Ernst Degner vor Horst Fügner im Regen auf ihren vollverschalten MZ aus Tschopau in Sachsen. Dieses Bild sollte zum Ende der Saison 1957 endlich verschwinden. Die für die Abschaffung der unförmigen und zudem gefährlichen aerodynamischen Hilfsmittel zuständige FIM hatte jahrelang tatenlos zugesehen, bis sie sich für ein neues Reglement für das kommende Jahr durchringen konnten, was vor allem der Sicherheit diente.

Das letzte Saisondrittel begann in Nord-Irland mit Runde 5

In einer Saison mit unzähligen Verletzten und viel zu vielen Todesopfern neigte sich mit den beiden letzten Weltmeisterschafts-Veranstaltungen ihrem Ende zu. Traditionell waren in Belfast die kleinsten Klassen nur sehr spärlich besetzt und sofern einige Piloten ausfielen, konnten nicht selten gar nicht alle Punkte für die damals nur ersten 6 Ränge vergeben werden. Im Jahr 1950 erreichten nur zwei Fahrer das Ziel und zwei Jahr danach deren drei bei den 125-ern. Ausgerechnet der Mann, welcher 1952 zuoberst auf dem Podium stand, fiel diesmal aus und damit sahen nur sechs von sieben gestarteten Fahrern die Ziel-Flagge. Die Rede ist von Cecil Sandford, dem Pechvogel der kleinsten Kategorie. Auf dem als Fahrerkurs bekannten, 11.32 Kilometer langen Dundrod Circuit waren in der kleinsten Kategorie nur 10 Runden zurückzulegen.

Streckenskizze aus den 1950-er Jahren des nahe bei Belfast liegenden Dundrod Circuits, auf öffentlichen Strassen ausgetragen.

Die Kategorie bis 125 cm³ mit einem schweizer Sieger

Es war Venturi, der vor seinen MV Werksteam-Kollegen Taveri und Chadwick am besten vom Start wegkam. Dahinter folgten Miller, Sandford und und Provini mit den favorisierten FB-Mondial, welche bei 12.000 U/Min etwa 18 PS leistete und etwa 115 kg wog. Nach der ersten Runde führte Taveri vor Venturi, Miller und Chadwick. Drei Umgänge später lag immer noch Taveri an der Spitze, gefolgt von Venturi, Chadwick und Sandford, während Miller durch den Wechsel seines undichten Tanks auf P8 zurückgefallen war. Bei Halbzeit lag Provini auf P3. Zwei runden vor Schluss fiel Sandford aus und damit gab es einen Dreikammpf um den Sieg, welchen hauchdünn der Schweizer vor den beiden Italienern für sich entscheiden konnte. Hinter Chadwick und vor MV Privatfahrer Webster schaffte es Miller mit Rang fünf letztlich noch in die Punkte.

Die 125-er FB-Mondial war der MV Agusta in der Saison 1957 mehr als ebenbürtig. Nach Platz zwei beim Auftaktrennen auf dem verregneten Hockenheimring hatte Provini drei Rennen in Folge damit gewonnen. Nord-Irland brachte zwar eine knappe Niederlage gegen den wiedererstarkten MV Piloten Taveri, aber mit nur einer Sekunde Rückstand und damit stand der italienische Draufgänger zum ersten Mal in seiner erst kurzen Karriere als neuer Weltmeister fest.
Tarquinio Provini (FB-Mondial) am Ziel seiner Träume, als neuer Weltmeister bis 125 cm³ für 1957.

Das verregnete zweitletzte 250 cm³ Rennen der Saison

Kurz vor dem Start hatte Regen eingesetzt, was für Sandford als Spezialist bei nassen Verhältnissen kein Problem darstellte und der Engländer übernahm auch sofort die Führung. Dahinter folgten Venturi und Taveri als nächste Verfolger. Nach der ersten von 12 Runden hatte sich der Führende schon etwas abgesetzt und hinter Taveri lag nun Chadwick, der sich Venturi geschnappt hatte, dahinter Miller und Provini. Sandford führte unangefochen und auch vom Verlust seiner Heckverschalung liess er sich nicht beirren. Taveri musste kurz an die Box und kam danach als sechster wieder auf die Strecke zurück. Wenig später fiel Miller aus und Provini verlor alle Chancen auf eine Topplatzierung infolge Zündkerzenwechsel. Chadwick schaffte es mit einer Minute Rückstand auf Sandford bis auf Rang zwei, bevor die Zielflagge geschwenkt wurde, gefolgt von Robb, Brown und Andrews auf privaten NSU Sportmax. Der letzte WM-Punkt ging an Hodgins auf Velocette. Und am allerwichtigsten war am Ende, dass Cecil Sandford der zweite Titel seiner Karriere, diesmal in der Viertelliterklasse, bereits nicht mehr zu nehmen war. Seit seinem Weltmeisterjahr 1952 auf MV Agusta 125 hatte er nie mehr ein Rennen gewonnen. Nun, fünf Jahre später, schaffte er nach dem Sieg auf der Isle of Man bereits den zweiten Saisonsieg und machte damit alles klar, womit beim Saisonfinale in Monza in den kleineren Klassen erneut der Weltmeister vorzeitig feststand.

Sammy Miller, die Neuverpflichtung von FB-Mondial hatte im 250-er Rennen Pech, als er in aussichtsreicher Position ausfiel. In der kleinsten Kategorie gelang ihm hingegen wenigstens ein fünfter Rang.

Der Wiederholungstäter bei den 350-ern

Nach Rang zwei auf der Isle of Man und zwei Siegen in den Benelux-Ländern waren alle gespannt, ob dem Australier Campbell in Belfast der Hattrick gelingen würde. Seinen ersten Weltmeisterschafts-Punkt hatte er bis 250 cm³ auf seiner privaten Excelsior im Jahr 1950 genau hier errungen. Sieben Jahre später kam er als Guzzi-Werksfahrer zurück und war in Abwesenheit von Geoff Duke und Bill Lomas zum Haupt-Favoriten gereift. Publikumsliebling Duke war erstmals wieder mit dabei, aber das 350-er Rennen sollte ihm kein Glück bringen. Sechs Werksmaschinen waren am Start, für Gilera waren es Liberati, Duke und Mc Intyre, für MV einzig Surtees und Guzzi vertraute auf die beiden Australier Campbell und Bryen. Als Keith Campbell von Beginn an die Führung übernahm, folgten ihm Liberati und Surtees, während Mc Intyre bereits am Start durch einen Zündkerzenwechsel viel wertvolle Zeit verlor.

Die Moto-Guzzi „Monocylindrica“ 350 – mit etwa 37 PS bei 8000 U/Min und einem 5-Gang Getriebe gegen die Vier-Zylinder von Gilera und MV Agusta erstaunlich konkurrenzfähig. Vor allem auf schnelleren Kursen wie Spa-Francorchamps war dies nicht zu erwarten gewesen. Die Maschine wog jedoch lediglich 150 kg und hatte damit ein hervorragendes Leistungsgewicht aufzuweisen.

Die Vorentscheidung für Sieg und Titel fiel bei Halbzeit
Nach der ersten Runde war Surtees erster Verfolger des Australiers, dahinter folgten Liberaty, Privatfahrer Murphy, Hartle, Brett, Chadwick (alle Norton), Bryen und Duke. Einen Umgang später hatte sich an der Spite nichts verändert und Bryen war bereits auf Position 3 vorgestossen, während Duke schon früh mit Problemen der Aufhängung aufgeben musste. Kurz danach fiel auch Murphy aus, während sich Mc Intyre hinter Bryen und Liberati bereits auf P5 vorgekämpft hatte. Nun führte Campbell deutlich vor Surtees, Bryen, Liberati, Mc Intyre, Hartle und Chadwick. Aber der Mann auf P2 mit seiner MV hatte ebenfalls kein Glück und war bei Halbzeit der nächste, der stehenblieb. Damit fehlte es dem Rennen endgültig an Spannung und lediglich der Zweikammpf zwischen Hartle und Chadwick, bei welchem ersterer am Ende die Nase vorn hatte, sorgte noch für etwas Abwechslung. Campbell konnte dies egal sein, dem Australier war bereits vor der Finalrunde in Monza der Weltmeister-Titel nicht mehr zu nehmen.

Keith Campbell in Hochform – der Australier war für Moto-Guzzi definitiv jeden Cent wert, dem sie ihm in einer Zeit von den damals (im Vergleich zu einigen Jahrzehnten später) geringen Fahrergagen zahlten. Der sympathische Mann aus Down Under ging als erster Motorrad-Weltmeister in die Geschichte ein, der nicht aus Europa war. Mit schottischer Abstammung wurde er am 2. Oktober 1931 in Melbourne geboren.

Vorentscheidung im Titelkampf in der Königsklasse

Diesmal standen 8 Werksmaschinen am Start und dazu ganze 35 Privatfahrer. Bei der Gilera von Mc Intyre und den beiden MV von Surtees und Shepard war die sonst oft übliche, wuchtige Frontverschalung entfernt worden. Den Start gewann Brett auf einer völlig nackten Norton ohne Verschalung, dahinter folgten Surtees (MV) und Duke (Gilera). Nach der ersten Runde lag jedoch bereits Surtees vor Liberati (Gilera), Brett, Mc Intyre (Gilera), Hartle (Norton), Duke und Campbell auf der Mono-Guzzi. Im dritten umgang hatte sich Surtees bereits etwas von seinen Verfolgern abgesetzt. Aber der Titelverteidiger aus England hatte nach seinem Ausfall bei den 350-ern auch diesmal Pech und schied zwei Runden später mit MAgnetschaden an seiner Zündung aus. Danach war Hartle erster Verfolger des nun führenden Liberati, aber wenig später blieb auch er stehen. Seinen Platz erbte Mc Intyre, der sich davor bereits Geoff Duke geschnappt hatte, nachdem dieser zuerst an ihm vorbeigegangen war. Immerhinn schaffte es der 6-fache Weltmeister und Publikumsliebling trotzdem erstmals in dieser für ihn nach viel Pech im Vorjahr erneut verfluchten Saison aufs Podium. Brett hatte ebenfalls Probleme bekommen und mit Kompressionsverlust am Ende aufgeben müssen. Dadurch erbte Tanner auf der besten Norton P4 vor Bryen (Guzzi) und MV Werkspilot Sheperd.

Unsere Zusammenfassung der Resultate des Ulster GP verdeutlicht das Ungleichgewicht zwischen links der grössten und den kleineren Klassen bezüglich der Teilnehmerzahl, wie es in Nord-Irland bereits seit Jahren Tradition war.
Den vielleicht schönsten Ton hatte die Norton und mit nur noch halbherziger Werksunterstützung war trotzdem ein vierter Platz drin und dank schnellen Privatfahrern immerhin 4 dieser Maschinen am Ende in den Top Ten.

Saisonfinale in Monza mit der Derniere für 3 Hersteller

Im königlichen Park drohte es nach dem zweiten Mal in Folge langsam bereits zur Tradition zu werden, dass bei diesem Saisonfinale keine Titelentscheidung mehr fiel. Einzig bei den 250-ern hatte 1955 zum bis dahin letzten Mal noch das Rennen mit der wie so oft letzten Runde in Nord-Italien von dieser Spannung profitiert. Für die einheimischen Fans und sogar die ganze Welt des Motorrad-Rennsports kam es hier zu einer dramatischen Derniere, was zu diesem Zeitpunkt jedoch noch niemandem oder zumindest einem sehr kleinen Personenkreis bewusst war. Selbst die italienische Motorsport-Behörde hatte am Grossen Preis der Nationen noch keine Ahnung davon, dass mit FB-Mondial, Gilera und Moto-Guzzi gleich drei der bis dahin erfolgreichsten Marken überhaupt, sich Ende 1957 aus der Motorrad-Weltmeisterschaft zurückziehen würden. Dies sollte für die 350-er Landesmeisterschaft den Todesstoss bedeuten. Übrigens war mit Friedrich „Fritz“ Hillebrand nur eine Woche vor dem GP der Nationen ein weiteres Todesopfer des Motorrad-Rennsports, diesmal bei den Gespannen, zu beklagen. Wie 3 Jahre davor Rupert Hollaus in der Kategorie bis 125 cm³ wurde der Deutsche danach postum zum Weltmeister erklärt. Und nur einen Tag vor Hillebrand verlor Stig Elon Valdemar „Walle“ Lundberg im Training der 350-er auf dem Masaryk-Ring bei Brünn auf tragische Weise im Training sein Leben. Wenigstens gab es aber zumindest in Monza diesmal keine gravierenden Unfälle.

Friedrich „Fritz“ Hillebrand (links) mit seinem Passagier Manfred Grunwald, der den Unfall in Bilbao mit nur leichten Verletzungen überlebte. Der Fahrer hingegen überlebte den Aufprall auf einen Laternenpfahl nicht und war auf der Stelle tot. Grunwald heiratete im Mai 1958 Inge Stoll, die als Beifahrerin von Jaques Drion aus Frankreich selbst in der Weltspitze als Passagierin im Seitenwagensport aktiv war. Am 24. August und damit nur wenige Monate später, sollte auch sie samt Pilot Drion aus Frankreich bei einem tragischen Unfall beim GP von Tschechien (nicht zur Weltmeisterschaft zählend) den Tod auf dem Masaryk Ring finden.
In Schwarz auf dieser Skizze der nicht besonders abwechslungsreiche Kurs von Monza für die Motorräder. Jahrzehnte später wurden einige Schikanen eingebaut, aber die Strecke blieb lebensgefährlich. Mit 5.7 km Länge war es eine Rennstrecke, wie sie (bis auf ihr Layout) ein halbes Jahrhunder später zum Standard werden sollten.

Ubbialis Rückkehr nach Mass bei den 125-ern

Nach seinem Auftaktsieg bei Saisoneröffnung und danach Platz 2 hatte Carlo Ubbiali bis Monza aufgrund seiner in Assen erlittenen Verletzung kein Rennen mehr bestritten. Beim Training hatte er bei einem Sturz eine Quetschung und schwere Verbrennungen erlitten und war danach von MV durch Fortunato Libanori ersetzt worden. Dieser war auch jetzt wieder mit dabei und sollte in Monza zu einem wahren Festival für seine Marke beitragen. Aber der Hauptdarsteller war diesmal wieder Ubbiali, welcher wenig später sogar für die Folgesaison in der 350-er Klasse angekündigt sein sollte, was allerdings nicht wahr wurde. Aber dem schnellen Mann aus Bergamo war dies egal, er fühlte sich vor allem in den kleineren Klassen wohl. Dies bewies er nach seiner Rückkehr auf die MV Agusta in seiner Heimat ein weiteres Mal. Sein Erzrivale Provini fiel bereits kurz nach dem Start mit Motorschaden aus (auch Mondial Werksteamkollege Sandford sollte wenig später ausscheiden) und damit kam es anfänglich zu einem Dreikampf mit Taveri und Venturi. Aber Carlo stellte schon früh klar, wer diesmal wie zuvor wieder der Chef der MV Truppe sein würde und entschied das Rennen souverän für sich. Einzig die Störenfriede Miller als Zweiter und Sala mit P6 konnten mit ihren FB-Mondial in die Phalanx der MV Agusta Truppe einbrechen. Dahinter landete mit Ernst Degner auf MZ ein Mann auf Rang 7, von welchem man schon bald mehr hören würde.

Die FB-Mondial von 1957 sollte nach dem Grossen Preis der Nationen in Monza im Museum landen. Bei ihrem letzten Einsatz war dem schnellsten 125-er Motorrad dieses Jahre kein Sieg gegönnt, aber immerhin reichte es unter Sammy Miller für Rang 2.
Carlo Ubbiali (MV Agusta) war das Glück nicht hold in der Saison 1957, als er beide Titel aus dem Vorjahr nicht zu verteidigen vermochte. Die FB-Mondial war schlicht schneller und er hatte sich dazu auch noch ernsthaft verletzt, womit er sämtliche Chancen auf die Weltmeisterschaft in den beiden kleineren Klassen verlor.

Umgekehrtes Pech in der Viertelliter-Klasse

Während Carlo Ubbiali diesmal das Pech von Tarquinio erlitt, hatte dieser ohne seinen Erzrivalen nicht zum ersten Mal in diesem Jahr fast freie Bahn. Vor allem sah auch Luigi Taveri die Zielflagge nicht. Mit Ausnahme der 125-er Klasse wurde auch hier der bestehende Rundenrekord gebrochen. Am Ende fehlte Venturi als Zweitem auf Sieger Provini fast eine halbe Minute, dahinter Lorenzetti auf der schnellsten Guzzi, Sandford und Miller (FB-Mondial) und Alano Montanari mit einer weiteren Moto-Guzzi. Wenig überraschend waren die Privatfahrer auf dieser schnellen Strecke chancenlos. Trotzdem war erstaunlich, wie weit vorne Roland Heck mit der in die Jahre gekommenen NSU Sportmax immer noch war. Für Cecil Sandford war die Platzierung nebensächlich, weil er trotz Rang 4 bereits vor dem Rennen als Weltmeister feststand und damit Ubbialis Titel übernahm. Der Veteran Montanari sollte im Jahr danach in Cesena auf tragische Weise den Tod finden, nachdem er das Krankenhaus nach einem Autounfall zu früh verliess, um sich für den GP von Italien vorzubereiten. Mit einer Blutvergiftung überlebte er sein neunundvierzigstes Altersjahr leider nicht.

Unsere Zusammenfassung der Resultate mit vielen prominenten Ausfallopfern in den kleineren beiden Klassen. Zu beachten ist dabei auch, wie stark die Leistung von MZ unter ihrem Fahrer Ernst Degner bei den 125-ern abschnitt. Sämtliche Ducati und diverse MV und Mondial Privatfahrer wurden vom Mann aus der DDR deutlich geschlagen. Schon im Jahr danach sollte der endgültige Durchbruch der sächsischen Marke erfolgen.
Tarquinio Provini (FB-Mondial) und sein Blick zurück – trotz seines Ausfalls im Heimrennen bis 125 cm³ war es für den Shooting-Star der Saison 1957 ein sensationelles Jahr.
Carlo Ubbiali (MV Agusta) hatte nach seinem Sieg bei den 125-ern Pech in der Kategorie bis 250 cm³, aber die nächste Saison sollte nach dem Verlust beider Titel wieder besser für ihn laufen.

Das Rennen in der Kategorie bis 350 cm³

Mit einem nicht nur für damalige Verhältnisse unglaublichen Schnitt von 180 km/h war Bob Mc Intyre schnellster gewesen, wobei er davon profitiert hatte, dass zahlreiche Stars ausfielen. Sowohl Surtees (MV) wie auch Duke (Gilera) auf ihren Vierzylinder-Maschinen waren viel zu früh ausgefallen, sondern auch Montanari mit einem gerissenen Bremskabel zwei Runden vor Schluss und Bryen (beide Moto-Guzzi). Der anfänglich in Führung gelegene Liberati auf einer weiteren Werks-Gilera hatte ebenfalls Pech, als er mit Problemen zurückfiel, am Ende aber doch noch das Podium erreichen sollte. Bester Privatfahrer wurde Hartle auf Norton, der sich hinter Milani (Gilera) und Mandolini (Guzzi) den letzten Punkt holte. Fast nicht vorstellbar dabei, dass sich die auf den ersten fünf Plätzen ins Ziel gekommenen Gilera und Moto-Guzzi Maschinen im Folgejahr nicht mehr in der Startaufstellung befinden sollten, aber es wurde leider Tatsache. Zusammen mit FB-Mondial waren die drei Hersteller mit insgesamt 19 Titeln bis dahin die erfolgreichsten in der noch jungen Weltmeisterschaft seit 1949 gewesen.

Luigi (links) und Giovanni Fratelli, mit in der Mitte ihrem Aushängeschild Tarquinio Provini. Das „FB“ im Namen von FB-Mondial bedeutet „Fratelli Boselli“ (Gebrüder Boselli). Genau wie Gilera und Moto-Guzzi sollte sich die im Motorrad-Rennsport so erfolgreiche Firma zum Jahresende für den Ausstieg aus dem GP-Zirkus entscheiden. Nach 3 WM-Titeln bis 125 cm³ in den ersten 3 Jahren der Weltmeisterschaft (1949 – 1951) dominierten sie 1957 sogar in beiden kleinerern Klassen und holten mit Provini und Sandford gleich beide Titel. Übrigens dauerte die Motorrad Produktion von Mondial nur noch 3 Jahre ab diesem Zeitpunkt.
Der Shooting-Star bis 350 cm³, Keith Campbell (Moto-Guzzi) stand bereits vor dem GP der Nationen als erster australischer Motorrad-Weltmeister fest. Er hatte in Monza das Pech gehabt, sich bei einem Sturz bereits im Training zu verletzen und musste deshalb auf den Start verzichten. Etwas über 2 Wochen später, am 18. September, heiratete er Geraldine Reid, die Schwester von Geoff Dukes Frau. Leider war ihnen jedoch kein langes Glück gegönnt und Keith sollte im Sommer des Folgejahres tödlich verunfallen.

Das Saisonfinale der Königsklasse

Zum Ende der zweiten katastrophalen Saison von Superstar Geoff Duke sollte sich in Monza endgültig bestätigen, dass die Zeit seiner Dominanz vorbei war. Der grosse Abwesende war in diesem Rennen der nach seinem Trainingssturz mit rund 200 km/h über unwohlsein klagende Bob Mc Intyre, der davor für Gilera noch das 350-er Rennen gewonnen hatte. Er wurde nach kurzer ärztlicher Untersuchung an der Strecke in eine mailänder Klinik eingewiesen. Dabei wurde ein Bruch des dritten Halswirbels festgestellt. Es sollte einige Zeit dauern, bis man ihn wieder im Paddock sah. Mehr dazu in unserem Bericht über die Saison 1958. Die Maschine des Schotten wurde Milani übergeben. Moto-Guzzi hingegen verzichtete aufgrund der Verletzung von ihrem Aushängeschild Campbell gleich komplett auf die Teilnahme. Nach dem Start lagen zunächst die 3 MV von Masetti, Bandirola und Surtees an der Spitze und anfänglich war nur Liberati vor seinen Gilera Werksteam-Kollegen Milani und Duke halbwegs auf Tuchfühlung mit der MV Meute. Bis zur Halbzeit entwickelte sich danach ein Duell zwischen Surtees und Liberati um die Führung.

Libero Liberati (Gilera) vor John Surtees (MV Agusta) – dieses Duell hielt die Zuschauer beim Höhepunkt des Wochenendes ausser Atem. Wir fanden seit den Anfangsjahren des Motorrad Grand Prix Sports in keinem Artikel (unseres vermutlich so gut wie vollständigen Archivs über die Vor- und Nachkriegsjahre) bis dahin einen ähnlichen Bericht. Die Fahrweise vor allem des Engänders war laut Augenzeugen hart an der Grenze zur Fairness. Spätestens sechs Jahrzehnte sollte dies das alltäglichste der Rennsport-Welt sein.

Ein erbitterter Kampf um die Führung hielt die Zuschauer in Atem
Natürlich war auch Libero Liberati kein Klosterschüler, aber was vor allem sein englischer Kontrahent in diesem Rennen zeigte, war für die damalige Zeit höchst selten. Dass die Führung laufend wechselte, war auch damals völlig normal, aber was die Zuschauer so noch nie sahen, war diese Form der Aggression, mit welcher dieses Duell geführt wurde. Um seinen Gegner loszuwerden, bediente sich Surtees laut Aussagen anwesender Reporter (aus einem neutralen Land, sprich weder aus Italien noch England) offenbar öfters unsportlicher, wenn nicht gar irregulärer Mittel. Beispielsweise kämpfte er sich aus dem Windschatten des Italieners von hinten heran, um danach Liberati den Weg zu versperren und absichtlich die Ideallinie zu blockieren. Diese harten Manöver waren auch vom Publikum von der Tribüne aus sichtbar und es hätte durchaus zu eine Katastrophe dabei kommen können. Milani und Duke dahinter verloren an Terrain auf die beiden Streithähne, aber dann fiel Surtees aufgrund von Leistungsmangel seines Motors plötzlich zurück. Liberati gewann am Ende ungefährdet vor Duke und Milani vervollständigte ein Podium mit lauter Gilera Werksfahrern. Dahinter kreuzte Surtees vor seinen MV Kollegen Masetti, Sheperd und Bandirola die Ziellinie. Allerdings war nur der Weltmeister des Vorjahres dabei noch in der selben Runde wie der Sieger.

Unsere Zusammenfassung der Resultate der beiden grösseren Klassen und damit des letzten Grand Prix, an welchem Gilera und Moto-Guzzi (sowie FB-Mondial in den kleineren beiden Kategorien) teilnahmen. Damit endete eine Ära und vor allem blieb ab dem Folgejahr nur noch eine Handvoll Fabrikate übrig (nicht nur auf die italienischen Hersteller bezogen). Zum ersten Mal in der Geschichte hatten diesmal sieben italienische 4-Zylinder Maschinen die ersten 7 Plätze belegt.
Libero Liberati (in der Mitte) mit links Milani und rechts Geoff Duke – der Italiener hatte es allen gezeigt und vor heimischem Publikum triumphieren zu können, war ihm genau so wichtig wie der Titell in der Königs-Klasse des Motorrad-Rennsports.

Fazit einer Saison mit lauter neuen Weltmeistern

Mit Libero Liberati wurde zum ersten Mal seit 1950 und 1952 mit Umberto Masetti (ebenfalls auf Gilera) erstmals wiede ein Italiener Champion in der Königsklasse. Seine famose Leistung mit vier Siegen in sechs Saison-Rennen und dem Monza Sieg als Tüpfelchen auf dem i, zeigten vor allem auch schonungslos auf, dass der Höhepunkt in der Karriere von Publikumsliebling Geoff Duke überschritten war. Dieser war von seinem Teamkollegen zweimal in Folge klar geschlagen worden und war nun auch noch wie dieser seinen Platz bei Gilera los. Die drei Hersteller Moto-Guzzi, FB-Mondial und Gilera hatten untereinander gegen Ende des Jahres einen Vertrag abgeschlossen, mit welchem sie sich gegenseitig zusicherten, nicht vor 1960 wieder in den Renn-Sport zurückzukehren. Kurioserweise hatten sie auch sämtliche Weltmeister gestellt, bevor sie sich aus dem Grand Prix Sport zurückzogen und in diesem Jahrhundert auch nicht mehr in den Resultatlisten auftauchen sollten. Bis auf Cecil Sandford als Wiederholungstäter (er war 1952 Weltmeister bis 125 cm³ geworden), hatten alle anderen Piloten erstmals einen Titel errungen.

Horst Fügner auf der MZ, die kleine Truppe aus der DDR erregte zu Recht immer mehr Aufmerksamkeit. Bereits die kommende Saison sollte für den Sachsen und seine Mannschaft endgültig den Durchbruch bringen.

Interessante Randgeschichte zum Jahresende 1957

Interessant war insbesondere ein Vorgang, der sich nicht unter den Augen der Öffentlichkeit abspielte. Weil FB-Mondial sich aus dem Grand Prix Sport zurückzog und dies hohe Wellen geworfen hatte, meldete sich ein Mann aus Japan bei den Gebrüdern Boselli. Die Rede ist von Soichiro Honda, dem Kopf des schon bald grössten Motorradherstellers der Welt. Er bat darum, eine der Mondial Rennmaschinen, welche die Konkurrenz in diesem Jahr in Grund und Boden gefahren hatten, käuflich zu erwerben und erhielt auch eine. Diese kam nach gründlicher Untersuchung später in die Ausstellung dieser Marke bei der Motegi-Rennstrecke. Wir werden in einem Artikel zu einigen Jahren später eine ähnliche Geschichte sehen, bei welcher die Japaner sich als höchst geschickte Kopierer und Nachahmer westlicher Technik erweisen sollten. Allerdings gab es in diesem Fall keine wirklich freiwillige Herausgabe von hochtechnologischer Entwicklung Seiten des Herstellers und ihrem genialen Konstrukteur.

Vor imposanter, aber geschichtlich aus den vorherigen beiden Jahrzehnten reichlich vorbelasteter Kulisse, fand dieser Lauf zur Deutschen Meisterschaft statt. Der junge BMW Pilot Hiller sicherte sich mit Rang drei den Meistertitel bis 500 cm³, aber Star und klarer Sieger des Rennens war der Mitte Saison aus dem GP Sport zurückgetretene Walter Zeller. Mit Karl Lottes holte sich bei den 125-ern ein alter (auch in der Grand Prix Szene) Bekannter den Titel, obwohl er in Runde 10 mit technischen Problemen aufgeben musste.

Die Saison 1957 in Zahlen

Mit Provini gab es einen klaren Dominator als Nachfolger seines Landsmanns Ubbiali, während für den Schweizer Taveri trotz unglaublicher Konstanz nur der Vizeweltmeister-Titel übrig blieb. Auffällig war diesmal die Steigerung der Teams von hinter dem eisernen Vorhang, sprich aus der DDR und mit CZ der damaligen Tschechoslowakei. Im Vorjahr hatten letztere insgesamt 2 Punkte geholt, diesmal waren es bereits drei und MZ brachte es mit nur zwei Einsätzen sogar auf 4 Zähler, was jedoch fast nichts gegenüber dem Folgejahr sein sollte. Übrigens ging die Hersteller-WM hauchdünn an Mondial, dank in Summer der schnelleren Siegerzeiten, eine analoge Entscheidung wie im Jahr 1953, als MV gegen NSU am Ende leicht vorne lag.
Mit Ausnahme von Platz 4 in Monza stand Cecil Sandford in jedem der 6 Rennen auf dem Podium. Die Überlegenheit von FB-Mondial zeigte sich in dieser Klasse noch deutlicher als bei den kleinsten, waren doch die ersten drei in der Endabrechnung alle auf den Motorrädern von den Gebrüdern Boselli unterwegs.
Mit dem Reglement von ab 1993 hätte die Rangliste folgendermassen ausgesehen:
1. Campbell 95
2. Liberati 93
3. Mc Intyre 70
Einerseits fand unabhängig von seiner Verletzungs-Zwangspause 1957 die Ära von Geoff Duke als so gut wie unbesiegbarem Champion ein Ende und auf der andern Seite zerbröckelte ab dieser Saison endgültig die italienische Markenvielfalt. Mit Moto-Guzzi und Gilera (zusammen für 14 Weltmeistertitel seit 1949, sowie 9 Europameisterschaften und 14 TT-Siege verantwortlich) verabschiedeten sich zwei auch vor dem Krieg sehr erfolgreiche Traditionsmarken zum Jahresende. FB-Mondial hatte je 5 Fahrer und Hersteller-Titel geholt.

Unsere Liste der Todesopfer der Saison 1957 im Motorrad Strassenrennsport

Wer sich die Vorgeschichte von „Fritz“ Hillebrand genauer ansieht und mit späteren Jahrzehnten vergleicht, erhält vielleicht ein wenig das Gefühl dafür, was solche Piloten bereits durchmachten, bevor sie erneut bei der Ausübung ihres Lieblingssports ihr Leben riskierten. Während Norton Privatfahrer Valle Lundberg nur das Pech hatte, an der falschen Stelle gestürzt zu sein, war der Unfall von Roger Barker schlicht die Folge damals unbekannter Faustregeln wie beispielsweise ausreichender Flüssigkeitszufuhr bei großer Hitze.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).