Hafizh Syahrin (PETRONAS MIE Racing HONDA Team) als ehemaliger Moto2 und MotoGP Fahrer vor Oliver König (Orelac Racing MOVISIO, Kawasaki) – zwei starke Piloten aus Kundenteams, welche im verregneten FP3 am Freitag in den Top 15 lagen. Am Samstag verpassten sie die Punkteränge mit P19 und P20. Die zweite und dritte Chance am Sonntag blieb nur für den Tschechen punktelos. Der schnelle Mann aus Malaysia hingegen punktete im zweiten Lauf mit P14, eine Position vor WorldSBK Legende Tom Sykes, welcher seinen ersten WM-Punkt der Saison vermutlich mit einem gemischten Gefühl gefeiert haben dürfte. Als Weltmeister von 2013 müsste der Spaßvogel aus Huddersfield wohl höhere Ambitionen hegen.

Erneut keine Spannung im Sprintrennen beim Kampf um den Sieg

Bereits nach dem Superpole Race entschieden wir uns, die bereits geplante Reise für WSBK Runde vier nach Katalonien abzublasen. Was dort aufgrund der langen Geraden passieren dürfte, kann man sich anhand der Erlebnisse aus dem Vorjahr bereits gut ausmalen. Aber auch in Assen flog Bautista in der Beschleunigung und im Topspeed dank seines besseren Leistungsgewichts auf der Ducati seinen Gegnern förmlich davon. Jonathan Rea (Kawasaki) und Toprak Razgatlioglu (Yamaha) können sich die Seele aus dem Leib fahren und verlieren trotzdem zu viel, um in den kurvigen Passagen die in den schnellen Streckenteilen verlorene Zeit wieder aufholen zu können. Man darf dazu auch Topraks Manager und Mentor Kenan Sofuoglu zitieren, der klar im Interview betonte, Bautista sei zwar ein guter Fahrer, aber sein Motorrad wirke wie aus einer anderen Kategorie. Dem 5-fachen Supersport Weltmeister kann man kaum unterstellen, dass er nicht weiss, wovon er spricht. Zudem betonte er, sein Schützling solle seiner Meinung nach in der WorldSBK bleiben und nicht in die MotoGP wechseln.

Das Geschehen hinter dem Trauerspiel an der Spitze
Im Gegensatz zum ersten Lauf vom Samstag zeigte Alex Lowes diesmal eine tadellose Leistung auf seiner Kawasaki ZX-10RR und blieb lange am Spitzentrio dran. Hinter dem Engländer entwickelte sich ein harter Kampf um Position 5, welchen Topraks Yamaha-Teamkollege Andrea Locatelli vor Axel Bassani (Ducati) und Dominique Aegerter (Yamaha) für sich entschied. Aufgrund eines Motorschadens an der BMW von Loris Baz war das Sprintrennen von 10 auf 8 Runden verkürzt worden. Anfänglich lag BSB Champion Bradley Ray sogar auf Position 12, bis er gegen Ende des Rennens noch von Yamaha Markenkollege Remy Gardner, dem Italiener Rinaldi und dem Bayern Öttl und ex MotoGP Ass Petrucci (alle Ducati) kassiert wurde. Trotzdem für das erst zweite Rennen in der WorldSBK eine gute Leistung des Engländers. Liess er doch mit P16 Fahrer wie Garrett Gerloff (BMW), Hafizh Syahrin (Honda), den dreifachen Assen Sieger Tom Sykes (Kawasaki) und Lorenzo Baldassari (Yamaha) damit hinter sich.

Jonathan Rea (Kawasaki ZX-10RR) vor Toprak Razgatlioglu (Yamaha R1), Alvaro Bautista (Ducati Panigale V4R, halb verdeckt von Rea) und Alex Lowes (Kawasaki ZX-10RR). Nach dem Start zum ersten Lauf am Samstag lag endlich wieder einmal der Nord-Ire in Kurve 1 vorne. Aber am Ende war der Mann in rot als amtierender Weltmeister infolge seines besseren Gewichts/Leistungsverhältnisses wie so oft wie in einer höheren Kategorie fahrend und gewann locker.

Eintönigkeit und Dramatik im zweiten WSBK Rennen am Sonntag

Aus dem anfänglichen Dreikampf zwischen Alvaro Bautista, Toprak Razgatlioglu und Johnny Rea fiel letzterer viel zu früh aus. Womöglich eine Versehentliche Berührung des Schalthebels in Kurve 9 führte zum Sturz des Rekordweltmeisters. Seine Felle in der Weltmeisterschaft dürften damit endgültig davon geschwommen sein. Ähnlich wie bei ihm in den ersten beiden Rennen, sah sich auch der Türke ab Halbzeit jeglicher Siegchancen beraubt. Beinahe vier Sekunden fehlten ihm auf den haushoch überlegen davonstürmenden kleinen Spanier auf dessen rein für den Rennsport entwickelten MotoGP Replica. Wir erinnern uns dabei an die Worte von Vizeweltmeister Marco Melandri 2019. Der ehemalige Grand Prix und WorldSBK Pilot bezeichnete die Einführung der Ducati Panigale V4R damals als Zerstörung des Geistes der seriennahen Weltmeisterschaft. Anfänglich waren die Superbikes ja effektiv auch frisierte Serienmotorräder, mehr nicht. Jedenfalls ist effektiv nicht davon auszugehen, dass man auf der Straße dieses reinrassige Renngerät je mit einem Kennzeichen am Heck antreffen wird.

Viele Stürze im zweiten Lauf und ein Trostpflaster für Sykes
Reas Kawasaki Teamkollege Alex Lowes stürzte bereits in der sogenannten sighting Lap, wonach seine Crew das Motorrad noch herrichten konnte und er vom letzten Startplatz doch noch mitfahren durfte. Die Aufholjagt des Engländers danach war mehr als sehenswert und führte ihn bis auf auf Rang 9. Weniger gut lief es diesmal für seinen Landsmann Bradley Ray (Motoxracing Yamaha), der von Startplatz 18 zuerst auf P13 vorgeprescht war, bevor ein Crash ihn aus dem Rennen warf. Nebst ihm und Kawasaki Ass Rea erwischte es auch Iker Lecuona, Xavi Vierge (beide Honda), Loris Baz (Bonovo Action BMW) und Michael van der Mark vom BMW Werksteam. Letzterer blieb danach jedoch im Gegensatz zu seinen Kollegen verletzt liegen und musste ins Medical Center transportiert werden. Mit einer Oberschenkelfraktur links dürfte der schnelle Niederländer nach seinen schweren Verletzungen im Vorjahr erneut für einige Zeit ausfallen. Positiv in Szene setzten sich nebst dem drittplatzierten Yamaha Werksfahrer Andrea Locatelli vor allem sein Landsmann Axel Bassani (P5, Ducati) und die Markenkollegen Dominique Aegerter als starker vierter, sowie Remy Gardner auf P6.

WorldSSP 600 mit ebenfalls haushoch überlegenem Ducati Sieg

Wie im ersten Rennen am Samstag schien die vor dem Assen Wochenende bekanntgegebene Drosselung der Panigale V2 erneut nicht die erwünschte Wirkung zu zeigen. Sarkastische Kommentare dazu aus dem Paddock blieben demzufolge nicht aus, nachdem Niccolo Bulega wie am Vortag der Konkurrenz auf und davon gefahren war. Es ist letztlich kein Geheminis, dass Ducati zu Dorna und FIM eine besonders gute Verbindung pflegt. Nicht umsonst wurde bereits 2019 die Panigale V4R mit einer um Welten höheren Maximaldrehzahl von der technischen Kommission zugelassen, als sämtliche ihrer Konkurrenzfabrikate. Zusätzlich ist auch eine Tatsache, dass mit der Moto-E als Rahmenrennen der MotoGP für die Saison 2023 neu Ducati als Universal-Ausrüster zum Zug kam. Jedenfalls gewann wie in der WorldSBK mit Bulega auch in der WSSP in beiden Rennen eine Aruba.it Werks-Ducati. Ein Schwabe würde dazu festhalten, dies habe ein Gschmäckle.

Stefano Manzi (Ten Kate Racing Yamaha) vor Federico Caricasulo (Althea Racing Team Ducati) und Marcel Schrötter (MV Agusta) bildeten das Trio, welches um die Plätze auf dem Podium kümpften. In der im Bild ersichtlichen Reihenfolge kreuzten sie auch über 4 Sekunden hinter Sieger Bulega die Zielflagge.

Das Renngeschehen vom zweiten Lauf am Sonntag
Ein Sturz in der ersten Runde von Kawasaki Pilot Can Öncü nach einer Kollision mit Yari Montella (Barni Ducati) bildete nur den Auftakt für ein türkisches Drama. Marcel Schrötters MV Agusta Teamkollege Bahattin Sofuoglu schien auf P4 liegend das Rennen seines Lebens zu fahren. Aber kurz vor Rennmitte war in Turn 17 mit einem Sturz die Triumphfahrt für den am 1. Januar 1978 in Adapazan geborenen Neffen des 5-fachen WSSP 600 Rekordweltmeisters Kenan Sofuoglu vorzeitig zu Ende. Mit seiner beeindruckenden Aufholjagd schaffte es Marcel Schrötter zwar nicht wie am Vortag auf Rang 2, aber mit Platz 4 holte er sich weitere wichtige Punkte in der Weltmeisterschaft und festigte damit seinen dritten Zwischenrang. Hinter Manzi, Caricasulo und Schrötter kreuzten Niki Tuuli auf der Dynavolt Triumph, Valentin Debise (GMT94 Yamaha), der ehemalige Moto2 Pilot Jorge Navarro (Ten Kate Racing Yamaha) und Adrian Huertas (MTM Kawasaki) die Ziellinie. Nachfolgend die offizielle Rangliste nach 3 von 12 Runden.

Quo vadis WorldSBK?

Aufgrund der drückenden Überlegenheit von Bautista, bedingt durch die einseitige Auslegung des technischen Reglements durch die FIM, sieht es in naher Zukunft bezüglich Chancengleichheit sehr schlecht aus. Tragischerweise kommen mit dem Circuito de Cataluña nahe Barcelona, Motorland Aragon, dem Autodromo do Algarve bei Portimão und San Juan in Argentinien die vielen Strecken mit den langen Geraden erst noch. Seit wir in BuriRam (Thailand) zusammen mit zehntausenden von Zuschauern auf der Start-Zielgeraden den Speed-Vorteil des Spaniers mit eigenen Augen sahen, sprechen wir von einer eigentlichen Zweiklassengesellschaft in der WorldSBK. Das Ansinnen vieler Konkurrenten, wie in der WorldSSP ein Minimalgewicht einzuführen, wurde von FIM und Dorna verworfen. Beim kleinen und gegenüber den meisten Gegnern viel leichteren Bautista sprechen wir von mindestens 10 bis 15 km/h Mehrgeschwindigkeit, wenn er seine Konkurrenten auf den Langen Geraden überholt. In der Regel braucht Alvaro davor nicht einmal einen Windschatten. Der spanisch dominierten Dorna, deren Landsleuten und den Ducati-Anhängern mag dies recht sein. Aber wir können die vielen Stimmen aus dem Fahrerlager und unter den Zuschauern verstehen, welche darin keinen sportlichen Wert erkennen können.

Tom Sykes (vorne), Johnny Rea (beide Kawasaki) und Chaz Davies (Ducati) von uns bei der Derniere auf dem Lausitzring 2017 in Startreihe 3 vor dem zweiten Rennen fotografiert. Damals wurde für den zweiten Lauf noch bis zu Position 9 in umgekehrter Reihenfolge des Zieleinlaufs vom Samstag gestartet. Deshalb gingen diese drei Spitzenfahrer mit einem argen Handicap ins Rennen. Als ab 2015 die beiden Piloten in Grün-Schwarz die WSBK zusammen mit Davies dominierten, wurde ihrer Kawasaki mitten in der Saison die erlaubte Höchstdrehzahl (einmal sogar um 500 U/Min auf einen Schlag) reduziert. Trotz anfangs 2019 und seit 2021 erdrückender Dominanz vor Alvaro Bautista auf der Ducati Panigale V4R, schritt die technische Kommission der FIM hier jedoch nie ein. Aus Sicht vieler Fans, Experten und Konkurrenten stinkt dies begreiflicherweise zum Himmel.

Der Stand einer bereits vorentschiedenen Weltmeisterschaft der WSBK

Mit Barcelona und Misano als nächsten Runden braucht man sich keine künstliche Spannung herzureden, was die Entwicklung der diesjährigen Weltmeisterschaft betrifft. Der Käse ist eigentlich gebissen, weil dort und vor allem auch in Aragon, Portimão und San Juan die Geraden zu lang sind, als dass die Gegner des WM-Leaders auf all diesen Kursen ihren Nachteil in Topspeed und Beschleunigung in den kurvigen Teilen wieder wettmachen zu können. Irgendwie fühlen wir uns in der WorldSBK noch einmal an die Zeiten der ersten Nachkriegsjahre erinnert. Damals gab es beispielsweise in der 125 cm³ Kategorie vor allem bei nationalen Läufen (z.B. in Deutschland in den späteren 1940-er Jahren) sogar eine getrennte Wertung für Motorräder mit Kompressoraufladung und solche ohne diese leistungssteigernde Massnahme. Anders wäre eine faire Bewertung damals gar nicht möglich gewesen. Mehr über die früheren Jahre des Rennsports siehe auch in unserer reich Illustrierten History auf dieser Seite.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).