Remy Gardner vor Jonathan Rea (beide Yamaha) und Lokalmatador „Magic“ Michael van der Mark. Wie von uns bereits vor Saisonbeginn angekündigt, bewies der Australier in den Niederlanden endgültig, dass er an der Spitze der Superbike Weltmeisterschaft angekommen ist. Er war in Assen der mit Abstand beste Yamaha Pilot.

Runde 3 geprägt von typischem Aprilwetter

Dass die Dorna ihren Sitz in Spanien hat, entschuldigt deren Planungsfehler in der WorldSBK und MotoGP keinesfalls. Wer in Assen wie wir vor Ort war und viel zu oft frierend zuschaute, wie bei den grenzwertigen Bedingungen die Piloten mit Kälte und Nässe oft fast mehr kämpfen mussten, als mit ihren Gegnern, der kann sich über die völlig unsinnige Ansetzung der niederländischen Superbike Weltmeisterschaftsrunde nur wundern. Zum Glück für die mehrheitlich einheimischen Besucher hatten deren Lokalmatadoren trotz übler Verhältnisse für viel Abwechslung und am Ende sogar riesigen Jubel ausgelöst. Im Vorjahr hatte ein böser Sturz von Michael van der Mark im zweiten Rennen nach einem Oberschenkelbruch für eine längere Zwangspause gesorgt. Diesmal sollte es jedoch für den 4-fachen Sieger der 8 Stunden von Suzuka, dem wohl prestigeträchtigsten Rennen in Japan, wesentlich besser laufen. Aber wie so oft war es auch in Assen sein neuer BMW-Teamkollege Razgatlioglu, welcher am Ende der dritten Runde für die Schlagzeilen des Tages in den internationalen Berichterstattungen verantwortlich war.

Unsere Aufnahme kurz vor 11 Uhr mit Blick auf die Haarbocht-Tribüne und Kurve 1 ganz rechts im Bild. Nach dem von nassem Wetter geprägten Samstag begann der Auftakt mit dem Tissot Sprint-Race bei Sonnenschein, wobei es mit nur 8 Grad Celsius am Sonntagmorgen bitterkalt war. Beim ersten Lauf am Samstag war es nur ein Grad mehr gewesen, dazu hatte es anfänglich sogar noch geregnet.

Das einseitige Sprintrennen zum Auftakt des Sonntags

Nach dem ersten Drittel des achten von 36 für die Saison 2024 geplanten Läufen war wie so oft seit 2022 die Spannung leider bereits verflogen, wenn es um die Frage ging, welches Motorrad am Ende gewinnen würde. Aber für die Konkurrenz von Aruba.it Ducati kam es gar noch frustrierender. Von Startplatz sieben aus war der Teamkollege des nach vier Runden bereits einsam an der Spitze liegenden Nicolo Bulega bis dahin immer noch auf P7 liegend. Der Italiener lag mit fast 2 Sekunden vor seinem nächsten Verfolger Jonathan Rea, als Alvaro Bautista begann, die Vorteile seiner Panigale V4R in Beschleunigung und Top-Speed gnadenlos auszunutzen. Er benötigte nur drei Umgänge, um die vor ihm liegenden Spitzenpiloten auf ihren, mit Ausnahme von Ducati Privatpilot Sam Lowes, gegnerischen Fabrikaten dabei wie Statisten aussehen zu lassen. Nur zwei Runden später überholte der Spanier dazu auch seinen Stallkameraden. Sportlich war das Ganze natürlich eine Farce, als der amtierende Weltmeister dabei Rundenzeiten fuhr, welche am Beispiel der Schlussrunde um über 2 Sekunden schneller waren, als die des viertplatzierten Remy Gardner (Yamaha R1).

Der als WM-Leader in die Niederlande angereiste Nicolo Bulega (Aruba.it Ducati) führte in der sechsten von nur 10 Runden des Tissot Sprint-Race noch mit beinahe 3 Sekunden vor seinem nächsten Verfolger Johnny Rea. Nur 4 Umgänge später hatte er auf Sieger und Teamkollege Bautista fast 3 Sekunden Rückstand. Dies war eines der seltsamsten Rennen der letzten WorldSBK Jahre und wie bereits zu Saisonbeginn und in den beiden Vorjahren hatte die Konkurrenz dabei nicht den Hauch einer Chance.

Knapp verpasstes erstes Yamaha Podium für Jonathan Rea

Für den Rekordweltmeister war es eine weitere frustrierende Erfahrung, mitansehen zu müssen, wie beide Werks-Ducatis ihr eigenes Rennen fuhren. Wie von uns bereits 2019 vor Ort in BuriRam beobachtet, sah es aus, als würde Aruba.it Ducati Werkspilot Bautista mit MotoGP Maschinen gegen die Konkurrenz auf Superbikes antreten. Noch schlimmer für den Nord-Iren war in Assen wohl, dass er noch zwei Runden vor Schluss immerhin auf Position 3 lag, um am Ende noch von Alex Lowes und Remy Gardner geschnappt zu werden. Doch es sollte für Johnny nachmittags leider noch schlimmer kommen. Werks-Yamaha Kollege Andrea Locatelli kam als sechster zum dritten Mal in Folge hinter dem Rekordweltmeister ins Ziel. Hinter dem Italiener schlug Rookie Sam Lowes (ELF Marc VDS Racing Team Ducati) als bester Privatfahrer völlig überraschend die beiden Werks-BMW von van der Mark und Toprak, die wie alle anderen den SCQ-Reifen fuhren, damit aber überhaupt nicht klarkamen, weil ihr Team beim Setup der Maschinen offensichtlich arg daneben gegriffen hatte.

Alex Lowes (Kawasaki ZX-10RR) auf dem Weg zur Siegerehrung des Sprintrennens von uns 2024 in Assen fotografiert. Nach nur 10 Runden als Dritter ganze 7.403 Sekunden hinter dem Sieger ins Ziel zu kommen, der sogar hinter ihm gestartet war, muss eine seltsame Erfahrung für den schnellen Mann aus Lincoln und sein Team sein. Irgendwie wirkte es ein weiteres Mal so, als könnten die Werks-Ducatis mit ihren Gegnern spielen.
Ein skeptischer Andrea Locatelli kurz vor dem Sprintrennen von uns am Sonntagmorgen fotografiert. Nicht nur für den aus Alzano Lombardo stammenden Nord-Italiener waren die Verhältnisse bei meist unter 10 Grad Celsius am Assen Wochenende hart an der Grenze des Erträglichen. Dejenigen jedoch, welche dafür verantwortlich waren, dass zu dieser Jahreszeit wieder im Norden Europas gefahren wurde, sassen zu dieser Zeit meist gemütlich in ihren bequemen und warmen Büros.
Eines der seltsamsten, wenn nicht gar fragwürdigsten Rennen, im siebenundreissigsten Jahr der Superbike Weltmeisterschaft in Zahlen. In den letzten 4 von nur 10 Runden fuhr der Sieger dabei im Schnitt rund 1.5 Sekunden schneller als der Zweitplatzierte und in der Schlussrunde an die 2 Sekunden schneller als der Mann auf Rang 3. Etwa so kann man es sich vorstellen, wenn einer auf einem MotoGP Motorrad gegen die Superbikes antritt. Von daher sah es für viele so aus, als hätte Ducati für Bautista ins falsche Regal gegriffen.

Türkischer Sensationssieg am Sonntagnachmittag

Dem Ausnahmetalent Toprak war bereits im Vorjahr zu verdanken, dass Bautista auf der MotoGP Replica von Ducati wenigstens ein paar Mal nicht einsam an der Spitze allen anderen uneinholbar davonzog. Der Türke hatte in Assen noch nie gewonnen, während Jonathan Rea auf Honda und Kawasaki hier die WSBK-Rekordzahl von 17 Siegen erreichte. Auf der Yamaha reichte es bisher erst für die Superpole. Razgatlioglu war nach seinem desaströsen neunten Rang im Sprintrennen am Nachmittag und dem verpassten Sieg am Samstag infolge vorzeitigem Abbruch jedoch so motiviert wie noch selten. Obwohl es zuerst danach aussah, als könnte Bautista wie am Morgen im Tissot Sprint-Race davonziehen, gelang dies dem Spanier im letzten Rennen jedoch nicht. Dies war anfänglich in erste Linie Remy Gardner zu verdanken, der sich von Alvaro einfach nicht abschütteln lassen wollte. Toprak musste zunächst erst einmal von Startplatz 9 nach vorne kommen, wofür der BMW Neuzugang jedoch nur drei Runden benötigte, bis er im Wind-Schatten des Australiers auftauchte. Drei Umgänge später begann er sich bei schwierigsten Bedingungen mit streckenweise einsetzendem Regen mit Bautista um die Führung zu streiten, der zeitweise auch von Gardner unter Druck gesetzt und überholt wurde. Am Ende siegte der Türke unter dem Jubel der vielen angereisten Landsleute vor Titelverteidiger Bautista.

Toprak Razgatlioglu (BMW) vor Alvaro Bautista (Ducati), Remy Gardner (Yamaha) und mit einem Respekt-Abstand dahinter Andrea Iannone auf der besten privaten Ducati. Ohne die Kampflust des Türken und seinen unbändigen Siegeswillen wäre es im zweiten Lauf des Sonntags zum dritten Ducati Triumph am niederländischen Wochenende in Folge gekommen.

Remy Gardner rettet die Yamaha Ehre im zweiten Lauf

Nachdem Jonathan Rea auf den SC-0 Reifen gesetzt hatte, statt auf den SC-X brachte sich der Nord-Ire womöglich um die Chance, in den Kampf um ein Podium einzugreifen. Dies zumindest seine Einschätzung nach dem Rennen, das für ihn nach einem Zwischenfall mit Alex Lowes auf dem zweitletzten Platz endete. Sein vormaliger Teamkollege hatte in Kurve 1 versucht, ihn zu überholen und kam dabei zu Sturz, wobei er auch Rea in Mitleidenschaft zog und dieser sich danach im Kiesbett wiederfand. In der Zwischenzeit kämpften Locatelli und Gardner um das Podium, wobei sich der Australier durchsetzte und seinem bisher besten Wochenende in der WorldSBK mit dem ersten Podestplatz die Krone aufsetzte. In Australien noch bester Yamaha Pilot, wurder der Italiener von Gardner in Assen deutlich in den Schatten gestellt und auch Rea kam seit Lauf 2 in Barcelona jedesmal vor Locatelli ins Ziel. Mit Ausnahme natürlich des unverschuldet erlittenen Pechs im letzten Rennen vor der langen Zwangspause der Superbike Weltmeisterschaft, welche nun bis Mitte Juni dauern wird.

Lokalmatador Michael van der Mark hatte eine Zeitstrafe von 5 Sekunden aufgebrummt erhalten, nachdem der Niederländer in Zielkurve 17 zweimal über die Kurbs gefahren war und damit laut Reglement abgekürzt hatte. Rookie Sam Lowes holte mit P6 sein bisher bestes WSBK Resultat und Dominique Aegerter dahinter das einzige Top-Ten Resultat in Assen und damit gleichzeitig das beste Ergebnis im ersten Saisondrittel.
Stimmungsbild am Sonntagnachmittag, etwa eine halbe Stunde vor dem Start des zweiten Laufs der WSBK von uns aufgenommen. Bei unter 10 Grad Celsius mussten die Besucher sich fühlen, wie heutzutage bei einem Skirennen, bei welchen selbst in den Alpen mittlerweile meist bis auf die Piste fast alles grün ist. Zum Unglück für die Fans auf diesem Bild, begann es an dieser Stelle wenig später auch noch zu regnen.

Die Situation vor der viel zu langen Frühlingspause der WSBK

Nur am Rande noch vermerkt hier der Hinweis, wie sich das Wetter laut Prognose zwei Wochen später am ersten Maiwochenende in Assen präsentieren würde. Bei 18 bis 21 Grad Celsius Sonnenschein und selbst bei Regen am Montag noch erträgliche 16 Grad, somit ähnliche Temperaturen wie am letzten Samstag und Sonntag im April vorhergesagt wind. Bis es in Misano nun weitergeht, gibt es dank der miserablen Planung von Dorna und FIM nun eine fast unerträglich lange Pause von beinahe zwei Monaten. In einem späteren Artikel werden wir noch einen ausführlichen Rückblick über das erste Saisondrittel verfassen. Gegenüber dem Vorjahr, als Bautista beinahe nach Belieben siegte und nur vier verschiedene Piloten gewannen (2022 waren es gar nur deren drei) eine deutliche Verbesserung. Bereits fünf unterschiedliche Siegern verhinderten damit zumindest einen Einheitsbrei, wie in der bis dahin einseitigsten Saison der Superbike Weltmeisterschaft im Vorjahr. Dass die Gegner von Ducati vor der nächsten Runde in Misano auf dieser Strecke noch testen gehen werden, dürfte ihnen wenig bringen. Die italienische Marke wird dort mit ihrem Werksteam gnadenlos dominieren und selbst deren Privatfahrer wie zum Beispiel Iannone werden auf dem Misano World Circuit Marco Simoncelli an der Adria nur schwer zu schlagen sein.

Das erste Regenrennen der Saison vom Samstag brachte mit Nicholas Spinelli, als Ersatz für den bei einem Motocross-Unfall verletzten Barni Ducati Piloten Danilo Petrucci, einen Überraschungssieger. Als einziger auf Regenreifen unterwegs, half ihm in Lauf 1 ein Abbruch zum für ihn idealen Zeitpunkt, als die Strecke bereits trockener wurde und er kurz danach von seinen Verfolgern eingeholt worden wäre. Der Italiener konnte am Sonntag leider nicht an sein Sensationsresultat vom Vortag anschliessen.

Chaotischer zweiter Lauf der Supersport Weltmeisterschaft

Genau wie davor beim letzten Rennen der WorldSBK wurde auch die WSSP bei höchst grenzwertigen Bedingungen ausgetragen. Bei derartigen Verhältnissen, wie sie beim Start herrschten, wird üblicherweise sonst meist unterbrochen. Im Bereich von Kurve 1 begann es bereits heftig zu regnen, als die Piloten ins Rennen geschickt wurden und weil alle auf Slicks unterwegs waren, konnte der Boxenstopp zum Wechsel auf Profilreifen nur eine Frage der Zeit sein. Zumindest war dies für jeden erkennbar, der zum Himmel blickte und dort die dunklen Wolken sah. Die Rennleitung schien dies nicht zu interessieren, diese Herren müssen ja nicht Kopf und Kragen auf Motorrädern riskieren. Angeführt von Niki Tuuli bereits in Runde 1 kamen bei zunehmendem Regen immer mehr in die Box, an welcher im Minimum eine Minute und 16 Sekunden für den Radwechsel vorgeschrieben war. Je zwei Australier, Italiener und Franzosen, dazu wie erwartet auch der Engländer John McPhee bestimmten als letzte auf Slicks anfänglich die Zeitenliste, bis letzterer bereits in der zweiten Runde in Kurve 16 abflog. Dasselbe Schicksal ereilte auch den Australier Luke Powers einige Umgänge später.

Unsere Aufnahme vom Start der WorldSSP am Samstag, bei im Gegensatz zum zweiten Lauf tags darauf noch regulären Verhältnissen. Es siegte der Spanier Huertas (Aruba.it) Ducati, welcher aufgrund seines gut gewählten frühen Boxenstopps im zweiten Rennen erneut um den Sieg kämpfte.

Niederländischer Sieg unter dem Jubel des Publikums

Der Finne Tuuli wurde bei auftrocknender Strecke für seinen frühen Boxenstopp nur begrenzt belohnt. Er litt gegen Ende des zweiten Laufs unter nachlassendem Grip auf seinen Regenreifen und konnte die früh erkämpfte Führung nicht ins Ziel bringen. Diese hatte ab Runde 15 von 18 von ihm Lokalheld Glenn van Straalen unter frenetischem Jubel seiner vielen Landsleute auf den Tribünen übernommen und liess sich bis zur Zielflagge die Butter nicht mehr vom Brot nehmen. Für das nahe der Strecke domizilierte Ten Kate Team mit Hauptsponsor Pata natürlich ein besonders erlösendes Resultat. Seit der Reglementsänderung wirkt das Yamaha Team, für welches der Schweizer Aegerter 2021 und 2022 den WSSP 600 Titel holte, alles andere als dominierend. Wie in der WSBK übernahm seit 2023 jedoch mehr oder weniger zufällig ausgerechnet Aruba.it Ducati, das Werksteam der Italienischen Firma, welche offenbar bei FIM und Dorna besonders viele Freunde zu haben scheint. Anders lässt sich die Überlegenheit von Nicolo Bulega auf der rot lackierten Panigale V2 für viele nur schlecht erklären, gerade weil auch die Panigale V4R dank ihrer Bevorzugung mit höherer Maximaldrehzahl als die WorldSBK Konkurrenz schon länger bevorteilt wird.

Bei äusserst schwierigen Verhältnissen führte hier noch der später aufgrund von einem „technischem Verstoß“ disqualifizierte Lorenzo Baldassari vor Adrian Huertas und Kaito Toba. Für den im Qualifying der Moto2 im Juni 2017 in Assen schwer gestürzten Italiener scheinen die Niederlande selten ein gutes Pflaster zu sein. Im Hintergrund rechts der heraneilende van Straalen.
Kurioserweise galt Lauf 2 der WorldSSP am Sonntag offiziell als Trockenrennen, obwohl es zumindest im ersten Teil der Strecke bereits zu Beginn regnete und danach überall, bis die Strecke gegen Ende wieder begann abzutrocknen. Trotz nur P8 und am Vortag Rang 12 liegt nach Runde 3 in Assen der Deutsche Marcel Schrötter nur 2 Punkte hinter dem neuen WM-Leader Huertas auf dem vierten Zwischenrang. Montella und Manzi dazwischen, die beiden Italiener haben je 85 Punkte.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).