Links- und 10 Rechtskurven. Die längste Gerade ist mit 530 Meter bei Start-Ziel. Die Tribünen bieten insgesamt Platz für rund Sechzigtausend Zuschauer. Dazu hat es einige Naturtribünen. Angenehm ist für Besucher das riesige Angebot an Übernachtungsmöglichkeiten dank der Nähe der Mittelmeer-Urlaubsdestination Rimini. Der aktuelle Wetterbericht deutet auf feuchte Verhältnisse, aber dies kann in über einer Woche noch ändern.

Luftaufnahme des früher als Autodromo di Santamonica bekannten Kurses, der einige Jahre nach Wayne Raineys Horror-Unfall (der US-Amerikaner sitzt seither im Rollstuhl) umgebaut und ab dann im Uhrzeigersinn befahren wurde. Unweit der Adria-Küste gelegen und in MotoGP und WorldSBK seit vielen Jahren sehr populär, aber in letzter Zeit leider auch eine der Strecken mit den höchsten Ticketpreisen überhaupt.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).