Carl Fogarty (Ducati) – der Engländer mit der Ducati sorgte mit seiner kantigen Art und seinem kompromisslosen, kampfbetonten Fahrstil für viel Aufmerksamkeit und verhalf mit Fahrern wie Chili, Russell und Corser der WorldSBK zu enormer Popularität in den goldenen 90ern.

1995: Das erste Halbjahr der 8. Superbike WM-Saison

Nachdem im Vorjahr seit 1989 dünnsten Kalender mit nur 11 Events waren diesmal wieder 12 Stationen im Programm. Dass die Saison erst im Mai stattfand, war nicht neu, aber zum ersten Mal ging es in Deutschland los. Neue Strecken waren diesmal keine im Kalender und nur noch 2 waren seit der Premiere in Donington 1988 nebst dem englischen Kurs jährlich Austragungsort: Hockenheim und Sugo. Österreich war zwar zum achten Mal vertreten, aber neu wurde diesmal auf dem gefährlichen Salzburgring gefahren. Im Vergleich zum Österreich-Ring, dem heutigen Red Bull Ring, schenken sich die beiden Strecken jedoch diesbezüglich nichts. In Italien war nach Mugello diesmal wieder Monza dran, während Misano wie im Vorjahr Austragungsort blieb.

Saisonauftakt – zum ersten Mal in Hockenheim

Der Saisonauftakt in Baden-Württemberg begann für den Titelverteidiger nach Wunsch. Carl Fogarty entschwand dem Feld schon gleich nach dem Start und setzte sich früh ab, um seinen Gegnern möglichst keinen Windschatten zu geben. Auf der damals noch mit sehr langen Geraden versehenen Strecke gab es traditionell viele Überholmanöver aus dem sogenannten Slipstream des Vordermannes. Der Vizeweltmeister und Titelträger von 1993, Scott Russell bekam dies auf seiner Kawasaki besonders schmerzhaft zu spüren. Beim nur 14 Runden dauernden 1. Rennen auf dem 6,792 km langen Hockenheimring wurde der US-Amerikaner mehrmals durchgereicht und belegte am Ende nur Platz 8.

Das Podium und die neuen Gesichter
Hinter Sieger Fogarty landeten Fabrizio Pirovano (Ducati) und Lokalmatador Jochen Schmid (Kawasaki) auf den weiteren Podestplätzen. Als völliges Novum landeten dahinter mit Yasutomo Nagai (Yamaha) und Keiichi Kitagawa (Kawasaki) zum ersten Mal in Europa zwei Japaner in den Top fünf. Hinter dem WM-Dritten Aaron Slight (Honda) mit Rang 6 sah man auf Platz 7 mit Colin Edwards (Yamaha) ein neues Gesicht im WSBK Paddock. Im Vorjahr war der US-Amerikaner auf Vance & Hines Yamaha in der AMA Superbike Championship fünfter geworden. Mit dem Australier Troy Corser fuhr auch der Sieger der US-Meisterschaft seine erste volle WM Saison. Er wurde hinter dem Neuseeländer Simon Crafar (Honda) im ersten Lauf auf Yamaha zehnter. Nachfolgend die komplette Entry List für das erste Event der Saison.

Der zweite Lauf in Hockenheim
Mit Pierfranceso Chili mischte auch im zweiten Rennen ein neues Gesicht mit. Der Italiener war im 1. Lauf nach einem Fehler auf seiner Ducati nur 15. geworden. Davor hatte er jedoch weit vorne mitgewirkt und dies tat der junge Mann aus Bologna auch im 2. Lauf. Am Ende wurde es für ihn immerhin Platz 9 vor Vizeweltmeister Scott Russell und Andy Meklau auf Ducati, dem WM-Sechsten des Vorjahres. Der Sieg ging erneut deutlich an Foggy vor Jochen Schmid und Aaron Slight auf der besten Honda. Nagai wurde vor Edwards und Crafar hervorragender Vierter, während sein Landsmann diesmal nicht über Platz 12 hinaus kam. Der Rundenschnitt des Siegers lag bei nahezu 200 km/h, was genug über die Gefährlichkeit der damals bereits nicht mehr zeitgemäßen Strecke aussagt.

Jochen Schmid (Kawasaki) – hier bei einem nationalen Rennen, sorgte bei seinem Heimrennen mit zwei Podestplätzen für die Sensation des WM-Auftakts 1995.

WM-Runde 2 an der Adriaküste

Mit Misano ging es für die zweite Runde in deutlich wärmere Gefilde. Auf dem Autodromo di Santa Monica, wie die Strecke damals noch hieß, wurde damals noch im Gegenuhrzeigersinn gefahren. Diesmal waren auf den ersten 5 Plätzen die Ducati Piloten unter sich, doch nicht der amtierende Weltmeister hatte die Nase im 1. Rennen vorne. Zur doppelten Freude der tausenden Tifosi an der Strecke war es Lokalmatador Mauro Lucchiari, der vor Fogarty das Rennen für sich entscheiden konnte. Platz 3 ging an Troy Corser vor Pierfrancesco Chili und Fabrizio Pirovano. Dahinter die drei Kawasakis von Anthony Gobert (AUS), John Reynolds (GBR) und Piergiorgio Bontempi (ITA). Die Top Ten komplettierten der Neuseeländer Simon Crafar auf Honda und der Italiener Gianmaria Liverani (Ducati). Andy Meklau belegte Rang 11 und Scott Russell wurde hinter Nagai und vor Jochen Schmid nur vierzehnter. Aaron Slight musste sich vor Ex-Weltmeister Doug Polen gar nur mit Rang 16 begnügen.

Mauro Lucchiari (Ducati Corse Virginio Ferrari) vor seinem Teamkollegen Carl Fogarty – der erste Lauf wurde eine Beute des Lokalmatadors aus dem Ducati Werksteam vor seinem begeisterten Heimpublikum (© WorldSBK).

Das zweite Rennen auf dem Autodromo di Santamonica
Nach dem Start führte Lucchiari vor Fogarty und Corser, nach der ersten Runde kreuzten die drei das Ziel vor Colin Edwards auf der besten Yamaha. Doch der US-Amerikaner fiel kurz darauf zurück und gab das Rennen langsam an die Box rollend auf. Während sich die Spitzengruppe mit den drei Ducatis deutlich absetzte, gab es dahinter zwischen Chili und Bontempi, sowie Russell und Reynolds spannende Kämpfe um die besten Plätze der Verfolger. Als erster durchs Ziel fuhr am Ende erneut Lucchiari, dem damit sein erster Doppelsieg der Karriere vor Foggy und Corser gelang. Dahinter folgten Chili, Bontempi, Fabrizio Pirovano und Meklau. Das Duell der beiden Kawasaki-Streithähne entschied am Ende der US-Amerikaner Russell für sich und der Brite musste sich mit P9 vor dem Neuseeländer Simon Crafar auf der besten Honda begnügen. Slight kam nicht über P13 hinaus und Doug Polen gab mit Handling-Problemen an seiner Ducati auf.

Carl Fogarty (Ducati) – der erste Weltmeister der WorldSBK aus England, war der Titelverteidiger Mitte der 90-er Jahre. Es war eine Zeit, in welcher die Superbike WM sich nicht selten höherer Besucherzahlen als die MotoGP erfreuen durfte.

WM-Runde 3 in Donington Park

Der amtierende Weltmeister reiste als WM-Leader zum ersten Rennen in seiner Heimat an. Für Fogarty bedeutete dies von seinem Geburtsort Blackburn eine Fahrzeit von lediglich etwas über 2 Stunden. Im ersten Rennen machte er kurzen Prozess mit seinen Gegnern. Vom Start weg ging er in Führung und versuchte sich danach abzusetzen. Doch dann flog Scott Russell auf seiner Kawasaki heran und konnte am Engländer vorbeiziehen. Doch in der Melbourne Hairpin setzte sich wieder Foggy durch und der US-Amerikaner begann danach zurückzufallen. Dafür begann sich Pierfrancesco Chili immer besser in Szene zu setzten. Der Italiener flog jedoch in der 12. von 26 Runden ab. Am Ende hatte der Weltmeister die Nase um 1 Sekunde vor Corser im Ziel vorne.

Mit 12,58 Sekunden Rückstand auf den Sieger folgte Jamie Whitham (Ducati) vor Aaron Slight auf der besten Honda und Piergiorgio Bontempi (Kawasaki). Russell hatte auf seiner Kawasaki im Ziel mit P6 bereits über 26 Sekunden auf den Gewinner verloren. Die ersten 10 komplettierten John Reynolds (Kawasaki), Simon Crafar (Honda), Mauro Lucchiari (Ducati) und der Australier Anthony Gobert auf Kawasaki.

Scott Russell auf seiner Kawasaki ZXR-750 hatte nach seinem WM-Titel von 1993 und der knappen Niederlage im Vorjahr gegen Fogarty in der Saison 1995 von Beginn an keine Chance mehr, den Engländer ernsthaft zu bedrängen. Die aktuelle Kawasaki war dafür schlicht mittlerweile zu wenig konkurrenzfähig geworden, während Ducati laufend weiterentwickelt hatte (© WorldSBK).

Der zweite Lauf in Donington Park mit einem großen Abwesenden
Als das zweite Rennen gestartet wurde, stand der Doppelsieger des Vorjahres mit seiner Kawasaki in der Box. Vergaser-Probleme verhinderten seinen letzten Start der Saison 1995, bevor er sich aus der WSBK verabschiedete. Nach der dritten WM-Runde in Donington blieb der US-Amerikaner der Superbike Weltmeisterschaft fern und wechselte als Ersatz für den verletzten Kevin Schwantz in die 500 cm³ Weltmeisterschaft. Bei seinem ersten Einsatz für Lucky Strike Suzuki im Mugello fuhr der US-Amerikaner auf Anhieb in die Top Ten. WM-Rang 12 mit fünf Rennen weniger als die Konkurrenz war ein mehr als achtbares Resultat. Foggy gewann auch das 2. Rennen vor Chili mit seinem ersten WSBK Podium der Karriere und Slight mit seinem 2. Podest der Saison. Nachfolgend das Resultat des 2. Laufs von Donington.

Die 4. WM-Runde in Monza

Altmeister Fabrizio Pirovano stammte nur einen Steinwurf von der Strecke entfernt aus dem benachbarten Biassono. Als Vizeweltmeister von 1988 auf Yamaha war er der letzte verbliebene Spitzenfahrer im 8. Jahr der WSBK. Beim letzten Mal auf seiner Hausstrecke stand er 1993 noch zweimal nach Platz 3 auf dem Podium, nachdem er 1990 und 1992 Doppelsiege verbucht hatte. Im ersten Rennen schlug erneut Carl Fogarty zu und gewann vor Aaron Slight und Colin Edwards. Simon Crafar holte sich Platz 4 vor Yasumoto Nagai, Mauro Lucchiari, Piergiorgio Bontempi und „Hausherr“ Pirovano auf dessen Ducati.

Beim Anbremsen kollidierte Troy Corser (Ducati) hinten im Bild mit Anthony Gobert (Kawasaki, Nr. 17), während Aaron Slight auf der Honda problemlos die Linkskurve erwischte. Für die beiden Australier hingegen war das Rennen 5 Runden vor Schluss jedoch vorbei (© WorldSBK).

Das zweite Rennen auf dem Autodromo Nazionale di Monza
Nach seinem Crash im ersten Lauf flog der junge Australier Troy Corser im zweiten erneut ab. Diesmal erwischte es den Draufgänger auf seiner Promotor Racing Power Horse Ducati bereits in Runde 4. Der Crash war durchaus sehenswert, als er in hohem Bogen über zuvor gestürzten Piergiorgio Bontempi flog, dessen Kawasaki ihn abgeschossen hatte. An der Spitze duellierten sich Fogarty und WorldSBK Necwomer Chili beinhart. Der Italiener gab dabei keinen Meter preis und am Ende gelang es ihm, vor heimischem Publikum den Engländer um die Winzigkeit von 0,608 Sekunden zu schlagen. Slight folgte mit gut 4 Sekunden Rückstand auf den Zweiten, nur einen Wimpernschlag vor Yasumoto Nagai auf der besten Yamaha. Colin Edwards belegte Platz 5 vor Mauro Lucchiari, Simon Crafar und Fabrizio Pirovano als erneut achtem. Der Österreicher Andy Meklau (Ducati) komplettierte die ersten zehn vor dem Engländer John Reynolds (Kawasaki).

Im Vordergrund passierte Aaron Slight (Honda) soeben die Schikane, während Troy Corser (Ducati) über Piergiorgio Bontempi (Kawasaki) abflog. Wie man sich vorstellen kann, war die Landung des Australiers damals alles andere als sanft (© WorldSBK).

WM-Runde 5 in Albacete

Das erste Rennen der spanischen WM-Runde wurde zu einem Vierkampf an der Spitze. Beteiligt daran waren Weltmeister Carl Fogarty, seine Ducati Markenkollegen Corser und Chili, sowie Honda Speerspitze Aaron Slight. Der Neuseeländer hatte auf dem zweiten WM-Zwischenrang liegend mit 94 Punkten nur wenig mehr als die Hälfte von Fogarty mit deren 185. Vor diesem Hintergrund hatte er erst recht nichts zu verlieren. Die vier Kampfhähne an der Spitze lieferten sich einen Fight auf Biegen und Brechen und bei der Zieldurchfahrt hätten sie unter einem Badetuch Platz gehabt. Vorne lag dabei Slight vor Foggy, Corser und Chili auf dem undankbaren vierten Rang.

Aaron Slight (Honda RVF 750 RC45) – der WM-Dritte des Vorjahres war auch in der Saison 1995 die größte Hoffnung für den weltweiten Marktführer. Doch sein Saisonbeginn verlief harzig, während der amtierende Weltmeister Fogarty Rennen um Rennen für sich entschied, bis in Albacete endlich er an der Reihe war (© WorldSBK).

Der zweite Lauf in Spanien
WM-Leader Carl Fogarty hatte offenbar keine Lust mehr auf ein weiteres Herzschlag-Finale im 2. Rennen. Vom Start weg übernahm er die Führung und anfänglich vermochten ihm Ducati Markenkollege Troy Corser, Piergiorgio Bontempi und der Engländer John Reynolds (beide Kawasaki) noch zu folgen. Doch dann begann sich Foggy immer mehr abzusetzen. Während Honda Ass Aaron Slight und Fabrizio Pirovano auf seiner Ducati zur Verfolgergruppe auf und Corser verlor etwas den Anschluss. Dazu kam von hinten mit laufend schnellsten Runden Pierfrancesco Chili auf seiner privaten Ducati immer näher heran. In der neunten fuhr „Franky“ die schnellste Runde des Rennens. Der Italiener flog heran überholte Gegner um Gegner, bis er auf Platz 2 lag. Kurze Zeit später fiel Bontempi mit rauchender Kawasaki aus. Am Ende siegte Fogarty mit 4,759 Sekunden Vorsprung auf Chili und Slight konnte sich dahinter knapp gegen Pirovano durchsetzen.

Carl Fogarty (Ducati Corse Virginio Ferrari) – sechs Siege und 4 zweite Plätze in den ersten 10 Rennen, viel überlegener konnte der amtierende Weltmeister kaum in die Saison 1995 starten, bevor es nach Österreich weiterging (© WorldSBK).

Die 6. WM-Runde – Premiere auf dem Salzburgring

Auf der schön gelegenen Strecke zwischen Salzburg und dem Fuschlsee fanden früher sogar Grand Prix Läufe statt, aber die Strecke war für Motorrad-Rennen schlicht viel zu gefährlich. Dies galt jedoch auch für den Österreich-Ring, auf welchem die WorldSBK seit 1988 zu Gast war (heutiger Red Bull Ring und immer noch umstritten). Zum Glück war es am 9. Juli im Salzkammergut trocken und bei schönem Wetter wurde um 12 Uhr Mittags der erste Lauf gestartet.

Den TT-erprobten WM-Leader konnte die Gefährlichkeit des Salzburgrings nicht beeindrucken. Carl Fogarty gewann mit etwas über fünfeinhalb Sekunden Vorsprung auf seine Verfolger. Platz 2 ging um einen Wimpernschlag von 0,261 Sekunden an Antony Gobert (Kawasaki) vor Corser auf der zweitbesten Ducati. Zwischen dem viertplatzierten Honda Piloten Aaron Slight und Colin Edwards (Yamaha) auf P9 lagen kaum mehr als zweieinhalb Sekunden, derart knapp ging es im Zieleinlauf zu.

Die Verfolgergruppe mit Anthony Gobert (Kawasaki) vor Troy Corser (Ducati), Aaron Slight (Honda), Yasutomo Nagai (Yamaha, verdeckt), Jochen Schmid (Kawasaki) und hinten mit der Nummer 4 Lokalmatador Andy Meklau auf Ducati (© WorldSBK).

Das zweite Rennen und der historische erste Sieg eines jungen Australiers
Nachdem Foggy den ersten Lauf überlegen gewonnen hatte, war der Ducati Werkspilot auch der haushohe Favorit für das zweite Rennen. Doch der junge Australier Troy Corser war diesmal wild entschlossen, sich endlich seinen ersten Sieg einzufahren. Es entbrannte sich ein Kampf um Biegen und Brechen zwischen den beiden Ducati Piloten, den letztlich der Privatpilot mit 0,237 Sekunden Vorsprung für sich zu entscheiden vermochte. Sein Landsmann Gobert rettete sich knapp vor dem Neuseeländer Slight auf Platz 3. Dahinter konnte Altmeister Pirovano den jungen Japaner Nagai bezwingen, der sich dadurch mit Platz 6 begnügen musste. Die Top Ten wurden komplettiert von Mauro Lucchiari (Ducati), Piergiorgio Bontempi (Kawasaki), Simon Crafar (Honda) und Paolo Casoli (Yamaha). Interessant war auch der Mann auf Platz 11 in der Person von Helmut Bradl auf Kawasaki. Sein Sohn Stefan sollte später Moto2 Weltmeister werden.

Troy Corser (Promotor Racing Ducati) – auf dem Salzburgring holte sich der Australier den ersten Sieg in der Superbike Weltmeisterschaft. Es sollte das letzte Gastspiel der seriennahen WM auf dieser für Motorradrennen mangels ausreichenden Sturzräumen viel zu gefährlichen Strecke bleiben (© WorldSBK).

Hier zum 2. Halbjahr: http://www.motoracers.eu/wsbk-story-16-1995-2/