Mike Baldwin auf Bimota – einer der populärsten Fahrer der 1970-er und 80-er Jahre. Er gewann dreimal die 8 Stunden von Suzuka und war fünffacher AMA Formula 1 US-Meister. In der Saison 1989 trat nebst Raymond Roche auch er durchaus erfolgreich in der Superbike WM an, wenn auch nur für 5 Runden. Der US-Amerikaner war drei Jahre davor noch WM-Vierter in der 500 cm³ Weltmeisterschaft auf Yamaha gewesen (© WorldSBK).

Die 2. Saisonhälfte 1989 der Superbike WM

Im ersten Halbjahr der zweiten Superbike Weltmeisterschaft hatte es zahlreiche Überraschungen gegeben. Eine davon war Davide Tardozzi, der die ersten 5 Rennen der Saison ohne WM-Punkte blieb und nach 6 von 11 Runden als Gesamtdritter des Vorjahres nur auf WM-Rang 17 lag. Positiv zu überraschen vermochte Raymond Roche auf der Ducati. Spätestens nach seinem Doppelsieg von Brainerd (USA) gehörte der Franzose zum Kreis der Mitfavoriten auf den Titel. Nachfolgend der WM-Zwischenstand mit den ersten 17 Fahrern, bevor die Serie in Japan in die 7. Runde ging.

Raymond Roche auf der Ducati – nach seinem Wechsel aus der 500 cm³ Weltmeisterschaft beeindruckte er auf Anhieb in der seriennahen Kategorie. Das Jahr 1989 sollte erst der Anfang einer sehr erfolgreichen Superbike Karriere des aus Ollioules im Departement Var stammenden Südfranzosen werden. Zum Circuit Paul Ricard sind es von dort nur rund 20 Minuten Fahrzeit (© WorldSBK).
Alex Vieira (Honda) – einer der vielen Fahrer, welche nur an wenigen Rennen teilnahmen. Mit einem Sieg in Spielberg und einem dritten Platz in Hockenheim war er nebst Doug Polen, Peter Goddard und Michael Dowson dabei einer der erfolgreichsten.

Die 7. Runde der Saison 1989 in Japan

Fred Merkels Tiefpunkt der Saison
Nach dem Rennen in Südfrankreich ging es zum zweiten Mal im WM-Jahr 1989 nach Übersee. Diesmal aber ins Herkunftsland der meisten Bikes aus dem Starterfeld nach Sugo. Mit Doug Polen (Suzuki) gewann den ersten Lauf ein Wildcard Pilot und Landsmann Merkels, der mit Platz 16 das erste Mal in der Saison punktelos blieb. Das Podium komplettierten die beiden Australier Michael Dowson (Yamaha) und Rob Phillis auf Kawasaki. Bester Europäer wurde Giancarlo Falappa auf Bimota vor den beiden Japanern Arata (Yamaha) und Iwahashi (Honda).

Rob Phillis auf Kawasaki – der Australier bestritt im Vorjahr nur 5 von 9 WM-Läufen der Superbike WM. Trotzdem wurde der Kawasaki Pilot 1988 WM-Siebter (© WorldSBK).

Der zweite Lauf von Sugo
Nach dem 2. Lauf in Österreich war es auch in Sugo wieder zu Regenrennen gekommen. Diesmal sogar gleich in beiden Läufen. Diesmal gewann der Australier Dowson vor Iwahashi, Falappa, Polen und den beiden Japanern Sohwa, Phillis und dem Neuseeländer Aaron Slight (alle Kawasaki). Merkel blieben mit Rang 12 nur 4 WM-Punkte als Ausbeute vom Japan-Abstecher. Der US-Amerikaner konnte dabei froh sein, waren Mertens, Pirovano und Roche auch nicht viel besser davongekommen. In der WM-Zwischenwertung mit nun acht Punkten Vorsprung auf Mertens als neuem WM-Zweiten reiste Fred Merkel per Mitte September in Hockenheim an, wo die achte von 11 Runden stattfand.

Fabrizio Pirovano (Yamaha FZR-750R) – im ersten Lauf zweitbester Europäer auf Rang 7 und im zweiten Rennen mit weniger Glück durch Sturz ausgeschieden.
Takahiro Sohwa auf Kawasaki – der Japaner trat nebst seinem Heimrennen von Sugo auch bei den beiden letzten WM-Runden in Australien und Neuseeland an. Mit WM-Rang 20 war er der erfolgreichste Teilnehmer seines Landes. Es sollte noch 6 Jahre dauern, bis der erste Japaner die Superbike WM in den Top 5 abschliessen würde (© WorldSBK).

WM-Runde 8 in Hockenheim

Vorstellung dreier Fahrer im Programmheft, von links der Schwede Anders Andersson (Yamaha), Suzuki Pilot Ernst Gschwender und der amtierende Weltmeister Fred Merkel in seiner zweiten WorldSBK Saison auf Honda.

Insgesamt hatten sich für die deutsche Runde 91 Teilnehmer eingeschrieben. Mit seinem zweiten Doppelsieg nach Brainerd (USA) wurde der Sonntag in Baden-Württemberg für Ducati Pilot Raymond Roche sein nächster zweifacher Triumph. Der WM-Leader und amtierende Weltmeister Merkel kam nicht über die Plätze 4 und 8 hinaus. Deutlich besser lief es für Mertens mit den Plätzen 2 und 3, der damit neuer WM-Leader mit 195 Punkten war. Fred Merkel folgte mit 193 Zählern vor Raymond Roche (172) und Fabrizio Pirovano (165).

Stéphane Mertens vor seinem Honda Markenkollegen Fred Merkel auf der Verfolgung von Aaron Slight auf Kawasaki. Der Belgier war nach den Rennen auf dem Hockenheimring neuer WM-Leader der Superbike WM 1989 (© WorldSBK).

Die letzte europäische Station in Sizilien für WM-Runde 9

Wieso ausgerechnet Enna-Pergusa als Austragungsort der ersten italienischen Runde der Superbike WM gewählt wurde, erstaunt selbst heute noch. Im Vorjahr gab es noch keinen italienischen Lauf, aber Strecken wie Monza, Misano oder Imola hätten sich bestimmt eher aufgedrängt. Zudem waren sie für die vielen Teilnehmer aus Europa wesentlich besser erreichbar, als die Strecke um den einzigen natürlichen See Siziliens. Zwar gewannen ausgerechnet seine Kontrahenten im Kampf um den Titel die beiden Rennen, doch Fred Merkel war mit zwei 2. Plätzen mal wieder der Konstanteste. Roche sah im ersten Lauf die Zielflagge nicht und Mertens kam im zweiten nicht über Platz 7 hinaus. Zwei Punkte betrug vor der Reise nach Australien der knappe Vorsprung von Merkel auf Mertens.

Stéphane Mertens (Honda) – der Belgier gehörte vor der Abreise nach Down Under zum engsten Favoritenkreis für den zweiten WorldSBK Titel. Sein Vorsprung auf die nächsten Verfolger Roche und Pirovano betrug über 30 Punkte und nur noch maximal deren 80 waren zu vergeben.
Die Werks-Ducati von 1989 – mit Baldassare Monti und Raymond Roche gelangen den Italienern bereits zahlreiche Achtungserfolge. Für den ganz großen Durchbruch sollten sie nicht mehr lange warten müssen (© WorldSBK).

Die vorletzte WM-Runde in Australien

Raymond Roche – der Franzose fuhr seine erste Saison für das Squadra Corse Ducati Lucchinelli Team auf der Ducati 851 und vermochte dabei gleich auf Anhieb zu überzeugen.
Der Oran Park Circuit wäre heute mit seiner Länge von nur 2,649 Kilometern für einen WM-Lauf undenkbar. Die wunderschön gelegene Strecke von Phillip Island kam daher ab 1990 für jede australische Superbike Runde zum Zug.

Zum zweiten und letzten Mal auf der WM-unwürdigen Strecke
Oran Park war zum letzten Mal Gaststätte der Superbike Weltmeisterschaft. Südwestlich von Sydney gelegen, sollte dieser Kurs im Jahr darauf vom Phillip Island Circuit abgelöst werden. Für Merkel und die Europäer drohte hier wie beim Saisonfinale in Neuseeland die Gefahr, von den vielen starken Fahrern aus Down Under in den Schatten gestellt zu werden. Wie in Japan konnte dies zudem auch starke Auswirkungen auf die WM-Entscheidung haben. Im Vorjahr hatte hier Michael Doohan auf Yamaha beide WM-Läufe überlegen gewonnen. Von Mick, wie er sich kurz danach der Einfachheit halber in der Grand Prix Szene nannte, drohte jedoch 1989 keine Gefahr mehr. Der aus Brisbane stammende Australier fuhr in diesem Jahr bereits in der 500 cm³ WM mit.

Davide Tardozzi (Bimota) – der spätere Ducati Manager war als Teamchef wesentlich erfolgreicher, als in seiner ersten Karriere als SBK-Fahrer.

Die Stunde der Einheimischen
Die Strecke war noch feucht, als das erste Rennen gestartet wurde, trocknete aber zusehends ab. Prompt schlug im ersten Rennen von Oran Park wieder die große Stunde der einheimischen Piloten. Mit Peter Goddard (Yamaha) vor Rob Phillis (Kawasaki) gewannen zwei Lokalmatadoren vor Fabrizio Pirovano auf Yamaha und Raymond Roche (Ducati) als besten Europäern. Stéphane Mertens wurde achter und die Ausbeute des amtierenden Weltmeisters und WM-Leaders Merkel blieb Rang elf noch bescheidener.

Ein Blick auf den Hinterreifen vom amtierenden Weltmeister. Im ersten Rennen auf australischem Boden lief es für Merkel gar nicht nach Wunsch, nachdem er hier im Vorjahr immerhin die Plätze 4 und 5 belegt hatte.

Der zweite Lauf in Oran Park
Roche schaffte es im zweiten Rennen mit seiner Ducati hinter dem Australier Michael Dowson (Yamaha) erneut aufs Podium. Mertens wurde diesmal vierter vor Merkel und dem Neuseeländer Aaron Slight. Dieser sollte in der WorldSBK in den kommenden Jahren noch oft für Schlagzeilen sorgen. Erneut hatte sich die Situation an der Spitze damit wieder geändert und vor dem Finale in Neuseeland führte wieder der Belgier Mertens mit 245 Punkten vor US-Boy Merkel mit 242 und Roche (222). Fabrizio Pirovano hatte mit 208 Zählern nur noch theoretische Chancen auf den Titel.

Giancarlo Falappa (Bimota) – nach 3 Saisonsiegen fehlte der schnelle Italiener bei den letzten beiden Weltmeisterschafts-Events von 1989. Im Jahr danach sollte er als Ducati Pilot für deren Werksteam zurückkehren.
Raymond Roche (Ducati, man beachte die Motorrad-Marken, welche 1989 auf seiner Kombi aufgenäht waren und damals zusammengehörten) war 1989 der erfolgreichste Europäer in Australien. Bei dieser Aufnahme ist eine optische Verwandtschaft mit Johann Zarco und Marco Melandri kaum abzustreiten (© WorldSBK).

Die Entscheidung um den WM-Titel in Manfeild

Wie im Vorjahr blieb die Superbike Weltmeisterschaft auch 1989 bis zum Schluss äusserst spannend. Wiederum lag Fred Merkel dabei nur auf Platz 2, als es erneut für das WM-Finale auf den Kurs von Manfeild in Neuseeland ging. Mit 3,114 km war auch diese Strecke im Vergleich zu heute üblichen Kursen viel zu kurz. Der Engländer Terry Rymer (Yamaha) gewann etwas überraschend vor dem Lokalmatador Aaron Slight (Kawasaki) und Fred Merkel als bestem Honda Piloten. Dahinter platzierten sich die Australier Michael Dowson (Yamaha) und Rob Phillis (Kawasaki). Weil Stéphane Mertens mit seiner Honda in der 12. von 33 Runden crashte, hatte nun plötzlich wieder Merkel Matchball, um es im Tennis-Jargon zu formulieren. Jetzt hatte der US-Amerikaner wieder 12 Punkte Vorsprung auf den Belgier.

Die Honda VFR750 RC30 von Fred Merkel – der US-Amerikaner hatte auf Honda von 1984 bis 1986 bereits in der AMA drei nationale Superbike Titel geholt, bevor er 1989 zum ersten Weltmeister der Superbike Weltmeisterschaft wurde. Nun ging es bei der Verteidigung seines Titels wie im Vorjahr erneut sehr eng zu.
Terry Rymer (Yamaha) – am anderen Ende der Welt holte sich der Engländer seinen ersten Superbike Sieg und wurde später auch in der „FIM Endurance Championship“ Weltmeister (© WorldSBK).

Der letzte WM-Lauf brachte die Entscheidung
Stéphane Mertens musste nun unbedingt den zweiten Lauf gewinnen, um seine Titelchancen aufrechtzuerhalten. Doch dabei durfte aufgrund der damaligen Punkteregelung Fred Merkel höchstens achter werden. Erst ab 1995 erhielt der Sieger 25 Punkte, während damals ein Sieg nur 20 Zähler einbrachte. Der Belgier fuhr im letzten Rennen der Saison wie der Teufel, doch es nützte ihm am Ende nichts. Weil sein Konkurrent Merkel 3 Sekunden hinter dem Zweiten Malcolm Campbell (Honda) die Ziellinie kreuzte, war er zum zweiten Mal in Folge hauchdünn Weltmeister geworden. Mit zwei Siegen 1989 und nun deren drei reichte es dem US-Amerikaner für die ersten beiden Titel der noch jungen seriennahen WM.

Fred Merkel (Honda VFR 750 RC 30) – am 19. November 1989 krönte sich der dreifache AMA Superbike Champion in Manfeild zum zweiten Mal in Folge zum Superbike Weltmeister. Für Honda sollte eine längere Durststrecke folgen, bis erneut ein US-Amerikaner den dritten Fahrertitel der seriennahen WM für den weltgrössten Motorrad-Hersteller holte (© WorldSBK).
Fabrizio Pirovano (Yamaha FZR-750R) – der Vizeweltmeister von 1989 musste aufgrund einer Sturzverletzung im 2. Rennen von Oran Park auf die letzten 3 WM-Läufe verzichten.

Kleines Rechenbeispiel – die WM 1989 nach heutiger Rechnung

Wir haben uns erlaubt, ein kleines Zahlenspiel durchzuführen und zu ermitteln, wie die WM nach heutigem (seit 1995 angewendetem) Punktesystem ausgesehen hätte. Und siehe da, Fred Merkel kann sich beruhigt zurücklehnen. Der dreifache AMA Superbike Champion in seiner Heimat wäre auch nach heutiger Zählweise mit 298 Punkten um 3 Zähler in der WM-Endabrechnung vor Mertens gelegen. Dies war in früheren Jahren nicht immer so, wie Beispiele der ersten Jahrzehnte der Motorrad-WM zeigen, siehe in unserer History über Fahrer wie H. G. Anscheidt im Jahr 1964.

Stéphane Mertens (Honda) im Gespräch mit dem Australier Rob Phillis (Kawasaki). Viel knapper als der Belgier konnte man als WM-Leader beim Finalwochenende den bereits greifbaren Titel kaum mehr verlieren (© WorldSBK).

Die Rangliste der zweiten Superbike WM 1989 – P1 bis 46

Rang 47 bis 99 – die längste WM-Rangliste der WorldSBK-Geschichte

Das Jahr 1990: http://www.motoracers.eu/wsbk-story-teil-5/