Toprak Razgatlioglu (Yamaha R1) war fahrerisch der stärkste Mann am Rennsamstag in Barcelona, doch mit Alvaro Bautista (Ducati Panigale V4R) gewann der Lokalmatador. Dieser musste für seinen bereits neunten Sieg im elften Rennen der Saison deutlich weniger riskieren als der Türke. Wie bereits 2019 in seinem ersten Jahr für die Roten und in seinem Weltmeisterjahr 2022 kann sich der kleine Spanier auf die Überlegenheit seiner von den technischen Kommissaren der FIM bevorzugten Ducati verlassen. Mit nur wenig Risiko sind aktuell die Rennen für ihn wie Spazierfahrten und die Spannung bleibt dabei leider auf der Strecke.

Die erwartete Langeweile setzt sich fort

Jedem Kenner der Materie war bereits im Voraus klar, dass die Drehzahlreduktion der Ducati Panigale V4R vor der dritten Runde der WorldSBK in Katalonien so gut wie wirkungslos bleiben wird. Obwohl die FIM Kommissare diesen Schritt endlich vollzogen, handelte es sich dabei im Prinzip um eine reine Alibi-Übung. Vor allem erinnert dies an ein ehemaliges Modell von VW, dem 411 und wir erklären auch gerne weshalb. Der Volkswagen erhielt bereits kurz nach seiner Präsentation Mitte der 1960-er Jahre den Übernahmen „4 Gänge, elf Jahre zu spät“. Bei der durch die FIM für die Ducati verhängten Reduktion der Maximaldrehzahl muss man von einer schon lange überfälligen Maßnahme sprechen, welche volle vier Jahre zu spät kam. Aber eigentlich hätte sie mindestens 500 U/Min betragen sollen, wie das erste Rennen auf dem Circuit de Cataluña bewies. Bezüglich dem Sieg herrschte beim ersten Rennen vom Samstag null Spannung und WM-Leader Alvaro Bautista zog, bevorteilt durch seinen gegenüber der Konkurrenz nach wie vor drastischen Vorteil beim Leistungsgewicht, seinen Gegnern bereits kurz nach dem Start uneinholbar davon. Am Ende gewann der kleine Spanier wie so oft seit seiner Rückkehr durch die Roten ohne hohes Risiko eingehen zu müssen und baute seinen Vorsprung im Zwischenklassement damit weiter aus.

Jonathan Rea (Kawasaki ZX-10RR) kann seit 2022 meist nur noch für einen Platz auf dem Podium kämpfen. Aber der 6-fache Rekordweltmeister und mehr als hundertfache WSBK Sieger gibt nicht auf und versucht trotz offensichtlicher Benachteiligung stets sein Bestes. Gegen Erzrivale Toprak reichte dies am Samstag in Montmeló nahe Barcelona jedoch für einmal knapp nicht.

Das Ducati Drama fand hinter dem einsamen Sieger statt

Bis auf den sportlich fragwürdigen Wert des Sieges einer Aruba.it Ducati, ging es vor allem beim Kampf um den Platz im Werksteam neben Bautista für nächste Saison mit überharten Manövern zu. Nachdem der erste Lauf infolge eines Sturzes von Eric Granado (MIE Honda) nach 3 Runden abgebrochen werden musste, kam es nach dem Restart zu einem dramatischen Duell zwischen Axel Bassani und Michael Ruben Rinaldi (beide Ducati). Dabei fuhr der letztgenannte seinem Landsmann in Kurve drei in der zweiten Runde von innen voll in die Seite. Aber der erst 23-jährige Motocorsa Racing Ducati Privatpilot schlug in Kurve 10 gnadenlos zurück und fuhr dem Teamkollegen von Bautista voll ins linke Bein, worauf dieser zu Sturz kam. Kurz danach wurde Bassani von der Rennleitung mit einem Long Lap Penalty bestraft. Vermutlich immer noch in Rage, geriet der kraushaarige Hitzkopf aus Feltre in Norditalien dabei auf die grüne Markierung. Es kam jedoch nicht zu einer Wiederholung seines Strafumwegs bei Kurve 1 wie in Jerez bei Fabio Quartararo. Am Ende reichte es ihm trotzdem nur für P7 hinter Honda Werksfahrer Iker Lecuona. Ganz klar müssten beide Italiener von den FIM Kommissaren bestraft werden, andernfalls kennen wir aus WSBK und MotoGP leider schon viel zu viele Fehlentscheidungen dieser selbstherrlich auftretenden Herren.

Andrea Locatelli (Yamaha R1) zeigte am ersten Renntag in Barcelona eine starke Leistung und wurde dritter, womit der Teamkollege von Toprak Razgatlioglu im Zwischenklassement weiterhin auf Rang 3 liegt. Mit bisher drei Podestplätzen über die volle Distanz und einem zweiten Rang im Sprintrennen (in Mandalika) liegt der Italiener damit deutlich vor seinen restlichen Landsleuten mit Bassani, Petrucci und Rinaldi als nächsten Verfolgern.

Razgatlioglu schnappt Rea Rang 2 im Finish noch weg

Im Kampf um den zweiten Platz lag bis zur vorletzten Zielpassage Kawasaki Ass Jonathan Rea knapp vor seinem Erzrivalen Toprak Razgatlioglu. Erst vor Kurve 1 ging der Yamaha Pilot aus dem Windschatten am Rekordweltmeister vorbei. Wild schlingernd schaffte es der Türke nur noch knapp beim anbremsen nicht zu stürzen, aber er blieb vor Johnny und schaffte es bis zur Zielflagge, diesen hinter sich zu halten. Mit teils über 10 Sekunden Rückstand auf Sieger Bautista fuhren der Weltmeister von 2021 und seine Verfolger dabei jedoch wie in einer Kategorie tiefer. Hinter dem Podium vervollständigten mit Andrea Locatelli vor Dominique Aegerter zwei Yamaha Piloten die Top fünf. Hinter Übeltäter Bassani als siebtem folgten Xavi Vierge (Honda), Garrett Gerloff (Bonovo Action BMW), Danilo Petrucci (Barni Ducati), Remy Gardner (GRT Yamaha) und Philipp Öttl (GoEleven Ducati). In der Weltmeisterschaft ist der Käse eigentlich gebissen. Bautista liegt mit bereits 61 Punkten Vorsprung mittlerweile fast uneinholbar vorne und nur noch eine Verletzung scheint den amtierenden Weltmeister auf der seit 4 Jahren privilegierten Ducati stoppen zu können. Toprack fehlen auf den Spanier bereits 61 Punkte mit P2 vor Locatelli (82 Punkte Rückstand), Rea (110), Bassani (113) und Aegerter (138).

Auch in der WorldSSP 600 klarer Ducati Sieg

Nicht derart dominant wie in der WSBK, aber doch am Ende deutlich, siegte mit Nicolo Bulega auch in der mittleren Kategorie ein Aruba.it Werkspilot. Mit dem fünften Sieg im siebten Saisonrennen konnte damit auch der ehemalige Schützling von Valentino Rossis Academy seinen Vorsprung in der Weltmeisterschaft weiter ausbauen. Marcel Schrötter auf der MV Agusta F3 800 RR wurde nach starkem Finish vom Italiener nur knapp geschlagen und konnte seinen streitsüchtigen Teamkollegen Bahattin Sofuoglu letztlich deutlich hinter sich lassen. Der Neffe von WSSP 600 Rekordweltmeister Kenan Sofuoglu konnte sich trotzdem über sein erstes Podium in der WorldSSP freuen. Knapp hinter dem Türken kreuzte mit Stefano Manzi (Ten Kate Yamaha) ein weiterer Italiener die Zielflagge. Aber die FIM Kommissare bestraften ihn für einen nicht Reglementskonformen Long Lap Penalty mit 3 Sekunden Aufschlag. Damit wurden Glenn van Straalen (Yamaha) und Federico Caricasulo (Ducati) noch vor Manzi gewertet.

Der Türke Bahattin Sofuoglu (MV Agusta F3 800 RR) holte im ersten Rennen der vierten Runde dieser Saison sein erstes Podium, nachdem er sich in einem starken Finish gegen Stefano Manzi (Yamaha R6 ) durchsetzen konnte, welcher danach noch eine 3 Sekunden Strafe erhielt. Sofuoglus Teamkollege Marcel Schrötter fuhr noch besser und holte sich Rang 2 hinter Nicolo Bulega (Ducati Panigale V2). Der Bayer befindet sich nach einer schwierigen Zeit in der Moto2 derzeit in Hochform und liegt in der WM auf dem 3. Zwischenrang.
In der Weltmeisterschaft liegt Bulega bereits 52 Punkte vor Manzi als erstem Verfolger, welchem jedoch Marcel Schrötter mit nur einem Zähler weniger dicht auf den Fersen folgt. Caricasulo hat als fünfter mit 88 Punkten bereits deren 64 Rückstand auf den Leader und liegt vor Niki Tuuli (FIN) und dem nach seinem Sturz in Assen verletzt fehlenden Can Öncü (Kawasaki, TUR).

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).