Ana Carrasco (Kawasaki) war in der WSSP 300 die erste Frau, der ein Motorrad Weltmeistertitel gelang. Seit ihrem Wechsel in die Moto3 fährt die Spanierin jedoch der Spitze meist weit hinterher. Für nächste Saison dürfte sie dank der neu eingeführten Serie wohl trotzdem zu den Favoritinnen gehören.

Über die Einführung der Frauen-Weltmeisterschaft

FIM und Dorna gelten als dafür berüchtigt, die Öffentlichkeit an der Nase herumzuführen. Ein prägnantes Paradebeispiel dafür war beispielsweise nur wenige Wochen vor dem Termin deren Festhalten an einem angeblich stattfindenden Grand Prix von Finnland, obwohl bereits die Spatzen von den Dächern von der Absage pfiffen. Längst war damals klar, dass der KymiRing gar nicht mehr rechtzeitig fertiggestellt werden konnte und das Geld dazu ausgegangen war. Im Rahmen des Grand Prix von Spanien in Jerez gaben die illustren Herren in einer Pressekonferenz ihr neuestes Projekt bekannt. Auf die Saison 2024 wollen Sie im Rahmen von sechs Europarennen der WorldSBK eine sogenannte Motorrad Frauen-Weltmeisterschaft lanciert werden. Offenbar will man derzeit jeden Furz der Formel 1 nachahmen, wie dem geneigten Betrachter dabei erscheinen mag.

Gruppenbild der Nachwuchsfahrerpräsentation in Aragon 2019 von uns fotografiert, mit Ana Carrasco als dritte von rechts. Mit Neila Beatriz dazu eine weitere Amazone auf dem Bild, während weitere junge Frauen wie Steffie Naud aus Clermont Ferrand und Alexandra Pelikanova aus Brünn auf dieser Aufnahme fehlen.

Weltmeisterschaft nur in Europa – das gab es schon einmal

Im Jahr 1949 wurde die sogenannte Motorrad-Weltmeisterschaft von der FIM ins Leben gerufen. Doch diese Gründung hatte mehr als nur einen Makel. Auf der einen Seite waren die Fahrer aus Deutschland in den ersten drei Jahren ausgeschlossen. Dies war aufgrund des zweiten Weltkriegs und auf den ersten Blick für den Betrachter vielleicht verständlich. Aber weshalb dann Italiener trotz ebenfalls faschistischem Regime in dieser Zeit und mit deren Nation als Verbündete der Deutschen im vielleicht schlimmsten Krieg, welchen die Menscheit je erlebte, startberechtigt waren? Dies ist nur schwer oder vielleicht eher gar nicht erklärbar. Vor allem geht es ja dabei bereits um einen Zeitraum von 4 Jahren nach Kriegsende. Mehr als ein Schönheitsfehler war zudem die geringe Zahl der Grand Prix in den ersten Jahren. Beispielsweise 1949 gab es gerade einmal 3 Runden der 125 cm³ Kategorie und deren 4 bei den 250-ern. Und genau wie bei der nun angekündigten Frauen-Weltmeisterschaft für 2024 fanden sämtliche Läufe in den ersten zwölf Jahren nur in Europa statt. Damit erleben wir nun einen wiederholten Etikettenschwindel, wobei diesmal keine Nationen ausgeschlossen sind (oder wie sieht dies mit Kriegstreiber Russland aus?) und wenigstens eine vernünftige Zahl an Runden etabliert wurde.

Die Resultate der letzten Europameisterschaft vor dem zweiten Weltkrieg zeigt eindrücklich, wie stark die deutschen Piloten damals das Geschehen dominierten. Vor allem lebten die wichtigsten der guten Fahrer nach dem Krieg noch und waren sogar sehr aktiv, was vor allem auch für Georg „Schorsch“ Meier galt, der in der größten Kategorie definitiv zu den Topfavoriten gehört hätte Doch der schnelle Mann aus Bayern war zu den Grand Prix Veranstaltungen nicht zugelassen.
Die Deutschen Meister von 1954 von links mit Georg „Schorsch“ Meier bis 500 cm³ (BMW), H.P. Müller bis 350 cm³ (DKW) und Siegfried „Sissi“ Wünsche (DKW) bis 250 cm³. Der Mann in der Bildmitte wurde im stolzen Alter von 45 Jahren in der Saison 1954 als Privatfahrer auf NSU Weltmeister. Kaum auszumalen, was der ehemalige Auto Union Werksfahrer (von 1937 bis 1939) und Grand Prix Sieger in der höchsten Automobilkategorie nach dem Krieg auf zwei Rädern international geschafft hätte, wäre er zu den Läufen der Weltmeisterschaft zugelassen worden! Mehr über ihn und weitere Helden der früheren Jahre siehe in unserer reich illustrierten History.

Positive und negative Seiten einer aus der F1 kopierten Idee

Wir enthalten uns der Stimme, wenn es um Vorteile und Nachteile zur Einführung dieser neuen Serie geht. Einerseits aus dem Grund, dass es Ana Carrasco 2018 auch ohne ein rein auf Frauen beschränktes Feld zu einem Weltmeistertitel geschafft hat. Auf der anderen Seite sollte man Bemühungen anerkennen, dem weiblichen Teil Chancen zu bieten, sich im Rennsport zu entwickeln. Seit der Pandemie sind jedoch nicht nur diverse jungen Frauen aus dem Zweiradsport viel zu früh wieder ausgestiegen, sondern auch einige hoffnungsvollen mänlichen Talente von der WM-Bühne verschwunden. Wir vermissen im internationalen Zweirad-Rennsport heute Namen wie beispielsweise Jan-Ole Jähnig (2019 achter in der WorldSSP 300 auf einer Freudenberg KTM und seinen damaligen Teamkollegen Maximilan Kappler. Wer unsere Aufstellung der letzten Europameisterschafts-Laufsiege betrachtet, stimmt uns sicher bei, dass hinter einem Philipp Öttl und Marcel Schrötter auch aus Deutschland guter Nachwuchs für den Sport in Zukunft sehr wichtig wäre. Dabei ist dem wahren Fan definitiv egal, ob männlich oder weiblich, hauptsache es schaffen einige davon, sich an der Spitze zu etablieren!

Philipp Öttl auf der Verfolgung seines Kawasaki Teamkollegen Lucas Mahias in der WorldSSP 600 vor drei Jahren. Nach seinem Wechsel aus der Moto2 auf die Saison 2020 in die seriennahen Weltmeisterschaft war er sofort auf Erfolgskurs. Der junge Bayer schaffte es mittlerweile in die WorldSBK, in der er für GoEleven Ducati ebenfalls auf Anhieb hervorragende Resultate einfahren konnte.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).