Von uns am 20.4.2024 in der „Cathedral of Speed“ in den Niederlanden festgehalten – Start zum ersten Lauf des Assen-Wochenendes mit in der dritten Runde zum ersten Mal Jonathan Rea (Pata Prometeon Yamaha R1, vorne im Bild) in diesem Jahr und auf seinem neuen Motorrad auf der Poleposition. Im Rennen gab es aufgrund eines Abbruchs durch rote Flaggen dann einen Überraschungssieger, den definitiv niemand auf der Rechnung hatte.

Viele Überraschungen bei wechselhaften Bedingungen

Wie viele andere Besucher wunderten wir uns einmal mehr, weshalb FIM und Dorna Assen stets derart früh in den Kalender aufnehmen. Als wir vor 5 Jahren im Jahr vor der Pandemie ebenfalls im April hier waren, musste aufgrund von Schneefall sogar das Programm abgeändert werden, wodurch es für einmal kein Tissot Sprint-Race gab. Auch 2024 war es wieder empfindlich kalt und innert Minuten wechselte sich oft Sonnenschein mit dunklen Wolken und Regenfall, was natürlich für die Fahrer und Teams eine enorme Herausforderung darstellte. Die richtige Reifenstrategie konnte über Sieg und Niederlage entscheiden, es war fast unmöglich, die Wetter-Entwicklung vorherzusagen. Genau die richtigen Bedingungen für einige der erfahrensten Piloten im Feld, sowie natürlich für riskante Entscheidungen bezüglich der Reifenfrage, was letztlich sogar die Entscheidung für den Tagessieg ausmachen sollte. Allerdings waren die tiefen Temperaturen vor allem bei Nässe alles andere als ein Vergnügen für die Protagonisten, sowie auch die zahlreichen Besucher an der historischen Rennstrecke im Norden der Niederlande.

Unsere Aufnahme nach der Superpole am Samstagmorgen, mit der historischen ersten Pole für Jonathan Rea für Prometheon Pata Yamaha. Die Erleichterung war dem 6-fachen Rekordweltmeister danach leicht anzusehen, hatte er doch damit die Dämonen der ersten beiden Problemrunden 2024 endlich besiegt.

Die Superpole mit einem wenig überraschenden Polesitter

Zumindest bei der Superpole gab es diesmal kein Pokerspiel und die Strecke war viel zu nass, als dass profillose Slickreifen infrage kommen sollten. Somit ergab sich für den besten Piloten der letzten zehn Jahre die Chance, seine Qualitäten als Regenfahrer ein weiteres Mal auszuspielen. Zwar wurde es nicht eine derartige Demonstration wie im ersten Rennen 2019 von Donington, als der Nord-Ire nach drei Runden beinahe zehn Sekunden vor seinen ersten Verfolgern lag, doch für die erste Poleposition auf der für Jonathan Rea noch fast neuen Yamaha R1 reichte es allemal. Zusammen mit dem Rekordweltmeister hatten es auf der nassen Strecke Nicolo Bulega (Aruba.it Ducati) und Toprak Razgatlioglu (ROKiT BMW Motorrad) in die erste Startreihe geschaft. Dahinter die beiden Lowes Brüder Sam und Alex, sowie Remy Gardner. Vorjahressieger und damaliger Polesitter Bautista hingegen startete als siebter nur aus Reihe 3 und hatte seinen ehemaligen Teamkollegen Rinaldi und dessen italienischen Landsmann Iannone neben sich. Zusammen mit Reas Teamkollege Locatelli und HRC Hondas einziger Hoffnung Vierge für diesen Tag nahm Danilo „Petrux“ Petruccis Ersatz Spinelli den ersten Lauf in Angriff.

Während bis auf Ausnahmetalent Toprak alle BMW Piloten weit hinten lagen, glänzte Tarran Mackenzie auf der MIE Honda mit Startplatz 12 und meinte danach, es wäre an diesem Samstag womöglich sogar etwas mehr dringelegen. Natürlich war trotz sehr hohem Rückstand danach auch Tito Rabat für das Rennen zugelassen worden. Für Rea war es die vierundvierzigste Pole seiner Karriere.

Reifenpoker zahlt sich dank roter Flagge in Lauf 1 aus

Als einziger im Feld startete Nicholas Spinelli auf Wunsch seines Teams auf geschnittenen Slick-Reifen, sogenannten Intermediates. Der Ersatz für den bei einem Motocross-Unfall recht schwer verletzten Danilo Petrucci für sein erstes Wochenende auf einer WorldSBK Maschine und der Italiener wird diesen Tag in seinem Leben bestimmt nie mehr vergessen. Auf der Barni Ducati lag er ab der vierten Runde kurz für über 24 Sekunden vor dem Rest des Feldes, bevor die Strecke rasch abzutrocknen begann. Damit kamen seine Verfolger, ab dem elften Umgang angeführt von Bautista vor Toprak, immer näher. Der Spanier wurde vom Türken wenig später überholt, der anfangs letztem Renndrittel Spinelli definitiv eingeholt hätte, wäre nicht aufgrund von Öl auf der Strecke ein Abbruch durch rote Flaggen gekommen. Dadurch war auch für Polesitter Jonathan Rea auf seiner Aufholjagd das Rennen vorzeitig zu Ende. Laut eigener Aussage hatte der 6-fache Weltmeister nach einigen Fehlern zwar etwas viel an Boden verloren, aber womöglich hätte statt Rang 6 letztlich doch ein Podium in Reichweite gelegen.

Sieger Nicholas Spinelli (Barni Ducati) im symbolischen Würgegriff von Toprak Razgatlioglu (BMW, links) und Alvaro Bautista (Aruba.it Ducati). Der Reifenpoker seines Teams hatte sich auf extreme Weise als absoluter Glücksgriff erwiesen.

Die besten des turbulenten WSBK-Samstags

Nebst den drei Männern auf dem Podium und Yamaha Ass Johnny Rea gehört nebst dessem ehemaligen Kawasaki-Teamkollegen Alex Lowes mit P5 vor allem Remy Gardner als Vierter zu den Besten des ersten Laufs am Samstag. Der Moto2 Weltmeister von 2021 und von KTM nach nur einer MotoGP Saison viel zu früh fallen gelassene Australier beweist in seiner zweiten WorldSBK Saison, was wir bereits vor dem ersten Rennen behauptet hatten. Wer sich auf demselben Material wie Jonathan Rea rundenlang behaupten kann und am Ende mit Rang 4 das Podest nur um eine Position verpasst, der gehört definitiv zu den weltbesten aller Superbike Piloten. Dies haben die Leute, welche hinter Rea in die Top-Ten fuhren, schon seit einiger Zeit bewiesen. Der siebtplatzierte Lokalmatador „Magic“ Michael van der Mark gewann wie sein BMW Markenkollege Scott Redding (P8) bereits mehrmals und auch der Neunte Axel Bassani (KRT Kawasaki) stand zumindest in seiner Ducati Zeit schon mehrmals auf dem Podium. Das Team von Xavi Vierge dürfte sich über dessen zehnten Platz besonders freuen, musste doch dessen schneller Team-Kollege Iker Lecuona aufgrund einer Sturzverletzung im FP3 ein weiteres Mal in der noch jungen Saison aussetzen. Vor allem stand HRC Honda in den ersten beiden Runden auf verlorenem Posten und damit wirkt Vierges Resultat für diese Mannschaft wie Balsam auf deren Wunden.

Tarran Mackenzie (PETRONAS MIE Racing Honda) der Überraschungssieger in der WorldSSP vom 30. Juli 2023 in Most (Tschechien) auf dem Weg zur WSBK Startaufstellung. Mit Rang 14 vor Bradley Ray (Yamaha Motoxracing WorldSBK Team) liess der Brite einige klanghafte Namen wie Garret Gerloff, Philipp Oettl und Sam Lowes hinter sich (© MIE Honda).
Das Layout der sehr anforderungsreichen Rennstrecke von Assen, was durch die schwierigen Bedingungen am Samstag von den Piloten das Letzte abverlangte. Vor allem war es im Rennen der WorldSBK anfänglich nur teilweise und damit lediglich in den ersten 4 Kurven nass. Bei derartigen Bedingungen im Grenzbereich fahren zu müssen, war hart an der Grenze des Zumutbaren für die Protagonisten der seriennahen WM.

Die Verlierer des Assen-Auftakts

Nebst dem gestürzten Andrea Iannone, den mit technischen Problemen ausgefallenen Michael Ruben Rinaldi und Tito Rabat sind dabei zuerst Piloten wie Garrett Gerloff (BMW), Philipp Oettl (Yamaha) und Sam Lowes (Ducati) zu nennen. Letztere beide waren jedoch zum Reifenwechsel an der Box. Der Texaner Gerloff hatte ähnlich wie Domi Aegerter und Oettl eine sehr ungünstige Startposition, konnte sich aber nicht wie der Schweizer weiter nach vorne arbeiten, der wenigstens als Dreizehnter noch 3 Punkte nach Hause holte. Dies alles ist aber nichts gegen Rang 11 des von Startplatz 2 ins Rennen gegangenen Nicolo Bulega. Der WM-Leader war innert einer Runde auf Position 12 zurückgefallen und konnte sich am Ende nur um einen Platz verbessern. Womöglich hat sein schlechtes Resultat auch damit zu tun, dass der knapp 25 Jahre junge Italiener erstmals eine Weltmeisterschafts-Runde auf einer Strecke erlebt, in welcher er als Rookie auf dem Superbike davor nie testen konnte. Mit nur noch einem Punkt vor Toprak und Bautista dürfte er die Führung im Zwischenklassement womöglich bereits am Sonntag verlieren. In diesem Fall käme dem Italiener natürlich zugute, dass die vierte Runde auf seiner Heimstrecke in Misano ausgetragen wird. Vor heimischem Publikum auf einer Rennstrecke die er wie seine Hosentasche kennt, ist mit dem ehemaligen Schützling von Valentino Rossi jedenfalls wieder ernsthaft zu rechnen.

Ein fassungsloser Andrea Iannone (GoEleven Ducati) im Kiesbett. Nach einer Runde noch auf P2 liegend, ging es für den ehemaligen MotoGP Star jeden Umgang jeweils eine Position nach hinten, als im sechsten Umlauf ein Crash sein Rennen vorzeitig beendete.
Durch die grenzwertigen Verhältnisse entstand ein Resultat, welches man in der WorldSBK in den letzten Jahren höchst selten sah. Ein Ersatzfahrer als Rookie gewann vor sämtlichen arrivierten Piloten, wobei er nur wenige Runden nach vorzeitigem Abbruch wohl von den besten 6 bis 8 noch abgefangen worden wäre.

Wiederholung der Geschichte in der WorldSSP

Auch in der mittleren Klasse entschied ein Reifenpoker das Rennen. Gleich in der ersten Runde hatte der Finne Niki Tuuli riesiges Glück, nach seinem Crash zwischen Kurve 1 und 2 nicht angefahren zu werden. Die analog der WSBK bei anfänglich sehr nassen Bedingungen vemeintlich mit idealen Reifen bestückten Piloten gingen früh in Führung. Die beiden Australier Edwards und Power, sowie der Franzose Debise und das ehemalige Moto3 Ass John McPhee (Schottland) spielten dabei auf ihren Regenreifen die klaren Vorteile gegenüber den mit Slick bereiften Piloten aus. Aber dann änderten sich die Bedingungen wie davor in der Superbike Klasse und die Strecke trocknete immer mehr ab. Damit arbeitete sich vor allem Ducati Werkspilot Huertas sukzessive nach vorne, um letztlich diesen ersten Lauf überlegen zu gewinnen. Manzi konnte Valentin Debise noch knapp abfangen, während Lokalmatador Van Straalen das Podium nur um 111 Tausendstel hinter dem Franzosen verpasste. Tom Edwards als Fünfter und Luke Power mit P10 hielten sich immerhin noch in den Top-Ten schadlos.

Nach dem Start der WSSP lag Marcel Schrötter (MV Agusta mit der Nummer 23 in Bildmitte) noch auf P2, wonach ihm Kurve 7 gleich in der ersten Runde zum Verhängnis wurde. Der Deutsche kämpfte sich danach noch bis auf Rang 12 nach vorne, was ihm wichtige 4 Punkte einbrachte. Für am Sonntag sind die Ziele aber natürlich wesentlich höher gesteckt.
Noch schlechter als Marcel Schrötter ging es Yari Montella (Barni Ducati), dem ein technisches Problem sogar den Start verunmöglichte, womit er nun punktgleich mit dem Deutschen auf dem zweiten Zwischen-Rang der Weltmeisterschaft liegt, 10 Punkte vor Sieger Huertas und nur 9 hinter Manzi.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).