WSBK 2019 – ein Rennen in 2 Katagorien?

Wie in den ersten beiden Runden in Australien und BuriRam, Thailand (wir waren vor Ort mit dabei, Fotos siehe Gallery-Link) fuhren in Aragon im Prinzip erneut 2 Kategorien bei World Superbikes mit. Einerseits sahen wir Moto-GP Replicas von Ducati, welche auf der Geraden jeweils rund eine halbe Sekunde zwischen sich und die um ca. 20-30 PS schwächere Konkurrenz zu legen vermochten. Auf der andern Seite bewies Jonathan Rea erneut eindrucksvoll seine Stärke und Kampfkraft. Bei den echten Superbikes (Motorräder wie man sie an jeder Rennstrecke und bei jedem Händler zuhauf stehen sieht) war er eine Klasse für sich und lag in dieser Kategorie in jedem Rennen vorne.

Die ersten beiden Startreihen in Aragon im 2. Lauf – Bautista (Ducati), Rea (Kawasaki) und Laverty (Yamaha) in Reihe 1. Chaz Davies (Ducati), Überraschungsmann Tom Sykes mit seiner BMW und Eugene Laverty auf der Ducati

Offenbar gibt es unzählige Berichterstatter, welche uns weismachen wollen, Alvaro Bautista hätte Jonny Rea mit fahrerischer Überlegenheit nun bereits beim dritten Event bezwungen. Vermutlich sind das Journalisten, welche möglicherweise noch nie selbst auf einem Rennmotorrad im Grenzbereich unterwegs waren. Solche Herren vergleichen die übrigen WSBK Fahrer gar mit Anfängern, in einem Anflug unbeschreiblicher Arroganz und Ignoranz. Allerdings ist dies schlicht kreuzfalsch. Jeder der die Rennen sachlich und nüchtern verfolgte, sah dies selbst: Der Unterschied liegt allein am Motorrad, was die Ducatis und den Rest des Feldes betrifft. In den Kurven sind Fahrer wie Tom Sykes auf seiner noch fast taufrischen BMW S1000 RR nach eigener Aussage überlegen. Wer beispielsweise WSBK BuriRam mit englischen Kommentatoren auf Eurosport verfolgte, bekam dies bestätigt. Die Experten am Mikrofon betonten mehrmals, wie Bautista in den Kurven Zeit auf Rea verlor und dafür auf den Geraden uneinholbar davonbrauste. Mit seiner Ducati legt Alvaro Bautista auf jeder Geraden rund eine halbe Sekunde zwischen sich und die Gegner. Deshalb kann er in den Kurven auf sicher fahren und gewinnt trotzdem in jeder Runde mindestens etwa 0.3 bis 0.6 Sekunden auf die Konkurrenz (BMW, Honda, Kawasaki und Yamaha). Aber wie konnte es überhaupt soweit kommen?

Chaz Davies auf der Ducati in Aragon. Nach privaten Ducati-Tests vor dem WSBK Rennen (was in der MotoGP undenkbar wäre) war er wie erwartet sehr konkurrenzfähig.

Fragwürdiges Motorrad von Ducati im Einsatz

Die FIM als Sporthoheit für MGP und WSBK erlaubte Ducati eine Maximaldrehzahl von über 16000 Umdrehungen pro Minute, während sämtliche anderen Konkurrenten mit rund 1500 bis 2000 U/Min tiefer eingebremst werden. Jedem Experten ist klar, dass bei gleichem Hubraum (1000 cm³) und Zylinderzahl (alle Hersteller treten mit 4 Zylinder-Motoren an) ein Leistungsplus von rund 20-30 PS erzielbar ist. Das Reglement erlaubte es Ducati, eine Replica der aktuellen MGP Maschine „zurecht zu schneidern“, welche für den Endkunden beinahe das Doppelte kostet als die Motorräder der Konkurrenz. Die FIM hätte allerdings so klug sein sollen, dies zu durchschauen und den Ducatis die erlaubte Maximal-Drehzahl auf das Niveau von Honda, Kawasaki, Yamaha und den Rückkehrern BMW festzulegen. Nachdem man dies verpasst hat, werden aktuell die Rennen in der WSBK völlig verfälscht und geprellt sind die Hersteller der anderen teilnehmenden Werke.

Markus Reiterberger auf seiner BMW S1000-RR, leider in Aragon mit viel Pech unterwegs.

Wieso die ersten 3 Rennen keine Spannung beim Kampf um den Sieg brachten

Man könnte fast meinen, die FIM wollte partout durchsetzen, dass Jonathan Rea auf seiner Kawasaki nicht ein 5. Mal in Folge Weltmeister wird. Auf der Strecke bleibt dabei allerdings die Fairness und der Sport, weil solche Rennen will kein echter Fan sehen. In Buriram konnte man beobachten, wie Bautista auf seiner Ducati die Kawasaki von Rea auf der Zielgerade locker und ohne Windschatten überholte und auf der folgenden Gerade bereits um 50-60 Meter distanzierte. Rea holte in den folgenden Runden jedesmal in den Bremszonen wieder etwas auf, hatte aber nicht ein mal die Chance, sich im Windschatten Alvaros zu halten. Jeder Kommentator, der in den letzten Jahren bemängelte, die Rennen seien durch die Überlegenheit von Rea fast schon langweilig, müsste sich heute die Zunge abbeißen. Zumindest, wenn er beobachtet, wie Bautista in Aragon in der ersten Runde locker schon fast die halbe Zielgerade Vorsprung hat. Auch der Paddock Show Sprecher, Michael Hill, hatte vor Ort keine Chance, noch in irgendeiner Form von einer Spannung um den Spitzenkampf zu reden. Aktuell hilft nur, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen und festzuhalten: Dies ist kein seriöser Vergleichskampf und auch kein Rennsport, wie ihn die Fans sehen wollen! Sicher haben die Spanier Freude, wenn ein Lokalheld plötzlich allen davonfährt, aber das Problem dabei ist definitiv die Art und Weise wie dies zustande kommt.

WSBK Rookie Sandro Cortese vor dem Start in Aragon. Von Startplatz 2 mit großen Erwartungen in die Rennen gestartet, mit den Plätzen 7, 9 und 10 etwas darunter liegend

Ein Vergleich als Hypothese

Setzt man beispielsweise Valentino Rossi und Marc Marquez auf eine Moto2 Maschine und lässt die beiden gegen Fahrer wie Karel Abraham, Tito Rabat und Hafizh Syahrin (auf deren MotoGP Motorrädern) antreten, passiert in etwa dasselbe wie aktuell in der WSBK. Auf kurvenreichen Strecken mit keiner allzu langen Geraden schaffen es Marquez und Rossi bestimmt einige Male aufs Podium, während sie auf Strecken wie Phillip Island, BuriRam und Aragon gegen die PS stärkeren Gegner hinterherfahren und sich von den Nobodys locker schlagen lassen müssten. Es würden sich danach bestimmt auch Berichte finden lassen, in welchen man Rossi und Marquez jegliche Fahrkunst abspricht.

Tom Sykes auf BMW – ein klarer Podiumskandidat für die weiteren Rennen.

Die Gefahren der aktuellen Situation – steigt BMW bald wieder aus?

Extrem schade ist vor allem auch, dass dies alles ausgerechnet in der Saison passiert, in welcher BMW als Werksteam in die WSBK zurückkehrt. Dass sich der bayrische Hersteller und die Kollegen von Honda, Kawasaki und Yamaha aktuell verschaukelt vorkommen müssen, ist besorgniserregend. Wieso Ducati als Rekordmeister in der World Superbike (allerdings auf ihren klassischen Zweizylinder-Motorrädern) den aktuellen Weg beschreitet, können nur die Verantwortlichen des Herstellers aus Borgo Panigale beantworten. Nach dem Aerodynamik-Skandal in der MGP ist Ducati offensichtlich auf Konfrontationskurs und wirkt, als wollen sie die Konkurrenz und die Motorsportfans für blöd verkaufen. Immerhin gilt dies zugleich für ihren Hauptsponsor Philipp Morris, welche offiziell verlautbaren ließen: Man wolle sich für eine Raucherfreie Zukunft einsetzen. Das macht soviel Sinn wie wenn Peter Maffay und die Stones bekannt geben würden, sie möchten künftig nur noch für Gehörlose auftreten.

Ein gutgelaunter Alvaro Bautista beim Interview in der Paddock Show (Links). Daneben Jonathan Rea und ein trotz erstem Podium und Platz 3 unzufriedenen Chaz Davies.

Einige Überraschungen gab es trotzdem

Doch nun einige Notizen zum sportlichen Geschehen aus der WSBK in Aragon. Tom Sykes auf BMW startete bereits beim 3. Event dieser Saison in Lauf 1 aus der 1. Reihe. Im Rennen beeindruckte er mit Platz 5 und somit der besten Platzierung für eine BMW seit 2017. Damals erreichte Jordi Torres auf einer nicht werksunterstützten BMW einen 5. Rang in Portugal.

Tom Sykes mit seiner BMW vor Lauf 2, im Vordergrund Eugene Laverty (Go Eleven Ducati).

Die beiden Deutschen Fahrer

Sandro Cortese startete sogar auf Platz 2, konnte allerdings die dadurch geweckten Erwartungen nicht vollständig erfüllen und landete in Lauf 1 auf Platz 7. Jonathan Rea ging nur auf Startplatz 10 ins erste Rennen und kollidierte leider mit Markus Reiterberger auf seiner BMW, welcher dadurch zu Sturz kam. Rea bekam dies erst nach dem Rennen mit und drückte sein Bedauern dazu aus. Beide Fahrer waren sich darüber einig, dass dies ein normaler Rennunfall war und der Bayer „Reiti“ blieb glücklicherweise unverletzt.

Markus Reiterberger nach seiner Startkollision mit Jonathan Rea in Lauf 1, noch leicht benommen am Boden kauernd. Links oben im Bild liegt seine BMW.

Rea und Lowes erneut beeindruckend

Während Jonathan Rea immer das für ihn erreichbare Maximum von Platz 2 erreichte, steigerte sich Teamkollege Ron Haslam nach einem 9. Platz im 1. Rennen. Im Superpole-Race erreichte er Platz 7 und im 2. Lauf nach hartem Kampf mit Jonny Rea und Chaz Davies letztlich auf Platz 4. Alex Lowes fuhr als bester Yamaha Fahrer sehr stark und landete in Lauf 1 auf Platz 4. Im Superpole Rennen gelang ihm dasselbe Resultat, während er in Lauf 2 (eigentlich das 3. Rennen, WSBK ist seit 2019 reichlich verwirrend) aufgrund von Reifenproblemen nicht über Platz 5 hinauskam.

Jonathan Rea vor Lauf 1, nur auf Platz 10 stehend. Danach ging es für ihn allerdings wie gewohnt sehr schnell nach vorne und mit Platz 2 holte er das Maximum heraus.

Die weiteren Yamaha Fahrer und Reiti’s Pech

Hinter „Magic Michael“ van der Mark (mit den Rängen 6, 15 im SP Rennen nach einem Sturz in der 1. Kurve und 8 in Lauf 2) konnte sich Sandro Cortese als drittbester Yamaha Fahrer akzeptabel in Szene setzen. Mit den Rängen 7, 9 (im SP Race) und 10 liegt der Italo-Schwabe mit 56 Punkten auf Platz 8 im Gesamtklassement der WM.

Marco Melandri kam in Aragon gar nicht auf Touren und nicht über die Ränge 12 und zweimal 11 hinaus. Dem für BMW startenden Markus Reiterberger ging es allerdings noch schlechter. Nach seinem Sturz im 1. Lauf und einem weiteren Nuller im Superpole Sprint-Rennen, kam er im letzten Lauf gerade noch als 15. in die Punkte. Teamkollege Tom Sykes läuft es hingegen immer besser und mit aktuell 39 Punkten als Neunter im WM-Klassement darf man auf die nächsten Rennen gespannt sein. Wir drücken die Daumen für Assen am nächsten Wochenende, vielleicht sehen wir ihn ja schon bald auf dem Podium! Dem stets gut gelaunten und meist zu Späßen aufgelegten Engländer, wäre es nach dem nicht ganz risikolosen Umstieg von der Kawasaki auf die brandneue BMW, natürlich zu gönnen.

Laverty und Torres – es geht langsam aufwärts

Nach einem Sturz beim Versuch, den knapp vor ihm liegenden Chaz Davies im 1. Lauf noch zu erwischen, konnte sich Eugene Laverty (Go Eleven Ducati) wieder aufrappeln und sich auf den 15. Platz retten. Die Plätze 6 im SP Race und Lauf 2 deuten darauf hin, dass es mit ihm in den nächsten Rennen nach oben gehen kann. Mit den Plätzen 10, 7 (im SP Rennen) und 8 in Lauf 2 schlug sich der Spanier Jordi Torres auf seiner Pedercini Kawasaki achtbar.

Jordi Torres vor Lauf 1 – auf Startplatz 9 mit seiner Kawasaki ZX-10RR

Toprak und van der Mark in der Kälte von Aragon

Nach den Rängen 8 und 10 landete Toprak Razgatlioglu (Pedercini Turkish Kawasaki) im 2. Lauf aufgrund eines technischen Defekts nicht in den Punkten und musste aufgeben. Ihm und dem Holländer van der Mark war anzusehen, dass die kalten und windigen Bedingungen (das Thermometer kam kaum über 10 Grad Celsius am Rennwochenende) definitiv nicht entgegenkamen.

Toprak Razgalioglu vor dem Start auf seiner Pucetti Kawasaki. Bei Temperaturen um 10 Grad Celsius kam er diesmal nicht richtig auf Touren.
Immerhin eine kleine Türkische Delegation erwies Toprak in Aragon die Ehre.

Hoffen wir für Assen auf besseres Wetter, wobei die derzeitigen Prognosen leider nicht darauf hindeuten. Der Engländer Leon Camier und sein Teamkollege Ryuichi Kiyonari aus Japan hatten mit ihren Hondas wie erwartet noch einige Probleme und landeten ohne Aussicht auf Top Ten Platzierungen jeweils hintereinander (Camier vor Kiyonari) knapp in den Punkterängen.

Ungewohnt weit hinten, vorne Links Michael van der Mark und im Bild über ihm Marco Melandri (beide Yamaha). Dahinter unten Leon Haslam (Kawasaki), darüber Leon Camier (Honda) und rechts oben Toprak Razgatlioglu (Kawasaki).

Resultat Lauf 1 in Aragon

Resultat Superpole-Race Aragon

Resultat 2. Lauf Aragon

Update 10.4.19 um 14:05 – FIM ändert das Drehzahllimit

Das Limit für den Ducati V4 R wurde um 250 U / min reduziert, während das Limit für Honda um 500 U / min erhöht wurde. Diese Änderung ist bereits für das Rennen in Assen wirksam. Ab sofort gelten folgende Limits:

Auswirkungen höchst fragwürdig

Selbstverständlich bringt eine Reduktion von nur 250 U/Min für Ducati so gut wie rein gar nichts. Wir hätten darauf wetten können, dass die FIM nur in homöopathischen Schritten zurückgehen wird. Viele Fans und Zuschauer befürchten natürlich nun zu Recht, dass die nächsten Rennen weiterhin sehr einseitig bleiben werden. Schade für eine eigentlich derart gute Serie wie die WSBK und ein Schlag ins Gesicht für die anderen Hersteller!
Sollte Alvaro Bautista und Ducati auf diesem Weg den Weltmeistertitel holen, ist er aus sportlicher Sicht demnach absolut wertlos.