Immer wieder – fragwürdige Funktionäre gefährden den Sport
Dass die FIM-Stewards oft keine glückliche Hand haben, erfuhren einige MotoGP Fahrer und Teams kürzlich bereits schmerzhaft in Brünn und Spielberg. Dass beispielsweise Johann Zarco im GP von Tschechien einen Long Lap Penalty erhielt, nachdem er von Pol Espargaró in Kurve 1 gerammt wurde (und nicht etwa umgekehrt), war schlicht grotesk. Genauso die Tatsache, dass Tom Sykes nach seiner rücksichtslosen Aktion im Superpole-Race Leandro Mercado auf dem Gewissen hatte und dabei trotzdem danach straffrei blieb. Der Argentinier fehlte im 2. Rennen verletzt und musste gar auf das komplette zweite Event an selber Stätte danach verzichten. Auslöser des Ausritts von Sykes vor Kurve 8 war zwar ein davor weit gehender Chaz Davies. Aber der BMW Pilot ruderte anschliessend absolut unkontrolliert wieder zurück auf die Strecke und dies ohne Rücksicht auf die nachfolgenden Piloten sogar mitten auf die Ideallinie. Der herannahende Mercado konnte nicht mehr ausweichen und prallte mit voller Wucht in Sykes, wonach er heftig abflog. Jeder kann sich die Kollision der beiden im WorldSBK Player ansehen. Der Argentinier hatte keine Chance und verletzte sich entweder bereits beim Aufprall oder dann dem nachfolgenden Sturz ernsthaft.
Bestrafungsorgie am Freitag mit Fragezeichen
Dafür gab es am 2. Wochenende von Aragon am Freitag danach eine wahre Bestrafungs-Orgie. Dass zahlreiche SSP 300 Fahrer für ihre Bummelei bestraft wurden, ist durchaus nachvollziehbar und geht so weit in Ordnung. Diesbezüglich müssen die Kommissare absolut zu Recht auch in der Moto3 oft genug durchgreifen. Dass jedoch SSP 600 Puccetti Kawasaki Pilot Lucas Mahias nach einer Kollision mit Hikari Okubo ebenfalls bestraft wurde, hinterlässt Fragen. Wie sein Teamchef danach erklärte, war der Japaner auf der Ideallinie in Schleichfahrt unterwegs, als es zu einer Berührung zwischen den beiden kam. Im Vergleich zum Zwischenfall von Sykes und Mercado erscheint die Bestrafung des Franzosen (statt des eindeutig bummelnden Japaners) mehr als fragwürdig. Vor allem war ja Okubo primär dabei im Fehler, da die Ideallinie strikte für Langsamfahrer verboten ist. Diese sollen an den Streckenrand, um nicht andere Piloten auf deren schneller Runde zu behindern. Grundsätzlich wirken die FIM-Stewards demnach nicht nur in der MotoGP, sondern häufig auch in der Motul WorldSBK oft hilflos überfordert. Leider gibt es niemanden, der sie für ihre Fehlleistungen bestrafen kann, was extrem schade für den Sport ist.
Der beste Superbike Fahrer aller Zeiten in absoluter Hochform
Was der Nord-Ire am Doppelrennen von Aragon leistete, wird in die Geschichte des Motorsports eingehen. Jeder Laie konnte von blossem Auge erkennen, wie unterlegen Reas Kawasaki im Top-Speed gegenüber den Ducatis war. Dies hinderte den besten Superbike Piloten aller Zeiten jedoch nicht daran, trotz Leistungsnachteil im kurvenreichen Teil der Strecke die Zeit gutzumachen, welche er auf den langen Geraden jede Runde wieder verlor. Ähnliche Szenen erlebten wir letztes Jahr im Herbst bei unserem Besuch am Saisonfinale in Losail (Katar). Der Weltmeister musste jedes Mal im kurvigen Teil der Strecke den Rückstand wieder aufholen, den er sich davor auf der endlos langen Geraden gegenüber den Ducatis von Davies und Bautista geholt hatte. Nebenbei bemerkt fuhr Jonathan Rea zum 17. Mal in Folge in Aragon aufs Podium. Mit einer derart kämpferischen Leistung an beiden Aragon-Wochenenden den Gesamtsieg einfahren zu können, davon hätte Johnny Rea selbst davor nie geträumt. Als WM-Leader nach Barcelona weiterzufahren war sein Ziel und sein Vorsprung ist mit nun bereits 36 Punkten bedrohlich für seine Herausforderer angewachsen.
Die Sorgenkinder: BMW und Yamaha
Bei BMW ist offenbar neuerdings das primäre Ziel, überhaupt die karierte Flagge zu sehen. Nach zahlreichen technischen Pannen, zuletzt im 2. Rennen der zweiten Aragon-Runde bei Tom Sykes, sollte zumindest eine höhere Zuverlässigkeit angestrebt werden. Betrachtet man sich die Top-Speed-Werte von Eugene Laverty in Aragon, sieht es offenbar diesbezüglich gar nicht so schlecht aus, wie oft von den Fahrern behauptet. Aber die viel zu häufigen Ausfälle und jeweils nur wenigen kurzen Lichtblicke sind schlicht ungenügend für ein Werksteam wie BMW in seiner zweiten Saison.
Auch Yamaha mit Problemen
Bei Yamaha liegen die Probleme ähnlich. Auch dort mangelte es diese Saison bereits zu oft an der Zuverlässigkeit, wie einige Ausfälle von Toprak und „Magic Michael“ bewiesen. Der von vielen Seiten hoch gehandelte Türke landete in Aragon jedenfalls wie im Vorjahr mal wieder auf dem Boden der Tatsachen. Es kann nicht nur an der Yamaha liegen, dass Razgatlioglu in Aragon bisher nicht auf einen grünen Zweig kam. Im Vorjahr war er nämlich auf einer Kawasaki unterwegs und holte damals ganze 8 Punkte. Bester Yamaha Pilot war beim Doppelrennen jedenfalls van der Mark mit insgesamt 51 Punkten, gegenüber deren 44 von Toprak. Für Barcelona werden die Karten wieder neu gemischt und wer dort am Ende die Nase vorne haben wird, dürfte spannend zu beobachten sein.
Die Hausaufgaben gemacht: HRC Honda
Sieht man von der „Entwicklungstruppe“ MIE ab, zeichnet sich HRC Honda als das Team aus, welchem diese Saison die mit Abstand größten Fortschritte gelangen. Beinahe verwunderlich ist dies vor dem Hintergrund der Corona-bedingten Reiseproblematik, trotz welcher Honda in der Lage war, eine beispielhafte Weiterentwicklung zu betreiben. Es war eine Freude für jeden neutralen Fan zu sehen, wie Ducati Werkspilot Chaz Davies selbst auf der langen Geraden keine Chance hatte, an seinem letztjährigen Teamkollegen Alvaro Bautista mit der Honda CBR-1000RR-R vorbeizugehen. Im Superpole Sprintrennen besiegte der kleine Spanier seinen Kontrahenten einwandfrei, nur über die volle Distanz übertrieb er es jeweils zu stark. Umso mehr gelang es Mannschaftskollege Leon Haslam, sich hervorragend in Szene zu setzen. Der Engländer glänzte im 2. Rennen mit einem sensationellen 4. Rang, noch vor Kawasaki Werkspilot Alex Lowes und sämtlichen Yamahas. Für Barcelona, wo HRC Honda genauso wie das Kawasaki Werksteam seine Basis hat, ist kaum mit einem Einbruch zu rechnen.
WM-Zwischenstand Motul WorldSBK
Mit einer Rückkehr von Sandro Cortese auf seine Kawasaki ist laut letzten Meldungen nicht mehr zu rechnen. Der Berkheimer dürfte letztlich wohl auf den Rat seiner Familie hören und in absehbarer Zeit seinen Rücktritt vom aktiven Rennsport bekannt geben. Zumindest den deutschsprachigen Fans könnte er in naher Zukunft aber womöglich als Co-Kommentator am Mikrofon bei der Übertragung von Rennen erhalten bleiben. Nach seiner zweiten Rückenverletzung ist jedenfalls kaum damit zu rechnen, dass Sandro seine in einigen Monaten hoffentlich wiedererlangte Gesundheit nochmals aufs Spiel setzen wird. Sein Ersatz für Aragon tat sich einigermassen schwer, aber immerhin holte der Spanier Ramos dabei zweimal WM-Punkte. Spannend wird in der nächsten Runde vor allem die Frage, ob Scott Redding nochmals die Lücke im WM-Klassement in Barcelona zu Leader Rea verkleinern kann. Für Magny-Cours wird es danach eher noch schwieriger für die Ducati-Hoffnung, nachdem er diese Strecke nicht kennt. Allerdings hat „Scotty“ im Vorjahr in der British Superbike Meisterschaft (BSB) als Sieger bewiesen, dass er sich schnell auf für ihn neue Kurse einschiessen konnte.
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