The times they are a changin – die vielen Wechsel der WSBK
Getreu nach Bob Dylans Album-Titel von 1964 herrschen in der Superbike WM für nächstes Jahr viele tief greifenden Veränderungen. Angefangen mit dem dienstältesten Piloten bei Ducati und dreifachen Vize-Weltmeister (2015, 2017 und 2018) Chaz Davies. Quasi das WorldSBK-Gegenstück von „Desmo-Dovi“, wie man ihn aus der MotoGP kennt, stammt aus Knighton und ist ein sogenannter Waliser. In der WSBK gehörte Chaz bei den Roten schon beinahe zum Inventar und in seinen ersten fünf Jahren für die italienische Marke war er deren erfolgreichster Pilot. Oft genug hatte er sich in dieser Zeit über seine Zweizylinder-Ducati beschwert und nach mehr Power verlangt. Und dann wurde ihm der Wunsch nach vielen Jahren auf die Saison 2019 überraschend endlich erfüllt.
Die Erfüllung des lange gehegten Wunsches endete in einem Albtraum
Mit der revolutionären MotoGP Replica Panigale V4R musterte Ducati auch gleich den notorischen Nörgler Marco Melandri als Teamkollegen von Chaz aus. Aus der MotoGP wurde Alvaro Bautista transferiert und damit begann für Davies ein wahrer Albtraum. Während der kleine Spanier die ersten 11 Rennen 2019 in Folge gewann, schaffte es der Engländer in dieser Zeit ganze zweimal aufs Podium. Nach Bautista sah Davies auch 2020 gegen dessen Nachfolger Scott Redding in der Regel reichlich alt aus. Und nun verliert der stolze Waliser seinen Status als Werksfahrer und wird durch Michael Ruben Rinaldi ersetzt.
Sinnlose Beschuldigung von hirnlosen Außenstehenden
Ob dies von Ducati feige sein soll, wie von einem bekannt hinterhältigen und weltfremden Schreiberling behauptet, ist mehr als fragwürdig. Schließlich hatte Davies zwei Jahre die Chance erhalten, sich auf der Panigale V4R zurechtzufinden. Reiti und Laverty bekamen diese Möglichkeit bei BMW hingegen nicht und die Begründung eines Rennstalls für seinen Fahrerwechsel kann im Profi-Rennsport nicht verlangt werden. Siehe auch im Fußball, wo Trainer oft noch mitten in der Saison ausgetauscht werden. Interessant in diesem Zusammenhang, dass der Journalist offensichtlich selbst ein Feigling ist. Als Markus Reiterberger nach nur einem Jahr bei BMW gehen musste, hätte sich diese Witzfigur von Schreiberling gehütet, derartige Bosheiten über das BMW Team zu verbreiten. Andernfalls wäre er danach wohl mit dem Scheitel nach unten aus deren Box geflogen, hätte er versucht, sich für ein Interview einzuschleimen.
Chaz Davies zu seinem letzten Tag bei Ducati: „Es waren so komische Stunden. Ich war am Start und alle meine Mechaniker waren in Tränen aufgelöst. Sie haben alle persönliche Nachrichten auf den Tank geschrieben. Ich sagte ihnen, dass ich mich jetzt konzentrieren müsse. Danach, 21 Runden später und ganz oben auf dem Podium, sahen wir uns wieder. Ich versuchte davor einfach, diese Dinge in den Hintergrund zu rücken und mich ganz auf mein Ziel zu fokussieren. Das habe ich getan und es hat sich ausgezahlt. Meine Crew hat einen tollen Job gemacht. Noch am Vortag hatte ich gesagt, am besten sollten wir mein Bike gar nicht anfassen, ich sah ein bisschen Reserve und bin am Samstag nicht in Bestform gefahren. Es war mir eine große Freude, heute allein ganz vorne zu sein, vorerst in meinem letzten Rennen. Was für ein märchenhaftes Ende.“
Ein sehr traurigerer Abschied – Eugene Laverty
Der Nord-Ire ist der unbestrittene Pechvogel vom Dienst in der WorldSBK. Im Vorjahr war er bei Goeleven Ducati als Privatfahrer unterwegs, doch Stürze und Verletzungen dominierten wie so oft seine Saison. Mit einem beidseitigen Handgelenks-Bruch im Freitags-Training von Imola war für „Evgeny“ die Saison schon fast so gut wie gelaufen. Zwei sechste Plätze in Aragon und Losail (Katar) waren die einzigen Highlights für 2019. Beim BMW-Werksteam blieben dieses Jahr gleich beide Fahrer weit unter den viel zu hochgesteckten Erwartungen der Teamleitung. Doch wer nach nur einem Jahr gehen musste, war prompt Eugene Laverty, weil Michael van der Mark im Sommer überraschend bei BMW für die Saison 2021 unterschrieb. Wie 2019 Markus Reiterberger bekam der Routinier keine Chance, sich auf seinem neuen Arbeitsgerät weiterzuentwickeln. Genau wie im Vorjahr für den Deutschen ist es vor diesem Hintergrund ein wahrhaft traurigerer Abschied für Eugene.
Andrea Locatelli und der Lohn für eine sensationelle Saison
Für Andrea Locatelli wurde in der Corona-Saison ein Traum wahr. Nach seinem Wechsel aus der Moto2 gewann der Italiener 12 von 15 Rennen in der WSSP für Bardahl Evan Bros Yamaha. Als Nachfolger im Team des letztjährigen Weltmeisters Randy Krummenacher fuhr er die Konkurrenz förmlich in Grund und Boden. Es war früh klar, dass der am 16. Oktober 24-jährig gewordene aus Alzano Lombardo nicht in der Supersport 600 WM bleiben würde. Nachdem Michael van der Mark überraschend bei BMW unterschrieben hatte, war die Frage nach seinem Nachfolger beim Pata Yamaha Werksteam lange Zeit offen. Mit Garrett Gerloff hatte sich im Gegensatz zu Federico Caricasulo einer der zwei Fahrer aus dem GRT-Yamaha Junior Team dafür wärmstens empfohlen. Dazu natürlich der erfahrene Franzose Loris Baz von Ten Kate Yamaha. Doch am Ende fiel die Wahl auf Locatelli, der am 19. Oktober zum ersten Mal auf Michael van der Marks Bike in Estoril ausfahren durfte.
Der Wechsel bei Kawasaki Puccetti Racing
Mit Xavi Fores hatte Kawasaki Puccetti Racing einen vielversprechenden Piloten für 2020 unter Vertrag genommen. Der Spanier war noch 2018 bester Privatfahrer auf Ducati gewesen, bevor er mangels vernünftigen Angeboten zwangsläufig in die BSB (Britische Superbike Meisterschaft) wechselte. In der Corona-Saison kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, woran es letztlich lag, dass die Geschichte nicht zu einer Erfolgs-Story wurde. Jedenfalls blieben die Leistungen des spanischen Routiniers unter seinen Erwartungen und auch denen seines Teams. Zusammen mit Eugene Laverty verliert mit Fores ein weiterer absolut renommierter Pilot damit für nächste Saison seinen Job. Es sei denn, einer oder gar beide finden für nächstes Jahr doch noch Unterschlupf, trotz der kargen Budgets vieler Privatteams. Als Ironie des Schicksals holte ausgerechnet Xavi Fores nach den Stürzen von Lowes und Rea im letzten Rennen von Estoril mit P8 die notwendigen Punkte, mit welchen sich Kawasaki die Marken-WM vor Ducati sicherte. Notabene mit exakt einem einzigen Zähler Vorsprung und zum sechsten Mal in Folge.
Die beiden Neulinge unter den Bikes
Ob BMW mit der neuen M 1000-RR erfolgreich sein wird, steht noch genauso in den Sternen, wie die Konkurrenzfähigkeit von Jonathan Reas neuer Wunderwaffe. Offiziell gab Kawasaki zu seinem Bike für nächste Saison noch keine Details bekannt. Sicher ist jedoch, dass noch im November die offizielle Präsentation des ZX-10RR Nachfolgemodells als Homologations-Basis für die WorldSBK im nächsten Jahr erfolgen wird. Das genaue Datum hatten wir als erste bereits exklusiv bekannt gegeben, es wird der 23. November 2020 sein, an dem die Tücher gelüftet werden. Ähnlich wie bei der M-BMW handelt es sich dabei nicht um ein komplett neues Layout, sondern es bleibt bei den bewährten Eckpfeilern. Am Grundkonzept wird jedoch wie bei den Blau-Weißen festgehalten. Das bedeutet, der Vierzylinder-Reihenmotor bleibt den Fans der Marke erhalten, aber es wird einige Optimierungen für die Rennstrecke geben. Äußerlich dürften vor allem die neuen Winglets das charakteristische Merkmal der Neuauflage bedeuten.
Viele Fahrer mit offener Zukunft
Ob und auf welchem Bike Jonas Folger nächste Saison mit dabei sein wird, ist derzeit höchstens Gegenstand von Spekulationen. Vieles deutet aktuell auf BMW hin, aber in trockenen Tüchern ist diesbezüglich noch gar nichts. Auch die Zukunft von Sandro Cortese ist noch nicht geklärt. An eine Rückkehr in die WorldSBK glauben jedoch höchstens noch die ganz optimistischen Fans, während sein Rücktritt vom Rennsport wesentlich wahrscheinlicher sein dürfte. Zumindest ein Deutscher in der Superbike WM sollte mit Folger Realität werden. In der Supersport 600 WM ist mit Philipp Öttl auf Kawasaki Puccetti Racing gar ein WM-Mitfavorit ganz sicher mit dabei. Was hingegen aus Davis, Laverty, Fores und dem Langzeit-Verletzten Leon Camier nächstes Jahr wird, steht derzeit noch in den Sternen.
Die Favoriten für 2021
Wer Jonathan Rea nicht zu den Top-Favoriten für nächste Saison zählt, ist selbst schuld. Auf die Topteams und sämtliche Konkurrenten des Nord-Iren wird dies bestimmt nicht zutreffen. An der Seite des von vielen als erneut stärksten Herausforderer des Weltmeisters genannten Scott Redding wird Michal Ruben Rinaldi seine Konstanz erst noch unter Beweis stellen müssen. Dasselbe gilt für Alex Lowes, den viele Schreiberlinge nach seinem Auftakterfolg in Phillip Island (Australien) verfrüht als potenziellen kommenden Champion hochstilisiert hatten. In der WM war er am Ende mit Platz 6 nur gerade einen Rang besser klassiert als ein Jahr zuvor sein Vorgänger Leon Haslam. Bei Toprak Razgatlioglu war es nach dem ersten Rennen der Saison ähnlich. Kaum einer der Journalisten, die ihn nach nur einer Runde bereits als WM-Mitfavoriten bezeichneten, hatten sich offensichtlich seine Saison 2019 davor genau angeschaut. Wie Lowes fehlt es jedoch auch dem jungen Türken immer noch an der notwendigen Konstanz, um im Titelkampf ein ernsthaftes Wörtchen mitzureden.
Der erweiterte Favoritenkreis
Zu den Spielverderbern im Kampf um Siege und Podien sollte man HRC Honda und BMW jedenfalls unbedingt mit auf der Rechnung haben. Auch wenn wohl eher fragwürdig ist, ob es dazu reichen wird, über eine ganze Saison mit Johnny Rea und Scott Redding auf Augenhöhe zu bleiben. Die beiden Werksteams zählen aber definitiv für 2021 zum erweiterten Favoritenkreis. Dazu kommen mit den beiden Yamaha Piloten Garrett Gerloff und Andrea Locatelli zwei Fahrer, die das Zeug dafür haben, öfters für Furore zu sorgen. Womöglich versalzen die beiden Markenkollegen gar dem hoch gehandelten Toprak mehr als einmal die Suppe.
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