
WSBK Team-Vorstellung vor Saisonbeginn mit Teil 1 – Kawasaki
Weshalb Kawasaki in der WorldSBK derart erfolgreich ist, hat nicht nur einen Grund. Genauso wie bei Jonathan Rea sagt auch sein ehemaliger Teamkollege Max Neukirchner ganz klar, dessen Erfolg hat mehrere Väter. Das ganze Interview mit dem besten Deutschen der WSBK-Geschichte zur kommenden Saison siehe auf dieser Seite unter „Interviews+TV“. Wer behauptet, der Erfolg sei dem Nord-Iren und seinem Team in den Schoß gefallen, kann noch nicht lange zu den Beobachtern der WorldSBK gehören. Genauso wenn jemand meint, sie würden sich nach einer erfolgreichen Vorbereitung oder ihren Erfolgen zurücklehnen, liegt er komplett daneben. Weil exakt deshalb ist das in Granollers in unmittelbarer Nachbarschaft des Circuito de Cataluña stationierte Team derart erfolgreich, da sie genau dies nie tun. Laut Team Manager Guim Roda ist dies deren Schlüssel zum Erfolg. Immer einen Schritt mehr zu tun als die Gegner und nie damit zufrieden zu sein, was man erreicht hat.

Der Aufstieg der Grünen begann mit dem jungen Mann aus Huddersfield
Wer Tom Sykes nicht kennt, hat im Motorsport etwas sehr Wichtiges verpasst. Nach dem Rücktritt von Troy Corser erbte der Engländer früh dessen Titel als „Mister Superpole“, als absoluter Spezialist für sogenannte Chaos-Runden. Mit seinem Fahrstil allein ist Sykes eine unnachahmliche Figur. Dazu kommt sein Auftreten bei Interviews und nach den Rennen in gemütlicher Runde. Bei diesem Spaßvogel bleibt in der Regel kein Auge trocken. Der aus der Yorkshire Gegend stammende Pilot hatte bereits 2008 eine erste Kostprobe seines Könnens abgeliefert, als er bei einem Wildcard Einsatz auf Suzuki einen 2. Platz in Donington Park einfuhr. Im Jahr danach kam er für Yamaha für seine erste volle Saison in die WorldSBK.

Kein leichter Einstieg in die WorldSBK
Es war ein harter Einstieg für Sykes, weil sein Teamkollege Ben Spies auf den für ihn neuen Strecken das Geschehen beinahe nach Belieben dominierte, der Engländer hingegen mit WM-Rang 9 vorlieb nehmen musste. Gleichzeitig war mit Jonathan Rea auf Ten Kate Honda ein anderer Rookie mit dem 5. Platz in der Weltmeisterschaft deutlich erfolgreicher als er gewesen. Zudem hatte der Nord-Ire in seiner ersten Saison bereits 2 Rennen gewonnen und stand dazu noch weitere sechsmal auf dem Podium, was Tom Sykes auf der Yamaha R1 verwehrt geblieben war. Er wechselte auf die Saison 2010 zu Kawasaki. Es war das zweite Jahr für das von Paul Bird geleitete Werksteam der Grünen, unmittelbar nach dem Rückzug von Kawasaki aus der MotoGP. Tom schaffte es auf der ZX-10R kurz vor Saisonmitte zum ersten Mal in die Top fünf, war aber nur in den letzten 3 WM-Runden vorne dabei. Bestes Resultat war in Imola ein sechster und vierter Rang.

Die Steigerung und der Durchbruch mit Sykes
Es dauerte im zweiten Jahr für die Grünen bis zur 10. von dreizehn Runden, bis der Yorkshire Mann zum ersten Mal auf dem Podium stand. Dafür war es beim Regenrennen auf dem Nürburgring im 2. Lauf gleich ein Sieg. In der WM wurde es nach Rang 13 am Ende Position 14 als bester Kawasaki Fahrer. Dann kam 2012 der Durchbruch für Tom und die Grünen. Als ab nun die im spanischen Granollers bei Barcelona Provec Racing für den Werkseinsatz der Grünen verantwortlich zeichnete, ging es steil nach oben, auch mit Tom. Drei Podestplätze bei den ersten vier Rennen und zu Saisonmitte WM-Dritter hinter Biaggi (Aprilia) und Rea (Honda). Es sollte die knappste Entscheidung im Titelkampf der WSBK werden, als am Ende Max Biaggi mit nur 0,5 Punkten Vorsprung auf Sykes seinen zweiten Titel auf der Aprilia RSV4 Factory holte. Im Jahr danach war der Römer nicht mehr dabei und Sykes wurde vor Eugene Laverty und Sylvain Guintoli (beide Aprilia) 2013 Weltmeister für Kawasaki.


Die neue Zeitrechnung für Kawasaki – ab 2015
Für Sykes verlief nach seinem Titel das Jahr danach, wie schon 2012 erlebt, erneut ziemlich frustrierend. Der Engländer gewann 8 von 24 Rennen und verlor die Weltmeisterschaft trotzdem an Aprilia Ass Guintoli, welcher nur fünfmal gewonnen hatte. Selbst Melandri mit WM-Rang 4 hatte einen Sieg mehr als der Franzose auf dem Konto gehabt. Doch ab 2015 begann für Kawasaki und man darf in der Tat behaupten, die ganze WSBK, eine neue Zeitrechnung. Mit Jonathan Rea als Neuzugang begannen für Tom sämtliche Gegner des Nord-Iren sehr harte Jahre. Aber für Kawasaki und das spanisch domizilierte Team wurden sie derart glorios, wie sie es davor nie zu träumen gewagt hatten. Der bescheiden auftretende Mann aus Ballymena fuhr die Konkurrenz in Grund und Boden. Er hatte auf Honda von 2009 bis 2014 insgesamt fünfzehnmal gewonnen. Bei den Grünen waren es allein 14 Siege im ersten Jahr!

Die gloriosen Folgejahre für Johnny und die Grünen
Nach seinem vierten Titel in Folge im Jahr 2018 hatte Rea mit 71 Siegen bereits sämtliche Rekorde pulverisiert. Selbst „King Carl“ Fogarty war seine Krone längst losgeworden und konnte sich nur noch mit einem Titel als Dschungelkönig in einer britischen Doku-Soap eine neue holen. Einige Fans verziehen dies der Ducati Ikone wohl nie, aber seine 4 Titel als zweitbester Superbike Pilot der Geschichte nahm ihm trotzdem keiner. Der neue Superbike König reihte Erfolg an Erfolg und wenn er mal einen Fehler beging, machten seine Fehler einen mehr oder schwerwiegendere. Brutal hart wurde es für Rea eigentlich zum ersten Mal in der Saison 2019, als Ducati mit dem spanischen Fliegengewicht Alvaro Bautista und der MotoGP Replica Panigale V4R antrat.

Selbst die härtesten Gegner konnten sie immer wieder besiegen
Wir waren vor Ort dabei, als der beste Fahrer aller Zeiten beispielsweise in BuriRam (Thailand) bei Start-Ziel mit rund 20 km/h mehr Topspeed überholt und sofort stehengelassen wurde. Nach Kurve 1 und der nachfolgenden Geraden lag der Spanier bereits rund 50 m vor dem Nord-Iren. Insgesamt 11 Rennen in Folge gewann der Ducati Neuzugang, bevor es auf die Fahrerstrecke nach Imola ging. Auch dort waren wir mit dabei, als plötzlich das Blatt sich zu wenden begann. Endlich kam für den Kawasaki Piloten ein Kurs ohne eine für ihn und die im Topspeed der Panigale deutlich unterlegene ZX-10RR zu lange Gerade. Ausgerechnet auf der nächsten Strecke zum Ducati Werk im Kalender fuhr Jonathan sämtlichen Gegnern auf und davon. Dies war den Knackpunkt der Saison und damit war bewiesen, dass er mit seinem Team selbst die härtesten Konkurrenten immer wieder besiegen konnte.


Was bringt die Saison 2021 für Kawasaki?
Wie die Leistungs-Explosion von Tom Sykes 2012 eindrucksvoll unterstrich, sind die Erfolge von Kawasaki und Jonathan Rea immer auch das Ergebnis perfekter Teamarbeit. Auch der mittlerweile 6-fache Rekordweltmeister wird nicht müde, dies bei jeder Gelegenheit selbst zu betonen. Zu einem guten Team gehört auch ein guter Teamkollege und nach Sykes war dies auch Leon Haslam und seit 2020 nun Alex Lowes. Der Mann aus Lincoln harmoniert mit dem amtierenden Weltmeister hervorragend. Seinen Speed hat er oft genug bewiesen und war nach dem Saisonauftakt 2020 als Neuzugang sogar kurz WM-Leader. Bei Rea ist die Zielsetzung mit der Verteidigung seines Titels klar. Mit der neuen Kawasaki ZX-10RR Ninja kann dazu auch sein Boxen-Nachbar für viele Gegner zur Gefahr werden. Sofern Alex nicht zu oft stürzt, ist damit sogar die Verteidigung des Vorjahres-Sieges in der Herstellerwertung für Kawasaki machbar. Um es diplomatisch zu formulieren: Für die Konkurrenz wird es diese Saison definitiv nicht leichter als zuvor.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).
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