Jonathan Rea (Kawasaki ZX-10RR) vor Leon Haslam (Honda CBR-1000RR-R) – die Dominanz des 6-fachen Weltmeisters liegt beileibe nicht in erster Linie an seinem Bike. Wie meist im Motorrad-Rennsport macht auch in der WSBK der Fahrer gut 80 Prozent des Erfolgs aus. Andernfalls wäre Leon Haslam vor 2 Jahren Vize-Weltmeister geworden und 2020 Alex Lowes (© Kawasaki Racing Team).

Ausgeglichene Kräfteverhältnisse früher und heute in der WorldSBK

Während in der Saure-Gurkenzeit viele Schreiberlinge mit kopierten alten Geschichten und oft gar Wiederholungen enttäuschen, graben wir gerne etwas tiefer. Vor allem sind wir auch wesentlich sorgfältiger als viele anderen beim Durchsuchen und auswerten unseres beinahe unerschöpflichen Archivs. Fehler wie beispielsweise die Behauptung, Corser sei der erste private Superbike Weltmeister auf der Power Horse Ducati im Jahr 1996 gewesen, können so bei uns fast nicht passieren. Keiner ist unfehlbar und auch wir entdecken täglich Verbesserungspotenzial. Aber wer einen Doug Polen und sein US-Amerikanisches Team „Fast by Ferracci“ im Jahr 1991 der WSBK übersieht, ist entweder dumm oder ein Ignorant.

Doug Polen, der Fahrer des„Fast by Ferracci“ Teams aus den USA auf der Ducati 851 WSBK 1991 Champion und Sugo Gewinner. Sein Teamchef wanderte in den 60-er Jahren in die USA aus und machte sich in den Vereinigten Staaten einen Namen als Tuner, insbesondere für Ducati-Motorrader (© WorldSBK).

Das vermeintliche Wissen – mit unzähligen Fehlern
In einer Zeit, wo manche Journalisten ihre vermeintliche Weisheit aus Wikipedia beziehen und oft englische Texte nur mit simplen Mitteln übersetzen, stehen manch Lesern die Haare zu Berge. Die Fehler in solchen „Wissens-Datenbanken“ sind unzählbar und oft katastrophal, besonders im Motorsport. Dazu ist Wahrheitsgehalt im Journalismus leider nur ein Wort, siehe dazu auch Artikel der Alltags- und Boulevard-Presse. Bei der laufenden Überarbeitung unserer History der ersten WorldSBK Jahre (siehe auf dieser Seite unter „History“, wir ergänzen laufend mit zusätzlichen Bildern und Resultat-Blättern) fiel uns etwas auf, was heute wieder sehr ähnlich ist und dazu dieser Artikel.

Fred Merkel (Honda VFR750 RC 30) – laut Wiki nur in den ersten beiden WorldSBK Jahren erfolgreich. Verwirrend dabei nur: Dem Kalifornier gelangen 1990 drei Siege und weitere vier Podestplätze und somit mehr als 1988 bei seinem ersten Titel. Dies als Paradebeispiel, was für Schmarrn oft in der vermeintlichen Wissensdatenbank hinterlegt wird, derer sich oft genug auch Journalisten bedienen. Merkel fehlte übrigens 1990 aufgrund einer Nackenverletzung kurz nach Saisonmitte und lag bis dahin noch auf Tuchfühlung mit dem späteren Weltmeister.

Die Ausgeglichenheit der ersten 3 WorldSBK Jahre

Was heute kaum mehr vorstellbar ist: Damals waren 3 Hersteller exakt punktgleich mit je 16 Siegen. Erstaunlich war dies aber nach den drei ersten Jahren der WorldSBK nicht. Eher schon dabei die Tatsache, dass mit Suzuki ausgerechnet die Marke weit hinten lag, welche 1985 mit der legendären GSX-R750 das erste Superbike der Japaner überhaupt auf den Markt gebracht hatte. Davor waren vor allem die Fahrwerke der sportlichen Bikes aus Fernost gelinde ausgedrückt eine Zumutung.

Exakt aus zuletzt genanntem Grund begründete sich in den 80-er Jahren der Erfolg der italienischen Marke Bimota, die damals mit dem 5-Ventil Vierzylinder-Reihenmotor von Yamaha antraten. Aber die Japaner lernten schnell und legendäre Fahrwerks-Konstrukteure wie Bimota, Egli (Schweiz) und Harris (England) bekamen dadurch zusehends Probleme.
Ducati mit 16 Siegen bis 1990 – im dritten Jahr der WorldSBK begann mit Roche und Falappa, der aufgrund von Verletzungen 1990 nur ein Drittel der Rennen bestritt, der erste Aufschwung der Marke aus Borgo Panigale. Deren Modell 851 hatte übrigens in der Rennversion bereits 888 cm³, während die japanischen 4-Zylinder bis 2003 auf 750 cm³ Hubraum limitiert waren.
Die Basis für die Erfolge des Weltgrößten Motorrad-Herstellers bildete das legendäre Modell VFR750 RC 30, womit Fred Merkel die ersten beiden WM-Titel der WorldSBK einfuhr. Als AMA Superbike-Champion von 1984 bis 1986 hatte er unter anderem Siege über Fahrer wie Wayne Rainey, Eddie Lawson und Kevin Schwantz in der nationalen Serie eingefahren. Sie alle sollten später als 500 cm³ Weltmeister Geschichte schreiben, während der Kalifornier dies in der WSBK tat.
Eigentlich konnten sich die Leute bei Kawasaki mit erst 5 Siegen damals zurücklehnen, hätten sie gewusst, was für ein Juwel mit Jonathan Rea ihnen später zu unbeschreiblichem Ruf und Ehre verhelfen würde. Als erster japanischer Hersteller, der 1972 mit deren Modell Z1 900 ein Serienbike mit über 750 cm³ auf den Markt brachte, ist die Marke für Verehrer von Big-Bikes früh zur Legende geworden.
In den ersten Jahren engagierte sich Suzuki als Werk nicht ernsthaft in der WorldSBK – dies genau die Parallele zu heute. Auch ihr MotoGP Sieg im ersten Corona-Jahr 2020 tröstet Fans der Marke nicht darüber hinweg. Ab den goldenen 90-ern machten sie immerhin ernsthaft mit und 2005 kam es dann doch noch zu einem Fahrer-Titel durch Troy Corser, bevor Suzuki sich wieder werksseitig zurückzog.
Viele kennen die Yamaha YZF-R1 nicht nur aufgrund ihrer sportlichen Erfolge. Dass die japanische Marke damals mit dem 5-Ventil 4-Zylinder Reihenmotor ein absolutes Sahnestück von Triebwerk produzierten, wissen heute fast nur noch ältere Semester. Der Autor dieses Artikels wurde an der Grenze von der Slowakei in die Tschechei von einem Zöllner 1990 sogar mal gebeten, damit ein Burn-out hinzulegen. Abstellen ohne Menschenauflauf ging dort damals genauso schlecht wie kurze Zeit davor mit einer Wankel-Suzuki RE-5 irgendwo in Europa.

Und heute – wo liegen die Unterschiede und wo die Parallelen?

Statt früher Bimota ist nun BMW mit von der Partie, seit deren Rückkehr als Werksteam auf die Saison 2019. Suzuki ist weit von einem Comeback entfernt und heute haben wir eine Ausgeglichenheit, die an die ersten Jahre der WorldSBK erinnert. Die Pneus sind, obwohl Pirelli-Einheitsreifen einer der wichtigsten Faktoren nebst Hubraum- und Leistungsplus gegenüber damals. Über die elektronischen Fahrhilfen streiten sich manche Geister. Nach seinem Crash von Imola 2019 gehört Eugene Laverty wohl mit zu den eifrigsten Verfechtern, da er damals aufgrund deren Abschaltung beide Handgelenke brach. Rossi lernte die giftigen 500-er Zweitakter als letzter noch aktiver MotoGP Fahrer jedenfalls ohne Elektronik-Helferlein beherrschen. Mit Ausnahme von BMW sind jedenfalls nun in der WorldSBK bereits seit dem Vorjahr auf Augenhöhe. Wollen wir hoffen, mit der M-1000 RR gelingt es, die winzige Lücke für 2021 nun zu schliessen. Aber definitiv ist jeder Spitzenfahrer kommende Saison auf jedem der Fabrikate siegfähig.

Michael Ruben Rinaldi (GoEleven Ducati Panigale V4R) von uns am 1. März 2020 in Phillip Island (Australien) vor Maximilian Scheib, Sandro Cortese (beide Kawasaki ZX-10RR) und Leon Haslam (HRC Honda CBR-1000RR-R) in Kurve 4 (genannt Honda Corner) fotografiert. Der junge Italiener war als Privatfahrer einer von 7 unterschiedlichen Siegern 2020. Niemand wird bestreiten wollen, dass sein Team-Nachfolger Chaz Davies auch kommende Saison das Zeug für weitere Erfolge haben wird. Fazit: Die Ausgeglichenheit von früher haben wir heute wieder erreicht, was auch für die MotoGP gilt und dazwischen lange Zeit nicht mehr so gewesen war.