Kawasaki Ass Jonathan Rea (links im Bild, sechsfacher Weltmeister) und die WorldSBK Ikone Troy Corser mit zwei Titeln und über sehr viele Jahre beeindruckender Dominanz in der Superpole. Im gegensatz zum Nord-Iren drohen die beeindruckenden Erfolge des Australiers durch die heutigen Zahlen völlig zu unrecht eine Abwertung zu erfahren. Als Corser noch aktiv war, gab es nur zwei statt ab 2019 mit dem Tissot Sprintrace drei Rennen. Zudem war zu seiner Zeit die Spitze meist viel ausgeglichener als heute und vor allem 2023.

WSBK 2023 – eine einzigartig einseitige Saison

Wir haben die Geschichte der WorldSBK von ihren Anfängen bis heute sehr detailliert aufgearbeitet und dokumentiert. Dabei wagen wir zu behaupten, dass es nirgends sonst eine derart umgangreiche und reich illustrierte Recherche über die Geschichte der Superbike Weltmeisterschaft wie auf dieser Seite gibt. Jeder Betrachter kann sich auf unter dem Kapitel History vergewissern, ob wir uns mit dieser Behauptung zu weit aus dem Fenster lehnen. Wir inverstierten Monate und Jahre dafür und dabei wuchs täglich unsere Bewunderung für die Leistung früherer Helden, natürlich ohne dabei den Respekt für die Erfolge heutiger Piloten zu verlieren. Besonders ein Jonathan Rea und Toprak Razgatlioglu können kaum genug gelobt werden, was ihre Einstellung zum Rennsport und ihre dauernde Kampfbereitschaft betrifft, obwohl sie sich jeweils meist vor dem Start ihrer Chancenlosigkeit bewusst sind. Für den Ende 2023 zu BMW wechselnden Türken ist die aktuelle Saison womöglich die beste Schule, sich an ausbleibende Toperfolge zu gewöhnen.

Alvaro Bautista auf der Ducati Panigale V4R, einem wahren Monster, welches von FIM und Dorna derart bevorteilt wurde, dass die Konkurrenz der 2019 eingeführten MotoGP Replica spätestens 4 Jahre danach in der Regel auf verlorenem Posten steht. Die anderen Hersteller haben in Beschleunigung und Topspeed meist derartige Nachteile, dass sie viel zu oft sogar von Privatpiloten auf diesem Motorrad chancenlos sind. Laut Marco Melandri (Vizeweltmeister von 2011 auf Yamaha und WM-dritter 2012 auf BMW, sowie langjähriger Ducati Werksfahrer) hat Ducati mit Einführung der Panigale „den Geist der Superbike Weltmeisterschaft zerstört“.

Interessante Aussage von KRT zur Saisonmitte

Am Rand des Donington Wochenendes gab Provec Racing Teamchef Guim Roda in einem Interview zu Protokoll, dass ihnen im Kampf gegen die MotoGP Replica von Ducati „die Hände gebunden seien“. Dies hat das Kawasaki Werksteam als erfolgreichste Mannschaft des vorigen Jahrzehnts der FIM zu verdanken. Aber auch die Dorna mit CEO Carmelo Ezpeleta ist daran nicht unschuldig. Er kippte zusammen mit FIM Boss Jorge Viegas ein von der Herstellervereinigung der WorldSBK bereits beschlossenes Minimalgewicht für Pilot und Maschine, wie dies in der WorldSSP schon lange gilt. Weil dem amtierende Weltmeister Alvaro Bautista sehr klein und leicht ist, siegt er auf der für 2023 stark verbesserten Ducati Panigale V4R fast nach belieben. Seine Vorteile in Topspeed und Beschleunigung brachte nach dem Wochenende in Donington Park der derzeit stärkste Widersacher des spanischen WM-Leaders mit einfachen Worten auf den Punkt.

Unsere Statistik zur Superbike Weltmeisterschaft 2002, dem einzigen halbwegs mit der 21 Jahre später vergleichbaren Saison. Nach 8 von 13 Runden betrug der Vorsprung von Ducati Ikone Troy Bayliss jedoch lediglich 49 Punkte auf seinen erbitterten Widersacher Colin Edwards, welcher danach mit neun Siegen in Folge doch noch Weltmeister wurde. Und heute? Nach 6 von 12 Runden liegt derzeit Bautista 93 Punkte vor Toprak. Zudem sieht die Yamaha Hoffnung derzeit auf fast allen Strecken kaum eine Chance, den Spanier auf dessen Ducati ernsthaft bedrängen zu können.

Toprak: „Ich fühlte mich wie auf einer 600-er gegen Alvaro“

Nachdem der Türke als Weltsmeister von 2021 zwar das Sprintrennen gewonnen hatte, aber in beiden Läufen über die volle Distanz absolut chancenlos war, geben seine Worte jedem Sportfan zu denken. Uns erinnerten seine Worte vom Sonntagabend in Donington spontan an unsere Beobachtungen der ersten Runden der WorldSBK 2019. Damals gewann Bautista völlig ungefährdet die ersten 11 Rennen der Saison und beispielsweise in BuriRam sahen wir ihn mit mindestens 15 km/h Geschwindigkeitsüberschuss an Kawasaki Ass Jonathan Rea auf der nicht allzulangen Geraden vorbeifliegen. Heute bezeichnen die meisten Journalisten und Kommentatoren Alvaro Bautista als absoluten Toppiloten und den aktuell besten. Leider aber vergessen sie wie so viele Beobachter dabei jedoch, wie alles nur 2 Jahre früher aussah. Als Bautista nach seinem 2019 verpassten Titel aufgrund eines miserablen Angebots für eine Verlängerung seines Ducati Vertrags im Jahr danach zu Honda wechselte, begann sein rasanter Abstieg.

Alvaro Bautista auf der Werks Honda CBR-1000RR-R, die bezüglich Topspeed selbst der Ducati Panigale V4R nicht unterlegen ist, wie die Resultatblätter der letzten 4 Jahre eindrücklich beweisen. Trotzdem vergessen heute fast sämtliche sogenannten Experten, wie wenig der kleinwüchsige Mann aus Talavera de la Reina auf diesem Motorrad ausrichten konnte. Andernfalls würden sie vermutlich kaum ihre Behauptungen, Alvaro sei der aktuell beste Pilot, dauernd wiederholen.

Die Wahrheit über die echten Kräfteverhältnisse

Eigentlich reicht ein kurzer Blick auf Alvaro Bautistas beide Jahre auf der absolut nicht langsamen Honda CBR-1000RR-R, um derartige Behauptungen ins rechte Licht zu rücken. Mit je einem dritten Rang als Bestergebnis 2020 und 2021 war der spanische Winzling WM-neunter und zehnter in dieser Zeit. Keinen Deut besser also, als derzeit seine Nachfolger Iker Lecuona und Xavi Vierge. Würde man ihn auf Topraks Yamaha setzen oder gar die durch die FIM 2021 böse kastrierte Kawasaki, Bautista müsste kämpfen wie ein Löwe, um nur schon in die Top 5 zu fahren. Oder glaubt wirklich jemand ernsthaft, Johnny Rea sei langsamer als in seinen erfolgreichsten Jahren 2015 bis 2020, als er für Kawasaki 6 Titel nacheinander einfuhr? Auf gleichwertigem Material dürfte Bautista gegen den Nord-Iren in der Regel auch heute noch keine Chance haben, was genauso gegen einen Toprak Razgatlioglu gilt. Weil er auf Strecken wie der von Aragon, Portimão oder San Juan aufgrund seiner PS-Vorteile so überlegen sein wird, kann Alvaro jedoch beruhigt sein. Solange ihn FIM und Dorna derart protegieren, kann er die Titelverteidigung so gut wie unmöglich verspielen. Die Frage ist nur, wie lange dies die Konkurrenzfirmen wie BMW, Honda, Kawasaki und Yamaha noch mitmachen werden.

Scott Redding (BMW M-1000RR) holte mit Rang 4 im letzten Rennen von Donington sein bestes Ergebnis der ersten Saisonhälfte. Wo er nächstes Jahr fahren wird, ist definitiv spannender als die Frage, wer 2023 den Titel in der WorldSBK holen wird. Sollte der schnelle Engländer bei den Blau-Weissen bleiben, wird er im kommenden Jahr Teamkollege von Toprak Razgatlioglu, wobei dies auch „Magic Michael“ van der Mark derzeit für sich beansprucht.

Was erwartet uns im zweiten Halbjahr 2023?

Weder in der WorldSSP 600 noch in der Superbike Weltmeisterschaft dürfte es spannend im Titelkampf werden. In beiden Klassen liegt eine Aruba.it Werks-Ducati einsam und fast ungefährdet in Führung. Mit Ausnahme von Imola und sofern es bei einem der kommenden Rennen noch regnen sollte, gibt es vor allem in der WorldSBK nur einen Favoriten und dies ist Alvaro Bautista. Dem kleinen Spanier wäre zu wünschen, dass seine Erfolge mehr Prestige bringen würden. Dies verhindert jedoch die Überlegenheit seines Motorrads, welchem er seine Dominanz in erster Linie zu verdanken hat. Läge der Termin für die siebte Runde der WSBK auf dem Autodromo Dino e Enzo Ferrari in Imola nicht mitten in der heissesten Jahreszeit, wäre Jonathan Rea wenigstens dort der haushohe Favorit. Weil seine Kawasaki ZX-10RR bei hohen Temperaturen jedoch zu wenig konkurrenzfähig ist, besitzt selbst auf diesem Fahrerkurs Alvaro voraussichtlich die besten Karten. Genauso in Nevers, weil der Circuit von Magny-Cours zu viele enge Kurven mit danach folgenden Beschleunigungsstrecken hat. Von den danach folgenden Strecken gar nicht erst zu reden. Deshalb kann auch Most als achte Runde nach Imola keine Trendwende bringen. Ducati kann den Champagner oder lieber doch vielleicht Prosecco demnach ruhig schon kaltstellen.

Danilo Petrucci (Barni Spark Racing Team Ducati, Panigale V4R) vor vier Werksfahrern und mit Axel Bassani dem zweitbesten Ducati Privatfahrer im zweiten Lauf. Der ehemalige MotoGP Ducati Werkspilot und Grand Prix Sieger mit der Nummer 9 holte mit Rang 3 sein erstes Podium der Saison. Wenn trotz maximalem Effort und höchstem Aufwand seines Teams ein sechsfacher Weltmeister wie der Mann mit der Nummer 65 im Bild damit jedoch chancenlos für einen Podestplatz ist, kann etwas nicht stimmen. Deshalb wird nach 2022 auch die WSBK Saison 2023 als sportliche Farce in die Geschichte eingehen.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).