Horst Fügner hatte wie Ernst Degner eine KFZ-Ausbildung und war nebst einem brillanten Fahrer auch so etwas wie sein eigener Mechaniker. Hier vor dem Start zum Rennen der 125 cm³ Klasse. Regen ließ den Mann aus Chemnitz in der Regel völlig kalt, er wusste um seine Stärken und war auch bei Nässe ein hervorragender Pilot.

Das letzte Kapitel über die Karriere des MZ-Werkspiloten

Man muss sich, um die Leistungen der Fahrer aus den 1950-er Jahren mit heute zu vergleichen, einige wichtige Parameter vor Augen führen. Nehmen wir mal die Rookie Saison von Sandro Cortese in der Motul WorldSBK 2019 als Beispiel. Der Berkheimer fuhr in dieser Saison insgesamt 37 von ursprünglich 39 geplanten Rennen. Assen und Imola hatten aufgrund der widrigen Wetterbedingungen je einen Lauf streichen müssen. Das beste Resultat von Cortese war ein 6. Platz im zweiten Rennen von Jerez. Dafür hätte er zu Zeiten Degners und Fügners einen WM-Punkt erhalten. Sämtliche anderen Resultate wären damals weder gezählt, noch registriert worden.

Sandro Cortese nach dem Rennen in Donington 2019, er erlebte in seiner Rookie Saison der Motul WorldSBK manche Aufs und Abs. Trotzdem waren viele Beobachter voll des Lobes über den Deutschen und seine erste Saison.

Der Vergleich dazu mit Horst Fügner
Horst Fügner fuhr in seiner mehrjährigen Karriere nicht einmal die Hälfte an Grand Prix Rennen, was Sandro in nur einer WSBK Saison an Läufen absolvierte. Dies aus dem einfachen Grund, weil es in den 1950-er Jahren pro Jahr höchsten 5 bis 7 WM-Läufe gab. Sehr viele Rennen beendete Horst aufgrund der fehleranfälligen Technik zu seiner Zeit nicht, während technisch bedingte Ausfälle heute extrem selten sind. Aber trotzdem beendete der Chemnitzer 12 Läufe der Motorrad-Weltmeisterschaft in den Top 6.

Fügner Autogrammkarte – bei Fans und Sammlern in der DDR in den 50-er Jahren definitiv sehr gefragt und begehrt.

Als WM-Punkte nur die allerbesten bekamen
Mit nur 3 Ausnahmen beendete Fügner jedes Rennen, bei dem er ins Ziel kam, somit in den WM-Punkten. Noch wichtiger dabei war dabei, dass er damit unter den ersten 6 klassierten Piloten war. Fast alle Experten beurteilen Sandro Corteses erste WSBK-Saison von 2019 als absolut erfolgreich, teils sogar beinahe euphorisch. Was für Superlative sind im Vergleich dazu erst für Fügners und Degners Leistungen notwendig! Ganz davon zu schweigen, mit welch bescheidenen Mitteln diese erzielt wurden und Fügner genauso wie Degner auch als Mechaniker funktionierte.

Horst Fügner als zweiter von rechts mit der Startnummer 7 – der bescheiden auftretende Mann aus der DDR war in seinem Land nebst Ernst Degner der wohl populärste Rennfahrer der 1950-er Jahre und auch im Ausland sehr geschätzt.

Saisonstart 1959
Für Horst Fügner begann das Jahr 1959 überaus erfolgreich. Zusammen mit Ernst Degner bildete er im 3. Jahr die Speerspitze der MZ Renn-Einsätze. Die Truppe aus der DDR hatte mit ihren Fahrern trotz bescheidenster Mittel im Vorjahr insbesondere durch den 250 cm³ Vize-Weltmeistertitel Fügners ein klares Zeichen gesetzt. Auch das Podium Degners von 1958 bei den 125-ern auf dem Nürburgring durfte sich mehr als sehen lassen. Zu Saisonbeginn 1959 ging der Sieg auf der Halle-Saale Schleife an Degner und Fügner holte sich Platz 3. Im 250-er Lauf schieden beide mit technischen Problemen aus, wonach der Sieg an Teamkollege Werner Musiol ging.

Horst Fügner mit dem Siegerkranz – auch die Saison 1959 begann für den sympathischen Mann aus Chemnitz absolut nach Wunsch, sein Team und sein Land konnten stolz auf ihn sein und sie waren es auch.

Erfolgreicher Auftakt auch im Westen
Im ersten Ausland-Einsatz am 1. Mai beim noch nicht zur WM zählenden GP von Österreich in Salzburg-Liefering schlug Horst mit dem Sieg im Lauf der 250 cm³ Klasse zurück. Ernst holte wie im 125-er Rennen Platz 3, während Fügner in der kleineren Kategorie erneut vor ihm landete und Platz 2 für MZ holte.

Skizze der Salzburg-Liefering Strecke, einem abgesperrten Autobahnstück, auf welchem bis zum Bau des Salzburgring meist anfangs Mai ab kurz nach dem Krieg Rennen ausgetragen wurden.
Horst Fügner (links im Bild mit der 149) – der schnelle Mann aus Ostdeutschland richtet sich die Handschuhe. Vor dem Start wirkte er meist wie die Ruhe selbst, aber nach dem Startschuss ging bei ihm die Post ab.
Horst Fügner mit dem Siegerkranz – kein seltenes Bild in den 50-er Jahren.

Technische Verbesserungen für die zweite volle WM-Saison
Bei der Weiterentwicklung der Maschinen wurden trotz einfachster Mittel laufend neue Möglichkeiten zur Leistungserhöhung gesucht und gefunden. In Zschopau hatte man über den Winter fieberhaft an der thermischen Stabilität der Motoren und dazu auch weiteren Verbesserungen gearbeitet. Unter anderem hatte MZ von Magnet- auf Batteriezündung umgestellt und das Kolbenbolzen-Lager wurde durch ein Nadellager ersetzt. Dadurch konnte gefahrlos die Motordrehzahl erhöht werden, um noch mehr Spitzen-Leistung aus der Re 125 und Re 250 zu kitzeln. Mit der Einführung eines dritten Spülkanals durch das Kolbenfenster wurden zusätzliche Möglichkeiten dazu geschaffen. Der 125 cm³ Motor hatte auf die Saison mittlerweile eine Leistung von rund 22 PS bei ca. 10’500 U/Min erreicht.

Die MZ Re 250 von Rechts ohne Verschalung – trotzdem die Konkurrenz zugelegt hatte, war der Zweizylinder-Zweitakter auch 1959 noch durchaus für Spitzenresultate gut.

Die unermüdliche Suche nach Leistungssteigerung und Verbesserungen
MZ Chef-Ingenieur Walter Kaaden arbeitete fast Tag und Nacht, um aus den Zweitakt-Motoren das Maximum herauszuholen. Die ersten Resultate bei international besetzten Rennen wie in Salzburg zeigten, dass die Konkurrenzfähigkeit selbst auf WM-Niveau gegeben war. Zwar hatten die italienischen Fabrikate von Ducati und MV Agusta immer noch die Nase vorne und etwas mehr Leistung. Aber für Außenseiterchancen reichte es auf jeden Fall auch 1958 wieder bei MZ.

Walter Kaaden – technisches Genie und unermüdlicher Arbeiter. Er war das Mastermind, welches hinter den erstaunlichen Erfolgen der kleinen Firma aus Zschopau stand.

WM-Saisonauftakt 1959
Die Weltmeisterschafts-Saison begann nur für die größeren Klassen bereits Mitte Mai. Beim GP von Frankreich waren die beiden kleineren Kategorien bis 125 cm³ und 250 cm³ noch nicht ausgeschrieben. Die Strecke des Circuit de Montagne d’Auvergne war neu im Kalender und in den ersten beiden Jahren der Austragung gastierten nur die 350 cm³ und 500 cm³ Kategorie, sowie die Gespanne.

Circuit de Montagne d’Auvergne bei Clermont-Ferrand.

Für MZ begann die Saison mit der TT
Daher begann die WM-Saison für die Truppe aus der DDR wieder auf der Isle of Man. Während Degner das Ziel in der 125 cm³ Klasse an der TT nicht erreichte, schaffte Fügner den hervorragenden 4. Rang. Schneller als er waren nur Tarquinio Provini, Luigi Taveri und Mike Hailwood gewesen. Weltmeister Ubbiali musste sich hinter Horst mit Rang 5 begnügen. Bei den 250-ern gingen wie im Vorjahr beide MZ-Piloten leer aus. Die eigentliche Sensation war aber, dass der Schweizer Luigi Taveri auf einer MZ mit Werksunterstützung unterwegs war und den Zschopauern damit das erste Podium auf der Isle of Man sicherte. Degner hätte dies wohl auch geschafft, jedoch musste er an dritter Stelle liegend in der letzten Runde aufgeben. Eine gebrochene Feder in der Vorderrad-Bremse war diesmal der Grund für seinen Ausfall.

Luigi Taveri – der erste MZ-Werksfahrer, der nicht aus der DDR stammte. Im selben Jahr sollte dem Schweizer auch noch Mike Hailwood als MZ-Pilot folgen.

WM-Runde 2 auf dem Hockenheimring
Bei den 250-ern kam beim GP von Deutschland prompt wieder die Erlösung nach dem schwachen Saisonstart. Genau wie in den beiden Jahren davor lief es ausgerechnet beim „Klassenfeind“ wieder prima. Hinter Ubbiali (MV) und Mendogni (Morini) sauste Fügner als Dritter über die Ziellinie. Schon wieder ein Podium für Horst in Westdeutschland, nach Platz 2 im Vorjahr auf dem Nürburgring. Ernst Degner musste einen Nuller in kauf nehmen, holte dafür einen WM-Punkt in der 125 cm³ Klasse mit Rang 5. Fügner hatte in dieser Kategorie weniger Glück und ging genauso wie Taveri diesmal leer aus.

Die Ducati 125 cm³ Desmo Twin – zusammen mit MV Agusta in diesem Jahr das Bike, welches es zu schlagen galt. Gegen die Armada an Werksfahrern dieser beiden Marken war es für die MZ Truppe schwer genug, nur schon ein Podium zu holen.

Die dritte Weltmeisterschafts-Runde mit der Dutch TT in Assen
In Assen dominierte Degner die ersten acht Runden des 125 cm³ Rennens. Leider warf ihn danach ein Zündkerzen-Defekt aus dem Rennen. Sieger wurde wie beim GP von Deutschland Carlo Ubbiali (MV) vor Bruno Spaggiari und Mike Hailwood (beide Ducati). Mit Platz 4 rettete Fügner die Ehre von MZ, vor dem ebenfalls auf dem DDR-Fabrikat angetretenen Derek Minter und Ken Kavanagh (AUS, Ducati). Mit der 250-er schafften es diesmal beide Teamkollegen in die Punkteränge. Horst Fügner überquerte vor Ernst Degner auf dem 5. Rang die Ziellinie. In der 125 cm³ Klasse lag Fügner im WM-Zwischenklassement auf dem guten fünften Platz. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass Horst in den Niederlanden das letzte Rennen seines Lebens gefahren war.

Eines der letzten Renn-Fotos von Horst Fügner, am GP von Assen im 125 cm³ Rennen. Hier mit der Nr. 9 auf der Verfolgung des Engländers Derek Minter (beide auf MZ).

Der fatale Trainings-Unfall in Belgien
Die 250 cm³ Klasse war in Spa-Francorchamps wie beim Saisonauftakt in Frankreich nicht ausgeschrieben. Daher konzentrierte sich die Truppe aus der DDR zwangsläufig vollständig auf die 125-er. Die schnelle Strecke in den Ardennen war für die MZ Re 125 aufgrund von ihrem Leistungsmanko gegenüber der Konkurrenz von Ducati und MV kein leichtes Pflaster. Daher war allen Beteiligten des Zschopauer Teams bewusst, dass man sich besonders ins Zeug legen musste, um gegen die Zweizylinder aus Italien bestehen zu können. Vielleicht übertrieben es aus diesem Grund beide Fahrer bereits im Training, jedenfalls kamen sowohl Fügner wie auch Degner zu Sturz. Obwohl einige Medien nach dem Rennen berichtet hatten, die beiden hätten keine gravierenden Verletzungen davongetragen, war es das Ende von Horsts Rennfahrer-Karriere.

Blick auf Start-Ziel von Spa-Francorchamps vor dem Rennen von 1959. Die beiden MZ Piloten aus der DDR konnten aufgrund ihrer Trainings Stürze und den dabei erlittenen Verletzungen nicht am 125 cm³ Rennen teilnehmen. Für Horst Fügner bedeutete es gar das Aus, während Degner kurz danach wieder an den Start ging. Auf der 250-er holte er sich in den letzten 3 WM-Läufen noch einen vierten, dritten und zweiten Rang und belegte in der WM-Endabrechnung den hervorragenden 4. Platz.

Die gefährlichen Jahre und Strecken überlebt
Alleine während seiner 9 Jahre dauernden aktiven Karriere opferten weit über 100 Motorrad-Rennfahrer dem geliebten Sport ihr Leben. Horst blieb natürlich weiterhin bei MZ tätig und eine Geschichte erzählte er später stolz, die viel über seine humorvolle Art und Weise preisgibt, das nicht immer leichte Leben als Bürger der DDR zu meistern. Der französische MZ-Importeur Monsieur Pierre Bonnet hatte anfangs der 70-er Jahre für seinen Fahrer Jacques Roca eine Re 250 zugesagt erhalten. Für drei Rennen in Frankreich und einen auf kurze Zeit beschränkten Zeitraum wurde Fügner damit beauftragt, den Transport der Rennmaschine und die Betreuung des Einsatzes vor Ort vorzunehmen. So sah er den Circuit de Montagne d’Auvergne bei Clermont Ferrand letztlich doch noch, nachdem die kleineren Klassen 1959 dort noch gar nicht aussgeschrieben waren. Dazu war er auch bei den Rennen in Bourg-en-Bresse (westlich von Genf) und Monthléry (30 km südlich von Paris) zugegen.

Ein Bild aus dem Vorjahr – nach dem GP-Sieg von Horst Fügner mit der MZ Re 250 beim GP von Schweden.

125 cm³ Fahrer-Weltmeisterschaft 1959

250 cm³ Fahrer-Weltmeisterschaft 1959

Ein Schelmenstreich – selbst mit 50 Jahren noch
Horst ahnte wohl bereits, dass dies sein letzter Auslandseinsatz sein dürfte. Daher blieb er aus eigenem Antrieb einige Tage länger in Frankreich und machte noch einen Ausflug in Paris. Dort soll er dabei gar der bei einer Parade vorbeifahrenden Königin von England gewunken haben, als er in der Stadt unterwegs war. Laut seiner Aussage winkte ihm die Queen damals sogar zurück. Auf der Rückfahrt machte Fügner dazu in Strasbourg einen Zwischenstopp für eine private Sightseeing-Tour. Auch im Alter von 50 Jahren war er wohl noch ein richtiger Schelm und nutzte die kurze Freiheit außerhalb des Eisernen Vorhangs nochmals ganz auf seine Weise. Eine sogenannte Republik-Flucht war von ihm gar nie geplant, bloß die Aufenthaltszeit dauerte aus eigenem Antrieb einige Zeit länger als vorgegeben. Natürlich gab es nach seiner Rückkehr in Zschopau gehörigen Ärger. Man hatte wohl bereits befürchtet, er hätte wie Degner gut 10 Jahre davor, die Gelegenheit für die West-Flucht gepackt. Im MZ-Werk war dieses Abenteuer seiner weiteren Karriere natürlich wenig förderlich. Er wurde fortan ins Ersatzteillager abgeschoben, wo er für Privatfahrer oft mit Ratschlägen ein wertvoller Gesprächspartner war.

Hans Baltisberger († 26.8.1954 in Brünn) auf seiner NSU – einer der Fahrer, gegen die Fügner in seiner Rennfahrer-Karriere angetreten war und sie um Jahrzehnte überlebte. Details zu seiner Geschichte siehe History auf dieser Seite.

Ruhestand und Rentnerleben
Im Alter von 65 Jahren ging Horst Fügner 1988 in Rente. Einige wenige Kontakte aus seiner Zeit bei MZ pflegte er noch weiter. Durch die von viel Misstrauen gegenüber vermeintlichen Freunden geprägte Atmosphäre in der DDR hatte er die notwendige Skepsis, fragwürdigen Zeitgenossen gegenüber früh genug auf Distanz zu gehen. Stasi-Mitarbeiter waren im Arbeiter- und Bauernstaat allgegenwärtig. Einer der wenigen Fahrer, mit welchen ihn zeit seines Lebens eine echte Freundschaft verband, war der 2009 verstorbene Thomas Heuschkel. In seinem Ruhestand blieb Horst ein Vorbild an Fitness, was ihn bis ins hohe Alter auszeichnete. Bis auf den Sachsenring sah man den Chemnitzer kaum mehr an Zweirad-Veranstaltungen und auch die Veteranen-Szene hatte auf ihn wenig Anziehungskraft. Am 22. November 2014 verstarb einer der besten Rennfahrer der DDR im Alter von 91 Jahren in Chemnitz. Horst Fügner hatte fast all seine früheren Rennfahrer-Kollegen überlebt.