Fortsetzung einer einseitigen Meisterschaft in Assen?
Als die neue Ducati Panigale V4R im Jahr 2019 in die WorldSBK kam, begann definitiv ein neues Zeitalter. Direkt vom MotoGP Bike der Marke aus Borgo Panigale nahe Bologna abgeleitet, war diese Maschine in den Händen von Alvaro Bautista eine beinahe unschlagbare Waffe. Kein Wunder eigentlich, wenn man sich die Drehzahlvorteile des rein für die Rennstrecke konzipierten Motorrades im Vergleich zu den anderen Fabrikaten ansieht. Im Gegensatz zu den dominanten Jahren von Jonathan Rea auf Kawasaki gab es jedoch nie eine Reduktion der erlauben Höchstdrehzahl durch die FIM. Als Hauptgrund dafür wurde in der Regel das teils nur mittelmäßige Abschneiden des Teamkollegen vom kleinen Spanier genannt. Mit Chaz Davies tat sich der ehemalige Erzfeind von Johnny Rea zu Beginn auf der Panigale V4R sichtlich schwer und kam in seiner ersten Saison damit erst in Imola richtig auf Touren. Aber auch Michael Ruben Rinaldi als sein Nachfolger kam bei weitem nicht an die Erfolge des Winzlings aus Talavera de la Reina anschließen. Nachfolgend die Tabelle mit den Höchstdrehzahlen, bei welcher man auch sieht, wie die neue Kawasaki kurz vor Saisonbeginn 2021 durch die FIM förmlich kastriert wurde.
Die ersten Rennen der Saison – kaum Kampf um den Sieg
Die aktuelle Überlegenheit der Ducati ist mit obigem Bild leicht zu erklären. Deshalb hatten die meisten Konkurrenten der Ducati Piloten selbst gegenüber deren Privatfahrern auf den Geraden meist kaum eine Chance. Weil sich FIM und Dorna zudem weigern, wie beispielsweise in der WorldSSP auch für die WSBK ein Minimalgewicht einzuführen, droht seit der Saison 2022 gähnende Langweile für den Rennverlauf. Wie bereits im Vorjahr setzt sich dieser Trend leider auch im aktuellen Rennjahr durch. Sieht man sich die ersten Rennen der Saison in Phillip Island (Australien) und Mandalika (Indonesien) an, gab es meist gar keinen richtigen Kampf um die Spitze. Zu groß ist der Leistungsvorteil von Bautista gegenüber seinen auf unterlegenem Material antretenden Konkurrenten bezüglich Beschleunigung und Topspeed.
Kommt die Wende in Assen?
Viele Fans blicken voller Vorfreude auf den Beginn der Europa-Saison in der „Cathedral of Speed“ in den Niederlanden. Womöglich kann wirklich das Wochenende von Assen eine Wende einleiten, was die derzeitige Dominanz von Bautista auf der Ducati betrifft. Ein Grund dafür sind die im Vergleich zu vielen anderen Strecken eher kurzen Geraden und ein anderer die Statistik. Der Klassiker auf der auch in der MotoGP traditionellen Strecke kennt eine Menge prominenter Sieger. Vom zweifachen Weltmeister Doug Polen über Seriensieger „King“ Carl Fogarty, „Nitro Nori“ Haga, Colin Edwards, Chris Vermeulen und Troy Bayliss bis zu aktuellen Helden wie Tom Sykes, Johnny Rea und Alvaro Bautista. Nachfolgend unsere Zusammenfassung mit sämtlichen bisher in Assen ausgetragenen Rennen und einer alle überragenden Persönlichkeit als Rekordsieger.
Mit Rekordweltmeister Rea sticht der beste Fahrer aller Zeiten deutlich heraus. Nicht weniger als 17 Läufe gewann der Nord-Ire bisher auf der Fahrerstrecke im Land der sogenannten „Motorfietsen“, wie dort Mopeds genannt werden. Insofern ist Toprak Razgatlioglus Wunsch, der Kawasaki Pilot solle ihm im Kampf gegen Bautista möglichst zur Seite stehen, absolut verständlich. Aber in diesem Fall sollte sich der Türke nächstes Mal ein wenig zurückhalten, um eine Kollision mit Johnny damit zu vermeiden. Das Kawasaki Ass hätte vermutlich 2022 auch das dritte Rennen für sich entschieden, wäre Toprak nicht nach verpasster Haarbocht-Kurve mit ihm bei der Rückkehr auf die Ideallinie kollidiert.
Das vielleicht stärkste Fahrerfeld aller Zeiten
Mit den Neuzugängen Remy Gardner und Dominique Aegerter, sowie BSB Sieger 2022 Bradley Ray und dem ehemaligen Moto2 Ass Lorenzo Baldassari kamen gleich vier hoffnungsvolle Talente neu in die Königsklasse der seriennahen Motorrad-Weltmeisterschaft. Anstelle des leider nicht mehr teilnehmenden Lucas Mahias (Frankreich) fährt für das Kawasaki Puccetti Racing Team zudem mit Tom Sykes auch ein ehemaliger WSBK-Weltmeister wieder um die Meisterschaft. Allerdings verliefen die ersten beiden Runden für den Spassvogel aus Huddersfield ähnlich desaströs wie für seinen ehemaligen Kawasaki Racing Teamkollegen und Rekordsieger Jonathan Rea. Zusammen mit arrivierten Fahrern wie Scott Redding, „Magic“ Michael van der Mark, Garrett Gerloff, Xavi Vierge, Iker Lecuona, Peter Öttl und vielen anderen, eigentlich die besten Zutaten für eine sensationelle und spannende Saison. Wenn da jedoch nur nicht die erdrückende Dominanz des kleinwüchsigen Spaniers Bautista wäre, der wie 2019 auf seiner Ducati Panigale V4R auf den Geraden an seinen Gegnern förmlich vorbeifliegen kann.
Das Jahresprogramm
Bedauerlicherweise erneut mit (zu) vielen Überschneidungen von MotoGP mit WorldSBK. Einzig aus dem Grund, der Formel 1 auszuweichen, kannibalisiert die Dorna damit letztlich die seriennahe WM. Dies ist besonders im September für viele Fans beider Serien sehr ärgerlich. Nach dem Debakel mit dem Grand Prix von Finnland im Vorjahr riskiert man zudem leichtfertig auch für 2023 die nächste Panne. Wie zu hören war, ist die Strecke in Indien jedenfalls noch gar nicht bereit und abgenommen. Ganz ähnlich präsentierte sich die Situation im Sommer 2022. Als im Fahrerlager bereits die Nachricht kursierte, es werde keine Rennen in Finnland geben, versuchte die Dorna sogar vorerst noch zu beschwichtigen und behauptete bar jeglicher Ehrlichkeit, man rechne fest mit der Durchführung. Insofern dürfen wir gespannt sein, wie sich die Situation für den Indien-GP entwickelt. Vor allem aber den Aussagen der Herren des spanischen Rechte-Inhabers von MotoGP und WSBK Veranstaltungen künftige keinen Glauben mehr schenken.
Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).
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