H. P. Müller (links im Bild) als zweifacher Hockenheim-Sieger, mit zusätzlich einem zweiten Platz am selben Wochenende als Zugabe. Bei der Siegerehrung mit Minister Veith und dem 250 cm³ Saugmotor-Kategorien-Gewinner Hermann Gablenz.

Die erste 125 cm³ Saison des vormaligen 500-er Piloten

Durch die Nachwirkungen des 2. Weltkriegs herrschte in Deutschland in den ersten Jahren des Rennsports ab 1947 eine ähnliche Situation wie in der DDR. Vieles war Mangelware und die Fahrer mussten improvisieren was das Zeug hielt. Hermann Paul Müller hatte nach zwei Titeln in der Deutschen Meisterschaft bis 250 cm³ im Jahr 1949 herbe Rückschläge hinnehmen müssen. Viel zu oft war er mit seiner selbst aufgebauten Vorkriegs-DKW mit Ladepumpe (Kompressor) technischen Problemen ausgeschieden. Doch auf die Saison 1950 wurde alles besser. Für DKW trat der Bielefelder zusätzlich sogar zum ersten Mal auch in die 125-er Klasse an, zudem in der angestammten Kategorie bis 250 cm³ in der Kompressor-Wertung. Es gab damals eine Saugmotoren-Kategorie und in denselben Rennen traten auch die wesentlich stärkeren aufgeladenen Motoren an, wurden aber separat gewertet. Damit nicht genug fuhr das Multitalent zusätzlich sogar noch bei den 350-ern mit. Die Basis dafür war, dass er als „semi-Werksfahrer“ mit Motorrädern antreten konnte, welche vom DKW-Werk betreut und vorbereitet wurden.

Seit den 1930-er Jahren ein gewohntes Bild, das im Vorjahr selten geworden war. H. P. Müller mit dem Siegerkranz, hier nach dem Eilenriede-Rennen im Stadtpark von Hannover 1950.

Das unglaubliche Wochenende auf dem Hockenheimring

Was H. P. Müller in Hockenheim 1950 leistete, kann man heute nur noch schwer nachvollziehen. Zuerst gewann er das 125 cm³ Rennen zum Mai-Pokal, kurz danach triumphierte der 40-jährige auch bei den 250-er Kompressor-Maschinen. Am Ende setzte Müller in der 350 cm³ Klasse mit Platz 2 hinter Heiner Fleischmann (NSU) und vor DKW-Markenkollege Siegfried Wünsche. Zwei Siege und ein zweiter Platz in 3 kurz aufeinanderfolgenden Rennen, diese Leistung beeindruckte sowohl das Publikum wie auch die Fachpresse von damals aufs Tiefste. Ganz im Stil des Jahres 1948 legte Müller beim Eifelrennen auf dem Nürburgring gleich nach. Im nur über 3 Runden führenden 125-er Rennen zog der Bielefelder gleich nach dem Start weg und liess seinen Gegnern keine Chance. Am Ende siegte er hoch überlegen und womöglich wären es an diesem Wochenende ebenfalls mehrere Triumphe geworden. Doch aufgrund des engeren Zeitplans als auf dem Hockenheimring musste Müller sich diesmal für nur eine Klasse entscheiden.

H, P. Müller auf seiner Siegesfahrt beim Eifelrennen auf dem Nürburgring in der 125 cm³ Klasse. Für den ehemaligen 500 cm³ Piloten musste es eine Erfahrung sein, als wäre ein heutiger MotoGP Fahrer plötzlich auf einer Moto3 Maschine unterwegs.

Erfolgreiche Rückkehr in die absolute Spitze – zumindest national
Nach zwei Titeln in der Deutschen 250 cm³ Meisterschaft war H. P. wieder ganz oben angekommen. Eigentlich hätte nur die Teilnahme an der Weltmeisterschaft gefehlt, um auch dort für Furore zu sorgen. Doch aus heute nur schwer nachvollziehbaren Gründen wurde erst im Lauf der Saison 1950 der deutsche Verband wieder im internationalen Rennsport aufgenommen. Damit war der Wieder-Einstieg auf europäischer Ebene aber noch nicht geebnet. Und Müller tat genau das, was ein Vollblut-Rennfahrer in seiner Situation tun musste. Nach einer komplett missratenen Saison 1949 fuhr er, als ginge es um sein Leben. Zum ersten Mal in seiner Karriere trat er im selben Jahr gleich in mehreren Kategorien gleichzeitig an. Viel überzeugender als er dies tat, konnte man es wohl auch nicht. Der Bielefelder gewann 1950 mehr als ein dutzend Rennen in 3 verschiedenen Klassen.

H. P. Müller – ein Phänomen des Rennsports. Selbst eine fast 10-jährige kriegsbedingte Pause konnte ihn nicht bremsen. Selbst mit einfachsten Mitteln war der mittlerweile 40-jährige Vollblut-Rennfahrer nicht zu stoppen.

Der 3. Meisterschafts-Titel Müllers der Nachkriegsjahre

Die Leistung des Altmeisters im Jahr 1950 war schlicht phänomenal. Hermann Paul Müller trat zum ersten Mal in seiner Karriere in der 125 cm³ Klasse zur deutschen Meisterschaft an und gewann diese gleich auf Anhieb. Darüber hinaus holte er bei den 250-ern Rang 6 im Gesamtklassement mit Siegen am Mai-Pokalrennen auf dem Hockenheimring und am Tübinger Stadtring-Rennen. Auch in der 350 cm³ Klasse war er siegreich, holte sich mit seinem Triumph in dieser Kategorie am Tübinger Stadtring-Rennen sogar einen Doppelsieg. Mit 10 Punkten lag Müller zum Saisonende auf Rang 7 im Endklassement der deutschen Meisterschaft. Es war nach der katastrophalen Saison 1949 ein Comeback der Sonderklasse von H. P. und er sollte damit noch nicht auf seinem Zenit angekommen sein.

Nach einer schwierigen Saison 1949 gab es für Hermann Paul Müller im Jahr darauf wieder ausgesprochen viel Grund zur Fröhlichkeit.

Der 3. Meisterschafts-Titel Müllers der Nachkriegsjahre

Nebst seinem dritten Titel in der deutschen Meisterschaft war vor allem auch die Siegesbilanz von Hermann Paul in der Saison 1950 mehr als überzeugend. Vor allem hatte er gleich mehrere Male gleichzeitig sogar in verschiedenen Kategorien gewonnen. Am Ende war ihm der 125 cm³ Meister-Titel nicht mehr zu nehmen. Es war bereits der 3. in der deutschen Meisterschaft und zum ersten Mal derjenige in der kleinsten Klasse.

Die zweite 125 cm³ Weltmeisterschaft 1950 – ohne deutsche Beteiligung

Ohne deutsche Beteiligung war die „Weltmeisterschaft“ von 1949 bis 1951 eher eine italienisch- englische Meisterschaft mit einigen Piloten anderer Länder. Es dominierte in der Saison 1950 die Marke FB-Mondial, mit den Speerspitzen Bruno Ruffo, Gianni Leoni und Carlo Ubbiali (siehe auch unter History auf unserer Seite). Die kleinen Viertakt-Einzylinder von der Firma der Fratelli Boselli (für FB) aus Manerbio in der Lombardei beherrschten in diesem Jahr die GP-Szene der kleinsten Klasse komplett. Die ebenfalls aus Italien stammenden Konkurrenten Morini und MV-Agusta hatten in dieser Saison gegen die Mondial 125 keine Chance. Erst ab 1952 sollten deutsche Fahrer wieder startberechtigt sein und danach sollte es bis zu deren Dominanz in mittleren Klassen nicht mehr lange dauern.

Mit nur 3 Runden war die 125 cm³ Weltmeisterschaft von 1950 eine äußerst überschaubare Geschichte. Durch die Absenz der damals noch nicht startberechtigten Spitzenfahrer aus Deutschland war der sportliche Wert eines WM-Titels eine daher eher fragwürdige Auszeichnung. Bis 1939 hatten viele auch 1950 noch aktive deutschen Fahrer in der Europameisterschaft die Szene zum Teil dominiert oder zumindest an der Spitze mitgewirkt. Es sollte noch 2 Jahre dauern, bis sie ab 1952 wieder international mitwirken durften, während Österreicher bereits ab 1951 wieder mit dabei waren.
Im Jahr 1950 war bei nationalen Rennen ein junger Mann namens Rupert Hollaus (hier im Bild auf seiner Moto-Guzzi) aktiv, dessen Wege mit Müller sich wenige Jahre später noch öfters kreuzen sollten.

Teil 7: http://www.motoracers.eu/h-p-mueller-teil-7/