Der DKW Werksfahrer 1951 mit seiner RT 125 beim großen Bergpreis von Deutschland.

Die Saison 1951 des Ausnahmekönners aus Bielefeld

Hermann Paul Müller – ein Mann, der im Motorrad-Rennsport Geschichte schrieb.

Die zweite 125 cm³ Saison seiner Karriere
Im Vorjahr hatte Müller zum ersten Mal in seiner Karriere in der 125 cm³ Klasse teilgenommen und nach einer erfolglosen Saison 1949 hier seinen dritten deutschen Meistertitel geholt. Daneben war er aber auch in zahlreichen 250-er und 350 cm³ Rennen erfolgreich gewesen. Da er für DKW fuhr, hatte er inzwischen mit seiner Frau von seiner Geburtsstadt Bielefeld nach Ingolstadt übersiedelt. Das primäre Ziel für 1951 war die Verteidigung seines 125-er Titels, zudem wollte er zumindest auch in der 250 cm³ Klasse in einigen Rennen wieder erfolgreich mitmischen. Auf Basis der DKW RT125 hatte ihm das Ingolstädter Werk eine Maschine vorbereitet, welche die Konkurrenzfähigkeit dieses für die damalige Zeit modernen 125-er Einzylinder-Zweitakters unter Beweis stellen sollte.

DKW RT 125 – ein Modell, welches bereits 1939 in Serie gegangen war und sich auch in der Nachkriegszeit großer Beliebtheit erfreute. Auf dieser Basis schickte das Ingolstädter Werk den erfahrenen Müller in der Saison 1951 auf Titeljagd.

Saisonauftakt der letzten Saison mit DKW

Zu Jahresbeginn lief es für Müller nicht optimal. Beim Eilenriede-Rennen im Stadtpark von Hannover hatte H. P. im Vorjahr den Lauf der 250 cm³ Klasse gewonnen. Am 29. April 1951 startete er erneut in derselben Kategorie, war mit seiner DKW jedoch chancenlos. Mehr als Platz 4 hinter Hermann Gablenz (Parilla), „der lange Hein“ Thorn-Prikker (Moto-Guzzi) und Siegfried Wünsche (DKW) war diesmal nicht drin. Das Rennen wurde übrigens um 07:13 Uhr vor schon beinahe vollen Tribünen gestartet. So viel zur Rennbegeisterung der damaligen Zeit und wie früh die Fahrer sich damals vorbereiten mussten. Wenige Minuten vor dem Start lief Müllers DKW nur noch auf einem Zylinder. Dass er es noch in letzter Sekunde zum Start geschafft hatte, war bereits ein kleines Wunder.

Karl Lottes – der Marburger war in den früheren 1950-er Jahren einer der härtesten Herausforderer Müllers.

Sieg beim Riemer Rundstreckenrennen und Skandal beim Feldberg-Rennen
Lange musste H. P. nicht warten, bis sich sein erster Erfolg einstellte. Diesmal war er in der kleinsten Klasse angetreten und war auf einem Prototypen der neuen 125 cm³ Rennmaschine von DKW unterwegs. Der Marburger Karl Lottes war auf einer privaten MV Agusta angetreten und leistete Müller erbitterten Widerstand. Am Ende siegte der bereits 41-jährige Altmeister und bewies damit auf Anhieb die Konkurrenzfähigkeit der 125-er DKW. Beim Feldberg-Rennen sorgte ein Kuriosum dafür, dass Müller den Sieg im ersten Lauf zur deutschen 125 cm³ Meisterschaft den Sieg verpasste. Der Wahl-Ingolstädter lag auf Platz 2 hinter Dietrich aus Frankfurt (NSU) als das Rennen fälschlicherweise bereits nach 9 Runden abgewunken wurde. Ob der zuständige Rennleiter in seiner Karriere je nochmals in ähnlicher Funktion amtete, ist nicht überliefert.

H. P. Müller auf der brandneuen 125 cm³ DKW – der Bielefelder Tausendsassa siegte mit dem Prototypen beim Riemer Rundstreckenrennen gleich auf Anhieb.

Doppeltes Pech beim Eifel-Rennen und Sieg beim Tübinger Stadtringrennen
Auf dem Nürburgring sah am verregneten Wochenende des 3. Juni Müller lange Zeit wie der sichere Sieger aus. Er führte mit deutlichem Vorsprung auf den Frankfurter Hofmann mit seiner Puch, als der Altmeister mit seiner neuen 125 cm³ DKW von einem Zündkerzenschaden heimgesucht wurde. Die Pechsträhne des Wahl-Ingolstädters wollte auch im 250-er Rennen nicht abreißen. Bereits in der 1. Runde musste er die Box für einen Kerzenwechsel ansteuern und ging danach als einundzwanzigster wieder ins Rennen. Unter frenetischem Beifall des Publikums arbeitete sich H. P. Runde für Runde nach vorne und kreuzte am Ende die Ziellinie noch auf Platz 5. Drei Wochen später rehabilitierte sich Müller und holte sich beim Tübinger Stadtringrennen einen diskussionslosen Sieg vor dem Frankfurter Hofmann (Puch) und MV Agusta Privatfahrer Krebs (Heidesheim).

Der Italiener Romolo Ferri nahm als Gaststarter auf seiner abenteuerlich aussehenden NSU-Lambretta auch an Rennen in Deutschland teil. Am Donauring-Rennen fiel er jedoch auf Platz 5 liegend 7 Runden vor Schluss aufgrund eines Defekts aus.

Der Heimsieg für den Wahl-Ingolstädter und DKW
Für Müller als Wahl-Ingolstädter und die dort beheimatete Firma DKW besonders wichtig, war natürlich der zweite Lauf zur deutschen 125 cm³ Meisterschaft. Auf dem Donauring konnte er zur Zufriedenheit seines Arbeitgebers diesen wichtigen Sieg auf der RT auch realisieren. Hermann Paul hätte zudem auf seiner DKW auch das 250-er Rennen an selber Stätte gewonnen. Doch ein Zwangsstopp kostete den gebürtigen Bielefelder den zweiten Sieg an diesem Tag. Er konnte auf den vorbeigegangenen Siegfried Wünsche danach wieder deutlich an Boden gutmachen, aber für Platz 1 reichte es am Ende nicht mehr.

Start zum 125 cm³ Rennen in Ingolstadt, der neuen Heimat von H. P. Müller (Copyright: AUDI AG).

Der 2. Nachkriegs-Triumph auf dem Schottenring

Beim „Rund um Schotten“ Rennen hatte H. P . bereits aus dem Jahr 1948 gute Erinnerungen. Damals hatte er mit seiner DKW im 250 cm³ Rennen gewonnen und drei Jahre später trat er nun mit der neuen RT in der kleinsten Kategorie an. Bei der 16. Austragung auf der auch Schottenring genannten Strecke schlug der Wahl-Ingolstädter erneut zu. Im bereits am Samstagnachmittag ausgetragenen 125 cm³ Lauf beeindruckten auch die neuen NSU mit den Fahrern Daiker und Dietrich. Doch wie auch DKW-Teamkollege Ewald Kluge erreichten die leistungsmäßig den DKW ebenbürtigen „Rennföxe“ das Ziel nicht. Ärgerliches Pech ereilte Müller dann im 250-er Rennen, als er mit klemmender Kupplung zur Notreparatur kurz an die Box musste. Er war bereits auf Rang 10 zurückgefallen, als sich Hermann Paul wieder auf die Jagd nach dem Podium machte. Trotz einer auf teilweise nasser Strecke gefahrenen Rekordrunde schaffte es H. P. knapp nicht und kreuzte die Ziellinie auf Rang 4.

Der Privatfahrer Karl Hofmann aus Frankfrurt auf Puch – der härteste Kontrahent Müllers im Kampf um den DM-Titel 1951. Der Nürburgring-Sieger vom 3. Juni war anfangs der 1950-er Jahre Deutschlands stärkster Privatfahrer in der kleinsten Klasse und wurde später auch von DKW unter Vertrag genommen.

Bergpreis von Deutschland – Freiburg-Schauinsland
Mit neuem Klassenrekord siegte Müller in der 125 cm³ Klasse überlegen. Seine härtesten Kontrahenten Hofmann (Puch) und Kluge (DKW) waren gegen ihn erneut chancenlos. Auch im 250-er Rennen legte Hermann Paul nach und verpasste den Sieg auf der 12 km langen Strecke mit 175 Kurven (in Wikipedia steht hierzu irrtümlicherweise die Zahl 173) um nur gerade 2 Sekunden. Nur Lokalmatador und profunder Strecken-Kenner Kläger aus Freiburg auf seiner NSU konnte den Mann aus der Nähe des Teutoburger Waldes knapp bezwingen. Bei der Siegerehrung auf dem prachtvollen Münsterplatz der im 2. Weltkrieg bei weit über 50 Flieger-Angriffen fast zur Gänze zerstörten Stadt Freiburg im Breisgau kamen tausende von Fans und Schaulustigen. Die Fahrer wurden dabei genauso wie heute an der Motul WorldSBK Paddock Show jeweils ans Mikrofon gebeten.

H. P. Müller auf seiner DKW am Bergpreis auf der Schauinsland-Strecke 1951.

Internationales Solitude-Rennen 1951
Im 125-er Rennen siegte Müller auf der Solitude am 26. August überlegen. Auf seiner Siegesfahrt stellte er mit einem Durchschnitt von 111 km/h einen neuen Rekord auf. Seine Gegner Daiker (NSU) und Kluge (DKW) hatten gegen den entfesselt fahrenden Altmeister nicht den Hauch einer Chance. Beim250 cm³ GP von Deutschland auf der Solitude hatte H. P. danach jedoch wieder unbeschreibliches Pech. In aussichtsreicher Position liegend musste er aufgrund eines gerissenen Bowdenzuges an seiner DKW das Rennen aufgeben. Ein selbst damals lächerlich günstiges kleines Stahlseil hatte im falschen Moment sein Lebensende erreicht. Doch Müller ließ sich von solchen Handicaps nie beeindrucken, ein Rennen später kämpfte er jeweils um so verbissener um den verdienten Sieg.

Ewald Kluge – der DKW Teamkollege von H. P. Müller war 1951 meist im Hintertreffen, so auch beim Bergpreis von Deutschland auf der Schauinsland-Strecke.

Vorentscheidung um den 125 cm³ DM-Titel in Hockenheim
Am 12. August 1951 fiel im 125-er Rennen die Entscheidung um den deutschen Meistertitel. Die NSU Viertakt-Rennföxe waren mittlerweile der Zweitakt-DKW deutlich überlegen, womit Müller gegen die beiden Werksfahrer Daiker und Dietrich diesmal keine Chance hatte. Letzterer gewann vor Otto Daiker und Hermann Paul, welchem damit der Titel des 125 cm³ Meisters bereits so gut sicher war. Dass es mit der 250-er DKW an selber Stätte nur zu Rang 4 reichte, konnte der Wahl-Ingolstädter daher leicht verschmerzen. Immerhin war er damit bester DKW Pilot hinter den 3 unschlagbaren Moto-Guzzis von Lorenzetti (ITA), Wood (GBR) und Thorn-Prikker (D). Im Topspeed fehlten dem Altmeister auf den Geraden gegen die italienischen Maschinen rund 10 km/h, womit er diesen Nachteil in den Kurven ohne übertriebenes Risiko nicht hatte wettmachen können.

Der Motor der 1951 neu eingesetzten NSU Rennfox, bereits nach kurzer Zeit waren die kleinen Viertakter gegenüber dem DKW RT Zweitakter mehr als ebenbürtig.

Deutscher Meisterschafts-Lauf auf dem Norisring
Die 4 km lange Strecke auf dem Stadiongeländer bei Nürnberg war eher umstritten, da als sportlich wenig wertvoll geltend. Für die Zuschauer barg der Norisring jedoch auch seine Vorteile, konnte man doch von vielen Stellen mehrere Teile der Strecke übersehen. Bereits am Samstag wurde das 125 cm³ Rennen gestartet und Müller hatte von Beginn an die Führung übernommen. Doch in der 15. Runde begann ihn ein undichter Tank an seiner DKW RT zu bremsen. Insgesamt musste er dreimal die Box zum Nachtanken ansteuern und seine DKW fing mehrmals Feuer. Der Altmeister schaffte es irgendwie trotzdem ins Ziel und sicherte sich auf Rang vier damit endgültig den 125-er Titel in der deutschen Meisterschaft. Im 250-er Rennen wurde Müller hinter Hein Thorn-Prikker (Moto-Guzzi) und Teamkollege Ewald Kluge tags darauf Dritter, was ihm Platz 3 in der DM einbrachte.

Otto Daiker (NSU) aus Stuttgart siegte im 125 cm³ Rennen auf dem Norisring, moralischer Gewinner war in diesem Rennen jedoch H. P. Müller.

Der 4. Meisterschafts-Titel Müllers der Nachkriegsjahre

Hierzu kursieren in Wikipedia, wie leider viel zu oft beobachtet, viele falschen „Informationen“. Meist falsch ist hier das Fabrikat, mit welchem Müller die deutsche Meisterschaft gewann. Dies gilt sowohl für die DM-Statistik, wie auch zur (in Wiki reichlich lückenhaften) Geschichte über H. P. und seine Karriere. Fakt ist, dass der Bielefelder für DKW gleich auf Anhieb mit der als Rennmaschine auf Basis der RT 125 aufgebauten Maschine die deutsche 125 cm³ Meisterschaft gewann. Er verteidigte somit seinen Titel aus dem Vorjahr und hatte sich seit 1947 (in der 250-er Klasse, wie auch 1948) dadurch bereits den 4. nationalen Meistertitel gesichert. Müller trat im Herbst des Jahres 1951 sogar beim Rennen in Regensdorf nahe Zürich an, was aufgrund seiner Lizenz bereits möglich war. Mehr als Rang 5 lag für ihn gegen die überlegenen Viertakter der Konkurrenz in der 250 cm³ Klasse jedoch nicht drin.

Die deutschen Meister 1951 der 125-er bis 350 cm³ Klasse, von links H. P. Müller (125 cm³), Hein Thorn-Prikker (Bad Godesberg, 250 cm³) und der Karlsruher Roland Schnell (350 cm³).

Die dritte 125 cm³ Weltmeisterschaft 1951 – ohne deutsche Beteiligung

Auch im dritten Jahr der Weltmeisterschaft handelte es sich eher um eine italienisch-britische Meisterschaft. Da die zahlreichen deutschen Asse erst ab 1952 mittun konnten, engagierten sich natürlich auch die Werke vor allem ab dann wirklich ernsthaft und intensiv. Es sollte auch nicht lange dauern, bis die starken Deutschen der internationalen Konkurrenz das Fürchten beibringen sollte. Im letzten Jahr der Vorkriegs-Europameisterschaft 1939 hatten deutsche Fahrer 11 von 21 Rennen gewonnen. Viele davon, unter anderem auch H. P. Müller waren auch nach dem 2. Weltkrieg wieder aktiv und sehr erfolgreich national unterwegs.

Mehr über 125 cm³ Weltmeister Carlo Ubbiali siehe in unserer History.

Teil 8: http://www.motoracers.eu/h-p-mueller-teil-8/