Jonas Folger (Bonovo Action) damals noch auf Yamaha bei seinem ersten Wildcard Einsatz in der WorldSBK 2020 in Barcelona – aufgrund von Problemen mit der Elektronik musste der Deutsche von sehr weit hinten starten, schaffte es danach aber immerhin auf die Plätze 12 und 11 in den Rennen über die volle Distanz.

Jonas Folger vor seinem WM-Comeback und seine Aussichten

Wir erinnern uns noch sehr gut an die MotoGP Saison, fast als wäre es gestern gewesen. Damals war Tech 3 noch konstant wirklich erfolgreich und als Yamaha Kundenteam mit seinen Fahrern Zarco und Folger von Beginn an sensationell stark unterwegs. Während der Franzose von Beginn an um das Podium mitkämpfte, schaffte es der Deutsche immerhin bereits im zweiten Rennen auf Platz sechs. Das Sahnestück lieferte er bei seinem Heimrennen in Sachsen ab und fuhr hinter Marc Marquez auf Rang zwei. Obwohl er bei insgesamt 5 Rennen nicht teilnehmen konnte, wurde Folger im Jahr 2017 WM-Zehnter. Nach seiner Krankheit verlor er den Platz in der MotoGP und betätigte sich zuerst als Testfahrer und danach als Ersatzpilot in der Moto2, mit vorerst bescheidenem Erfolg. In der IDM erkämpfte er sich 2020 als Superbike Meister einen Platz in der WorldSBK als BMW Privatfahrer.

Jonas Folger (links) und Eugene Laverty beim BMW Launch der beiden neuen Privat-Teams für die Blau-Weißen im November 2020. Bei den ersten Testfahrten sah es mit der neuen BMW M-1000RR recht gut aus für den Bayern, aber in Aragon lief es für sämtliche BMW Fahrer nicht ganz nach Wunsch.

Wird der späte Testbeginn für BMW und Folger zum Bumerang?

Öffentlichkeit und Gegner wunderten sich darüber, dass BMW erst kurz vor dem offiziellen Barcelona Test mit drei seiner Fahrer in Jerez auf die Strecke ging. Bereits im Herbst hatten Sykes und van der Mark in Jerez noch nicht teilgenommen, als fast alle andern in der zweiten Novemberhälfte auf dem Circuito de Jerez testen waren. Trotzdem tönte es zuerst im April noch zuversichtlich und in Barcelona schien alles für zumindest Tom Sykes, Michael van der Mark und Jonas Folger nach Wunsch zu laufen. Aber kurz vor Saisonbeginn sah es in Aragon plötzlich weniger optimal aus. Die Zeiten ließen offenbar zu wünschen übrig und Folger meinte nach den Tests im Interview, er müsse mit seinem Team zunächst noch die Daten der anderen BMW Fahrer prüfen. Vielleicht finde man dort noch etwas, dass sein Team vor dem ersten Wochenende optimieren könne. Das Problem dabei ist jedoch, dass auch Sykes und van der Mark im Vergleich zu den schnellsten erstaunlich weit zurücklagen. Das Setup von Sykes nützt keinem anderen BMW Piloten aufgrund seines extremen Fahrstils und der Niederländer war in Aragon kaum besser als der Deutsche.

Tom Sykes 2019 von uns vor dem Start in BuriRam fotografiert – der Engländer benötigt ein offenbar kurioses Setup für seinen extremen Stop-and-go Fahrstil, was bereits bei Kawasaki zuvor für Verwunderung gesorgt hatte. Sein erster BMW Teamkollege Markus Reiterberger sagte zum Setup des Mannes aus Huddersfield, er würde damit definitiv stürzen, dessen Fahrwerks-Einstellung sei für jeden normalen Piloten schlicht unfahrbar. Deshalb können auch van der Mark und Folger mit seinen Daten herzhaft wenig anfangen, um für sich ausreichend davon zu profitieren.

Ist der andere Bremsen-Hersteller für BMW ein Handicap?
Weil Jonas Folger BMW schon früh gelobt hatte, konnte er schlecht nach den enttäuschenden Zeiten in Aragon seinem Bike die Schuld geben. Das macht sich als Angestellter der Blau-Weißen sowieso nicht besonders gut. Also wurde eifrig via Medien die Vermutung platziert, der Entscheid für die Nissin-Produkte könnte für die BMW ein Problem sein. In der „Regenbogen-Presse“ tauchten nach den Tests entsprechende Schlagzeilen auf. Aber dies ist natürlich absoluter Unfug, auch weil in Jerez und Barcelona die klare Aussage war, man sei rundum zufrieden und gut gerüstet. Daher kann es schlicht nicht sein, dass auf der dritten Strecke plötzlich die Bremsen zum Handicap werden. Die Start-Ziel-Gerade von Barcelona ist nicht viel kürzer als das längste Geradeaus-Stück im Motorland Aragon und all die gefahrenen Strecken liegen mit Spanien im selben Land. Also nützt es nichts, den in Jerez und Barcelona noch absolut einwandfrei funktionierenden Bremsen versuchen die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Eugene Laverty – in Aragon zum ersten Mal auf seiner BMW M-1000RR unterwegs – der Pechvogel vom Dienst der WorldSBK war für die Barcelona Tests davor sogar angereist, aber sein Team reiste gar nicht erst an. Nun muss der Nord-Ire mit lediglich drei Testtagen in die neue Saison steigen, was natürlich sportlich gesehen ein absoluter Witz ist (© BMW Motorrad WorldSBK).

Sind Ausreden vor Saisonbeginn überhaupt sinnvoll?
Ob Folger oder van der Mark, bei diesen beiden Fahrern tönt es nun plötzlich nach Ausreden, bevor die Fahrer zum ersten Kräftemessen auf die Strecke gehen. Der Mann aus Gouda gab freimütig zu Protokoll, dass er noch ein bis zwei Testtage gebraucht hätte und ihm an Ende seiner Tests die Zeit ausgegangen sei. Deshalb reichte es bei ihm auch nicht mehr für die Jagd nach einer schnellen Runde. Eugene Laverty konnte aufgrund fragwürdiger Verzögerungen seines Teams erst in Aragon zum ersten Mal auf die Strecke gehen, womit auch der zweite BMW Routinier nebst Tom Sykes mit absolut suboptimaler Vorbereitung ins erste Wochenende steigen muss. Den Fans der Blau-Weißen wäre definitiv lieber gewesen, man könnte optimistisch auf das erste Rennen sehen und müsste nicht davor bereits die ersten Ausflüchte hören. Wir hatten früh bereits darauf hingewiesen, dass sich der späte Gang auf die Rennstrecken als Fehler von BMW erweisen könnte. Leider sieht derzeit alles danach aus, als hätten wir damit absolut recht gehabt.

Michael van der Mark 2019 in Assen noch in Yamaha Farben von uns im Paddock mit einem jungen Fan posierend fotografiert – wir hätten ihm und den anderen BMW Piloten in der Tat eine professionellere und bessere Saisonvorbereitung gewünscht. Die Fahrer können dafür genauso wenig wie beispielsweise Lucas Mahias, dass er seine neue Kawasaki ZX-10RR kürzlich überhaupt erst das erste Mal in Händen hatte. Der Franzose wird in Misano damit kurz das erste Mal testen, bevor er nur marginal vorbereitet ins erste Rennwochenende steigen muss.

Stolpert BMW wie KTM in der MotoGP in den Saisonbeginn?

Darauf hinzuweisen, dass es wie am Beispiel von Puccetti Kawasaki mit Mahias Teams und Faher gibt, die noch schlechter vorbereitet sind als BMW wäre der falsche Ansatz. Beim ganzen Aufwand, der mit dem neuen Modell M-1000RR getrieben wurde, will und muss sich die deutsche Marke mit den besten der Branche messen. Das sind Kawasaki, Ducati, voraussichtlich mit Honda und Yamaha. Während KTM ihr Scheitern beim Saisonbeginn mit deren Verlust des Concession-Status noch halbwegs Ausflüchte bemühen kann, gibt es für die Marke aus München keinen Pardon. Sie hatten im Vorjahr in Aragon schon mit der S-1000RR verzichtet vor dem Doppelrennen zu testen und nun sieht alles danach aus, als brauchen sie viel Glück, um nicht beim Saisonauftakt zu enttäuschen. Danach kommen innert drei Wochen zwei weitere Renn-Wochenenden und damit kaum viel Zeit für Optimierungen und Weiterentwicklungen. Für Folger sind das Ziel laut seiner Aussage Top Ten Platzierungen. Wie die Liste der bisher in Aragon bei Tests anwesenden Fahrer und ihrer Zeiten zeigt, wird er sich dafür voraussichtlich steigern müssen. Es fehlen dabei nämlich die schnellen Hondas und dazu Fahrer wie Mahias auf der neuen Kawasaki ZX-10RR.

Die Übersicht der Aragon Tests bis 7. Mai, ohne die HRC Honda Zeiten (da nicht bekannt gegeben):
1. Jonathan Rea (GB), Kawasaki, 1’48,528 (absoluter Rundenrekord aus 2020: 1’48,860 von J. Rea)
2. Scott Redding (GB), Ducati, 1’48,780
3. Alex Lowes (GB), Kawasaki, 1’49,182
4. Michael Ruben Rinaldi (I), Ducati, 1’49,205
5. Garrett Gerloff (GRT Yamaha), 1’49,439
6. Chaz Davies (GB), Ducati, 1’49,610 min
7. Toprak Razgatlioglu (TR), Yamaha, 1’49,763
8. Tom Sykes (GB), BMW, 1’49,857
9. Andrea Locatelli (I), Yamaha, 1’50,257
10. Eugene Laverty (IRL), BMW, 1’50,604
11. Michael van der Mark (NL), BMW, 1’50,781
12. Jonas Folger (D), BMW, 1’50,815
13. Axel Bassani (I), Ducati, 1’51,146
14. Kohta Nozane (JAP), Yamaha, 1’51,277
15. Isaac Vinales (E), Kawasaki, 1’51,724
16. Chris Ponsson (Alstare Yamaha), 1’52,269

Tom Sykes von uns in seinem ersten BMW Jahr bei der Autogrammstunde fotografiert – der Spaßvogel aus Huddersfield gilt als Mister Superpole und vielleicht gelingt ihm eine starke Chaos-Runde in der Qualifikation. Die Frage ist aber bei ihm und seinen Markenkollegen, ob sie auch im Rennen für vordere Plätze gut sein werden.

>Aragon Vorschau: siehe separaten Bericht auf dieser Seite.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).