Das dritte Event von 2024 – mit hoffentlich offenem Ausgang
Für Kenner der Szene war nach Bekanntgabe der für diese Saison neu festgelegten Drehzahl-Limits der WorldSBK die ersten beiden Runden eigentlich an Ducati gehen müssten. Statt die zum Saisonende des Vorjahres gültigen Maximaldrehzahlen beizubehalten, wurde durch die FIM wieder auf die Werte vom Jahresbeginn zurückgestellt. Damit war erneut die Ducati Panigale V4R gegenüber der Konkurrenz vor allem von Yamaha und Kawasaki klar bevorzugt, welche in Beschleunigung und Topspeed auf den ersten beiden Kursen deutlich benachteiligt waren. Die wenigen Kilo Zusatzgewicht, welche Alvaro Bautista seit dieser Saison auf sein Motorrad packen muss, entsprechen nur der Hälfte seines Gewichtsvorteils nach Einführung des Minimalgewichts für Pilot und Maschine per 2024. Der Spanier hatte in Barcelona jedoch das Pech, bei den ersten beiden Rennen von ungewohnt weit hinten starten zu müssen, womit er selbst auf dem Circuito de Cataluña nahe Barcelona nicht mehr die Überlegenheit der beiden Vorjahre mehr ausspielen konnte. Damals hatte er ohne unnötige Risiken eingehen zu müssen sämtliche jeweils drei Läufe gewonnen. Aber ohne lange Start-Zielgerade in Assen rechnen die Experten beim dritten Event dieser Saison mit einem hoffentlich endlich wieder offenem Ausgang.
Die lange WorldSBK Geschichte und die erfolgreichsten Piloten
Von bis 2023 insgesamt 36 Weltmeisterschaften der World Superbikes fand ab 1992 ununterbrochen jährlich eine Runde in Assen statt. Den Rekord mit je 12 Siegen in Assen teilten sich bis 2019 der Beste und Zweitbeste Fahrer der WSBK Geschichte, Jonathan Rea aus Nord-Irland und der Engländer „King“ Carl Fogarty. Nachdem Rea 2019 auf sämtlichen schnelleren Strecken materialbedingt gegenüber der MotoGP Replica von Ducati mit Bautista klar benachteiligt war, konnte er ab 2020 trotzdem die alleinige Führung übernehmen, da der Spanier auf der Honda für zwei Jahre zur Randfigur wurde. Jonathans Marke von mittlerweile 17 Siegen in der „Cathedral of Speed“ dürfte für geraume Zeit, wenn nicht gar auf ewig, wohl unerreicht bleiben. Nebst „Foggy“ beinhaltet die Liste der Assen-Sieger fast sämtliche großen Namen der WSBK-Historie. Nebst Troy Corser fehlen dabei höchstens die beiden Italiener Max Biaggi und Marco Melandri, sowie der Waliser Chaz Davies.
Die kuriose Geschichte um den ersten Assen Sieger der WSBK
Den ersten Sieg in einem WSBK Lauf in Assen sicherte sich am 13. September 1992 der US-Amerikaner Doug Polen, welcher in seiner zweiten Saison der Superbike Weltmeisterschaft erfolgreich seinen Titel aus dem Vorjahr verteidigen konnte. der im selben Jahr auf seiner privaten „Fast by Ferracci“ Ducati auch den WM-Titel haushoch überlegen vor Titelverteidiger Raymond Roche (Frankreich) auf dessen Werks-Ducati gewann. Viele Jahre später versuchte der italienische Hersteller gar, die Geschichte zu fälschen und Polen im Nachgang zum Werksfahrer zu erklären, aber die Programmhefte aus den 90-ern lügen nicht. Selbst dies hinderte fragwürdige Journalisten der späteren Jahre nicht daran, diesen Statistik-Betrugsversuch zu unterstützen. Wahr und belegbar ist jedoch, dass nach der Blamage des Werksteams 1991 durch das US-Amerikanische Team des genialen Eraldo Ferracci und seines Piloten Doug Polen, die Integration in die offizielle Werksmannschaft erst auf das Folgejahr eingeleitet wurde. In der Tuningszene gehörte Ducati-Spezialist Eraldo Ferracci zu den ganz Großen. Der italienisch stämmige Auswanderer lebte ab Ende der 1960-iger Jahre in den USA. Was er und sein Fahrer 1991 geleistet haben, als sie auf den für sie fast allesamt unbekannten Rennstrecken auf Anhieb die Konkurrenz deklassierten, ist selbst heute noch schwer zu fassen.
Offene Ausgangslage für Assen 2024?
Mit Alvaro Bautista und seinem neuen Werks-Ducati Teamkollegen Nicolo Bulega sollten die Aruba.it Männer nach dem Dreifachsieg des Spaniers im Vorjahr laut Papier den Sieg unter sich ausmachen. Aber allzu sicher können sich die beiden trotz schnellstem Material in den Niederlanden trotzdem nicht sein. Weil Toprak Razgatlioglu auf der für diese Saison stark verbesserten BMW M-1000RR auf Anhieb siegreich war, gehört das türkische Ausnahmetalent selbstverständlich zu den Topfavoriten für die oberste Stufe auf dem Podium. Da in der „Cathedral of Speed“ womöglich die Vorteile der PS-stärkeren MotoGP Replica von Ducati zudem weniger als in den ersten beiden Runden zu tragen kommen, haben auch Piloten wie Alex Lowes (Kawasaki) und dessen ehemaliger Teamkollege Johnny Rea (Yamaha) jedoch ebenfalls wieder gute Chancen, um den Sieg ein ernsthaftes Wörtchen mitzureden. Zumindest beim Kampf um das Podium gehören dazu auch die Yamaha Piloten Andrea Locatelli, Domi Aegerter und Remy Gardner, sowie Danilo „Petrux“ Petrucci und Andrea „The Maniac“ Iannone auf ihren privaten Ducatis genauso wie Lokalmatador „Magic Michael“ van der Mark (BMW) zu den Anwärtern auf die vordersten Plätze.
Die Situation in der Weltmeisterschaft nach 2 Runden
Nachdem die ersten vier der Zwischenrangliste nur durch 16 Punkte getrennt sind, kann die WM-Führung bereits nach Lauf 1 am Samstag ändern. Aber auch die zweite Gruppe mit Iannone, Petrux, Locatelli und van der Mark liegt nicht allzu weit zurück, um mit guten Resultaten am zweitletzten April-Wochenende den Top 4 näher zu rücken, oder womöglich gar dazuzustossen und diesen illustren Kreis zu erweitern. Davon kann Yamaha Neuzugang Jonathan Rea derzeit erst für den Sommer hoffen, sollte er die riesige Lücke bis dann schließen wollen, was aus eigener Kraft derzeit jedoch fast unmöglich scheint. Erfreulich ist jedenfalls aktuell der Umstand, dass mit Toprak und Alex Lowes zwei Konkurrenzfabrikate von Ducati mal wieder vorne mit dabei sind. Nach zwei fürchterlich eintönigen Jahren, als der Sieger mit Bautista meist schon vor dem Start feststand, ist dies das herausragendste Merkmal vor der dritten Runde in Assen.
Das WM-Programm der dritten von 12 Runden
Während die für das weibliche Geschlecht eingeführte Meisterschaft noch bis Misano warten muss, bildet der R3 World Cup das Rahmenprogramm in Assen. Die beiden Rennen dieser Nachwuchsserie finden um 11:50 Uhr am Samstag und Sonntag statt. An den Zeiten für die Weltmeisterschafts-Trainings und Rennen hat sich gegenüber Barcelona nichts geändert. Laut Wetterprognose für den Circuit van Drenthe ist mit erneut recht tiefen Temperaturen zu rechnen, was zweite Aprilhälfte in dieser Region auch wenig wundert. Eine etwa 30 bis 40-Prozentige Regenwahrscheinlichkeit macht die Sache auch nicht besser. Ausser 2021, als im Sommer gefahren wurde, lagen nach 2018 die Temperaturen stets deutlich unter 20 Grad Celsius und diesmal droht wie 2019 das Thermometer am Wochenende gar unter 10 Grad zu fallen. Aber seit vielen Jahrzehnten gehörte Kalenderplanung nicht zu den Stärken von FIM und Dorna, weshalb dies von den Fans jeweils so akzeptiert werden muss.
Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).
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