
Dramatische neunte Runde vor bereits zweiter MotoGP-Sommerpause
Wir hatten bereits bei Ankündigung des neuen Kalenders im Vorjahr unsere Zweifel an einer erneut höchst fragwürdigen Planung seitens FIM und Dorna für 2024 angekündigt. Ursprünglich hätte damit nach Mugello und vor Assen für Mitte Juni der GP von Kasachstan stattfinden sollen. Nach dem Grand Prix von Deutschland in Hohenstein-Ernstthal dann erst die Sommerpause mit danach vier Wochen bis zum GP von England in Silverstone. Aber weil man nebst dem sowieso schon wackligen Austragungs-Ort Sokol auch wieder Indien für den September in den Kalender aufgenommen hatte, kam es prompt zur nächsten vorhersehbaren Kalender-Katastrophe. Mit fadenscheiniger Begründung seitens Dorna musste wie befürchtet die Kasachstan Runde von Mitte Juni abgeblasen werden und weil der Veranstalter vom Indien Wochenende offenbar seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen wollte oder konnte, statt dieser Runde nun Sokol auf deren Termin am zweitletzten Septemberwochenende verschoben wurde. Trotz über einem halben Jahr Vorlauf hatten es die Kasachen nämlich nicht hingekriegt, alle Sicherheitsauflagen für den Juni garantieren zu können und brauchten offensichtlich mehr Zeit dafür. Ausrede für diese Verschiebung war offiziell dann ein Unwetter, was jedoch vor allem im Paddock unter Teams und Fahrern lediglich für Kopfschütteln über die erneute Unfähigkeit von FIM und Dorna sorgte. Dramatik gab es im Sommer 2024 allerdings nicht nur in Bezug auf deren erneute Fehlplanung, sondern auch auf dem Sachsenring, was das Geschehen auf der mit nur 3.67 km wie schon oft kürzesten Strecke im Kalender betraf.

„Tourist“ Bradl zerstörte Q2-Hoffnung von Marc Marquez
Nachdem er am Freitagnachmittag bei der Jagd nach einer guten Zeit in der ersten Rechtskurve heftig abgeflogen war, ging es im ersten Qualifying für die Nummer 93 um sehr viel. Marc Marquez musste am Vortag nach seinem High-sider sogar noch ins Medical-Center, um sich mit gebrochenem Finger und Rippen-Prellungen behandeln zu lassen. Davor hatte der Katalane allerdings nach Rückkehr in seine Box nochmals aufs Ersatz-Motorrad gesetzt und sogleich die bis dahin schnellste Runde gefahren, was für ein Wahnsinn! Leider aus seiner Sicht reichte seine Zeit von 1:20.384 am Ende nicht für den direkten Einzug ins Q2, weshalb er am Samstagmorgen bereits die erste Qualifying-Session bestreiten musste. Was der Ausnahmekönner jedoch kurz vor Ende des Q1 erlebte, war bereits die zweite Katastrophe an diesem für ihn so wichtigen Wochenende. Ausgerechnet sein ehemaliger Teamkollege als Honda Testfahrer und ehemaliger Moto2 Konkurrent Stefan Bradl spielte dabei eine höchst unglückliche Rolle.

Der eigentliche Skandal – die lächerlich milde Bestrafung für die 6
Selbst der deutsche Streckensprecher konnte kaum fassen, was im letzten Stint abging und war über dessen mehr als dumme Fahrweise entsetzt, als dieser ausgerechnet vor der 93 und dessen Verfolgern schon fast im Schritt-Tempo die Ideallinie blockierte, um erst viel zu spät nach außen auszuweichen. Marquez hatte keine Chance in diesem Moment, am Bayern ohne vom Gas zu gehen, vorbei zu kommen und als in diesem Moment erst Dritter in dieser Session seine Zeit im letzten Anlauf noch zu verbessern. Damit verpasste Marc das Q2 und war auf einer Strecke, die nur wenige Überholmöglichkeiten bietet, mit nur Startplatz 13 bereits von Vornherein jeglicher Siegchancen beraubt. Die lächerlich milde „Bestrafung“ des Übeltäters mit der Startnummer 6 hat, wie es der Schwabe nennt, allerdings ein übles Gschmäckle. Vermutlich aus Rücksicht auf dessen Nationalität bei seinem Wildcard-Einsatz in der Heimat, wurde Bradl für Sprint und Rennen als Zweitletzter im Q1, um lediglich eine Startposition nach hinten versetzt. Wenn nicht eine Sperre für das Rennen, wäre hier mindestens ein Start aus der Boxengasse angemessen. Gerade auf dem Sachsenring wäre sogar ein sogenannter Double-Long-Lap Penalty noch zu milde gewesen, für dessen unverantwortliche Fahrweise.

Das Tissot Sprintrace mit zwei überragenden Hauptdarstellern
Obwohl kurz nach dem Start Francesco Bagnaia von Startposition vier die Spitze übernahm, war gegen Markenkollege und Sprint-Spezialist Jorge Martin (Prima Pramac Ducati) am Samstag offensichtlich kein Kraut gewachsen. Der WM-Leader kämpfte sich in Runde 3 die Führung zurück und ab dann dominierte der Mann mit der Nummer 89 das hier über ganze 15 Runden dauernde Tissot Sprint-Race. Üblicherweise sind es nur deren 12, aber weil die Strecke in Hohenstein-Ernstthal so kurz ist, wurde um 3 verlängert. Vorteil für die Zuschauer hier ist im Gegensatz zum traditionellen Straßenrundkurs natürlich der Umstand, dass nach rund einer Minute und 20 Sekunden die Rennrunde absolviert ist und damit die Piloten von den Besuchern viel häufiger zu bewundern sind, als an jedem anderen Grand Prix. Dabei konnten die Zuschauer auch die unglaubliche Leistung des zweiten Hauptdarstellers am ersten Renntag bewundern, welcher trotz seiner Verletzungen fast übermenschliches leistete. Nach der ersten Runde hatte die 93 bereits drei Positionen gutgemacht und ab dem dritten Umgang tauchte er bereits auf P8 auf. In der Königsklasse auf einer Strecke mit derart wenigen Überholmöglichkeiten am Ende noch Rang sechs zu holen, war eine schlicht überragende Darstellung von Marc Marquez, dem König des Sachsenrings. Dass der amtierende Weltmeister Bagnaia sich sogar noch von Miguel Oliveira (Trackhouse Racing Aprilia) geschlagen geben musste, war allerdings die größte Überraschung dieses denkwürdigen Samstags.

Dramatischer Höhepunkt am Sonntag mit einem moralischen Sieger
Ähnlich wie beim Grand Prix von Spanien 2024 in Jerez de la Frontera, dominierte mit Jorge Martin auch auf dem Sachsenring der Sieger des Sprintrennens vom Vortag anfänglich das Geschehen. Anfänglich sogar in Führung liegend, setzte sich der Spanier erst ab Runde 15 wieder an die Spitze, was exakt der Halbzeit des Rennens entsprach. Der Kampf um den Sieg mit dem ab dann zweitplatzierten Bagnaia fand mehr auf der Uhr als im direkten Zweikampf statt. Aber erneut und eigentlich unbedrängt, leistete sich der Mann mit der 89 einen ähnlichen Fehler wie in der vierten Runde und stürzte in Kurve 1 über sein Vorderrad ins Kiesbett. Damit war der Weg frei für den Titelverteidiger, welcher damit wieder die Führung in der Weltmeisterschaft vor Jorge übernahm. Ohne damit die Leistung von Bagnaia schmälern zu wollen, aber Mann des Rennens war eindeutig die 93 als erfolgreichstem Piloten des „neuen“ Sachsenrings. Seine Aufholjagd von Startplatz 13 darf getrost als legendär bezeichnet werden und er schaffte es dabei kurz vor Schluss sogar noch an seinem auf P2 liegenden Bruder Alex vorbeizukommen. Marc erwähnte im Interview danach verständlicherweise, dieses Resultat sei für ihn wie ein Sieg, noch dazu das Podium erstmals mit seinem Bruder zu teilen. Zudem bewies er damit, nicht einmal gewinnen zu müssen, um immer noch König des Sachsenrings zu bleiben.

Situation in der Weltmeisterschaft nach 9 von 20 Runden
Während durchaus repräsentative News-Seiten wie beispielweise crash.net das durch FIM und Dorna angerichtete Kalenderchaos auf deren Übersichts-Seiten gar nicht mehr vollständig nachführten, haben auch wir im Verlauf dieses Jahres begonnen auf dauernde Nachträge verzichtet. Die Entwicklung mit immer abstruseren und sinnloseren Neuerungen wie die sportlich höchst fragwürdigen und viel zu oft von den FIM Kommissaren unfair entschiedenen, sogenannten Track-Limit-Verstöße gaben zumindest uns den Rest. Seit nun auch noch die Reifendruck-Überwachung (zumindest in der Königsklasse und weshalb eigentlich nur dort, da angeblich so wichtig für die Sicherheit?) der Willkür von offenbar machtgierigen Funktionären Tür und Tor noch weiter öffnet, hinterfragen wir mittlerweile gar den sportlichen Wert einer unter solchen Rahmenbedingungen ausgetragenen Motorrad-Weltmeisterschaft. Heute geht es vor allem den Leuten der Dorna und den Veranstaltern offensichtlich primär nur noch um das große Geld. Laut dem bereits mehrfach zusammengebastelten Kalender sollen nach dem Wegfall von Argentinien und Indien nun noch 20 Runden, statt ursprünglich angekündigten 22 stattfinden. Die Titelentscheidung sieht nach dem GP von Deutschland wie bereits im Vorjahr, erneut nach einem Kopf-an-Kopf Rennen zwischen Jorge Martin und „Pecco“ Bagnaia aus. Mit seiner Vorjahres-GP23 von Ducati dürfte selbst Ausnahmekönner Marc Marquez kaum Chancen haben, in diese Entscheidung noch eingreifen zu können.

Was ist mit der vielbejubelten „Rookie-Sensation“?
Wir hatten früh davor gewarnt, Pedro Acosta vorzeitig in den Himmel zu loben und vor allem mit seinem Vorbild Marc Marquez zu vergleichen. Fast alle sensationsgierigen Journalisten hatten im Vorfeld bereits ausgerechnet, wie alt er sein würde und wie viele Rennen im bleiben, um als neu jüngster GP Sieger der MotoGP Geschichte zu schreiben. Obwohl mit seiner GasGas-KTM im Gegensatz zu Ausnahmekönner Marc Marquez (der eine Ducati GP23 aus dem Vorjahr bewegt) auf einer wesentlich konkurrenzfähigeren aktuellen Werksmaschine unterwegs, blieb der 20-jährige aus Murcia dramatisch unter den Erwartungen seiner Fans und des Teams. Im Sprintrennen letzter und beim GP von Deutschland lediglich siebter, war sein Resultat vom Sonntag als bestem KTM Pilot wenig trostreich. Mindestens können die Schreiberlinge und Kommentatoren das Thema von ihm als jüngstem MotoGP Sieger nun endlich abhaken. Dem jungen Mann aus Murcia gelang selbst bei 18 Rennen noch kein Sieg und die Formkurve erlitt bereits mehrere empfindliche Knicke nach unten. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass sein erster Triumph nur eine Frage der Zeit sein dürfte und er sich als einziger Neuling im Feld bisher hervorragend schlug. Als aktuell sechster im WM-Zwischenklassement liegt er allerdings nach Runde 9 nur noch zwei Punkte vor seinem KTM Markenkollegen Brad Binder.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).
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