Michael Ruben Rinaldi vor Scott Redding auf dem Circuito de Navarra bei ihrem ersten Test für das Arubat.it Ducati Werksteam auf der 2021 neu in den WSBK-Kalender aufgenommenen Strecke.

Aruba.it Ducati vor dem Saisonstart 2021 – bereits 52 Siege und noch kein Titel

Ducati gilt für viele als der Ferrari unter den Zweirädern. Aber trägt die Firma aus Borgo Panigale, einem Vorort von Bologna diesen inoffiziellen Titel überhaupt zu Recht? Unbestritten ist derzeit immer noch, dass die Roten erfolgreichste Marke in der Superbike WM sind, welche seit 1988 ausgetragen wird. In der MotoGP schafften die Italiener beinahe unglaubliches. Als sie ein Jahr nach Einführung der Viertakt-Prototypen einstiegen, fuhr Loris Capirossi gleich auf Anhieb aufs Podest. Im 6. Rennen war der kleine Norditaliener bereits siegreich. Davon kann KTM nur träumen. In der WorldSBK waren die Italiener 1990 mit dem Franzosen Raymond Roche zum ersten Mal Weltmeister geworden. Beim Versuch der Titelverteidigung scheiterte das Werksteam jedoch im Jahr danach an einem Privatteam.

Doug Polen (Fast by Ferracci Ducati) hier bei seinem Sieg in Sugo – der US-Boy war der Mann, welcher der WSBK 1991 seinen Stempel nachhaltig aufdrückte. Er fuhr seine erste Saison für das Team eines US-Amerikanischen Tuners, welcher später zusammen mit seinem Fahrer in das Werksteam der Roten aufgenommen wurde.

Die versuchte Geschichtsfälschung von Ducati grenzt an Betrug
Weil der aus Italien stammende Tuner mit seinem sensationellen Fahrer das Werksteam Rennen für Rennen blamierte, wurde später ein kläglicher Versuch unternommen, die Geschichte zu fälschen. Eingefädelt offenbar von Ducati wurde dafür gesorgt, dass im Nachhinein bereits der erste Titel von Doug Polen dem Werksteam zugeordnet wird. Aber das Problem dabei ist, dass offizielle Resultate nicht lügen. Und diese liegen uns natürlich genauso vor, wie Programmhefte von damals. Dort steht überall als Team „Fast by Ferracci“, während Roche damals für das offizielle Werksteam antrat, welches „Ducati Corse“ im Namen trug. Eigentlich schade, versuchte eine Weltfirma später offenbar für den Versuch, mit ihrem Etikettenschwindel durchzukommen.

Doug Polen (Fast by Ferracci Ducati) war der erste Weltmeister eines Privatteams – so sagen es die Resultatblätter und Programmhefte von damals, welche uns in ausreichender Zahl vorliegen. Seine Marke von 17 Siegen in der Saison 1991 sollte sehr lange Rekord bleiben. Weder im Teamnamen, noch auf den Nennlisten war in diesem Jahr irgendein Hinweis auf Ducati Corse zu finden. Was ja auch logisch war, weil sein Team aus den USA stammte und von einem Ducati Tuner betrieben wurde. Für diese Truppe wurde wenig später Troy Corser als erster Ausländer US-Superbike Champion, bevor er in die WSBK kam.

Etikettenschwindel als Kavaliersdelikt
Auch als Carlos Checa 2011 für Althea Racing auf einer Ducati Weltmeister wurde, versuchten die Roten danach eilig zu betonen, er hätte Werksunterstützung gehabt. Aber wir kennen das Phänomen auch heute noch in der Berichterstattung zu Sportereignissen und in anderen Fällen wie beispielsweise KTM. In der Moto3 fahren vermeintliche Husqvarnas mit und GasGas, die technisch jedoch mit den Orangen Bikes (zumindest derzeit) absolut identisch sind. Seit wir im 3. Jahrtausend gelandet sind, gilt offenbar Etikettenschwindel als Kavaliersdelikt.

Carl Fogarty – die Ducati Ikone aus den goldenen 90-er Jahren der Superbike Weltmeisterschaft. Davor und zwischendurch war er auch auf Honda unterwegs, aber seine 4 Titel holte der Mann mit den unheimlichen Augen für die Roten. Seine Marke von 59 Siegen wurde von Kawasaki Ass Jonathan Rea im Jahr 2018 in Brünn übertroffen, der im selben Jahr auch an Titeln mit dem Engländer gleichzog.
Start zum Rennen der WorldSBK im Juni 2018 in Brünn mit als zweitem von rechts Jonathan Rea, der sich an diesem Wochenende mit Sieg Nummer 60 endgültig unsterblich machte und vor Saisonbeginn 2021 bereits bei der Zahl 99 steht. Der Nord-Ire braucht nur noch einmal zu gewinnen, damit es für seine Erfolge eine dreistellige Zahl benötigt.

Die ersten Erfolge des 2015 auf Aruba.it umbenannten Ducati-Werksteams
Der erste Fahrer, welcher in der WorldSBK für Aruba Ducati gewann, war Chaz Davies. Gleich beim Saisonauftakt in Phillip Island (Australien) gelangen Chaz Davies in seiner zweiten Saison für das Werksteam der Roten hinter Kawasaki Ass Jonathan Rea und Leon Haslam (Aprilia) zwei dritte Plätze. Er war nicht etwa ein Neuzugang, sondern der Waliser fuhr bereits seine zweite Saison für das Werksteam von Ducati. Nur gewonnen hatte er im Vorjahr für die Italiener noch nie. Der erste Sieg von Chaz kam, wie könnte es bei ihm anders sein, im Motorland Aragon. Es war erst das fünfte Mal, als der damals 27-Jährige damit zuoberst auf dem Podest stand. Den ersten Sieg hatte er zwei Jahre davor auf dem Nürburgring auf Aprilia eingefahren. Eine Saison folgten 3 Triumphe für BMW, ein Doppelsieg in Aragon und einer bei deren Heimrennen auf dem Nürburgring. Ab nun sollte er immer Ducati treu bleiben und vor Saisonbeginn 2021 steht seine Marke bei stolzen 32 Siegen. In 4 Jahren wurde er dreimal Vize-Weltmeister für Aruba.it Ducati.

Chaz Davies (Aruba.it Ducati) auf der Verfolgung von Leon Haslam (Aprilia) und Jonathan Rea (Kawasaki), damals noch mit seiner Nummer 65. Hinten im Bild Wildcard-Pilot Max Biaggi auf einer weiteren Aprilia. Mehr über die früheren Jahre der WorldSBK siehe in unserer reich illustrierten History.

Was auch Alvaro Bautista und Scott Redding nicht ändern konnten

Nachdem Chaz Davies ab 2015 Jahr für Jahr an Jonathan Rea im Titelkampf gescheitert war, erhielt er irgendwann mit der Zeit das Image des ewigen Zweiten. Der Waliser hatte sich mit der Zeit immer mehr über sein Material beschwert, auch wenn der Drehmoment-starke V2-Twin der Panigale R mit beinahe 1200 cm³ der 4-Zylinder Kawasaki mit nur 1000 cm³ oft genug mehr als nur ebenbürtig schien. Auf die Saison 2019 wurde Chaz endlich erhört und er erhielt mit der umstrittenen MotoGP Replica Panigale V4R nicht nur eine wahre Rakete, sondern dazu gleich noch mit Alvaro Bautista einen neuen Teamkollegen. Dessen Vorgänger Marco Melandri wechselte zu GRT Yamaha und bezeichnete die neue Ducati öffentlich als Tabubruch und hielt fest, dass die italienische Marke damit aus seiner Sicht den Geist der WorldSBK verletze. Davies sollte jedoch auch damit nicht richtig glücklich werden.

Aragon Sieger Alvaro Bautista (Aruba.it Ducati) auf dem Weg zum Podium im April 2019 von uns fotografiert – der kleine Spanier gewann sämtliche 3 Rennen in seiner ersten SBK Saison haushoch überlegen und profitierte dabei vom völlig überlegenen Topspeed der neuen Panigale V4R. Der Spanier hatte neun Siege in Folge eingefahren. Trotzdem reduzierte die FIM nach 3 Runden die astronomisch hohe Höchstdrehzahl um nur 250 U/Min, was sportlich gesehen einem Skandal gleichkam. In den Jahren davor war Kawasaki auch schon auf einen Schritt um 500 U/Min Reduktion eingebremst worden.
Auch nach Aragon lag die zugelassene Höchstdrehzahl der Ducati immer noch um Welten über derjenigen sämtlicher Konkurrenten. Einmal mehr hatte die FIM als oberste Motorsportbehörde damit die Sportwelt vor den Kopf gestossen.

Als der Plan trotz immensem Aufwand nicht aufging
Obwohl Ducati mit der V4R das Reglement bis zum letztmöglichen ausreizte, sollte deren Plan am Ende nicht aufgehen. Chaz Davies kam mit dem extremen Charakter des Bikes lange Zeit nicht zurecht und auf der andern Seite gewann Bautista die ersten 4 Runden völlig überlegen. Dank extremem Topspeed-Vorteil und besserer Beschleunigung aufgrund etwa 15-25 PS höherer Motorleistung gegenüber der Konkurrenz war auf den schnelleren Stecken gegen den kleinen und leichten Spanier kein Kraut gewachsen. Aber Ducati hatte die Rechnung ohne Jonathan Rea und sein Team gemacht. Ab der Fahrerstrecke von Imola begann sich das Blatt zu wenden und sogar Davies schnappte Bautista dort die ersten Punkte weg.

Unsere Aufnahme aus dem Superpole Race der WorldSBK im Mai 2019 in der Curva Tosa von Imola mit Rea (Kawasaki) und Davies (Ducati) in ihrem beinharten Zweikampf an der Spitze vor Buatista (Ducati), Haslam (Kawasaki), Lowes und van der Mark (beide Yamaha).

Dem Scheitern von Bautista folgte der nächste erfolglose Angriff auf den Titel
Als Bautista nach Imola begann Fehler an Fehler zu reihen, lag nach dem ersten Rennen von Donington Park plötzlich wieder Rea an der Spitze der Zwischenrangliste und er gab diese bis zum Saisonende nicht mehr ab. Es war bereits nach den ersten Problemen des Spaniers als Ducati ihm offenbar ein Angebot für die nächste Saison machte, was den Spanier gekränkt haben musste. Alvaro Bautista wechselte darauf zu HRC Honda und Ducati verpflichtete an seiner Stelle den ehemaligen MotoGP Piloten Scott Redding. Dieser erwies sich als richtige Wahl an der Seite von Davies und er stellte seinen Teamkollegen gleich von Beginn an in den Schatten. Der aus Quedgeley bei Gloucester stammende Engländer wurde in „Down Under“ dreimal dritter beim Saisonauftakt.

Phillip Island Sieger Alex Lowes (links) und sein Kawasaki Teamkollege Rea (P2) mit Ducati Hoffnung Scott Redding als drittem von uns beim Paddock Show Interview in Australien nach dem 2. Rennen von 2020 fotografiert.

Einmal mehr von vielen zu früh abgeschrieben – der Rekordweltmeister
Nachdem er im ersten Lauf vom ehemaligen Teamkollegen Sykes ins Gras gerempelt worden war, kam es für Rea gleich im ersten Rennen bei der Aufholjagd zu einem Sturz, als er kurz die Ideallinie bei einem Überholvorgang verpasst hatte. Nach der Corona-Zwangspause hatte Redding den besten Start und gewann zwei Rennen, dazu kam ein zweiter Platz hinter Jonathan Rea. Dieser war nebst einem Sieg einmal zweiter geworden und im letzten Rennen mit Reifenproblemen nur auf Platz 6 gelandet. Dieser Rang reichte einigen voreiligen Schreiberlingen bereits, von einem angeblichen Scheitern des Kawasaki Piloten zu berichten. Doch dieser strafte deren Vorurteile in der nächsten Runde in Portimão umgehend Lügen und gewann sämtliche drei Rennen überlegen. Danach fuhr er sogar in Aragon auf einer der Problemstrecken für seine in die Jahre gekommenen ZX-10RR einen Sieg heraus und als Redding einen Kapitalfehler beging, übernahm er die WM-Führung und gab diese bis zum Saisonende nicht mehr ab.

Der Moment, in welchem Scott Redding seine WM-Chancen im Motorland Aragon begraben musste, bei seinem Sturz auf der Verfolgung von Johnny Rea (Kawasaki) und bedrängt vom dahinter liegenden Vorgänger Alvaro Bautista (HRC Honda). Ein schwerwiegender Fehler hatte gereicht, um in der verkürzten WM-Saison 2020 den Anschluss an den WM-Leader zu verpassen.

Klappt es für Aruba.it Ducati endlich im siebten Anlauf mit dem Titel?

Eine erste Antwort wird man nach dem Saisonauftakt in Aragon haben, wobei diese Strecke sehr untypisch ist. Viel wird vom weiteren Saisonverlauf abhängen und ob der Kalender wie geplant aufrechterhalten werden kann. Der wichtigste Punkt ist dabei aber natürlich, wie stark die Konkurrenz mit Kawasaki, angeführt von Jonathan Rea und den weiteren Gegnern sein wird. Dabei gilt es insbesondere auch auf Yamaha, HRC Honda und BMW zu achten. Auch wenn letztere in den Aragon Tests eher schwächelten, sollte man sie noch nicht zu früh abschreiben. Nachdem anstelle von Chaz Davies der junge Italiener Michael Ruben Rinaldi im Ducati Werksteam verpflichtet wurde, muss dieser erst noch beweisen, dass sein Aragon Sieg für die GoEleven Ducati Privatmannschaft keine Eintagsfliege war. Wie seit 2015 üblich, hängt fast alles vom amtierenden Weltmeister ab. Sollte er so schnell und konstant wie seit seinem Einstieg bei Kawasaki sein, wird es für seine Gegner zur Herkules-Aufgabe, ihn über eine ganze Saison zu schlagen.

Jonathan Rea (Kawasaki) vor dem Ducati Duo Michael Ruben Rinaldi und Scott Redding in Aragon – diese drei Fahrer gehören zu den Topfavoriten auf das Podium für den Saisonauftakt 2021 im Motorland nahe der Kleinstadt Alcaniz, bevor es nur eine Woche später zum Autodromo do Estoril geht.

>Aragon Vorschau: siehe separaten Bericht auf dieser Seite.

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