Brad Binder (KTM) bei seinem Crash am zweiten Jerez Wochenende 2020 – dem Moto2 Vizeweltmeister gelang die erste Saison in der Königsklasse gar nicht nach Wunsch. Kurz bevor diese Aufnahme entstand, hatte er seinen Markenkollegen Oliveira in der ersten Kurve eliminiert.

Über MotoGP-Etikettenschwindel und die Kalex-Dominanz in der Moto2

Die geradezu erdrückende Dominanz von Kalex in der Moto2 führte indirekt zum Ausstieg von KTM aus der mittleren Klasse. Es war nicht einfach so, dass die Orangen mit einer Fehlkonstruktion in ihrem 3. Jahr in der Moto2 an den Start gingen. Viel eher hatten sie sich zu fest auf die MotoGP konzentriert. Am fehlenden Erfolg in der Saison 2019 änderte dies nicht und mitten im Jahr kam die Hiobsbotschaft vom freiwilligen Weggang von Johann Zarco. Ausgerechnet beim Heim-GP der Österreicher in Spielberg kam gleich noch der zweite sportliche Tiefschlag. Die Ironie des Schicksals folgte auf dem Fuß und Brad Binder gewann ausgerechnet nach der Ankündigung zum Moto2-Ausstieg von KTM zum Saisonende seinen ersten Grand Prix! Am Ende verpasste der Südafrikaner den Titel nur um wenige Punkte.

Alex Marquez vor dem Start in Barcelona 2019 mit dem originellsten aller Sponsoren in der Person von Bier-Milliardär Marc van der Straten. Solche Menschen wie den in der Schweiz lebenden Belgier gibt es leider im Sport viel zu wenig. Der jüngere Bruder von Marc Marquez fuhr in dessen Team zum Moto2 Titel, der gegen Ende der Saison jedoch an einem dünnen Faden hing.

Ready to retire anstatt ready to race
Der Slogan von KTM auf deren Leiberln, wie diese in der Alpenrepublik genannt werden, war auf einen Schlag nichts mehr wert. Das war nicht mehr „ready to race“, sondern eher „ready to retire“, was hier praktiziert wurde. Vor dem Einstieg in die mittlere Klasse lobte sich KTM Chef Pierer in der Öffentlichkeit noch selbst, wie genial sein Konzept sei. Sich knapp 3 Jahre später still und leise wieder zu verabschieden, war vor diesem Hintergrund ein Armutszeugnis. Die Erfolge von KTM im Jahr 2020 wurden von kritischen Beobachtern eher dem Testvorsprung der Orangen zuzuschreiben, was die MotoGP betrifft. Und in der Moto2 klafft nun eine Lücke, die zur Besorgnis anregt.

Dominique Aegerter 2020 auf der NTS als Ersatzfahrer für seinen gesundheitlich angeschlagenen Schweizer Landsmann Jesko Raffin. Der Punkteschnitt des WorldSSP 600 Neueinsteigers auf kommende Saison war besser als der von Stefano Manzi (Forward MV) und NTS Stammpilot Bo Bendsneyder. Letzterer startete beim Saisonauftakt in Losail kürzlich aus der ersten Reihe, um die fahrerische Leistung von „Domi-Fighter“, dem Sachsenring-Sieger 2014 dabei richtig einzuordnen!

Die Etikettenschwindel in der MotoGP sind verwirrend

Dass mit Gresini Aprilia ein getarntes Werksteam aus Noale in der MotoGP mit am Start ist, wirkt alleine schon verwirrend. Viel krasser wird es jedoch, wenn man bedenkt, wie es in der Moto3 zugeht. Hier erzählen dauernd alle Kommentatoren von 4 Fabrikaten, welche angeblich um die Wette fahren. Aber in Wahrheit sind es immer noch zwei. Seit 2020 fährt eine als Husqvarna umgetaufte und umlackierte KTM mit und ein Jahr danach passierte mit GasGas dasselbe Spiel. Auch hierbei handelt es sich um ein umgetauftes Motorrad aus Österreich. Weil die zu deren Konzern gehörenden Tochtermarken mehr Popularität erhalten sollen, werden Öffentlichkeit und die Zuschauer ein wenig an der Nase herumgeführt.

Moto3 Grand Prix in Le Mans im Oktober 2020 – beide Husqvarna nach einer Kollision am Boden, wobei wir damals bereits die Bikes zur besseren Verständlichkeit als „Husky-KTM“ bezeichneten. Es ist kein Geheimnis, dass keine Schraube dazu aus Schweden kommt, geschweige von Husqvarna, die meist sowieso nicht dort gebaut werden.

Auch in der Moto2 verstörende Tendenzen
Neuerdings fährt die Speed Up als Boscoscuro, kein normaler Beobachter kennt sich mehr wirklich aus, was dies nun plötzlich soll. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs, weil KTM treibt es seit 2020 noch bunter. Die Österreicher treten seit dem Vorjahr nämlich munter als Red Bull KTM Ajo Team in der Moto2 an. Doch das KTM im Teamnamen ist ein reiner Etikettenschwindel, weil es eins zu eins eine Kalex ist, wie bei den meisten Konkurrenten. Ob Speed Up oder Boscoscuro der einzig verbliebene halbwegs ernsthafte Konkurrent heisst, ist dabei völlig nebensächlich. Mit Forward MV ist dazu noch ein Mitbewerber am Start, der nach 2 Runden null Punkte hat. Niemand wird behaupten, es liege dabei am Fahrer in der Person von beispielsweise Lorenzo Baldassari mit bisher 5 Moto2 Grand Prix Siegen. Gegen die übermächtige Dominanz von Kalex etwas zu unternehmen, scheint die Dorna kein bisschen interessiert zu sein. Somit geht der Einheitsbrei munter weiter und die kleinen Hersteller werden wohl bald verschwinden, schade für den Sport und Wettbewerb!

Lorenzo Baldassari von uns in der Saison 2019 auf Flexbox HP 40 fotografiert. Als WM-Leader nach 5 Runden hatte der Italiener genauso wie Tom Lüthi und Marcel Schrötter nach Einführung neuer und breiterer Einheitsreifen gewaltige Probleme. Er konnte danach nie mehr an die Erfolge der ersten Rennen anschliessen und wechselte auf die Saison 2021 am Ende zu Forward MV, wo er chancenlos gegen die mit Kalex ausgerüsteten Gegner wirkt. Trotz Kalex Fahrwerk fanden auch der Deutsche und der Schweizer nie mehr zu ihrer alten Form zurück, wobei mit Schrötter wohl bald wieder zu rechnen ist.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).