
MotoGP Jahresrückblick 2020 – die unselige Nummer 6
Seit 2019 stand Stefan Bradl als Testfahrer bei HRC Honda unter Vertrag und der Bayer machte seine Sache offensichtlich sehr gut. Immerhin wurde dies die Saison, in welcher Repsol Honda Speerspitze Marc Marquez seine mit Abstand dominierendstes Jahr erlebte. Der deutsche Helfer durfte auch bei einigen Rennen mit einer Wildcard, sowie als Ersatz für den ehemaligen Topstar Jorge Lorenzo antreten. Mit zwei zehnten Plätzen in Jerez und auf dem Sachsenring als beste Ergebnisse waren er und sein Chef Alberto Puig damals soweit zufrieden. Dann kam die Corona-Pandemie mit dem auf nur vier Monate komprimierten Kalender und beim ersten Rennen der Crash von Marc Marquez.

Die missglückte Notlösung für den Marquez-Ersatz
Niemand konnte anfänglich ahnen, dass der 6-fache Weltmeister für so lange Zeit ausfallen würde. Er hatte nach seiner Oberarm-Operation auch schlicht alles falsch gemacht und spielte lieber den knallharten Typen, als klein beizugeben. Doch sein Versuch in Jerez hatte böse Folgen und Repsol Honda musste auch laut Vertrag mit der Dorna einen Ersatz für Brünn stellen. In der damaligen Annahme, es gehe höchstens um 2 bis 3 Runden, entschied sich Teamchef Alberto Puig für Bradl, dies hatte ja bereits im Vorjahr soweit gut geklappt. Doch der Bayer gab dazu bereits früh schon seltsame Geräusche von sich. Plötzlich betonte er, wie schlecht er dafür vorbereitet sei und wie lange er nicht mehr gefahren sei. Bis auf KTM traf dies jedoch auf die meisten anderen Piloten auch zu und gut austrainiert musste er als HRC Testfahrer logischerweise auch sein.

Wovon tausende anderer Fahrer träumen
Für Stefan Bradl ergab sich eine Situation, wovon tausende anderer Fahrer träumen. Egal welcher Couleur, welcher Motorradbegeisterte und vor allem darunter die echten Rennfahrer, hätten schon nicht mit ihm tauschen wollen! Und wie verhielt sich der Deutsche? Mit beinahe jämmerlicher Stimme gab er vor dem Start bereits bekannt, wie überfordert er sich dabei fühlte. Hallo – ein Mann, der immer von sich sagte, er würde gerne als Stammpilot wieder in die MotoGP zurückkehren und kaum 30 Jahre alt! Dazu noch mit einer Erfahrung auf der Honda RC213V, welche seinesgleichen sucht und während 3 Jahren sogar bei LCR als Einsatzfahrer. Doch mit seiner Skepsis sollte er leider recht behalten und war damit für das schlechteste Jahr in der Geschichte des erfolgreichsten MotoGP Teams der letzten 3 Jahrzehnte mitverantwortlich.

Die Folgen eines weiteren Fehlgriffs
Für Repsol Honda war zu Saisonbeginn auch ärgerlich, dass man erst nach einem halben Jahr begriffen hatte, was wir bereits im Herbst 2019 vorhergesagt hatten. Aufgrund seiner Vergangenheit hatten wir nach der Verpflichtung von Alex Marquez bei Repsol Honda darauf hingewiesen, dass er ein Fehlgriff sei und dies auch begründet. Schließlich hatte der jüngere Bruder von Marc nach seinem damaligen Wechsel in der Moto2 zuerst eine Durststrecke von 2 Jahren überwinden müssen. Manch anderer Fahrer wäre damit bereits weg vom Fenster gewesen. Die WM-Ränge 14 und 13 in den Jahren 2015 und 2016 waren alles andere als ein Ruhmesblatt.

Der richtige Schritt kam ein halbes Jahr zu spät
Nach den Winter-Testfahrten begann dies in der Corona-Pause auch Teamchef Puig einzuleuchten und er entschied sich für 2021 zur Verpflichtung von Pol Espargaró und der Versetzung von Alex zu LCR Honda. Der richtige Schritt kam daher schlicht ein halbes Jahr zu spät. Aber weil sich der jüngere Marquez Bruder im Lauf der Saison deutlich steigerte, eher das kleinere von zwei Problemen für das Team. Als der Teamleader länger fernblieb, begann ein noch nie erlebter Abstieg für das erfolgreichste Team der Königsklasse der letzten 30 Jahre.

Die unglaubliche Durststrecke
Beim verrückten Hitzerennen in Jerez, dem ersten Doppelrennen der Geschichte, hatte sich Alex Marquez mit den Rängen 4 und 8 noch halbwegs passabel geschlagen. Doch beim GP von Tschechien reichte es mit Platz 15 nur gerade für einen WM-Punkt und Stefan Bradl wurde gar 18. und damit Letzter. Mit Ausnahme von P14 für Marquez war der GP von Österreich vom Resultat her eine Kopie von Brünn. Auch hier trug der Bayer wieder die rote Laterne. Im 2. Rennen von Spielberg wurde es wieder P18 für Bradl als diesmal viertletztem und Alex verpasste mit P16 ebenfalls die Punkteränge. Das erste Misano Wochenende wurde für den Deutschen erneut zum Desaster mit Platz 18 als Zweitletztem. Nur eine Position davor und wieder ohne Punkte Marquez. Im zweiten Rennen an der Adria holte der Spanier endlich Rang 7, während Bradl vorgab, mit Armproblemen pausieren zu müssen.

Peinliche Ausflüchte sorgten für viel Spott
Während der Rookie sich mit Kritik am Material vernünftigerweise zurückhielt, tönte es bei Bradl schnell wieder wie in vergangenen Tagen. Als er ernsthaft behauptete, die Honda RC213V des Jahrgangs 2020 sei nicht konkurrenzfähig, erntete er vielerorts Hohn und Spott. Vor dem Hintergrund, dass Marc Marquez mit genau diesem Bike im ersten Rennen von Jerez mit Abstand schnellster Fahrer war, kein Wunder. Zumindest bis zu seinem fatalen Sturz vier Runden vor Schluss, aber es war die pfeilschnelle Maschine des amtierenden Weltmeisters. Selbst in Spielberg war er damit beinahe unschlagbar gewesen und im Vorjahr hatte er 22,1 Punkte im Schnitt geholt. Im Jahr 2020 fuhr Alex Marquez mit der 2020-er Honda zweimal auf Platz 2. Was für ein Ammenmärchen der Bayer vor diesem Hintergrund sich da ausgedacht hatte, war schlicht nur peinlich. Prompt nahm er später bei den guten Marquez-Resultaten gar für sich noch in Anspruch, es sei sein Verdienst als Testfahrer, das Bike derart gut weiterentwickelt zu haben.

Das Vorbild für einen guten Ersatzfahrer-Einsatz
Vor dem Hintergrund der vielen Ausflüchte Bradls passierte am 6. November 2020 in Valencia etwas, das nicht nur dem Bayern zu denken gab. Der Texaner Garrett Gerloff hatte kurz davor in der WorldSBK als Rookie sein erstes Podium geholt und wurde überraschend von Yamaha dazu auserkoren, auf Valentino Rossis M1 am Freitag anzutreten. Der Altmeister musste auf ein Covid-19 Testergebnis warten, nach welchem er je nach Resultat für das 1. Wochenende auf dem Cirtuito Ricardo Tormo hätte gesperrt werden können. Der Texaner kannte weder die M1, noch die Strecke von Valencia und dazu waren für ihn auch Reifen und Karbonbremsen völlig neu.

Der Teufelskerl aus der neuen Welt sorgte für Erstaunen
Manch Zuschauer, sofern er nicht Servus TV Konsument war und daher wie üblich auf die Übertragung des Freitags verzichten musste, glaubte wohl seinen Augen kaum. Da fuhr bei schwierigsten Verhältnissen dieser offenbar frei jeden Respekts beseelte US-Amerikaner auf Anhieb mitten in der Weltspitze mit. Es war sogar noch feucht, aber den erst 25-Jährigen beeindruckte dies keineswegs. Am Ende seiner ersten 45 Minuten auf der MotoGP Yamaha lag der Teufelskerl vor Fahrern wie Cal Crutchlow, Fabio Quartararo und dem kurz danach als Weltmeister feststehenden Joan Mir. Alberto Puig soll Tränen in den Augen gehabt haben, als er dies mitbekam, wie uns ein spanischer Kollege kürzlich verriet. Leider aus Sicht von Honda ist der Texaner nämlich bis auf Weiteres an Yamaha gebunden.

Traurige Bilanz von Repsol Honda mit Bradl und Alex Marquez
Wie tief Repsol Honda mit Bradl und dem jüngeren Marquez Bruder abstürzte, sieht man hier wohl am eindrücklichsten. In Kursivschrift ist der beste Fahrer in den beiden Jahren 2000 und 2001 aufgeführt, weil Valentino Rossi damals in den Farben der italienischen Biermarke Nastro Azzurro antrat. Er war jedoch im Werks-Team des 5-fachen Weltmeisters Mick Doohan und hatte dessen Crew-Chief Jeremy Burgess übernommen, den er später sogar zu Yamaha mitnahm. Diese beiden Jahre waren die erfolglosesten und nur aufgrund der genannten Separierung von Rossis Auftritt in seinen ersten beiden Jahren. Genau dies waren gleichzeitig auch die letzten Jahre der Königsklasse mit den 500 cm² Zweitaktern, bevor unter dem Begriff MotoGP Viertakt-Motoren mit doppeltem Hubraum zugelassen wurden. Es war der gewollte Todesstoß für die kreischenden Zweitakter, wonach diese kurz danach nicht mehr konkurrenzfähig waren. Wenig später erfolgte schrittweise auch in den kleineren Klassen diese Ablösung.

Die persönliche Bilanz von Stefan Bradls GP-Karriere
Mit 2 Grand Prix Siegen in der 125 cm³ Klasse und deren 5 in der Moto2 war Stefans Höhepunkt unbestritten der Titel in der mittleren Klasse 2012. Auch wenn hierbei nicht verschwiegen werden sollte, dass Marc Marquez damals aufgrund einer Verletzung frühzeitig aufgeben musste. Der Katalane hatte nicht weniger als 7 Siege eingefahren, war aber zu oft gestürzt. Letztlich interessiert dies jedoch Jahre später in der Regel wenig und der Deutsche hat sich seinen einzigen WM-Titel mit guten Leistungen redlich verdient. Leider vermochte er sich in der MotoGP nie ganz durchzusetzen, konnte aber trotzdem einige Glanzpunkte setzen. Seit Bradl gelang bisher erst Jonas Folger auf dem Sachsenring 2017 ein 2. Platz in der Königsklasse, was deutsche Erfolge in der höchsten Prototypenklasse betrifft.


Provisorischer kombinierter MotoGP & WSBK Kalender 2021
In Kursivschrift haben wir die Events aufgeführt, an deren Durchführung wir starke Zweifel anmelden. Fehlend ist aktuell die noch völlig offene, von der Dorna angedachte 13. WorldSBK Runde, sowie Phillip Island. Als Termin kommt dafür nur das Wochenende vor oder nach dem Rennen auf dem Mandalika Circuit in Indonesien infrage. Für Phillip Island und die WSBK ist dort der Vertrag noch nicht unterzeichnet. In Rotschrift stehen die MotoGP Renntermine, welche mit einem WorldSBK Wochenende kollidieren, was zeitlich jedoch nur beim GP von San Marino eine Überschneidung bedeutet. Aufgrund der Zeitumstellung in Japan und Indonesien ist dies hingegen unkritisch.

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