Jonathan Rea (Kawasaki, links als Sieger im ersten Lauf) und sein ehemaliger Teamkollege Tom Sykes (BMW, als Zweitplatzierter), welcher für die Blau-Weißen in Misano als Ersatz für „Magic“ Michael van der Mark antreten wird – von uns 2019 in Misano fotografiert. Sollte es dieses Jahr erneut regnen, sind ihre Chancen für ein gutes Resultat durchaus intakt. Andernfalls dürften nicht nur die beiden WorldSBK Helden gegen die von FIM und Dorna absichtlich bevorzugte Ducati-Speerspitze Bautista wie so oft chancenlos sein.

Ohne Regen keine Chance für Bautistas Gegner

Ducati dürfte in Misano bei trockenen Verhältnissen keine Gegner fürchten müssen. Insbesondere Alvaro Bautista ist durch seine haushohen Vorteile beim Leistungsgewicht gegenüber der Konkurrenz derzeit nur bei Regen ernsthaft gefährdet. Im Prinzip ist durch den Entscheid von Dorna CEO Carmelo Ezpeleta und FIM Direktor Jorge Viegas die WM 2023 jedoch bereits so gut wie entschieden. Obwohl die Hersteller sich auf die Einführung eines in fast allen anderen Klassen üblichen Minimalgewichts für Fahrer und Maschine entschieden hatten, kippten die beiden Herren diesen Beschluss einfach kraft ihres Vetorechts. Damit hat die seit 2019 mit deutlich höherer Maximaldrehzahl gegenüber den Konkurrenzfabrikaten antretende Ducati Panigale V4R mit Leichtgewicht Alvaro Bautista in Beschleunigung und Topspeed keine Gegner zu fürchten. Wie von uns vor 4 Jahren bereits festgehalten, fährt dieses Gespann eigentlich in einer eigenen Liga und profitiert auf längeren Geraden von einem Topspeed Vorteil von gut 15 km/h. Spannend wird es damit höchstens noch bei Regen und was die Platzierung hinter dem WM-Leader betrifft.

Die Kurssetzung des Misano World Circuit Marco Simoncelli nahe des Küstenorts Misano Adriatico und der Touristenmetropole Rimini. Nach dem fürchterlichen Unfall von US-Star Wayne Rayney (USA) auf seiner 500 cm³ Yamaha im Grand Prix Rennen von 1993 gab es eine Pause auf dem ehemaligen Autodromo di Santa Monica und seither wird in umgekehrter Richtung gefahren.

Trotz verfälschter Statistik – Bautista in Misano ein absoluter Nobody

Jedem Fan von Helden wie „Nitro Nori“ Haga, „King Carl“ Fogarty, Colin Edwards und anderen Helden aus den goldenen Jahren der WorldSKB blutet häufig das Herz, wenn er die aktuellen Erfolgsgeschichten von neueren Piloten wie Toprak und Bautista liest. Gerade erst wurde der Türke nach seinem angekündigten Weggang von Yamaha nach nur 3 Jahren mit Noriyuki Haga und dessen Leistungen für den japanischen Hersteller von den Dorna Presseleuten verglichen. Dabei wurde betont, wie Razgatlioglu den Rekord des Japaners bezüglich Siegen und Podestplätzen übertroffen habe. Aber dies ist wie so oft in der heutigen Zeit nicht einmal die Hälfte der Wahrheit. Im Gegensatz zu den in diesem Jahr auch in der MotoGP neu eingeführten Sprintrennen zählen die Offiziellen nämlich die Siege der Superpole Races einfach wie volle Rennerfolge, was im Prinzip gleich doppelt falsch ist. Zur Zeit von Foggy und Haga gab es nur zwei Läufe pro Wochenende und seit 2019 sind es deren drei, wobei es für das Superpole Race nur halbe Punkte gibt. Trotzdem zählen die meisten Medienleute diese fälschlicherweise für voll. In der MotoGP hingegen gilt ein Sieg über das dort 12 Runden (in der WorldSBK sind es 10) dauernde Sprintrennen nicht für die Statistik, was Grand Prix Erfolge betrifft und so ist es auch korrekt, da auch dort nur mit halben Punkten belohnt.

Unsere Aufnahme von der Start-Zielgeraden und im Hintergrund dem Boxengebäude von Misano. Sollte die Wetterprognose mit Stand Ende Mai für die Region auf das erste Juni-Wochenende wahr werden, könnte es am WorldSBK Wochenende nass werden. Damit würden die Gegner des amtierenden Weltmeisters eine unerwartete Chance auf den Sieg erhalten.

Die wahren Helden der Superbike Weltmeisterschaft in Misano

Verglichen mit den besten Fahrern der Geschichte sind Bautista und Toprak was ihre bisher 2 Laufsiege in Misano betrifft, absolute Nobodies. Vor allem im Vergleich zu Johnny Rea (8 Siege) und Troy Bayliss (6), wobei auch Max Biaggi und Tom Sykes mit damals nur 2 Rennen pro Wochenende viermal zuoberst auf dem Podium standen. Zwischen den beiden letztgenannten Fahrern wurde 2011 die Weltmeisterschaft um einen halben Punkt entschieden. In jener Saison gab es übrigens neun verschiedene Laufsieger und mit nebst Sykes auch Jonathan Rea und Loris Baz (beide wie der Engländer auf Kawasaki), sind drei davon auch dieses Jahr immer noch mit dabei. Übrigens waren vor 12 Jahren nicht weniger als 5 Fabrikate auf dem obersten Treppchen des Podiums vertreten, das waren noch goldene Zeiten im Vergleich zu heute! Zwei Piloten auf Aprilia waren damals siegreich (Biaggi und Eugene Laverty), mit Rea einer auf Honda, sowie Marco Melandri auf BMW und das Kawasaki Duo Sykes und Baz. Und heute? Weil Bautista im Sprintrennen von Mandalika stürzte, erbte Toprak den Sieg vom kleinen Spanier, welcher in allen anderen 11 Rennen keinen Gegner zu fürchten hatte. Dies kann nicht im Sinn des Sports sein, auch wenn sich bestimmt viele Ducatisti auf das Wochenende in Santa Monica bei Misano freuen werden.

Ducati Ikone Troy Bayliss mit seinem anfangs des neuen Jahrtausends größtem Widersacher Colin Edwards (Honda) – gegen ihre Leistungen verblassen viele der heutigen Resultate von Fahrern wie Razgatlioglu und Bautista. Dies vor allem, weil es damals nur 2 Läufe pro Wochenende gab und die Konkurrenz wesentlich stärker war, als sie es für die heutigen Spitzenfahrer ist. Mehr über die damaligen Jahre siehe in unserer reich illustrierten History über die WorldSBK.

Zwischenstand in der Weltmeisterschaft – eintönig

Sieht man sich im Kalender die noch ausstehenden Runden auf Strecken wie Aragon, Portimão und San Juan mit deren endlos langen Geraden an, besteht wenig Hoffnung auf Spannung bezüglich dem WSBK-Titelkampf für die Saison 2023. Die Experten im Paddock sind sich einig, dass aktuell eine Zweiklassen-Gesellschaft besteht, in welcher Ducati haushoch bevorteiligt ist. Man darf sich deshalb nicht darüber wundern, dass die WorldSBK derzeit weit davon entfernt ist, bezüglich Zuschauerzahlen die MotoGP deutlich zu überflügeln. In den goldenen 90-er Jahren fristete die Königsklasse der Prototypen in diesem Bereich gegenüber der seriennahen Weltmeisterschaft oft förmlich ein Schattendasein. Aber 1996 lagen beispielsweise am Jahresende die ersten 4 im Titelkampf nur durch 38 Punkte getrennt. Weltmeister wurde Corser mit insgesamt 7 Siegen vor Aaron Slight (Honda, 1), John Kocinski (Ducati, 5) und Carl Fogarty (Honda, 4). Die damalige Yamaha Speerspitze Colin Edwards wurde WM-fünfter vor „Frankie“ Chili (Ducati, 2 Siege) und den beiden Kawasaki Assen Simon Crafar und Anthony Gobert (3 Siege). In ihrer japanischen Heimat vermochten sogar Takuma Aoki und sein Landsmann Yuichi Takeda damals auf Honda je ein Rennen zu gewinnen. Von einer derartigen Vielfalt sind wir leider derzeit um Lichtjahre entfernt.

Carl „Foggy“ Fogarty auf Honda vor Pierfrancesco „Frankie“ Chili und Troy Corser (beide Ducati) in der WSBK Saison 1996. Im Gegensatz zu Alvaro Bautista vermochte „King Carl“ auch auf der Honda durchaus zu überzeugen und immerhin 4 Rennen zu gewinnen. Mehr als zwei dritte Plätze waren für den Spanier in den beiden Jahren (2020 und 2021 auf Honda) nicht drin, wobei danach auch Iker Lecuona und Xavi Vierge kaum weniger erfolgreich als er waren. Dies wirft einen schweren Schatten auf die drückende Überlegenheit des aktuellen WM-Leaders und amtierenden Weltmeisters auf der Ducati.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).