Links im Hintergrund die Boxenanlage und im Vordergrund die Kurve 2 (Curva Michelin).

Die Ganzjahres-Rennstrecke in Andalusien

Im Jahre 1986 in der Nähe der Stadt Jerez de la Frontera in Andalusien fertiggestellte Rennstrecke ist seit Jahrzehnten beliebter Austragungsort für Motorradrennen. Aufgrund des milden Klimas im Winter ist der Circuito de Jerez auch als Teststrecke für MotoGP und WSBK sehr oft frequentiert. Für den Auftakt der Europarennen in der MotoGP ist der Renn-Zirkus traditionellerweise in Jerez zu Gast. Im Jahr 2006 war Jerez sogar einmal das erste Rennen der Saison. In der Moto GP gewann damals Capirex (Loris Capirossi) vor Dani Pedrosa und Nicky Hayden. Der im Mai 2017 bei einem Verkehrsunfall nahe Misano tödlich verunglückte Amerikaner gewann 2006 seinen einzigen MotoGP WM-Titel, trotz nur einem Laufsieg in dieser Saison.

Moto2 Pilot Dominique Aegerter (Forward MV) vor Marcel Schrötter (Dynavolt Intact Kalex) und Andrea Locatelli (Italtrans Racing Kalex) beim Jerez GP 2019 (© Forward MV Racing).

Europa-Saisonauftakt seit 1989
Man muss bis 1988 im Kalender zurückblättern, als der erste Europa-GP nicht in Jerez stattfand. Damals gewann in der 500 cm³ Kategorie der Australier Kevin Magee vor Eddie Lawson (USA) und seinem Landsmann Wayne Gardner den GP von Spanien in Jarama am 24. April. In diesem Jahr fand der GP Jerez gleich danach statt, ein Jahr nach der Premiere von 1987 als Gaststätte der FIM Weltmeisterschaft. Während der Circuito de Jerez ab dann fixer Bestandteil im Kalender blieb, entfiel Jarama nach 1993 und wurde endgültig durch den Circuito de Catalunya nahe Barcelona abgelöst.

Die Zielkurve in Jerez ist immer wieder Schauplatz für spektakuläre Rennszenen, hier am Beispiel der 1. Runde vom 1. Lauf der WSBK am 8. Juni 2019. Während hinter Toprak Razgatlioglu (Puccetti Kawasaki) Tom Sykes (BMW) und Leon Haslam (Kawasaki) um den Anschluss kämpfen, geht hinten Sandro Cortese (GRT Yamaha) weit und findet sich danach auf Platz 15 wieder.

Lage und Streckendetails

Wie auf den meisten GP Strecken wird auch auf dem Circuito de Jerez im Uhrzeigersinn gefahren. Der Kurs verfügt über 6 Links- und 8 Rechtskurven und ist mit einer Breite 11 Metern deutlich schmaler als die moderneren Rennstrecken im Kalender. Mit einer Länge von 4.423 Kilometer liegt Jerez im Mittelfeld der aktuellen MotoGP und WSBK Rundkurse. Die längste Gerade misst 607 Meter und die Strecke ist wie beispielsweise Assen, Le Mans und Barcelona rundherum für die Zuschauer begehbar. Den absoluten Rundenrekord in Jerez hält seit Mai 2019 der Franzose Fabio Quartararo (Petronas SRT Yamaha) mit 1:36.880 und die beste Rennrunde mit 1:38.051 (Stand Ende 2019) erzielte 2019 Marc Marquez.

Vor- und Nachteile aus Besuchersicht

Abendstimmung in Cadiz am Wochenende des GP von Jerez am 5. Mai 2018.

Pluspunkte
Wie überall in Spanien sind die Eintrittspreise im Vergleich zu Ländern wie Italien extrem günstig, was sowohl für MotoGP und WSBK gilt. Andalusien gilt als sehr Wetter sicher und selbst im Winter fällt die durchschnittliche Temperatur nie unter 15 Grad Celsius. Umgekehrt wird es dank der nahen Atlantikküste selten so drückend heiß wie beispielsweise in Sevilla, wo von Sommer bis Herbst das Thermometer oft an der 40-er Marke klebt. Dank gefragten Reisezielen wie die Städte Sevilla, Cadiz und im Westen Marbella und Malaga ist das Angebot an günstigen Flügen ab fast allen Flughäfen in Europa hervorragend.

Motul WorldSBK Paddock Show in Jerez 2019 (© WorldSBK).

Minuspunkte
Wie viele anderen Strecken auch und beispielsweise in Aragon, Sepang oder Brünn jedes Jahr ein Ärgernis, ist der Circuito de Jerez nur über eine einzige Hauptverkehrs-Achse erreichbar. Die Autobahn A-382 aus westlicher Richtung zur Strecke ist am Sonntag jedes Jahr schon ab früh morgens komplett verstopft und wer nicht extrem früh unterwegs ist, benötigt für wenige Kilometer oft Stunden. Die Hotelpreise sind analog wie z.B. in Brünn, Aragon und Umgebung von Mugello bei MGP-Events in der Näche des Circuits astronomisch. Zahl und Angebot der nur spärlich vorhandenen Verpflegungsstände ist schlicht ungenügend. Sehr viele Spanier kommen daher mit Kühlboxen und eigener Verpflegung an die Strecke. Wie sie es damit durch die Sicherheitskontrollen schaffen, bleibt uns immer wieder aufs Neue ein Rätsel.

Siegerstatistik GP von Jerez

Valentino Rossi (hier am Start zum GP Jerez am 5. Mai 2019) ist vor Mick Doohan der erfolgreichste Fahrer in der Königsklasse auf dem Circuito de Jerez (Copyright MotoRacers).

Quick Mick“ – Rekordsieger in Jerez und das Karrieren-Ende
In der Zweitakt-Ära war Mick Doohan trotz hartnäckiger Konkurrenz aus Spanien mit 4 Siegen der erfolgreichste 500 cm³ Pilot. Tragischerweise fand seine außergewöhnlich erfolgreiche Karriere ausgerechnet hier nach einem fürchterlichen Trainings-Sturz im Training vor dem Rennen von 1999 ihr Ende. Er war in Kurve 4 bei rund 200 km/h gestürzt und verletzte sich am bei einem schweren Sturz im Qualifying von Assen 1992 bereits lädierten rechten Bein erneut schwer. Mit insgesamt 7 Siegen in der MotoGP schnitt nur Valentino Rossi seither noch erfolgreicher als der Australier in Jerez ab. Nachdem Marc Marquez bis 2019 erst dreimal in Jerez gewinnen konnte und im Corona-Jahr 2020 in Doohans Schicksalskurve folgenschwer patzte, dürfte der Rekord des Publikumslieblings und populärsten Fahrers aller Zeiten noch für lange Zeit Bestand haben.

Siegerstatistik WSBK – per 2019 noch Chaz Davies

Mit Stand per Ende 2020 führen Jonathan Rea und Chaz Davies mit je 3 Siegen auf dem Circuito de Jerez. Während Scott Redding beim ersten WorldSBK Event nach der Corona-Zwangspause beide Rennen über die volle Distanz gewann, konnte Jonathan Rea das seit 2019 neu eingeführte Superpole Race für sich entscheiden. Damit konnte er mit seinem Ducati-Erzrivalen Davies gleichziehen. Dieser erhielt mit Redding nach Alvaro Bautista erneut einen Teamkollegen, der ihm ab Saisonbeginn regelmäßig die Show stahl.

Tipps für Anreise, Übernachtung und Anfahrt

Wer mit dem Auto oder Motorrad anreisen will, braucht bis ans Ende der iberischen Halbinsel nach Andalusien mehrere Tage dafür. Mit dem Flugzeug empfiehlt es sich nach Sevilla oder Malaga zu fliegen, wohin es ab sehr vielen europäischen Flughäfen unzählige Sparangebote von RyanAir, EasyJet und weiteren Billigfliegern gibt. Mietwagen sind im Zeitraum März bis Mai in Spanien zudem verhältnismäßig günstig zu haben. Insbesondere am MotoGP Wochenende sind sämtliche Hotels in der näheren Umgebung von Jerez de la Frontera restlos ausgebucht. Zudem ist die einzige Anfahrt aus Westen, Norden und Süden vor allem am Sonntag über die Autobahn A-382 immer hoffnungslos verstopft. Einigermaßen günstige Hotels findet man entweder an der Küste westlich von Jerez de la Frontera, zwischen Rota und Sanlucar de Barrameda, oder sonst in Cadiz oder weiter südlich. Wem die Anfahrt nicht zu weit ist, der findet bestimmt auch in Sevilla akzeptable Übernachtungsmöglichkeiten zu realistischen Preisen.

Unser Hotel am GP-Wochenende 2019 – die Wartezeit an der Rezeption betrug aufgrund des Ansturms an Bikern Stunden. An der Costa Ballena werden wir so schnell nie mehr zu Gast sein. Weder im Hotel Alegria noch im Ort gab es auch nur ein anständiges Restaurant.

Anfahrt am Renn-Sonntag
Um Stau bei der Anfahrt zu Stoßzeiten zu vermeiden hilft nur, extrem früh an die Strecke zu fahren, oder die von Westen zur Strecke führende A-382 zu umfahren. Dies ist südlich über La Barca de la Florida und danach via Jedula in Richtung Circuit oder aus nordöstlicher Richtung sinnvoll. Am WSBK Wochenende kann in der Regel darauf verzichtet werden. Kritisch ist es meist nur am Samstag und insbesondere Sonntag bei MotoGP Events. Die Ticketpreise in Jerez sind im Vergleich zu Italien übrigens extrem günstig, egal ob für MotoGP oder WSBK. Unschlagbar bei der World Superbike Serie ist natürlich die Option mit Zutritt ins Paddock, 2019 mit 90 Euro für ein 3-Tagesticket. Für die MotoGP sind Tribünenplätze im Infield ein Geheimtipp, weil man dadurch im Infield grundsätzlich sehr nahe an der Piste sein kann.

Blick auf den Torre Tio Pepe und im Vordergrund Kurve 5, genannt „Curva Sito Pons“ am 4. Mai 2019.

Siegerstatistik GP von Spanien in Jarama

Der erfolgreichste Fahrer war während der 2-Takter Ära der US-Amerikaner Kenny Roberst senior auf Yamaha mit insgesamt 3 Siegen. Bis Mitte der 70-er Jahre waren die Viertakter in der 500-er Klasse noch konkurrenzfähig, später stieg sogar Rekordweltmeister Giacomo Agostini von MV Agusta auf Yamaha um.

Siegerstatistik GP von Spanien in Montjuic

Nach dem Krieg fanden ab 1949 wieder Läufe zur Motorrad-Weltmeisterschaft statt und ab 1951 wurde auch in Spanien gefahren. In zahlreichen Jahren wurden jedoch nicht alle Klassen ausgetragen. Die Siegerstatistik beschränkt sich auf die Kategorien, welche heute als MotoGP, Moto2 (Ablösung der 250 cm³ Klasse ab 2010) und Moto3 (statt 125 cm³ ab 2011) fortgeführt wurden. Im Jahr 1951 fanden 8 Läufe zur 500 cm³ WM statt, nur gerade 5 bis 250 cm³ und spärliche 4 bis 125 cm³. Ein Jahr davor waren es noch weniger WM-Runden und erst ab 1961 fand mit dem GP von Argentinien am 15. Oktober in Buenos Aires die erste Veranstaltung ausserhalb Europas statt.

Entwicklung der Besucherzahlen MotoGP Jerez

Nachfolgend die Werte im Vergleich zu den anderen GP-Strecken im WM-Kalender, mit den kumulierten Eintritts-Zahlen von Freitag bis Sonntag. Bei Regenrennen sind die Besucherzahlen in Kursivschrift vermerkt. In Fettschrift ist der Besucherrekord markiert, respektive beim Durchschnitt die höchste Zahl weltweit und für Europa. Unter den europäischen GP-Veranstaltungen liegt Jerez im Durchschnitt der letzten 15 Jahre bei den Besucherzahlen auf Rang 3 hinter dem Sachsenring und Brünn.