Wer wird WorldSBK Champion im nächsten Jahr?
Seltsam eigentlich, dass diese Fragestellung seit vielen Jahren das erste Mal komplett anders formuliert werden muss. Bisher war in aller Regel meist nur offen, per wann der alte neue Weltmeister diesmal feststehen wird. Weder ein Tom Sykes, noch Chaz Davies, Alvaro Bautista oder Scott Redding konnten in den letzten sechs Jahren daran etwas ändern. Jonathan Rea hatte jedoch bereits vor zwei Jahren angekündigt, dass er Razgatlioglu für einen seiner vielleicht schärfsten Konkurrenten für die nahe Zukunft halten würde. Wenig später gab ihm der Türke recht und zeigte eine beeindruckend starke Saison, in welcher er das erste Mal über mehrere Wochenenden auf Augenhöhe mit dem Kawasaki Ass kämpfen konnte. Dieser kämpfte mit einem wenige Tage vor Saisonbeginn durch die unsportlich agierenden FIM-Kommissare förmlich kastrierten neuen Bike mit dem Messer zwischen den Zähnen teils auf verlorenem Posten. Die Folge davon waren zu viele Stürze, was man sich bisher höchstens von seinem Teamkollegen Alex Lowes gewohnt war und am Ende der Verlust des Titels. Viele fragen sich nun, ob nur er dem Türken im kommenden Jahr ernsthaft Paroli bieten kann.
Die Zahl der Podiums-Anwärter stieg beträchtlich
Nebst „Magic“ Michael van der Mark und Scott Redding hat BMW zwei weitere Piloten für kommende Saison unter Vertrag, welche jederzeit für einen Podestplatz gut sind. Auch wenn es eine Weile her ist, aber Eugene Laverty stand in seiner Karriere sogar 13 Mal zuoberst auf dem Siegertreppchen. Aber auch sein Bonovo Action BMW Teamkollege für kommendes Jahr braucht sich im Paddock nicht zu verstecken. Mit Loris Baz angelten sich die Blauweissen einen Mann, der nicht nur im Regen in der Lage sein wird, einem Toprak Sorgenfalten auf die Stirn zu treiben. Mit Alvaro Bautista hat das Ducati-Werksteam einen Nachfolger für Redding unter Vertrag genommen, der Jonathan Rea die bisher längste sieglose Serie in seiner Kawasaki Ära zufügte. An der Seite von Michael Ruben Rinaldi ist der kleine Spanier alles andere als eine Geheimwaffe im Kampf der Roten um die Rückeroberung des WM-Titels. Mit Alex Lowes hat Kawasaki nebst dem Rekordweltmeister dazu selbst einen Piloten unter Vertrag, der jederzeit für ein Podium gut ist. Bei ihm geht es aber in erster Linie darum, ob er fit genug sein wird, nachdem ihm seine angeschlagene Schulter fast die ganze Saison vermiest hatte.
Die vielen Mitfavoriten auf das Podium
Eigentlich gehören Garrett Gerloff und Yamaha Kollege Andrea Locatelli gar nicht dazu. Aber der Vollständigkeit halber sollte man die beiden keinesfalls übersehen, wenn es um die weiteren Anwärter für Podestplätze geht. Der Texaner bewies bereits zweite Saisonhälfte, dass er ganz vorne mitkämpfen kann und der Italiener machte es ihm ein Jahr danach im Werksteam der Blauen nach. Während nicht nur seine Fans um die Fortsetzung der Karriere von Tom Sykes zittern, ging dieser bei HRC Honda leider leer aus. Statt dem Spaßvogel aus Huddersfield und Landsmann Leon Haslam verpflichteten diese zwei vielversprechende junge Talente aus Moto2 und MotoGP. Mit den beiden Spaniern Iker Lecuona und Xavi Vierge dürfte der weltgrößte Motorrad-Hersteller im kommenden Jahr definitiv für Furore sorgen.
Weitere Kandidaten – zumindest für einige positive Überraschungen
Mit Axel Bassani fuhr sich ein junger Italiener 2021 mitten in die Weltspitze, mit dem nur die wenigsten gerechnet hatten. Den endgültigen Durchbruch schaffte der erst 22-jährige aus Feltre am südlichen Ausläufer der Dolomiten auf dem Circuito de Cataluña, als er im ersten Lauf Rang zwei belegte und sich nur Redding geschlagen geben musste. Nebst ihm ist mit Philipp Öttl ein weiteres junges Talent zu nennen, der durchaus das Zeug dazu hat, nach seinem Aufstieg aus der WorldSSP 600 zumindest im vorderen Mittelfeld ein Wörtchen mitzureden. Am Ende sollte man auch Lucas Mahias beileibe nicht vergessen, der infolge Verletzungspech bedauerlicherweise die letzten vier Runden der zweiten Corona-Saison verpasst hatte. Der schnelle Franzose bewies trotz fehlender Testmöglichkeit auf der Kawasaki ZX-10RR Ninja, dass er jederzeit das Zeug für Top Ten Resultate hat.
Die Saison 2021 im Rückblick
Trotz zu vieler Stürze legte Jonathan Rea erneut eine sensationelle Saison hin, als er wie Toprak 13 Siege einfahren konnte. Mit einem Total von 112 steht der Nord-Ire bei einer Marke, die voraussichtlich kein Pilot in Zukunft noch wird erreichen können. Carl Fogartys 59 Triumphe dürfte das Kawasaki Ass bereits im kommenden Jahr um das Doppelte übertreffen. Hinter dem WM-Dritten Scott Redding entschied beim Saisonfinale in Indonesien Andrea Locatelli den Kampf um die beste Platzierung eines Italieners 2021 nicht unverdient für sich. Das starke letzte Saisondrittel von Michael van der Mark lässt die BMW-Fans hoffen, dass der Mann aus Gouda und sein neuer Teamkollege Redding in der kommenden Saison ganz vorne mitkämpfen können.
Die Enttäuschungen der abgelaufenen Saison
Zu den größten Enttäuschungen gehörten nebst Chaz Davies ganz klar Tito Rabat und Jonas Folger. Die beiden Letztgenannten wurden von Loris Baz nach nur 5 Rennen des Franzosen als Ersatzfahrer am Ende noch aus den Top 15 verdrängt. Pechvogel des Jahres war nicht zum ersten Mal Eugene Laverty, dessen Team ab Assen komplett von der Bildfläche verschwand. Leider hatten wir bereits vor dem ersten Rennen darauf hinweisen müssen, dass der sympathische Nord-Ire ein Opfer unsauberer Machenschaften werden würde. Zum Glück erhielt er beim Kundenteam von BMW mit Bonovo Action für 2022 nochmals eine neue Chance. Nicht mehr mit am Start stehen wird hingegen mit Jonas Folger die einzige deutsche Hoffnung der abgelaufenen Saison. An seiner Stelle wird Philipp Öttl auf einer Ducati Panigale V4R versuchen, die Fahnen seines Landes und zugleich des Bundeslandes Bayern hochzuhalten. Enttäuschenderweise ist dem Sohn von Moto3 Teamchef Peter dabei kein Heimrennen vergönnt, da Oschersleben sich bereits 2020 durch die Pandemie zu einem Rückzug gezwungen sah und nach diesem Verzicht keine neue Chance mehr erhielt.
Der provisorische Kalender für 2022
Wie in der MotoGP ist der Plan von FIM und Dorna alles andere als sicher, was sich bereits für die letzten zwei Jahre schmerzhaft zeigte. Immerhin besteht dank Europarunden zu Beginn eine Chance für wenige Absagen zu Beginn. Der Start in Aragon und die Fortsetzung in Assen ist jedoch alles andere als garantiert. Ohne deutsche Runde und ohne Jerez de la Frontera klaffen empfindliche Lücken in der Planung für 2022. Vor allem sind aktuell erst 11 statt der sonst üblichen 13 Runden mit einem Datum versehen. Hinter Australien steht aufgrund der Pandemie erneut ein starkes Fragezeichen, was jedoch auch für die anderen Veranstaltungen gilt, sollten keine Zuschauer für die Rennen zugelassen werden. Zudem sind natürlich die aktuellen regionalen Entwicklungen der Pandemie massgebend. Insofern könnte bereits zum dritten Mal das Covid-Virus mit seinen gefährlichen Mutationen bezüglich des Kalenders die Regie übernehmen.
Die Suche nach den wahren Schuldigen an der „Rückkehr der Pandemie“
Für Sportler ist eine vernünftige Planung ein sehr wichtiger Faktor zur Vorbereitung einer Saison. Aktuell scheint es jedoch erneut fast unmöglich, die Entwicklung der Pandemie für die nahe Zukunft abzuschätzen. Dies haben die Fans, Teams und Fahrer mitunter Idioten zu verdanken, welche sich als Experten ausgeben und der Öffentlichkeit trotzdem laufend Fehlinformationen liefern. Sogar sogenannte Virologen behaupten immer noch, eine Impfung schütze vor der Infektion mit dem gefährlichen Covid-19-Virus. Sie gelten damit für viele wahren Kenner der Pandemie-Problematik als mitschuldig am oft verantwortungslosen Umgang vermeintlich gut geschützter Mitmenschen mit dem hohen Risiko. Mitunter deshalb und weil munter viel gereist wird, ist immer wieder mit Rückschlägen zu rechnen und damit ist der aktuelle Kalender eher Wunschprogramm als realistische Planung. Zumindest zeigen die Zahlen von Singapur und Portugal mit hoher 7-Tage-Inzidenz trotz extrem guter Impfquote von über 90 Prozent, dass die „Ungeimpften“ völlig zu Unrecht von unzähligen Politikern und anderen Dummschwätzern für den erneut dramatischen Anstieg der Zahlen verantwortlich gemacht werden können.
Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).
Noch keine Kommentare