Dramatische Rennen bei der Premiere im Norden Tschechiens
Die Feier seines zweihundertsten Podium hätte Jonathan Rea definitiv lieber mit einem Sieg gefeiert. Doch nach zwei Stürzen im ersten Lauf am Samstag konnte er diese Marke erst im Superpole Sprintrennen am Sonntagmorgen knacken. Weil auch noch Alex Lowes fast gleichzeitig wie der hinter ihm folgende Chaz Davies im ersten Rennen einen Crash hinnehmen musste, erlitt das Kawasaki Team trotz am Ende noch Rang 14 einen schwarzen ersten Tag. Noch schlimmer erwischte es jedoch WSSP 600 Pilot Marc Alcoba, der mit Radiusfraktur links und einer Verletzung am rechten Knöchel im Spital landete und am Sonntag pausieren musste. Jonas Folger blieb nach guten Zeiten am Freitag ein weiteres Mal punktelos und auch Chaz Davies und Tito Rabat hatten sich mit nur 4, respektive 3 Zählern das Most Wochenende definitiv anders vorgestellt. Rea und Lowes hingegen holten am Sonntag immerhin Punkte und hielten damit den Schaden in Grenzen, bevor es in zwei Wochen nach Spanien geht.
Das beinahe perfekte Wochenende für Razgatlioglu und Yamaha
Toprak Razgatlıoğlu (Pata Yamaha mit Brixx): „Ich bin wirklich glücklich, für mich war es ein sehr gutes Wochenende und mein Team hat einen unglaublichen Job gemacht, wir arbeiten alle wirklich hart. Zwei Siege und ein zweiter Platz, das ist in der Tat nicht schlecht. Im letzten Rennen haben wir eine etwas andere Fahrwerksabstimmung ausprobiert, mit der ich mich im Rennen ich mich nicht ganz so wohlgefühlt habe. Ich hatte versucht, Scott zu folgen, und ich habe auch versucht, den Hinterreifen nicht zu überfordern. Aber nach einigen Runden spürte ich es etwas klappern am Hinterrad und bekam weniger Grip. Deshalb dachte ich mir an dieser Stelle, der zweite Platz reicht mir auch, weil wir an diesem Wochenende so gute Punkte für die Meisterschaft mitnehmen. Es ist auch sehr gut für Yamaha, die Herstellerwertung anzuführen. Dazu und auch eine sehr gute Situation für mich, weil in diesem Jahr bin ich das erste Mal sehr nah an Jonny in der Fahrerwertung dran. Für ist das etwas Neues und vielleicht bin ich auch manchmal etwas gestresst. Aber ich konzentriere mich nur auf jedes Rennen, weil ich immer um den Sieg kämpfe, was sehr wichtig ist. Es ist nie einfach. Ich bin bereit für den Kampf in Navarra, ich mag die Strecke absolut, wir werden sehen, was dabei herauskommt.“
Andrea Locatelli (Pata Yamaha mit Brixx): „Das war unser bestes Wochenende, weil wir das Podium und zwei vierte Plätze erreicht haben. Dazu holte ich auch einige gute Punkte und das ist wichtig für die Meisterschaftsposition. Mit dem achten Platz sind und nicht so weit von P4 entfernt, was in der Tat nicht so ist schlecht ist. Das Gefühl mit dem Bike wird jetzt immer besser. Ich kann fahren und pushen, und es stehen sicher viele Rennen an, bei denen wir meiner Meinung nach sehr gut abschneiden können. Wir hatten einen guten Test in Navarra und waren in Magny-Cours, wo ich letztes Jahr ein wirklich gutes Gefühl hatte. Auch Barcelona und Jerez sind sehr gute Strecken. Ich denke, insgesamt habe ich im Vergleich zum Saisonstart etwas mehr Erfahrung und kann mit der ersten Gruppe mitkämpfen. Ich verbessere mich laufend und an diesem Wochenende sind wir wirklich glücklich. Mir passierten keine Fehler und das Team hat einen wirklich guten Job gemacht. Ich bin sehr glücklich mit dem ganzen Team, wir arbeiten so gut zusammen und die Beziehung ist gut, wie eine kleine Familie und wir wollen diesen Weg fortsetzen. Jetzt werden wir für das nächste Rennen erneut unser Bestes geben.“
BMW und das vermeintlich solide Wochenende
Wir sind uns nie ganz sicher, wie ernst die offiziellen Statements von BMW jeweils gemeint sind. Für ein Team, das vor zwei Jahren war Tom Sykes mit der damals neuen S-1000RR, die dazu der Konkurrenz noch deutlich unterlegener war als die neue M-1000RR viermal aufs Podest gefahren. In Most war er zweimal neunter und im Superpole Race gab es für Platz fünf ganze 5 Zähler. Noch schlechter Michael van der Mark, der es nur ein einziges Mal mit Rang 7 im zweiten Lauf am Sonntag in die Punkteränge schaffte. Jonas Folger scheiterte nach gutem Freitag hingegen komplett und der Deutsche blieb wie in Assen komplett erfolglos. Vor diesem Hintergrund fantasiert die Teamführung von BMW von einem soliden Resultat.
Die technischen Pannen bei BMW – ein Desaster
Berücksichtigt man dazu noch, dass der Motor der M-1000RR von Jonas Folger am Samstag in Rauch aufgegangen war, weshalb er ausrollen musste, versteht man derartige Schönrednerei überhaupt nicht mehr. Die neue BMW hatte bereits mehr technische Pannen, als Ducati, Yamaha und Kawasaki in einer ganzen Saison! Ein Toprak macht bereits ein finsteres Gesicht, wenn er nicht gewonnen hat und die Blau-Weißen geben sich mit knappen top ten Resultaten bereits zufrieden. Dies passt leider ganz und gar nicht zum im Verhältnis zu Kawasaki prunkvollen Auftritt im Paddock, hier stinkt etwas gewaltig zum Himmel beim deutsch-englischen Team.
Auch Honda, Davies und Rabat mit Nachholbedarf
Von MIE Honda darf nichts erwartet werden, weil die Vorbereitung auf die neue Saison so gut wie überhaupt nicht stattfand. Zudem blieb diese Amateur-Truppe nach dem Debakel beim Saisonauftakt in Aragon prompt für drei Runden dem Geschehen fern. So ein Team gehört eigentlich gar nicht an eine Weltmeisterschaft und wäre in der MotoGP für ihr Verhalten längst herausgeworfen worden. Von HRC Honda hingegen ist nach guten Ergebnissen im ersten Jahr mit der neuen CBR-1000RR-R SP Fireblade einiges zu erwarten gewesen. In Donington Park waren Alvaro Bautista und Leon Haslam für Honda zusammen sogar erfolgreicher als Ducati gewesen, aber ausgerechnet dort war sogar BMW noch um Längen besser gewesen. Aber seit diesem kurzen Lichtblick blieben sie wieder einiges schuldig. Wie bei den Ducati Privatfahrern Chaz Davies und Tito Rabat müssen bei HRC nun Resultate her, sonst droht ihnen ein ähnliches Debakel wie in der MotoGP, wo selbst das Comeback von Marc Marquez keine Rückkehr auf die Erfolgsspur brachte.
Die positiven Erscheinungen
Als Ersatz für Chaz Davies hatte Michael Ruben Rinaldi für Aruba.it Ducati vor allem bei seinem Heimrennen in Misano zu überzeugen vermocht. Dies ist für einen Werksfahrer jedoch zu wenig, weshalb er nur aufgrund seiner WM-Position hierbei zu erwähnen ist. Sein Landsmann Andrea Locatelli wurde teils und dies durchaus auch von uns für einen sehr bescheidenen Start in die Saison nicht ganz unberechtigt kritisiert. Aber seit Assen wirkt der Mann aus Alzano Lombardo in Norditalien irgendwie wie ausgewechselt. Plötzlich ging bei ihm der Knoten auf und in Most überzeugte er auf der ganzen Linie. Wir nehmen hiermit unsere Kritik an ihm zurück und teilen die Überzeugung der Yamaha Teamleitung, dass er definitiv das Potenzial hat, vorne mitzumischen und dies nicht wie bisher Rinaldi nur bei einzelnen Rennen. Auch Axel Bassani und der leider verletzte Lucas Mahias gehören zu den positiven Erscheinungen der ersten Saisonhälfte 2021, mit einigen angesichts ihrer mangelnden Praxis hervorragenden Resultaten.
Gerloff – der Mann der zweiten Saisonhälfte?
Garrett Gerloff gehört ebenfalls in diese Kategorie und manchmal wird er, wie wir finden, zumindest zum Teil hat er dies nicht verdient. Wer sah, wie hart Toprak Redding im ersten Lauf von Most in der letzten Runde in die Linie fuhr, erkennt kaum einen Unterschied zum zweiten Rennen von Assen. Dort hatte der Texaner mit ihm dasselbe gemacht, wurde aber danach von allen Seiten getadelt. Für einige Experten wäre es keine Überraschung, wenn der US-Boy wie im Vorjahr der Mann der zweiten Saisonhälfte würde. Spätestens nach Navarra werden Strecken folgen, auf welchen er bereits 2020 auf Augenhöhe mit den besten fuhr.
Die Situation in der WorldSBK WM nach sechs Runden
An der Spitze herrscht derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem amtierenden Weltmeister und der Hoffnung von Yamaha in Person von Toprak Razgatlioglu. Dieser war vor Scott Redding und Teamkollege Andrea Locatelli als Gesamtsieger in Tschechien Jonathan Rea wieder deutlich näher gekommen, welcher mit 37 Punkten in Most angereist war. Doch mit seinem zweiten und danach sogar dritten Crash im ersten Lauf hatte dieser Federn gelassen. Der auf dem dritten Zwischenrang liegende Ducati Pilot muss auf Probleme der beiden vor ihm liegenden hoffen, um seinen Rückstand aufzuholen. Aber vor allem dem WM-Leader und auch dem Türken sind bereits Fehler und Stürze unterlaufen und insofern hat der Engländer noch alle Chancen, die Lücke nach vorne wieder schliessen zu können. Es sind erst 6 von geplanten 13 Runden und damit erst 18 von 39 Rennen (zumindest sofern der Kalender realisierbar ist) gefahren und insofern ist noch nichts entschieden.
Zwischenrangliste der WorldSSP 600 mit einem klaren Leader
Während mit Dominique Aegerter zu rechnen war, enttäuschte dessen Landsmann Krummenacher mit Ausnahme von Assen bisher restlos. Der Schweizer blieb nach seinen Ankündigungen, er wolle nach seinem Titel von 2019 erneut eine Rolle spielen, den Beweis seiner Stärke weitestgehend schuldig. Viermal knapp in den top ten und ein fünfter und dritter Rang ist bei zehn Rennen schlicht zu wenig. Deshalb hat „Krummi“ weniger als ein Drittel der Punkte von WM-Leader Aegerter. Diesem scheint in erster Linie Steven Odendaal im zweifachen Weltmeisterteam Bardahl Evan Bros gefährlich werden zu können. Dahinter zeichnet sich ein Kampf um die Plätze ab, bei welchem derzeit Philipp Öttl vor Manuel Gonzalez, Luca Bernardi und Jules Cluzel die Fahnen von Kawasaki allein hochhält. Sein Teamkollege Can Öncü hingegen bleibt den Beweis, ein konstanter Spitzenfahrer zu sein oder werden, weiterhin schuldig.
Der weiterhin provisorische Kalender und wie es weitergeht
Die in dunklem Grau hinterlegten beiden Runden gelten aufgrund der Pandemie schon seit Veröffentlichung des Plans von FIM und Dorna für dieses Jahr als sehr fragwürdig. Aktuell ist zumindest nicht klar und feststehend, wie viele WM-Runden es diese Saison geben wird. Nebst der Reiseproblematik gilt der Mandalika Circuit insbesondere auch aufgrund der unklaren Situation bezüglich der Fertigstellung der Boxenanlagen und Infrastruktur als höchst fragwürdig. Die im berühmten Rioja Gebiet liegende nächste Strecke ist komplett neu. In Navarra erwartet die WorldSBK Fahrer ein sehr spezielles Layout. Der Kurs dort gleicht laut einigen Kritikern eher einer Go-Kart-Strecke, als einem WM-würdigen Circuit.
Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).
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