Von uns im NSU Museum fotografiert – das Cockpit der NSU Sportmax 250. Offiziell das erste serienmässige und von einem Privatfahrer eingesetzte Renn-Motorrad, mit welchem H.P. Müller bei seinem Heim-Grand Prix auf der Nordschleife des Nürburgrings gewann. Und mehr als das, er kämpfte damit sogar um den Titel.

Hiobsbotschaft vor dem letzten Saisonviertel

Kurz vor dem in der zweiten Augustwoche stattfindenden Ulster Grand Prix kam die traurige Nachricht vom tödlichen Unfall des Spaniers Juan Bertrand Elizalde (teils auch nur Juan Bertrán genannt). Der 1927 in Barcelona geborene Katalane hatte im Grossen Preis von Spanien am 3. Oktober 1954 mit Rang 4 bei den 125-ern am GP von Spanien auf Montesa als bester Einheimischer abgeschnitten. Er trat nach Platz 6 bis 125 cm³ auf seiner Montesa auch zum 500-er Rennen auf dem Circuit de San Lorenzo de Gijón an. Dafür hatte ihm der Valencianer Paco González dessen Norton überlassen. Dabei verlor Juan bei starkem Regen die Kontrolle über sein Motorrad, während er versucht hatte, in der sechsten Runde ausgangs der Piles-Kurve seine Brillengläser zu reinigen. Bei seinem Sturz prallte er gegen eine Kilometermarkierung und aufgrund der Geschwindigkeit von mehr als 120 km/h war der Aufprall so stark, dass die Norton dabei in zwei Teile zerbrach. Bertrand flog kopfüber von seinem Motorrad und prallte etwa 100 Meter weiter gegen die Pergola einer Mauer. Er verstarb am 31. Juli 1955 im Krankenwagen, auf dem Weg ins Krankenhaus.

Streckenskizze des Dundrod Circuit aus der damaligen Zeit.

Die Ausgangslage vor dem Ulster Grand Prix

Viele Entscheidungen waren anfangs August 1955 gefallen, darunter die zum Weltmeister bis 125 cm³ mit Carlo Ubbiali auf MV Agusta als nun zweifachem Titelhalter in dieser Klasse. Zudem stand auch Bill Lomas (Moto-Guzzi) bei den 350-ern bereits als erstmaliger Champion fest. In Deutschland war der WM-Zweite mit Stand vor den letzten 2 Rennen, August Hobl bis 350 cm³, soeben nationaler Meister auf seiner DKW geworden. Bei den 125-ern war es Karl Lottes (MV), bis 250 cm³ Hans Baltisberger (NSU) und in der 500-er Königsklasse Walter Zeller auf BMW. In England stand Weltmeister Bill Lomas auch als nationaler 350 cm³ Meister fest. Zudem hatte John Surtees auf Norton den 500-er Titel geholt und wurde sogar auf einer NSU Sportmax auch noch englischer Meister bis 250 cm³. Nachdem Lomas bereits an der TT dieses Jahres fast Übermenschliches geleistet hatte, als er sämtliche 4 Grand Prix Klassen in den ersten 7 beendete und sogar dabei zwei Siege einfuhr, wartete in Nord-Irland erneut eine triumphale Woche auf ihn.

Unsere Streckenskizze des 12.42 Kilometer langen Dundrod Circuit mit seinen Schlüsselstellen.

Der zweitletzte 250-er Grand Prix der Saison

Dem um den Titel kämpfenden deutschen „HaPe“ Müller brachte dieses Rennen kein Glück. Er versuchte, eine Kollision mit einem anderen Piloten zu vermeiden und kollidierte dabei mit einem Strohballen, was den Routinier weit zurückwarf. Trotzdem konnte er sich am Ende immerhin noch auf Rang 6 einen letzten Punkt retten. Für den ehemaligen NSU Werksfahrer war dabei sehr vorteilhaft, dass mit John Surtees und dessen irischem NSU-Markenkollegen Sammy Miller zwei Privatfahrer, gefolgt von Masetti auf der MV, dem gefährlichsten Widersacher im Titelkampf wichtige Punkte wegnahmen. Insofern profitierte der Bielefelder extrem davon, dass der NSU Sportmax Production-Racer derart konkurrenzfähig war. Daher war das Pech von Müller in der zweiten Runde für ihn leichter zu verkraften, weil Lomas nur Vierter wurde und mit diesen drei Punkten führte er die offizielle Zwischenrangliste an. Diese war zwar falsch, aber auch sonst war der Titelkampf noch offen, obwohl Lomas seine 6 Punkte von Assen am Ende der Saison noch gestrichen werden sollten. Letztlich war nach dem Ulster GP bis 250 cm³ aber damals auch ohne diese Korrektur klar, dass die Entscheidung um die Weltmeisterschaft erst beim Finale in Monza fallen würde.

John Surtees mit der NSU Sportmax auf dem Weg zu seinem ersten Grand Prix Sieg, ausgerechnet mit der NSU Sportmax in Nord-Irland und damit seinem Landsmann Lomas wichtige WM-Punkte wegschnappend.

Der erste Streich von Billy Lomas in Nord-Irland – bis 350 cm³

Niemand kann sagen, wie sich dieses Rennen entwickelt hätte, wäre DKW mit ihrem Werksteam nach Nord-Irland gereist. Allerdings ist es unter Berücksichtigung der damals sehr knappen Mittel sämtlicher Werke auch verständlich, nahmen sie mangels Chance auf den Titel für ihre neue Hoffnung Hobl den weiten (und teuren) Weg nach Belfast nicht auf sich. Deshalb hatte Guzzi mit Lomas, Dale und Duilio Agostini nur englische Konkurrenz von AJS und Norton zu befürchten. Diese waren in heimischen Gefilden nicht zu unterschätzen, aber mittlerweile punkto Topspeed (erst recht ohne Verkleidung) und Beschleunigung trotzdem gegenüber den italienischen Motorrädern ein gutes Stück unterlegen. Hartle kam einige Sekunden hinter Lomas ins Ziel. Lomas war relativ langsam gestartet und übernahm schnell die Führung, trotz der starken Verteidigung der Konkurrenten, welche jedoch nicht mit dem vom neuen Guzzi-Star vorgegebenen Tempo mithalten konnten. Der erst 21 Jahre junge Hartle überzeugte nebst Lomas im 350-er Rennen am meisten, konnte er doch nebst Surtees auch alle restlichen Gegner mit Ausnahme des Siegers hinter sich halten. Dieser überzeugte auf ganzer Linie. Obwohl Bill beim ersten Rennen in Reims noch nicht dabei war und erst an der TT von Guzzi verpflichtet wurde, hatte er nun bereits 4 Siege und einen zweiten Platz eingefahren. Leider gab es während des 350er-Rennens einen folgenreichen Sturz zu vermelden. Der Brite Julian Crossley (Norton) stürzte am 11. August und starb elf Tage später im Krankenhaus von Belfast. Er war ein Freund des Rennfahrers Mike Hawthorn, der 1958 Formel-1-Weltmeister wurde.

Bill Lomas (Moto-Guzzi) war der Shooting-Star der Saison 1955, nachdem er beim italienischen Werk infolge Verletzung von deren Stammpiloten Dickie Dale aufgenommen wurde. Letzterer kehrte in der zweiten Hälfte der Saison auch wieder zurück, als er sich von seinem Autounfall genügend erholt hatte.

Der zweite Streich von Billy Lomas – in der Königsklasse

Wie DKW hatte auch Gilera samt dem amtierenden Weltmeister Duke auf die Anreise verzichtet. Weil auch dessen einziger Widersacher Armstrong zum selben Werks-Team gehörte, konnten sie sich dies leisten, ohne die Titelverteidigung ihres Superstars damit zu gefährden. Der nach einem Autounfall für lange Zeit zur Zwangspause verurteilte Dickie Dale war für Gilera wieder zurück. Aber die Hauptrolle im Rennen bis 500 cm³ spielte ausgerechnet der für ihn nach seiner Verletzung als Ersatz geholte Lomas. Nach dem Start lagen zunächst jedoch die drei Norton Werksfahrer Surtees, Hartle und Brett an der Spitze, wobei letzterer schon bald von Lomas überholt wurde. In der vierzehnten Runde musste der in Führung liegende Surtees zum Nachtanken an die Box. Wenig später bekam er Probleme mit seiner Magnetzündung und der nach seinem Tankstopp führende Hartle musste ebenfalls zum Nachfüllen von Benzin die Box ansteuern. Der damit an der Spitze liegende Lomas konnte sich danach vor Hartle halten und sah die karierte Flagge vor diesem als zweifacher Sieger von Ulster. Brett musste kurz vor Schluss aufgeben und Dale hatte Mc Intyre noch geschnappt, womit er immerhin Dritter wurde. Die beiden Matchless Fahrer Murphy und Clark komplettierten dahinter die Punkteränge.

Bill Lomas und seine Moto-Guzzi waren am Ulster Grand Prix nicht zu schlagen, wobei ihm die Nortons von Dale und Hartle in den beiden grösseren Klassen ziemlich dicht im Nacken sassen. Auf der MV lief es für ihn bei den 250-ern hingegen wesentlich weniger erfolgreich.
Unsere Zusammenfassung der Resultate einer wie so oft nur spärlich besetzten Runde in Nord-Irland, bei welcher mehrere Werksteams auf die Anreise verzichtet hatten. Drei Wochen nach dem Ulster Grand Prix stand das Finale in Monza im Kalender und dorthin reisten offenbar im Herbst fast alle mit Freuden, wobei viele der in Belfast noch teilnehmenden Privatpiloten nicht dazugehörten, aber wenigstens die Werksteams.

Finale mit dem GP der Nationen in Monza

Nebst der 250 cm³ Kategorie war der Titelkampf in der Königsklasse bis 500 cm³ noch nicht entschieden, wobei diesbezüglich Geoff Duke als klarer Favorit galt. Hier war es zudem so etwas wie ein Bruderkampf, da der einzig verbliebene Herausforderer mit Reg Armstrong sein Gilera Werksteam-Kollege war. Ganz im Gegenteil bei den 250-ern, wo Routinier H.P. Müller als vormaliger DKW (vor dem Krieg) und NSU Werks-Fahrer nun nicht zum ersten Mal wieder als Privatpilot gegen die besten der Welt antrat. Mit MV Agusta und Bill Lomas, unterstützt von seinen schnellen italienischen Teamkollegen Ubbiali und Masetti, stand dem Deutschen eine höchst schwierige Aufgabe bevor. Zudem waren diverse schnellen Privatpiloten auf einen guten Saisonabschluss aus und kämpften auf Moto-Guzzi und NSU Maschinen ebenfalls um Punkte und Preisgeld. In den anderen beiden Kategorien war die Weltmeisterschaft bereits entschieden, aber auch dort waren im letzten Grand Prix des Jahres spannende Kämpfe zu erwarten.

Peinlich war im Vorfeld, dass die FIM ihren Fehler von Assen (bezüglich der Rückversetzung von Bill Lomas um eine Position aufgrund Nachtankens mit laufendem Motor) im Nachhinein noch doppelt unterstrich, wie diese Meldung vor dem Monza-Wochenende in einer deutschen Zeitschrift belegt. Schlimmer ging es fast nicht und erst spät gegen Ende Jahr mussten sie kleinlaut eingestehen, dass der Engländer aufgrund seiner Verletzung der geltenden Reglemente disqualifiziert gehörte und damit sämtliche Punkte von Assen verlieren würde.
Streckenskizze von Monza aus der damaligen Zeit mit in Schwarz dem von den Motorrädern genutzten Kurs und dazu das 1955 im Bau befindliche, integrierte Oval für künftige Autorennen.
Aufnahme der Bauarbeiten zum Oval-Kurs im königlichen Park von Monza – getreu nach dem Vorbild im US-amerikanischen Indianapolis. Mit bis zu 80 % Steigung wurden „gefahrlose“ Geschwindigkeiten von um die 300 km/h versprochen. Auch in Japan entstanden derartige Konstrukte, während in Berlin auf der 1921 erbauten Avus (die überhöhte Nordkurve entstand erst 1937) als erster permanenter Rennstrecke der Welt schon bald Diskussionen über einen Abbau stattfinden sollten. Aber erst im Jahr 1967 kam der Abbruch der Steilwand-Kurve.

Der Auftakt mit der italienischen Galavorstellung bis 125 cm³

Um 9 Uhr 30 starteten die 24 Piloten zum 33. Grossen Preis der Nationen von Monza, seit 1949 im Status eines Laufs zur Weltmeisterschaft. DKW war mit ihren besten Fahrern und neuesten Werksmaschinen zum ersten Mal an einem WM-Lauf der 125-er mit am Start. Favorisiert waren aber natürlich die Italiener auf ihren MV Agusta und FB-Mondial. Zu Beginn führte der kleine Schweizer Taveri (MV) vor seinen Marken-Kollegen Venturi und Sala, bevor aus der ersten Runde bereits Ubbiali an der Spitze lag. Zwei Umgänge später hatte sich der Leader und seit Assen frisch gebackene Weltmeister aus Bergamo bereits von seinen Verfolgern leicht abgesetzt. Wenig später musste Ferri aufgeben und auch Taveri beendete das Rennen vorzeitig an seiner Box. Provini war nun erster Verfolger von Ubbiali und dessen Vorsprung betrug in Runde 5 von 18 nur noch zweieinhalb Sekunden. Zwei Umläufe später musste auch Provini die Boxen ansteuern, fuhr danach nochmals auf P6 liegend weiter, bevor er erneut stehen blieb und endgültig aufgeben musste. Danach waren die Positionen weitestgehend bezogen und Ubbiali fuhr vor seinen Landsleuten und Teamkollegen Venturi und Copeta einen klaren Sieg heraus. Dahinter Hobl und „Sissi“ Wünsche auf den überraschend schnellen DKW Zweitaktern, noch vor Gampanelli auf der besten FB-Mondial. Mit Karl Lottes und Willi Scheidhauer hinter Guido Sala (alle MV) schafften es weitere deutsche Piloten in die Top Ten.

DKW hatte nachgerüstet und mit der neuen 125-er auf Anhieb Erfolg, rechts daneben die 350 cm³ 3-Zylinder-Zweitaktmaschine.
Die abenteuerliche Verschalung der FB-Mondial nützte herzhaft wenig gegen die schnelleren MV Agusta und DKW Maschinen und deren Piloten.

Die vermeintliche Entscheidung in der 250 cm³ Klasse

H.P. Müller oder wie man ihn oft auch nannte, der Renntiger war miserabel vom Start weggekommen und lag somit auf seiner NSU Sportmax 20 Sekunden zurück. Nach vermeintlichem Stand der Dinge (aufgrund der immer noch fehlerhaften Zwischenrangliste, ohne die Korrektur des Resultats von Lomas) hätte Müller gewinnen müssen und Lomas dabei höchstens dritter werden dürfen, um Weltmeister zu werden. Er hatte jedoch, auf sich allein gestellt, dazu kaum eine Chance. An diesem Tag war die Hitze fast unerträglich und Lomas folgte ihm wie ein Schatten, was nach damaligem Stand der Dinge das einzig richtige war. Hinter Ubbiali (MV), Baltisberger und Miller (beide NSU) schaffte es H.P. letztlich auf den hervorragenden vierten Rang vor Lomas und Masetti (beide MV). Der Engländer wurde danach als neuer Weltmeister gefeiert, nur sollte seine Freude bloss wenige Wochen dauern. Nach nochmaliger Beurteilung der Sachlage rang sich die CSI (Commission Sportive Internationale) der FIM doch endlich zur Einsicht durch, dass Lomas für seinen Tankstop mit laufendem Motor disqualifiziert und punktelos bleiben musste, wie es vor allem auch das Reglement eindeutig vorgab.

Der deutsche Hans Baltisberger vor dem Iren Sammy Miller (beide NSU Privatfahrer) und dem späteren Sieger und Lokalmatador Carlo Ubbiali (Werks-MV Agusta).
Hermann Paul (genannt „HaPe“ oder auch Renntiger) Müller auf seiner privaten FB-Mondial in der Saison 1951. Mehr über den ersten Weltmeister als Privatfahrer siehe auf dieser Seite unter „History – Fahrer“. Nach einer 25-jährigen Karriere als Spitzenfahrer und unzähligen Rennsiegen (sogar auf über 500 PS starken Auto Union Rennwagen kurz vor dem Krieg) schaffte er zum Abschluss seiner Karriere seine endgültige Krönung.

Der Grand Prix der Nationen bis 350 cm³

Vor dem Start fragten sich fast alle nur, in welcher Reihenfolge 4 Werks-Guzzi am Ende im Ziel eintreffen sollten. Mit Kavanagh, dem neuen Weltmeister Lomas, Duilio Agostini und Dale hatte der Hersteller mit Sitz in Mandello del Lario am Comer See vier der stärksten Werksfahrer dieser Zeit unter Vertrag. Das 1921 gegründete Unternehmen wird 70 Jahre später der älteste durchgehend Motorräder produzierende Hersteller in Europa sein. Mit den nach dem Zweiten Weltkrieg in Ingolstadt stationierten DKW Leuten hatte jedenfalls niemand ernsthaft gerechnet. Aber vor allem der junge Hobl vermochte auf der schnellen 3-Zylinder-Zweitakt als einziger der 21 restlichen Piloten erstaunlich gut mitzuhalten. Dank sensationell gutem Start lag der Deutsche sogar von Beginn an in Führung und hielt diese Postition bis Runde 4. Erst im nächsten Umgang hatte Lomas zu ihm aufgeschlossen und knapp dahinter folgten seine Teamkollegen Agostini und Dale. Danach konnte sich Lomas etwas absetzen und Hobl verlor Stück für Stück an Boden, bis er in Runde 10 von 27 auf Position 3 vor Kavanagh zurückgefallen war und Agostini aufgeben musste. Mittlerweile waren nur noch 7 Piloten in derselben Runde und neun Umgänge später sogar nur noch deren sechs. Am Schluss gab es um den Sieg ein Foto-Finish zwischen Dale als erstem und Lomas nur einen Zehntel dahinter, mit Respektabstand das Podium komplettierend Kavanagh. Auch zwischen Hobl und Guzzi-Privatpilot Lorenzetti, dem 250 cm³ Weltmeister von 1952 (auf Moto-Guzzi) und „Gustl“ kam es zu einem Wimpernschlag-Finale, das hauchdünn an den Italiener ging. Privatfahrer Colombo auf einer weiteren Guzzi wurde sechster vor den beiden Deutschen Hallmeier (NSU) und „Sissi“ Wünsche (Werks-DKW).

Hans Baltisberger mit seiner NSU Sportmax, welche er leicht aufgebohrt auch in der 350-er Klasse sehr erfolgreich einsetzte. Kaum auszumalen, wie erfolgreich die Werksmannschaft aus Neckarsulm gewesen wäre, hätten sie Ihre Pläne vom Sommer 1954 wahr gemacht und sich auch bis 350 cm³ ab 1952 an der WM beteiligt!
Auf der ultraschnellen Strecke im Stadtpark von Monza fuhren selbstverständlich alle mit einer für heutige Begriffe viel zu voluminösen Vollverschalung. Glücklicherweise gab es ein Jahr nach dem tragischen Unfall von Rupert Hollaus im Training diesmal kein Todesopfer zu beklagen. Leider sollte dies für die nächsten Jahre und Jahrzehnte nicht so bleiben.

Das entscheidende Rennen der 500-er Klasse

Nach einer langjährigen Dominanz von Gilera kam es in der Könkigsklasse zu der vielleicht grössten Überraschung des Wochenendes. Für den amtierenden Weltmeister Geoff Duke ging es um die Titel-Verteidigung und höchstens Reg Armstrong konnte ihm beim Finale in Monza noch gefährlich werden. Erst im aller letzten Moment hatte Gilera auf den Einsatz ihrer neuen 8-Zylinder Maschine verzichtet. Nach der ersten Runde lag Forconi vor Bandirola (beide MV), Duke, Armstrong, Liberati (alle Gilera) und Masetti (MV) in Führung. Einen Umgang später führte der amtierende Weltmeister vor Bandirola, der wenig später stürzte. Forconi musste mit technischen Problemen aufgeben und an der Spitze lagen nach 24 von 35 Runden Duke, Masetti, Armstrong und Colnago. dahinter mit einem Respektabstand Milani. Alle andern waren bereits überrundet. Wenig später bekam der komfortabel führende Duke Probleme, was der Engländer auch bei Vorbeifahrt seiner Box signalisierte. Zehn Runden vor Schluss wurde es eng für den Superstar und sein Vorsprung von anfänglich fast einer halben Minute schmolz dahin. Zur Freude des italienischen Publikums war es am Ende Masetti, der für MV den Überraschungssieg dank dem Pech von Duke holte. Vielleicht 5 Meter dahinter Armstrong und 20 mehr Duke als nun sechsfacher Weltmeister.

Start zum letzten Rennen der Königsklasse der Saison im königlichen Park von Monza, auf einer der wenigen damalig permanenten Rennstrecken im Kalender. Am Tag, als sich Geoffrey „Geoff“ Duke zum sechsten und letzten Mal als Motorrad-Weltmeister krönte.
Unsere Zusammenfassung, mit in der Königsklasse nur einige der prominentesten Ausfallopfer, nachdem die Liste rund doppelt so lang war wie die der im Ziel angekommenen Piloten.
Riesiges Echo löste natürlich die Moto-Guzzi V8 aus, welche bereits im Training von Spa-Francorchamps zu Testzwecken gefahren wurde, aber erst in der nächsten Saison in einem Rennen zum Einsatz kommen sollte.

Das Fazit der Saison 1955

Nachdem mit Bill Lomas zuerst der falsche Weltmeister ausgerufen und gefeiert wurde, realisierte die FIM erst in Ihrer Jahresend-Sitzung, welchen Fehler die Verantwortlichen bei der Dutch TT begangen hatten. Es sollte bei weitem nicht deren letzter Kapitalfehler sein. Hermann Paul Müller konnte es letztlich egal sein und NSU durfte ein Jahr nach ihrem werksseitigen Rücktritt dank ihm noch einen weiteren Titel für eine ihrer Maschinen feiern. Für Bill Lomas auf der andern Seite war es bestimmt zu verkraften, nachdem der englische Sonnyboy als Weltmeister bis 350 cm³ und mit dem Vizetitel hinter H.P. Müller sowieso in die Geschichte einging und auch im Folgejahr noch höchst erfolgreich sein sollte. Während Ubbiali nach seinem zweiten bis 125 cm³ noch mehrere Titel vor sich hatte, sollte für Geoff Duke als schnellstem Mann der ersten Nachkriegsjahre das Ende der Fahnenstange erreicht sein. Mit je drei Titeln bis 350 und 500 cm³ ging der Mann von der Isle of Man als Legende des Rennsports in die Geschichte ein.

Mit Hermann Paul Müller trat zum Jahresende ein Vollblut-Rennfahrer zurück, der oft genug auch sein eigener Mechaniker gewesen war und vermutlich ohne den unsinnigen Krieg einen noch erfolgreicheren Werdegang als Racer erlebt hätte. Aber mit 45 Jahren als erster Privatfahrer Weltmeister zu werden, ist vermutlich auf ewige Zeiten Beweis genug für seine außergewöhnlichen Fähigkeiten und die Zähigkeit, welche die besten der Geschichte im Sport stets auszeichnet.

Wir machten uns die Mühe, in folgender 11-teiligen Serie „HaPe“ Müller und seine Karriere zu würdigen:

Die Saison 1955 in Zahlen – unsere Statistik

Unsere Zusammenfassung mit der mehrere Wochen nach Saisonende endlich korrigierten Version, bei welcher Lomas wie es das Reglement vorsah, keine Punkte für Assen erhielt und damit sogar am Ende Dritter war. Nach Monza noch als Doppelter Weltmeister bis 350 und 250 cm³ ausgerufen, musste sich Englands Shooting-Star mit einem Titel begnügen. Historisch wurde Müllers Krönung gleich aus zwei Gründen, war er damit erster Privatfahrer und dazu noch auf einer käuflichen Maschine als Weltmeister. Zuvor hatten immer nur Werksfahrer den Titelkampf unter sich ausgemacht.

Unsere Zusammenfassung zahlreicher Opfer des Straßenrennsports von 1955:

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).