Leandro „Tati“ Mercado (MIE Honda) in Aragon – der schnelle Argentinier war mit null Vorbereitung und nicht konkurrenzfähigem Bike absolut chancenlos. Aber die wahre Hiobsbotschaft kam erst nach dem Rennen.

Nachwehen aus Aragon vor der Estoril Runde

Es gibt eine ganze Reihe negativer Aspekte, wie beispielsweise die Verletzungen von Tuuli und Gradinger, welche das Aragon Wochenende mitprägten. Wesentlich schlimmer aber ist eine Nachricht, die uns unmittelbar nach dem WSBK-Auftakt tags darauf erreichte. Mit MIE Honda gibt es einen Rückzug aus der WorldSBK nach nur einem Rennen, welcher sehr zu denken gibt. An erster Stelle der Leidtragenden ist dabei Leandro Mercado zu nennen und an zweiter der Sport und die Mitarbeiter des Teams. Wir haben mit dem Chilenen Maximilian Scheib bereits einen der beiden schnellen Männer aus Südamerika verloren und nun zieht man auch bei der Mannschaft des Argentiniers nach nur einem Rennen den Stecker. Nachfolgend der Wortlaut zum angeblich temporären Rückzug.

Midori Moriwaki – Teamchefin: Beginnend mit der Aragon-Runde haben wir einen Entwicklungspfad für unser Bike eingeschlagen, auf dem wir in den kommenden Wochen eine Reihe von Tests durchführen werden. Auf diese Weise glauben wir, dass wir auf einem viel höheren Niveau als am vergangenen Wochenende antreten können. Dies zumindest für den Rest der Saison. Die Entscheidung, eine begrenzte Anzahl von Veranstaltungen zu verpassen, war nicht einfach, aber wir denken, dass dies der richtige Weg ist, um dieses Jahr ein höheres Niveau zu erreichen. Die durch die Pandemie verursachten Probleme und Herausforderungen beginnen endlich gelöst zu werden. Jetzt ist es an der Zeit, alles daranzusetzen, das Potenzial der fantastischen Teamarbeit des MIE Racing Honda Teams, unseres Motorrads und unseres Fahrers Tati Mercado auszuschöpfen, um im Laufe der Saison viel bessere Ergebnisse zu erzielen.

Tati Mercado von uns 2019 noch als Kawasaki Fahrer im Parc Fermé fotografiert. Nun zieht das Team von Midori Moriwaki nach nur einer Runde einfach den Stecker und eine wirkliche einleuchtende Begründung dafür fehlt vollkommen. Schade gibt es dafür keine Form der Bestrafung, denken sich wohl dabei nicht nur die Fans aus Argentinien.

Die Verletzten – Gradinger, Tuuli und weitere

Der Österreicher und der Finne mussten auf das zweite Rennen verzichten. Bei ersterem war dies aufgrund seiner miserablen Saisonvorbereitung, respektive der seines Teams womöglich von erlösendem Charakter. Trotzdem hoffen wir mit seinen Fans, dass Gradinger für Estoril wieder fit sein wird. Niki Tuuli hingegen war auf dem Weg zum Sieg, als er mit einem zu optimistischen Bremspunkt in Kurve 12 nicht nur sich, sondern auch Leader Jules Cluzel aus dem Rennen warf. Mit einer Hirnerschütterung war früh klar, dass man ihn am nächsten Tag wohl nicht fahren lassen würde. Als Mitfavorit auf Podium und gar Siege die ersten zwei Rennen zu verpassen, war für den MV Agusta Piloten fatal. Es erwischte auch einige Piloten der Nachwuchsklasse, aber diese haben im Gegensatz zur WSSP 600 aktuell Zeit, sich davon zu erholen, weil sie in der 2. WM-Runde nicht am Start stehen werden.

Das Drama in Kurve 12 sieben Runden vor Schluss – Niki Tuuli (MV Agusta, rechts im Bild) war zu nah an Jules Cluzel (GMT94 Yamaha) dran und berührte mit seinem Vorderrad dessen Heck, worauf beide heftig abflogen. Weil der Franzose hinten keine Augen hat, kann man ihm definitiv keine Schuld zusprechen. Zum zweiten Mal nach 2020 wurde er von einem Konkurrenten abgeschossen und fuhr danach trotz Start von ganz hinten diesmal aber noch aufs Podium – Chapeau!

Die Nachwehen bei den Gegnern von Kawasaki

Mit seiner Leistung in Aragon hat Alex Lowes bestimmt nicht nur uns verblüfft, obwohl wir ihn für das Podium mit auf der Liste hatten. Aber dreimal nacheinander hinter seinem Teamkollegen und amtierenden Weltmeister im Ziel zu landen, das war schlicht sensationell, um auch seine Leistung entsprechend zu würdigen. Für Jonathan Rea hingegen gibt es kaum Worte, wie auch der ehemalige WSBK-Fahrer Sandro Cortese neidlos anerkennen musste. Trotzdem die Grünen bereits vor dem ersten Rennen von der FIM eingebremst wurden, dominierte der amtierende Weltmeister zum ersten Mal seit 2017 gleich beim Saisonauftakt. Dass dies ausgerechnet in Aragon gelang, ist ein Warnsignal an sämtliche Gegner.

Jonathan Rea vor Alex Lowes (beide Kawasaki ZX-10RR) und den „best of the rest“ – ein Bild, das man so für den Saisonauftakt nicht erwartet hatte, zumindest nicht für Aragon (© Kawasaki Racing Team).

Ducati und Yamaha – die beiden ernsthaftesten Herausforderer der Grünen?
Während Rinaldi unter seinen Erwartungen blieb, zogen auch die beiden Trümpfe Davies und Redding bei Ducati nur teilweise. Sogar Yamaha stand sogar zweimal auf dem Podium, während dies den Roten nur einmal vergönnt war. Aktuell sieht aber trotzdem alles danach aus, als seien Ducati und Yamaha die beiden ernsthaftesten Herausforderer von Kawasaki. Von Honda durfte mehr erwartet werden, als die beiden ernsthaften Anwärter Bautista und Haslam zu zeigen vermochten, um MIE Honda hierbei ausdrücklich nicht zu berücksichtigen. Dafür lief es bei BMW deutlich besser, als von vielen erwartet, vor allem am Sonntag. Man darf nun gespannt sein, ob sich in der nächsten Runde das Kräfteverhältnis zwischen den beiden letztgenannten Herstellern wieder ändert.

Chaz Davies (GoEleven Ducati) in Kurve 8, nach einem fünften und vierten Platz am Sonntagmittag noch auf WM-Rang vier, warf er in der ersten Runde sein Rennen weg und reist als achter im Zwischenklassement nach Portugal weiter. Vor 2021 war er noch der erfolgreichste Fahrer in Aragon überhaupt gewesen, danach nicht mehr.

Völlig andere Vorzeichen vor WM-Runde zwei
Einerseits hat die Strecke in Portugal eine komplett andere Charakteristik als das Motorland Aragon. Auf der andern Seite ist es ein Kurs, auf welchem die seriennahe WM erst zum vierten Mal nach 1988, 1993 und 2020 gastiert. Auch wenn mit Estoril nun eine Strecke folgt, auf welcher der Nord-Ire eine für seine Verhältnisse eine geradezu miserable Statistik hat, bedeutet dies gar nichts. Es waren spezielle Umstände beim Saisonfinale und Kawasaki gewann trotz zu vielen Stürzen des Werks-Duos mit einem Punkt Vorsprung auf Ducati nach der Fahrer- auch die Hersteller-Wertung der WorldSBK. Trotzdem macht es dies und auch Reddings zweifaches Missgeschick mit einem Highsider in der Superpole im Vorjahr und danach einem technisch bedingten Ausfall im 1. Rennen besonders spannend. Ob Toprak und Chaz sich die Siege auch diese Saison wieder untereinander aufteilen werden? Es bleibt spannend und wir sind überzeugt, mindestens einmal wird jemand anders zuoberst auf dem Podest stehen!

Mit 101 Siegen und zwei davon bereits diese Saison reist Jonathan Rea nach Portugal, wo er im Vorjahr beim Finale mit deren 20 kaum mehr als ein Drittel der Punkte gegenüber dem Saisonauftakt 2021 geholt hatte (© Kawasaki Racing Team).

Der kombinierte Zeitplan Mugello MotoGP und WorldSBK Estoril

>Estoril Vorschau: siehe (in Kürze) separaten Bericht auf dieser Seite.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).