Autodromo do Algarve aus der Vogelperspektive mit in der Mitte dem VIP-Turm und dahinter der Boxenanlage, sowie gegenüber der riesigen Haupttribüne. Wie stark es hier auf und ab geht, sieht man bei dieser Fotografie natürlich schlecht.

Über die Gefahr von Fehleinschätzungen nach dem Saisonauftakt

Vor dem Portugal Grand Prix und nach Losail sind Prognosen schwierig zu treffen. Trotzdem hörten wir bereits einige Meinungen nach dem ersten Doppelrennen von Katar, welche uns verwunderten. So meldete beispielsweise der ehemalige MotoGP Pilot Alex Hofmann sich zum Thema Yamaha und Portugal. Laut dem Deutschen, der heute als Co-Kommentator arbeitet, könne sich Monster Energy Yamaha vor dem Europa Auftakt zurücklehnen. Wie bitte, hat er die Resultate aus dem Vorjahr dabei komplett vergessen? Um ihm dabei die Erinnerungslücke zu füllen, blenden wir hiermit nochmals auf 2020 zurück. Das Rennen auf dem Autodromo do Algarve war aus mehrerlei Gründen sehr speziell. Nachfolgend das MotoGP Resultat des Finalrennens im Vorjahr zum Grand Prix von Portugal.

Im Qualifying wurde Fabio Quartararo fünfter und sein damaliger Petronas SRT Yamaha Teamkollege Franco Morbidelli belegte P2 hinter Oliveira und vor Miller. Maverick Viñales hatte hingegen bereits im Q2 etwas Mühe und startete zusammen mit Johann Zarco und Pol Espargaró aus Reihe 3 in der Mitte.

Eine komplett andere Welt an der Algarve
Dass wir uns an der Algarve und auf, respektive an der Strecke nahe der Küstenstadt Portimão als Europäer jeweils viel wohler fühlten als in Katar, hat verschiedene Gründe. Wir waren sogar schon Ende Januar bei WorldSBK Testfahrten dort zu Besuch und wunderten uns über das warme Klima mit beinahe 20 Grad Celsius. Von Hotels und Essen waren wir eher wenig begeistert, aber die Strecke ist schlicht der Hammer. Rundum begehbar und an vielen Stellen sehr gut einsehbar und schlicht vom Kurs her absolut top. Das sagen auch viele Fahrer und man hörte nach der Premiere der MotoGP im Vorjahr kaum Kritik zu hören. Die Berg- und Talbahn fordert den Piloten alles ab und es gibt kaum eine Ruhepause bis auf die lange Start-Ziel-Gerade. Bei um die 350 km/h Topspeed kommt die erste Kurve jedoch sehr früh. Die Wetterprognose für das GP-Wochenende Mitte April ist exakt wie damals unser Wetter im Januar und auch deshalb wird es ein komplett andere Welt an der Algarve.

Eine Aufnahme im Innern der Haupttribüne von uns aus dem Jahr 2019, die Mehrzahl der Verpflegungsstände war geschlossen und daher kam es zu Szenen, die seit der Pandemie für den Betrachter sehr erschreckend wirken. Am WorldSBK Event gab es bezüglich der Organisation ohne Zweifel vieles zu bemängeln, aber die Rennen waren sensationell spannend.

Die Erkenntnisse von Losail sind für die Europa-Rennen völlig nutzlos

Dies hatten viele Fahrer und Teammitglieder bereits während der Tests in Katar betont. Es leuchtet auch ein, weil die dortigen Verhältnisse das FP3 beispielsweise zu einem Warm-Up verkommen liessen. An beiden Wochenende bestand in der Nachmittagshitze am Rand der Wüste dort in sämtlichen Klassen keine Chance, sich noch für das Q2 zu qualifizieren. Nun stehen die Teams vor völlig anderen Aufgabestellungen. Bei den zu erwartenden Temperaturen gilt es, die Reifen überhaupt zum Arbeiten zu bringen und fürs Rennen die passende Mischung zu finden. Dies wer im Vorjahr bei fast identen Mischungen wie sie heute im Gebrauch sind, die Stärke von Suzuki.

HRC Test- und Langzeit-Ersatzfahrer Stefan Bradl vor dem Start zum GP von Portugal 2020. Es wurde sein bestes Rennen der Saison und nach P8 in Le Mans einzige Top Ten Resultat, trotz insgesamt 11 gefahrenen WM-Läufen. Er hatte den Vorteil, die Strecke bereits aus seinem WorldSBK Jahr 2017 zu kennen und nebst den Aprilia Piloten als einziger hier davor mit dem MotoGP Bike testen zu dürfen. Wir hatten früh erklärt, weshalb mit seinem Einsatz als Marquez-Ersatz auch beim nächsten Grand Prix zu rechnen ist, bevor dieser wieder zurückkehrt.

Die Vor- und Nachteile diverser Hersteller im Vorjahr
KTM hatte in der ersten Saisonhälfte dank früher Lockdown-Aufhebung in Österreich stark von ihrem Testvorteil profitiert. Ab Misano zeigte die Leistungskurve für die Orangen deutlich nach unten. Auf dem Autodromo do Oliveira war jedoch nicht nur der ortskundige Oliveira stark, sondern auch Pol Espargaró. Hier durfte aber davor Dani Pedrosa auf der KTM testen, was offensichtlich sehr hilfreich für die österreichische Marke war. Yamaha strauchelte mit Ausnahme von Morbido und ansonsten waren vor allem Aprilia, Honda und Ducati stark, nicht aber Suzuki. Normalerweise funktionierte das Bike aus Hamamatsu fast auf jeder Strecke vor allem im Rennen jeweils hervorragend. Doch abgesehen vom ersten Rennen in Jerez mit einem fehlenden Alex Rins (verletzt) und gestürzten Joan Mir brachte ausgerechnet Portimão den absoluten Tiefschlag für die Blau-Silbernen, mit nur einem Punkt. Die Verhältnisse diesmal sind sehr ähnlich wie damals im November und deshalb dürfen wir auf den GP von Portugal besonders gespannt sein.

Skizze der Strecke des Autodromo do Algarve – seit der Fertigstellung am 31. Oktober 2008, nur 7 Monate nach Baubeginn gastiert die WorldSBK hier jährlich. In der Regel sind die Rennen hier immer spektakulär, was auch für die Premiere der MotoGP zutraf.

Zu anderen vorschnellen Prognosen

Bei der MotoGP fanden wir herrlich, wie im Vorfeld fast alle Miller und Bagnaia als Topfavoriten bezeichneten. Obwohl Yamaha in der Sieger-Statistik von Losail deutlich führte, sprachen dazu viele von Ducati als Favoriten. Dabei ist der Witz bei Rundstreckenrennen, dass es auch Kurven gibt und meist dort auch die Rennen entschieden werden. So kam es auch an beiden MotoGP Wochenenden in Katar und es gewann jeweils eine Yamaha. Bester Ducati Fahrer wurde dazu ein Mann, welchen wir bereits im Winter zu den Topfavoriten für 2021 zählten. Nachfolgend der Link auf den damaligen Artikel.

Unser Jahresrückblick auf 2020 von Johann Zarco mit der Ausschau auf 2021: http://www.motoracers.eu/mgp-rueckschau-die-5/

Johann Zarco (Pramac Ducati) – in Losail der überragende Mann und beste Ducati Fahrer, obwohl beide Male eine Yamaha gewann. Mit zwei 2. Plätzen reiste der Mann aus Cannes jedoch als WM-Leader nach Europa zurück und mittlerweile haben ihn wohl alle auf der Rechnung. Der Mann ist ein Musterbeispiel eines Vorzeigesportlers. Bescheiden und respektvoll, sowie wohlüberlegt in seinen Aussagen und dazu humorvoll. Aus Respekt vor seinen und Quartararos Leistungen sprechen wir derzeit in der Redaktion fast nur Französisch, oder probieren es zumindest wenigstens.

Vorsicht auch bei zu hohen Erwartungen an Moto3-Jünglinge
Pedro Acosta trägt eine Zahnspange und ist auch sonst optisch noch eher Jüngling als Mann, ohne damit seine Leistungen nicht würdigen zu wollen. Wir hörten und lasen bereits, dass ihn einige als kommenden MotoGP Weltmeister bezeichnen und ihm eine gloriose Zukunft bescheinigen. Dies mag durchaus sogar zutreffen, aber hierzu gilt es einige Fakten einzuwenden. Einerseits die Tatsache, dass bis auf Jack Miller kaum jemand direkt aus der Moto3 in die Königsklasse aufstieg. Beim Australier dauerte es danach Jahre, bis er sich in der MotoGP durchsetzte. Deshalb wird Acosta zuerst einmal seine Saison so überzeugend fortsetzen, wie sie in Losail begann. Dazu muss er sich danach in der Moto2 erst noch beweisen. In diesem Zusammenhang erinnern wir uns an Namen von Talenten wie Manuel Poggiali, die Gebrüder Öncü bis Lorenzo Dalla Porta, wo es zumindest bisher nicht wunschgemäss mit der weiteren Karriere klappte. Letzterer hat immer noch die Chance, aber derzeit ist er WM-Neunzehnter im 2. Jahr und im Vorjahr war er am Saisonende auf P27 zu finden.

Luca Marini (Sky VR46 Avintia Ducati) im Fight mit den Honda Piloten Stefan Bradl und Alex Marquez. Auch deren eher bescheidene Leistung in Losail ist kein Indiz für ihre Stärke beim nächsten Rennen in Portugal.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).