H. P. Müller – ein Vollblut-Rennfahrer durch und durch mit einer unglaublichen Karriere.

Die Geschichte des ersten Motorrad-Weltmeisters als Privatfahrer

Im Vorjahr war Hermann Paul Müller mit seiner veralteten Victoria gegen die übermächtige Konkurrenz oft chancenlos gewesen. Doch aufgrund seiner Verpflichtung durch DKW hatte er 1936 endlich die Möglichkeit, von Beginn an um den Sieg mitkämpfen zu können. In der damals kleinsten Klasse bis 250 cm³ hatten die beiden Altmeister und Freunde Geiß und Walfried Winkler mit Nachwuchsfahrer Ewald Kluge Zuwachs erhalten. Der Hockenheimer Geiß war mittlerweile sogar zum Ehrenbürger seiner Stadt erkoren worden. Vor allem bei internationalen Rennen sollte es erneut seine Saison werden, während in der deutschen Meisterschaft die Stunde für den Neuling im Team kam.

Arthur „Jockey“ Geiß auf der 250 cm³ DKW war 1936 amtierender und 5-facher deutscher Meister in dieser Klasse. Trotz hervorragender Saison sollte er den Titel vom Vorjahr jedoch an Ewald Kluge verlieren, der neu als Lizenzfahrer für DKW in Diensten stand.

Die neue Karriere als 500 cm³ Werksfahrer
H. P. Müller war seit Mitte 1935, als er unter Vertrag genommen wurde, für die 500-er vorgesehen. Zusammen mit dem in Hindenburg geborenen, nur 1 Jahr älteren Kurt Mansfeld bildete er die Speerspitze für DKW in der Königsklasse. Dazu war auch Oskar Steinbach als Mannschaftskollege unter Vertrag genommen worden. Weil NSU aber ebenfalls Anspruch auf diesen bekundet hatte, kam es anfänglich zu Streitigkeiten. Die oberste Sportbehörde ONS entschied danach mit einem salomonischen Urteil, dass der Mannheimer für DKW in der 500 cm³ Kategorie antreten dürfe und bei den 350-ern für NSU. Als Vorjahres-Doppelmeister in den beiden Klassen war Oskar natürlich ein sehr gefragter Mann. Doch 1936 sollte seine letzte Saison werden, Steinbach wurde im Jahr darauf am 10. März Opfer eines Verkehrsunfalls bei einer Versuchsfahrt auf öffentlicher Straße.

DKW Neuzugang Ewald Kluge auf seiner 250 cm³ Werksmaschine in voller Fahrt. Wie H. P. Müller war er einer der Fahrer, die auch nach dem 2. Weltkrieg wieder für Furore sorgen sollten.

Hervorragender Saisonstart für H. P. Müller
Der Bielefelder rechtfertigte seine Verpflichtung in seiner ersten vollen Saison für DKW vollauf. Innert nur einer Woche holte sich Müller auf der Solitude bei Stuttgart und dem ebenfalls stark besetzten Stadtpark-Rennen in Köln zwei dritte Plätze. Die Siege gingen in Baden-Württemberg an Otto Ley (BMW, vor Heiner Fleischmann auf NSU) und in Köln an Teamkollege Kurt Mansfeld (vor Fleischmann). Auf der Nürburgring-Nordschleife kam mit der Austragung des 10. Eifel Rennens endlich die große Stunde für Hermann Paul. Sein neuer Teamkollege Ewald Kluge hatte bereits das 250-er Rennen gewonnen. Nachdem der Sieg in der 350 cm³ Klasse an NSU Pilot Hans Soenius gegangen war, sorgte Müller mit seinem 500-er Sieg für den zweiten Triumph von DKW am 14. Juni. Es war der wichtigste Sieg von H. P. in seiner bisherigen Rennfahrer-Karriere. Ein Erfolg auf der Eifel war schon seit jeher nur ein Privileg der allerbesten Fahrer.

DKW Werksfahrer H. P. Müller 1936 vor dem Start zum 500 cm³ Rennen. Endlich hatte er wirklich konkurrenzfähiges Werksmaterial und setzte sich damit auf Anhieb durch.

Erste internationale Erfolge
Nur 3 Wochen später fand mit dem GP von Europa auf dem Sachsenring eines der wichtigsten international besetzten Rennen seiner Zeit statt. Es war der 5. Juli 1936, als H. P. Müller auf dem Sachsenring hinter dem Engländer Jimmy Guthrie (Norton) auf seiner DKW den 2. Platz holte. Das Rennen zählte als dritter Lauf zur Europameisterschaft und bedeutete somit den endgültigen Durchbruch des Bielefelders. Mittlerweile wohnte er aufgrund seiner Verpflichtung bei DKW in Zschopau, wo sich das Werk der zur Auto-Union gehörenden Firma befand. Nur eine Woche später ging es in die Niederlande zur Dutch TT. Doch in Assen war dem neuen Star in der Königsklasse kein Glück beschieden. Im 500 cm³ Rennen musste Müller in der 23. Runde mit Motorschaden aufgeben. Auch sein Kontrahent und Teamkollege Oskar Steinbach hatte Pech und fiel bei der 12. Dutch TT mit Kettenschaden aus.

Der Bielefelder auf seiner 500 cm³ DKW im Jahr 1936 – damit begann für ihn ein wahrer Höhenflug in der Königsklasse des Motorrad-Rennsports.

Die Tragödie auf dem Schottenring im Jahr 1936
Der Sonntag des 19. Juli sollte als schwarzer Tag in die Geschichte des deutschen Rennsports eingehen. Kurz nach dem Start zum 250 cm³ Rennens wurde Hans Winkler bei Kilometer 5 in einer der gefährlichen Flachkurven herausgetragen. Dabei stürzte er unglücklich und zog sich dabei einen Genickbruch zu, der zu seinem sofortigen Tod führte. Der Bamberger war einer der erfolgreichsten und vor allem auch beliebtesten Fahrer seiner Zeit. Nebst dem GP von Barcelona 1935 hatte der immer zu Späßen aufgelegte Haudegen unzählige Siege für DKW eingefahren. Der mittlerweile in München wohnhafte Winkler verstarb im Alter von erst 36 Jahren.

Hans Winkler – 19. Juli 1936 auf dem Schottenring. Mit dem Bayern verlor der deutsche Rennsport ein Original und darüber hinaus einen der beliebtesten Protagonisten der Zweirad-Szene der 1920-er und 1930-er Jahre.

Das zweite Opfer des schwarzen Wochenendes von Schotten
Auch die Karriere des Deutschen Meisters bis 1000 cm³ von 1934 und bei den 500-ern von 1927 bis 1929 fand an diesem Wochenende ihr Ende. Bereits im Training hatte es mit Hans Soenius einen weiteren Spitzenfahrer bös erwischt. Mit links mehrfach gebrochenem Mittelfußknochen, zerschmettertem Fersenbein, Absplitterungen am Schienbeinknochen war danach fast sein ganzes Bein im Gips. Auch am rechten Fuß war der Mittelfußknochen zweifach gebrochen, dazu vordere Zehen-Knöchel komplett zerschmettert, der kleine Zeh gebrochen und eine schwere Gehirnerschütterung. Nach einem mehrmonatigen Spitalaufenthalt war für den mehrfachen Deutschen Meister seine Karriere beendet. Aber wenigstens hatte er überlebt und er sollte auch den 2. Weltkrieg überleben

Hans Soenius (rechts im Bild) im Gespräch mit dem damaligen Veranstalter, Freiherr von Egolfstein. Die blühende Karriere von Soenius fand beim Training zum Schotten-Ring Rennen im Juli 1936 ein jähes Ende.

Führungswechsel in der Meisterschaft nach dem Hockenheimer Dreiecks-Rennen
Hermann Paul führte per Mitte Juli in der deutschen 500 cm³ Meisterschaft mit je einem Punkt Vorsprung auf BMW Pilot Ley und seinen DKW-Kollegen Mansfeld. Der beste NSU Pilot lag mit Heiner Fleischmann bereits deutlich zurück. Doch Anfang August wendete sich das Blatt wieder leicht, weil auf dem Vorgänger-Rennen des Hockenheimrings Otto Ley vom Start weg davonziehen konnte und am Ende ungefährdet als Erster die Ziellinie kreuzte. Um Platz zwei entbrannte sich zwischen den beiden Teamkollegen Müller und Mansfeld ein erbitterter Kampf. Am Ende gewann mit H. P. der Neuling in der DKW Mannschaft hauchdünn vor dem zweimaligen Sieger bis 1000 cm³ in den beiden Jahren davor. Nun lag wieder Ley in Führung des Zwischenklassements.

Zu Besuch am-Rennen von 1936 – aus Zuschauerperspektive.

Die Krönung der Saison
Für das international sehr stark besetzten und damals sehr populären großen Bergpreis von Europa ging es nach Freiburg im Breisgau. Ganz in der Nähe fand erneut das Schauinsland Bergrennen statt, welches jedes Jahr unzählige Zuschauer von nah und fern anzog. H. P. Müller siegte mit neuem Streckenrekord und krönte seine erfolgreiche Saison mit einem weiteren Sieg. Das Wochenende wurde leider erneut von schweren Unfällen überschattet, die einen Todesfall des Beiwagenfahrer Schneider aus Düsseldorf zur Folge hatten. Zudem gab es zwei weitere schwer verletzten Piloten, wovon einer mit Wirbelverletzungen und einem zweiten mit einem Oberschenkelbruch. Die Saison fand ihren Abschluss mit dem Feldbergrennen, wo Heiner Fleischmann sich auf seiner NSU den Sieg holte. Müller belegte hinter Karl Bodmer aus Ebingen als zweitbester DKW Pilot Platz 3.

H. P. Müller beim GP von Europa 1935 auf seiner Werks-DKW bei Glady. Im Rennen hatte er Pech gehabt und war ausgefallen, doch die Erfolge im Jahr danach sollten ihn dafür entschädigen.

Der erste deutsche Solo-Meistertitel

Seine Saison hätte für H. P. Müller im Jahr 1936 fast nicht besser laufen können. Als Krönung seiner Vorkriegs-Karriere auf zwei Rädern hatte er bedeutende Rennen gewonnen und sich den Titel des deutschen 500 cm³ Meister geholt. Sein Teamkollege Ewald Kluge hatte es ihm in der 250-er Klasse gleichgetan und als Neuling für DKW gleich auf Anhieb seinen ersten Meistertitel errungen. Diesem sollten noch viele weiteren folgen und genauso wie Hermann Paul war Ewald nach dem Zweiten Weltkrieg einer der Fahrer, die erneut auf den Rennstrecken für Furore sorgen sollte. Für Müller sollte das nächste Jahr eine tief greifende Änderung in seiner Rennfahrer-Karriere bringen, bevor nur zwei Jahre später der Krieg ausbrach.

Nach dem Beiwagen-Meistertitel 1932 folgte 1936 der Gesamtsieg in der 500 cm³ Klasse für H. P. Müller. Zudem ein zweiter Rang beim GP von Europa auf dem Sachsenring.

Teil 3: http://www.motoracers.eu/h-p-mueller-teil-3/