Die Sensation des GP von Brünn war nicht der Sieger, sondern ein Privatfahrer auf einer Vorjahres-Ducati vom Team, welches 2019 zum Saisonende noch die rote Laterne trug: Johann Zarco (© MotoGP).

Brad Binder gewinnt sein 3. MotoGP Rennen

Es war bereits vor dem Start zum GP der tschechischen Republik klar, dass der Umgang mit den Reifen eine entscheidende Rolle spielen würde. Nachdem Yamaha bei solchen Verhältnissen selten zu den Gewinnern gehört, waren es diesmal die krassen Außenseiter, welche den meisten Profit daraus ziehen konnten. So kam es zum historischen ersten Grand Prix Sieg von KTM durch Rookie Brad Binder in seinem erst 3. MotoGP Rennen der Karriere. Trotz langer Führung im Rennen konnte Franco Morbidelli seine Pace nicht durchziehen. Mit stark abbauenden Reifen rettete sich der Petronas Yamaha SRT Pilot noch auf Platz 2 ins Ziel. Dahinter ein sensationeller Johann Zarco (Esponsorama Racing DUCATI), der sich mit ebenfalls nachlassendem Grip am Hinterpneu hauchdünn vor dem herannahenden Alex Rins (Suzuki) das erste Podium seit seiner Zeit bei Tech 3 Yamaha sicherte. Mit der Vorjahres-Ducati GP-19 eine schlicht unglaubliche Leistung des Franzosen. Nur auf den Rängen 9 (Miller), 11 (Dovizioso) und 12 folgten mit Danilo Petrucci die drei Fahrer auf Werksmaterial.

Brad Binder nach seinem MotoGP Sieg im erst dritten Rennen seiner Karriere in der Königsklasse. Der Südafrikaner profitierte dabei allerdings von einem durch die Corona-Pandemie mit verursachten und nicht übersehbaren Wettbewerbsvorteil (© MotoGP).

Skandalöse Bestrafung von Zarco bremst ihn kaum

Marc Marquez kann meist machen, was er will. Egal was für rücksichts- und hirnlose Aktionen der Spanier bisher zeigte, eine Bestrafung muss der amtierende Weltmeister dafür kaum je befürchten. Wer sich den Sturz von Pol Espargaró ansieht, der nach Start-Ziel in der Kurve weit ging und dann nach innen zog, kann auch in der Zeitlupe nur seine eigene Schuld erkennen. Weil innen war bereits Johann Zarco, der die Lücke sah und ohne böse Absicht in die entstandene Lücke gefahren. Da er aber Franzose und nicht Spanier ist, kassierte er einen Long Lap Penalty. Es gibt für diese skandalöse Bestrafung von Zarco der Rennleitung schlicht keine vernünftige Erklärung. Einmal mehr zeigten mit diesem Beispiel einige Funktionäre, wie daneben sie mit ihrer peinlichen Fehlentscheidung lagen! Doch Zarco konnte sich trotz Long Lap knapp auf Platz 3 halten und wurde nach seiner sensationellen Poleposition am Samstag bester Ducati Pilot.

Wenn Bilder nicht lügen können – Johann Zarco ist definitiv mindestens auf selber Höhe wie Pol und kann ihn ab dieser Situation auch gar nicht mehr sehen. Bevor Espargaró jedoch nach innen zurück auf die Ideallinie zieht, müsste er sich vergewissern, dass der Platz dafür auch frei ist. Eine ganz ähnliche Situation wie 2018 beim GP von Spanien in Jerez, als Lorenzo und Pedrosa kollidiert waren und bei ihrem Sturz auch noch Andrea Dovizioso mitgerissen hatten. Weil beide Spanier sind, wurde keiner der Fahrer danach bestraft, aber leider ist Zarco Franzose (© MotoGP).

Ergebnis MotoGP – 3. Rennen der Saison 2020 in Brünn

Valentino Rossi (Monster Energy Yamaha) setzte nach einem überzeugenden Rennen in Brünn mit Platz 5 seinen Aufwärtstrend nach dem Ausfall in Runde 1 in Jerez fort (© MotoGP).

Erster KTM Sieg mit Schönheitsfehlern

Es war nicht die äußerst fragwürdige Bestrafung von Johann Zarco (Esponsorama Racing DUCATI), der den Sieg von KTM als einen Sieg mit Schönheitsfehlern hinterlässt. Der Franzose war von Pol Espargaró getroffen worden, der in der ersten Kurve zuerst nach außen getragen wurde und danach wieder nach innen zog und beim Zusammenprall mit dem Franzosen zu Sturz kam. Die Faustregel lautet, wer innen (und dazu noch auf selber Höhe wie sein Gegner) ist, dem gehört die Kurve. Zarco sah eine Lücke und befand sich auf selber Höhe bereits innen am Spanier. Es war nicht etwa ein sogenannter Blockpass wie im Motocross, wie häufig im letzten Jahr von Brad Binder in der Moto2 praktiziert. Zum Glück konnte Zarco durch seinen Long Lap Penalty, welchen er danach zu Unrecht von der Rennleitung aufgebrummt erhielt, nicht dadurch aus dem Konzept gebracht werden. Er behielt in meisterhafter Weise die Ruhe und konnte sogar seinen 3. Platz erfolgreich verteidigen, Bravo und Chapeau!

Johann Zarco nach seiner für alle überraschenden Poleposition auf der letztjährigen Ducati GP-19 (© MotoGP).

Der Vorteil des sogenannten Concession-Teams

Was den Wert des KTM-Werksteam-Sieges in einem mehr als fragwürdigen Licht erscheinen lässt, ist der Umstand, dass in Brünn bei ähnlichen Bedingungen vor dem Restart der Saison von den Österreichern exklusiv umfangreiche Tests durchgeführt wurden. Dies vor dem Hintergrund, dass aufgrund der Corona-Pandemie diese Saison die Werksteams mit Ausnahme von KTM und Aprilia vor dem verspätetem Saisonbeginn in Jerez gar nicht testen durften. Dazu kam noch, dass die Aufhebung des Lockdowns ausgerechnet in Österreich zuerst stattfand. Wir erinnern uns, dass in Spielberg bereit im Mai von KTM Tests durchgeführt wurden, als der Rest von Europa noch mitten im Corona-Lockdown steckte. Man darf festhalten, dass die Pandemie für die Concession-Teams und besonders KTM einen gleich doppelten Vorteil brachte.

Johann Zarco (Esponsorama Racing Ducati) – der Mann des Wochenendes vom Grand Prix in Brünn. Poleposition und Platz drei im Rennen trotz einer mehr als fragwürdigen Bestrafung mittels Long Lap Penalty, nachdem ihn Pol Espargaró durch eine Kollision mit ihm beinahe selbst zu Sturz brachte (© MotoGP).

Im Gegensatz zu sämtlichen Spitzenteams – Tests mit Einsatzfahrern auf GP-Strecken
Sogar Pol Espargaró war mit dabei, als bereits am 27. und 28. Mai 2020 auf dem Red Bull Ring getestet wurde. Später kamen auch Tests in Misano und Brünn dazu. In Misano war sogar das komplette Werksteam und die Fahrer von Tech 3 von 23. bis 24. Juni am Testen. Am letzten Wochenende zeigte sich in Brünn deutlich, wie große Vorteile der von KTM mit Dani Pedrosa exklusiv vor Ort durchgeführte Test am Ende war. Es wären wohl beide Werksfahrer auf dem Podium gelandet, hätte nicht Pol einen Fehler begangen, durch welchen er mit Johann Zarco kollidierte (und nicht etwa umgekehrt) und dabei zu Sturz kam. Doch sein Podium wäre mit einem unwiderlegbaren Makel behaftet gewesen, der ihm durch seinen Crash erspart wurde. Sollte Espargaró ein Sieg oder Podestplatz auf einer anderen Strecke als Spielberg oder Misano gelingen, dann wäre dies im Prinzip der erste makellose Triumph für KTM seit Pols Podium im Regenrennen von Valencia 2018.

Die beiden Ducati Werksfahrer Andrea Dovizioso (links im Bild) und Danilo Petrucci beim GP von Brünn. Die Ehre des Werks aus Borgo Panigale bei Bologna rettete der Franzose Zarco auf einer letztjährigen GP-19 Maschine (© MotoGP).

Die Repsol Honda Schlappe – der dritte Akt

Doch Pol darf so oder so beruhigt in die Zukunft blicken, wird er doch bei Repsol Honda als Teamkollege von Marc Marquez dringend benötigt. Wie schlecht das stolzeste und erfolgreichste Werksteam der letzten drei Jahrzehnte ohne seinen Weltmeister aktuell dasteht, ist schlichtweg jämmerlich. Dass wir mit unserer Einschätzung richtig lagen, als wir vor knapp einem Jahr festhielten, Alex Marquez sei für das Honda Werksteam ein Fehlgriff, bewies er auch in Brünn auf eindrückliche Weise. Der Mann, den wir Repsol Honda als Fahrer an der Seite von Marc wärmstens empfohlen hatten, stand mit Johann Zarco auf der Poleposition. Alex hingegen musste vom letzten Startplatz ins Rennen gehen und der Ersatzfahrer seines Bruders nur einen Platz davor.

Repsol Honda auf den letzten zwei Startplätzen – wann gab es dies bisher je schon einmal? (© MotoGP).

Die Verwandlung des Stefan B.
Im Gegensatz zum Vorjahr, als Stefan Bradl nach eigener Aussage noch auf seine Wildcard- und Ersatzfahrer-Einsätze brannte, wirkte er diesmal jedoch eher fast wie ein Jammerlappen. Wieso er sich so etwas überhaupt antut, kann nur der Bayer selbst beantworten. Im Interview vor dem Start sah man einen jungen Mann, der bereits im Vorfeld wusste, dass er auf der Werks-Honda im GP von Brünn eigentlich fehl am Platz war. Der Deutsche hatte dies auch in einem Interview kurz vor dem GP von Andalusien bereits klar zu Protokoll gegeben. Er wäre laut eigener Aussage nicht in der Lage, aufgrund seines Trainings-Rückstands eine auch nur halbwegs akzeptable Leistung abzugeben. Im Gegensatz zu KTM durfte Repsol Honda mit seinem Testfahrer Bradl ja seit Februar 2020 auch nicht mehr auf die Strecke. So kam es zur grotesken Situation, dass Alex Marquez auf Platz 15 ins Ziel kam und Stefan auf dem 18. und letzten Rang. Knapp 56 Sekunden hinter dem Sieger bedeutete, dass er im Schnitt fast 2 Sekunden pro Runde auf den Zehntplatzierten Aleix Espargaró verlor. Dies auf einem Motorrad, nach welchem sich hunderte anderer Fahrer für fast jeden Preis der Welt gerne mal für ein Rennen setzen würden.

Blick von oberhalb der Spielberg-Rennstrecke in Richtung Zeltweg am GP-Wochenende 2018. Hier findet die Fortsetzung der MotoGP Action nach Brünn statt, mit riesigem Vorteil für die KTM-Truppe, welche in dieser Saison hier gleich mehrmals im Vorfeld testen konnte. Doch vielleicht spielt ein Fahrer auf einer Vorjahres-Ducati plötzlich beim Heimrennen noch den Spielverderber?

Yamaha – Licht und Schatten

Beide Yamaha-Teams erlebten völlig unterschiedliche Rennen ihrer beiden Fahrer. Während Franco Morbidelli zwar seinen Sieg an den Südafrikaner Binder verlor, konnte er mit Platz 2 trotzdem versuchen, zufrieden zu sein und war es am Ende wohl auch. Sein Petronas Yamaha SRT Teamkollege Fabio Quartararo hingegen überstand das nach eigenen Aussagen schwierigste Rennen seiner Karriere mit Bravour. Platz 7 ist alles andere als erfreulich für den jungen Franzosen, doch er konnte trotzdem seine WM-Führung damit auf seinen nächsten Verfolger gar noch ausbauen. Dieser heißt Maverick Viñales und holte beim Grand Prix von Tschechien nur gerade zwei WM-Punkte.

Franco Morbidelli (Petronas Yamaha SRT) – in Brünn erfolgreichster aller Yamaha Piloten (© MotoGP).

Der große Verlierer: Maverick Viñales
Der Monster Energy Yamaha Pilot wurde von Beginn an durchgereicht und musste im Ziel froh sein, noch den 14. Platz retten zu können. Ganz anders sein Teamkollege Valentino Rossi. Der Altmeister bestand vor dem 2. Rennen der Saison in Jerez auf einem kompletten Umbau am Setup seiner Yamaha. Dadurch fand er wieder zum Erfolg zurück und nach Platz 3 beim GP von Andalusien fehlten ihm für dasselbe Resultat in Brünn ganze 1,047 Sekunden. Doch Rossi war auch mit Platz 5 erleichtert, war er doch vom undankbaren 11. Startplatz ins Rennen gegangen.

Valentino Rossi (Yamaha) auf der Verfolgung von Alex Rins (Suzuki) und Aleix Espargaró (Aprilia), der am Schluss bis auf Rang 10 durchgereicht wurde, aber trotzdem halbwegs zufrieden war (© MotoGP).

WM-Zwischenklassement Fahrerwertung

Trotzdem es bereits Spätsommer ist, war Brünn aufgrund der Corona-Pandemie erst das dritte Rennen der Saison. Daher kam es zu extremen Verschiebungen im WM-Zwischenklassement. Valentino Rossi verlor trotz Rang 5 gar einen Platz, auf Position 3 fehlen dem Altmeister jedoch lächerliche 4 Punkte. Zusammen mit Johann Zarco sind es für Brünn-Sieger Brad Binder gar nur deren 3. Dadurch kann man festhalten, dass es bereits beim ersten von 2 Rennen in Spielberg erneut zu Erdrutsch-ähnlichen Veränderungen kommen kann. Lediglich die WM-Führung von Fabio Quartararo bleibt dabei vorerst unangetastet. In der Spalte ganz rechts die Veränderung in Positionen, wo es mehr als 3 Platzierungen sind in Fettschrift dargestellt. Einzige Ausnahme beim Privatfahrer Johann Zarco, der bis auf Binder sämtliche Werksfahrer hinter sich gelassen hatte.

Zwischenstand Teamwertung

Johann Zarco (Ducati) vor dem Start zum GP von Brünn. Der Franzose beförderte das Reale Avintia Team praktisch im Alleingang vom letzten Platz 2019 bis auf Zwischenrang 5 nach 3 Runden 2020. Zudem bewahrte er Ducati beim GP von Tschechien vor der totalen Blamage (© MotoGP).

Zwischenstand Herstellerwertung

Der kombinierte Kalender WorldSBK und MotoGP

Nur eine Woche nach dem GP der Tschechischen Republik in Brünn gastiert der GP-Tross am Spielberg in der Steiermark. In Österreich findet an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden das zweite von 5 Doppelrennen statt. Ob Marc Marquez bereits auf dem Red Bull Ring wieder auftaucht ist derzeit noch Bestandteil von Spekulationen. Sofern nicht, ist die WM für den amtierenden Weltmeister natürlich so gut wie gelaufen.

In Kursivschrift die bei der WSBK noch unbestätigten Events und in Rot das mit Sicherheit nicht stattfindende Event in Argentinien, welches trotzdem immer noch im Kalender steht.