
Seltsame Beobachtungen bei bitterer Winterkälte
Das erste Rennen der WorldSBK in den Niederlanden sah einen Mann auf der Poleposition, der trotz unglaublichen 17 Siegen als Aussenseiter gelten musste. Auf der für ihn noch ungewohnten Yamaha R1 hatte Jonathan Rea am Samstagmorgen die feuchten Verhältnisse genutzt, um sich als sensationell starker Regenfahrer erstmals in dieser noch jungen Saison die Bestzeit in der Superpole zu sichern. Nachmittags im Rennen schlug sich der Nord-Ire ganz achtbar und wurde trotzdem bei schwierigen Verhältnissen auf anfangs nasser und danach abtrocknender Strecke am Ende nur sechster. Aber tags darauf machte nicht nur Johnny höchst seltsame Beobachtungen im Tissot Sprint-Race des Sonntagmorgens. Auch mancher Zuschauer vor Ort und am TV oder beim Streamen traute nach wenigen Runden seinen Augen kaum. Rookie Nicolo Bulega auf der Aruba.it Werks-Ducati flog dabei Rea und dem Rest des Feldes anfänglich innert kürzester Zeit um rund 2 Sekunden auf und davon. Sein Teamkollege Bautista hatte bei Rennhälfte auf P6 liegend bereits fast 4 Sekunden Rückstand auf den Italiener. Danach passierte das Unglaubliche.

Bisher noch nie erlebte Szenen werfen Fragen auf
Sämtliche Piloten waren auf denselben SC-Q Reifen unterwegs, was an dieser Stelle äusserst wichtig zu erwähnen ist. Ab Mitte des Sprint-Rennens wirkte es für die Konkurrenz, wie auch die Zuschauer, als hätte Bautista einen imaginären Schalter gekippt, der seine Ducati Panigale V4R zu einer MotoGP Maschine machte. Innert nur 5 Runden flog der kleine Spanier an sämtlichen Gegnern förmlich vorbei und holte seinen Teamkameraden dabei nicht nur ein, sondern distanzierte Bulega bis ins Ziel um sagenhafte 2.686 Sekunden! Dies bedeutete, dass Alvaro dabei pro Runde mehr als 1.5 Sekunden schneller fuhr als der vorherige Leader und im letzten Umgang um die zwei Sekunden schneller als die meisten restlichen Konkurrenten. Diese mussten sich dabei wie Statisten fühlen und haben nun einen Vorgeschmack davon erleben müssen, wass sie und die Zuschauer in der vierten WM-Runde in Misano beim Heimrennen von Ducati erwarten dürfte. Die Eintönigkeit der beiden Vorjahre, als Bautista vor allem 2023 praktisch nach Belieben gewann, scheint damit Fakt zu werden. Dass der amtierende Weltmeister im letzten Lauf von Assen gegen BMW Neuzugang Toprak verlor, lag offensichtlich einzig an der bei teils feuchter Strecke wesentlich höheren Risikofreudigkeit des Türken.


Die Reaktion von Kawasaki – ein reines Rennmotorrad für die WSBK
Nachdem bereits Yamaha kürzlich angekündigt hatte, ihr R1 Superbike künftig nicht mehr als für den Straßenverkehr homologierte Maschine zu produzieren, wurde bereits deren Zielsetzung damit klar. Mittlerweile haben die japanischen Hersteller, wie auch das Beispiel von Honda zeigt, gegen die durch FIM und Dorna der Konkurrenz gegenüber bevorzugte MotoGP Replica nicht mehr den Hauch einer Chance. Weil die Maximaldrehzahl der Panigale V4R von Ende 2023 nicht beibehalten wurde, nützen weder neu eingeführtes Minimalgewicht für Fahrer und Maschine etwas, noch höchste Anstrengungen wie sie BMW auf diese Saison zeigte, die trotzdem im Sprint-Rennen von Assen zur Statistenrolle verbannt wurden, wie sie es bei trockenen Verhältnissen wohl auch in Misano Mitte Juni sein werden. Deshalb hat Kawasaki nun reagiert und die rigoroseste Ankündigung aller Ducati Konkurrenten kommuniziert. Unter Verzicht auf die Beibehaltung des Serienmotorrads ZX-10RR wird für die WorldSBK auf die Saison 2025 hin die zum Konzern gehörende Marke Bimota für die Superbike Weltmeisterschaft wiederbelebt. Der Preis des Homologations-Modells dürfte dann wie bei der Ducati bei knapp unter 40-tausend Euro liegen.

Die Konsequenz der 2019 begonnenen Entwicklung
Marco Melandri, selbst ehemaliger Ducati Pilot und WSBK Vize-Weltmeister 2011 auf Yamaha, brachte es mit seiner Meinung damals auf den Punkt. Als klar wurde, dass die italienische Marke mit einem direkt aus der MotoGP abgeleiteten neuen Modell, was im Gegensatz zu allen Konkurrenten rein für die Rennstrecke entwickelt wurde, in die WorldSBK einsteigt, äusserte sich der Italiener sehr kritisch dazu. Seine Aussage „Ducati zerstört mit diesem Motorrad den Geist der Supberbike Weltmeisterschaft“ liess an Deutlichkeit in der Saison 2019 nichts zu wünschen übrig. Wer sich unsere reichhaltige Zusammenfassung der früheren Jahre und Jahrzehnte auf dieser Seite ansieht, muss dem Mann aus Ravenna damit recht geben. Bis auf den gescheiterten Ansatz von Petronas mit ihrem 899 cm³ Reihen-Dreizylinder Motorrad, mit welchem der malaysische Ölmulti eigentlich ursprünglich in die MotoGP einsteigen wollte, gab es vor der Ducati Panigale V4R nie einen derart radikalen Ansatz, in der WSBK durchzustarten. Mit ihrer jahrelangen MotoGP Erfahrung haben die Italiener jedoch ganz andere Möglichkeiten und können dazu laufend Erfahrungen aus der Prototypen Weltmeisterschaft in ihre Rennmaschine einfliessen lassen. Wie hoch ihr Anteil am Erfolg von Bautista ist, zeigen dessen Honda Jahre 2020 und 2021 in aller Deutlichkeit, als je ein dritter Rang pro Saison das Höchste der Gefühle für den Spanier war.


Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).
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