Marc Marquez (Repsol Honda) – der Spanier in der Verfolger-Rolle auf der Jagd nach seiner Form. Sein Comeback hinterliess einen sehr zwiespältigen Eindruck bei den meisten Beobachtern. Beim erzielten Resultat sind einige kritischen Worte dazu nicht fehl am Platz.

Sehr zwiespältige Eindrücke vom 1. GP-Wochenende des Rückkehrers

Rein sportlich gesehen steht der Hype zum Comebacks von Marc Marquez in keinem Verhältnis zu seinen erzielten Leistungen am Rennen. Die Faxen, welche er in der Box und beim Aufsteigen aus sein Bike machte, wirkten auf viele Betrachter eher verwirrend. Eigentlich ist es einfach, er ist fit und fährt, oder er reicht noch nicht und er soll die Repsol Honda Stefan Bradl überlassen. Ein sehr gutes Stichwort, weil der Deutsche Mitte November exakt dieselbe Platzierung als Ersatzfahrer des Spaniers in Portugal geschafft hatte. Allerdings hatte dieser bei seinem 7. Rang nicht von Ausfällen vor ihm liegender Fahrer profitiert und nur gut 5 Sekunden Rückstand auf Platz 4 gehabt. Marquez hingegen hätte es ohne die Stürze vor ihm aus eigener Kraft nicht über Platz 10 geschafft.

Wahnsinnig viel Tamtam für ein durchaus bescheidenes Resultat – man beachte die Zahl der Kameras nur schon beim Verlassen der Box. Es gab an diesem Wochenende sensationelle Leistungen verschiedener anderer Fahrer, doch „dank“ dem Marquez-Comeback teils beinahe unbeachtet.

Zum Thema Tapferkeit des Rückkehrers
Manch einer würde bei den vorherigen Worten bestimmt sofort einwerfen, wie tapfer Marc sich bei seinem Comeback durchkämpfte. Was ist vor diesem Hintergrund dann mir beispielsweise Pol Espargaró oder Takaaki Nakagami? Die beiden hatten zuvor heftige Stürze überstanden und jeder Knochen dürfte geschmerzt haben, nicht nur der rechte Arm! Im Vorjahr startete Sam Lowes mit einem Knochenbruch in seiner Hand, um einen anderen Vergleich zu nennen. Es stand auch nirgends zu lesen, Marquez sei zu seiner Rückkehr ausgerechnet bereits für in Portugal gezwungen worden. Wenn er fit ist, soll er in Jerez fahren und wenn nicht, bitte nicht nochmals mit derartigen Schauspiel-Einlagen wie in Portimão. So zumindest die Meinung der Mehrheit unserer Zuschriften zum Thema.

Pol Espargaró (Repsol Honda) – der Katalane wurde für seine Tapferkeit nach heftigem Crash am Samstag, nachdem ihm alles weh tat nicht belohnt. Aufgrund eines Defekts an der Hinterbremse musste er nach wenigen Runden das Rennen aufgeben und konnte nicht beweisen, dass er auch von weit hinten womöglich eine Chance für die Top Ten gehabt hätte.

Im Schatten der Rückkehr von Marquez – die Aprilia- und KTM-Sensation

Während Marc Marquez nur die ersten knapp eineinhalb Runden vorne mitkämpfte, waren Aleix Espargaró und Brad Binder kurz davor noch auf den Plätzen 8 und 9 über die Ziellinie gefahren. Danach war die Show des 6-fachen Weltmeister eigentlich bereits vorbei. Der Repsol Honda Pilot hatte sich hinter Joan Mir offensichtlich völlig verschätzt und fuhr diesem voll ins Hinterrad, wobei er beinahe selbst abflog. Zum Glück passierte nichts, aber Marquez verlor dadurch im Anschluss einige Plätze. Wer aber nun erwartet hatte, er kämpfe sich zurück, sah sich bitter enttäuscht. Vielmehr kam nun die Demonstration von Brad Binder und Aleix Espargaró. Der eine auf der bis kurz davor als völlige Krücke dargestellten KTM und der andere als klassischer Underdog auf der Gresini Aprilia.

Aleix Espargaró und Lorenzo Savadori – das ungleiche Aprilia Duo. Der vordere der beiden ist absolute Weltklasse und der hintere höchstens auf dem Weg dazu, einer der besten zu werden. Beide fuhren wie um ihr Leben, aber die Mehrheit interessierte sich praktisch nur für Marc Marquez.

Was hätte wohl Fausto Gresini dazu gesagt?
Bereits beim ersten Doppelrennen der Saison in Losail stellten wir uns manchmal diese Frage. Viele Beobachter fanden die Schweigeminute zum Gedenken an den verstorbenen Teamchef sehr emotional und rührend. Trotzdem wurden wir im Rennen den Eindruck nicht los, ihm wäre dem ehemaligen Grand Prix Fahrer mehr Aufmerksamkeit für die Leistung seines Fahrers Aleix Espargaró viel lieber gewesen. Genauso wie Brad Binder liess der Katalane dem Mega-Champion Marquez nie eine Chance und zeigte diesem früh sein Hinterrad. Es macht vor diesem Hintergrund sehr traurig, dass Fausto nicht mehr da ist und selbst bestätigen kann, dass wir damit vollkommen richtig lagen. Es war nicht wirklich fair, wie sehr die sportliche Leistung solcher Athleten fast vollkommen unterging, nur weil ein anderer zurückkommt und hinter ihnen einen 7. Platz einfährt.

Brad Binder (KTM) vor Marc Marquez (Honda), Francesco Bagnaia und Luca Marini (beide Ducati). Im Vorjahr noch MotoGP-Lehrling, aber bereits im 3. Rennen der Saison Sieger in Brünn. Ein Jahr danach degradierte er den Weltmeister von 2019 zum Statisten.

Was kommt als Nächstes?
Zum reichlich übertriebenen Hype was das Comeback von Marc Marquez betrifft, wartet bereits der zweite Akt auf die Fans. Kurz nach dem Portugal GP wurde angekündigt, er dürfe angeblich bis zum Grand Prix in Jerez nicht auf dem Motorrad trainieren. Damit ist erneut klar, dass man ihn auch beim zweiten Rennen im Voraus zum Underdog abstempeln will. Die Fans sollen dann jubeln, sobald er auf einer seiner Lieblingsstrecken einer der schnellsten sein sollte. Nachdem selbst sein Bruder Alex zu Protokoll gegeben hatte, Marc sei im Rennen immer schneller geworden, fragt man sich zu recht: War das ganze Theater vor dem Rennen mit der öffentlichen Frage, ob er dieses überhaupt durchstehen würde bloss reine Schauspielerei? Egal, viele Fans würden gerne wieder den richtigen Rennfahrer Marquez sehen. Einer, der bedingungslos auf Sieg fährt und nicht in erster Linie über sein eventuelles Durchhalten und Handicap öffentlich lamentiert, dafür wird er letztlich fürstlich bezahlt.

Marc Marquez in der Repsol Honda Box – eine nach wie vor sehr kontroverse Person. Niemand weiss genau, wie intensiv er sich in Portimão vor seiner Rückkehr vorbereitet hatte. Dass er zurückkommt und behauptet, womöglich nur wenige Runden im Rennen durchzustehen liess am Samstag bereits aufhorchen. Am Ende fuhr er das Rennen jedoch fertig, als sei es das einfachste der Welt. Von einem angeblichen Handicap war dabei nichts mehr zu sehen.

Die vierte WM-Runde in Jerez de la Frontera

Nach Mick Doohan wurde auch für Marc Marquez die dritte Kurve in Jerez zu einem schicksalsträchtigen Ort. Keine Mutpassage wie die teils blind gefahrenen Ecken des Autodromo do Algarve oder der berüchtigten Cork-Screw von Laguna Seca. Eigentlich eine Linkskurve, wie es viele gibt, aber sie beendete die Karriere des 5-fachen Serienweltmeisters aus Australien in der 500 cm³ Klasse. Der Katalane muss dies alles jedoch ausblenden, genauso wie seinen eigenen Sturz im Vorjahr. Nachfolgend die MotoGP Statistik für den Circuito de Jerez. Mick Doohan gewann viermal vor seinem fürchterlichen Crash im Training zum Rennen von 1999 und Marquez war immerhin dreimal siegreich. Bis er die 7 Triumphe von Valentino Rossi erreicht muss er sich noch gewaltig sputen.

In Kursivschrift dabei die Sieger der Zweitakt-Ära mit 500 cm³ in der Königsklasse, 250 cm³ vor der Moto2 und 125 cm³ bis 2011.
Der Schweizer WorldSSP 600 Pilot Randy Krummenacher vor uns in Jerez in der berüchtigten Kurve 3 fotografiert. Hier wird Marc Marquez nur die ersten paar Mal vorsichtig wie hier im Bild im Warm-Up einfahren, danach geht er bestimmt wie immer „volle Kanne“.

Ein früheres Paradebeispiel für ein Sensations-Comeback

Um die heldenhafte Rückkehr von Marc Marquez ein wenig zu relativieren, erinnern wir an einen Mann, der in den früheren 1990-er Jahren zu den besten WorldSBK Fahrern gehörte. Der Italiener Giancarlo Falappa fuhr 1990 für Ducati in deren Werksteam, nachdem er im Jahr davor auf Bimota dreimal siegreich gewesen war. Laut schlecht orientierten Quellen hatte der Italiener angeblich keinen besonders guten Start in die Saison erlebt. So ganz stimmt dies jedoch nicht, lag er doch nach 2 Runden auf dem 3. Zwischenrang der Weltmeisterschaft. Jedenfalls lief es ihm danach nicht nur rund und er reiste für die 7. von 13 Runden nach Spielberg. Falappa verunfallte dabei ausgerechnet an seinem Geburtstag beim Qualifikationstraining auf dem Österreichring (heute Red Bull Ring) beinahe tödlich. Es passierte in einer Kurve, die mit über 250 km/h durchfahren wurde, als er einem langsameren Fahrer ausweichen musste. Damals waren die Leitplanken viel zu nahe platziert und er überlebte den fürchterlichen Crash nur knapp.

Zu Beginn der goldenen 90-er Jahre der WorldSBK einer der ganz großen Fahrer seiner Zeit – Giancarlo Falappa auf der Ducati. Er war ein absoluter Publikumsliebling und einer der furchtlosesten Fahrer der seriennahen Weltmeisterschaft.

Die fürchterlichen Verletzungen waren lebensbedrohlich
Der „Löwe von Jesi“ wie ihn seine Landsleute nannten, zog sich dabei 27 Knochenbrüche zu. Der Riss einer Oberschenkelarterie führte zu sehr hohem Blutverlust und Giancarlo war zwölf Tage im Koma. Auf die Saison 1991 kehrte er gegen den Rat seiner Ärzte und das Flehen seiner Familie zurück. Seinen linken Arm konnte er nicht mehr richtig heben. Dazu war er an seinem linken Bein nach dreizehn Knochenbrüchen arg handicapiert, da er es seit dem Unfall nicht mehr gut beugen konnte. Erst in der 10. Runde in Deutschland auf dem Hockenheimring feierte er sein erstes Podium nach seinem Comeback. Im Jahr darauf lieferte der Norditaliener die endgültige Bestätigung, dass er es noch kann. Nach drei Podestplätzen ging es für die 6. Runde nach Spielberg. Ausgerechnet hier, wo er 2 Jahre davor beinahe sein Leben verloren hatte, fuhr dieser Ausnahmepilot in beiden Läufen zum Sieg. Dies als früheres Paradebeispiel für ein Sensations-Comeback eines unbestritten arg handicapierten Rückkehrers der damaligen Zeit. Es soll übrigens ganz ohne theatralische Faxen abgelaufen sein, wie uns ein Zeitzeuge glaubhaft versicherte.

Giancarlo Falappa, genannt der Löwe von Jesi – der Italiener war hart im Nehmen und wer mehr über seine aktiven Jahre lesen möchte, kann sich dies gerne auf unserer reich illustrierten History der früheren Jahre der WorldSBK im Detail ansehen.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).