Ein Rennen ohne Zuschauer auf dem Circuito do Estoril, aber eines das wie Aragon fast alles bot, was dieser Sport an Spannung und Dramatik zu bieten hat und es gab wie schon beim Saisonauftakt zahlreiche Überraschungen.

Übermächtiger Rea – fast alle Gegner kämpfen mit Rückschlägen

Wie der amtierende Weltmeister nach seinem zweiten Sieg am Sonntag beteuert hatte, war er noch am Freitagabend überzeugt gewesen, in Estoril reine Schadensbegrenzung zu betreiben. Nachdem er beim ersten Rennen am Samstag mit dem härteren SC0-Reifen keine Chance gehabt hatte, Redding einzufangen und Toprak zu überholen, hätte auch kaum ein Betrachter auf das Kawasaki Ass für am Sonntag gewettet. Erst recht nicht, als klar wurde, dass er sogar im Sprintrennen am Morgen mit dem normalen Rennreifen ausrückte. Die beiden waren auf dem weicheren SCX-Reifen bereits im 1. Rennen unterwegs gewesen und setzten natürlich auch im Superpole Race auf diese Hinterreifen. Was am Sonntagmorgen folgte, war jedoch eine Demonstration des WM-Leaders, welche nicht mal er selbst davor erwartet hatte.

Jonathan Rea zum Superpole Race:Die Rennnen sind nie einfach, aber es hat Spaß gemacht, Ein großes Lob an Pirelli, weil der SC0-Reifen offensichtlich in einem ziemlich breiten Bereich funktioniert, und auch ein großes Lob an meine Crew, weil sie das ganze Wochenende über erstaunliche Entscheidungen getroffen haben. Ein Podium nun sogar den ersten Sieg in Estoril zu holen, das bedeutet mir wirklich viel. Natürlich ist es unglaublich, dass ich damit endlich mein erstes Rennen in Estoril gewann. Dies ist auch für das zweite Rennen sehr wichtig. Aber besonders wichtig ist mir an dieser Stelle zu betonen, dass seine Gedanken im Moment bei Jason Dupasquier sind und dessen Familie. Besonders freuen kann ich mich vor diesem Hintergrund im Moment nicht, auch wenn ich meinem Team dankbar bin, was für ein tolles Bike sie mir zur Verfügung gestellt haben.

Jonathan Rea (Kawasaki) vor Eugene Laverty (BMW), Alex Lowes (Kawasaki) und Chaz Davies (Ducati) war sich vor dem Wochenende bereits bewusst – dass ihn nach dem für seine Verhältnisse desaströsen Wochenende im Vorjahr keine leichte Aufgabe erwartete.

Der Sieger des Rennens vom Samstag nach dem Superpole-Race am Sonntagmorgen, Scott Redding:Ich muss gestehen, dass es mich sehr verwirrt, weil Johnny Rea mit dem normalen Rennreifen über 10 Runden derart schnell war. Es sieht ganz danach aus, als hat Kawasaki einen Extra-Grip gefunden, welcher sie fast unschlagbar macht. Nach einem solchen Rennen fehlen mir vorerst fast die Worte und sie sind natürlich deshalb die absoluten Favoriten für das Rennen am Nachmittag.

Dies sagte ausgerechnet der Mann, welcher am Tag zuvor noch das erste Rennen souverän gewonnen hatte. Toprak Razgatlioglu gab zu, dass der WM-Leader diesmal sehr stark war und es für ihn einfach nicht reichte, weil er gegen Ende auch Drop bei seinem SCX-Reifen hatte. Für den Ducati Piloten sollte jedoch im zweiten Lauf am Sonntag alles noch viel schlimmer kommen, als im Sprintrennen nur ein paar wenige Punkte zu verlieren. Sein Rückstand auf den WM-Leader war mit 13 Punkten nach dem Superpole-Race noch durchaus überschaubar. Schlimmer sah es hingegen eher für Honda aus, weil keiner der beiden Fahrer am Morgen Punkte geholt hatte. Genauso für BMW Neuzugang Michael van der Mark und auch seinen Markenkollegen Jonas Folger, welche die Ränge 13 und 18 zu verdauen hatten.

Eine der positivsten Überraschung nach seinem punktelosen Saisonauftakt war in Portugal definitiv Eugene Laverty (BMW), der am Samstag bis zu seinem Sturz bereits stark unterwegs gewesen war und am Sonntagmorgen direkt hinter seinem letztjährigen Werksteam-Kollegen Tom Sykes auf P8 ins Ziel kam.

Dramatik ohne Ende im letzten Rennen am Sonntag
Redding und Toprak hatten einen Fehlstart gehabt, wie wir auch sofort in unserem Live-Blog am Sonntag festhielten. Interessant dabei war, dass die FIM-Kommissare bis nach dem Rennen brauchten, um dies auch beim Engländer festzustellen. Den Türken hingegen bestraften sie während des Rennens mit einem Long-Lap Penalty, wonach er sich mit dem Messer zwischen den Zähnen wieder bis auf P3 zurückkämpfte. An der Spitze kam es derweil zum ersten echten Duell des Jahres zwischen dem amtierenden Champion und seinem stärksten Herausforderer und Vize-Weltmeister von 2020, Scott Redding. Der Ducati Pilot hätte eigentlich das Rennen gewinnen müssen, weil sein neuer Teamkollege Michael Ruben Rinaldi den Kawasaki Piloten unsanft beinahe von der Strecke bugsierte. Dieser verlor daraufhin mehrere Positionen und musste sich von P6 wieder zurückkämpfen.

Jonathan Rea (Kawasaki ZX-10RR) und seine Crew kurz vor dem Start – wie in Aragon Gerloff brachte ihn im zweiten Rennen mit Rinaldi beinahe ein anderer Fahrer zu Sturz und er verlor damit mehrere Positionen. Wie er sich danach wieder zurückkämpfte, war schlicht sensationell.

Der Zweikampf der beiden WSBK-Titanen mit einem klaren Sieger
Was viele sich kaum vorstellen konnten, wurde wahr und der WM-Leader holte immer mehr auf den an der Spitze liegenden Ducati Piloten auf. Wir notierten bereits in unserem Live-Blog, dass er nun zuerst einmal auf einen Fehler des Rivalen warten dürfte und ihn vorerst womöglich nur ein wenig unter Druck setzen werde. Genau dies tat er zunächst auch und beim zweiten Mal auf Start Ziel entschied er sich dazu, Redding nicht nur sein Vorderrad zu zeigen, sondern vor Kurve 1 an ihm vorbeizugehen. Die Ducati Hoffnung kämpfte sich kurz zurück, wurde aber von Rea bei nächster Gelegenheit wieder geschnappt. Unmittelbar danach passierte es und die Ducati Hoffnung machte seinen ersten fatalen Fehler der Saison und stürzte sieben Runden vor Schluss in Turn 4, womit der Zweikampf dieser beiden eindeutig entschieden war und Rea einem sicheren Sieg entgegenfuhr. Scott stieg danach wieder auf und fuhr noch auf P14, aber die Punkte wurden ihm später aufgrund einer Bestrafung durch seinen Jump-Start aberkannt. Hinter Davies war Toprak der lachende Dritte und trotz zwei Long-Lap Penaltys holte er sich das dritte Podium dieses Wochenendes und ist damit WM-Zweiter, 3 Punkte vor Redding aber bereits 35 hinter Rea.

Johnny Rea (Kawasaki ZX-10RR) nach seinem Sensationssieg – was Jack Miller, Fabio Quartararo und Toprak können, kann er schon lange. Ein wunderbares „Stoppie“ des 6-fachen Rekordweltmeisters und bereits 103-fachen Siegers der Superbike WM.

Jonathan Rea nach seinem Doppelsieg am Sonntag und dem Gesamtsieg in Estoril: Es war alles andere als einfach, aber Rennen zwei hat Spaß gemacht, um ehrlich zu sein. Ich hatte einen heftigen Moment mit Rinaldi in Kurve 4 und fiel ein wenig zurück, als Laverty mit guter Pace daherkam. Anfänglich dachte ich, dass ich etwas in Schwierigkeiten sei, weil der Großteil der Starter den SCX-Reifen hatte. Wir aber entschieden uns für den etwas härteren SC0. Ich habe trotzdem daran geglaubt, mitkämpfen zu können. Nach etwa vier Runden war ich noch wenig überzeugt. Aber als ich ein bisschen freie Bahn hatte, konnte ich erkennen, dass Toprak und Chaz nicht wegfahren. Dann bekam Toprak plötzlich einen Penalty und das war wie ein Freipass für die Jagd nach vorne. Er ist schwer zu überholen, besonders in Estoril. Scott war in einem wirklich soliden Rhythmus, aber ich habe ihn in den Sektoren zwei, drei und vier eingeholt. Nur im ersten Sektor hatte ich leichte Probleme. Schritt für Schritt kam ich ihm näher und war ziemlich froh, bald im Windschatten bleiben zu können. Ich konnte spüren, wie Scott versuchte, in Kurve nochmals zu kontern, als ich schon vorne lag. Danach sah ich auf meinem Pitboard, dass er draußen war. Schade für ihn, aber es hat mir etwas Luft zum Atmen verschafft und ich konnte mich auf mein Rennen konzentrieren. Bei Rundenzeiten von 1’37 Minuten zu bleiben, war ziemlich hart, weil die Streckentemperatur extrem hoch war. Ein großes Lob an Pirelli, weil der SC0-Reifen offensichtlich in einem ziemlich breiten Bereich funktioniert. Natürlich auch ein dickes Lob auch an meine Crew. Ein Podium und zwei Siege zu holen, bedeutet, dass es ein unglaubliches Wochenende war.

Der entscheidende Moment, als Redding kurz davor einen Fehler gemacht hatte und sich danach mit seiner Aruba.it Ducati im Kiesbett wiederfand. Solche Fehler darf man sich im Kampf mit Jonathan Rea in der Regel nicht erlauben, will man mit ihm um den Titel kämpfen.

Alex Lowes nach einem starken Sonntag (am Samstag hatte er seinen ersten Sturz der Saison zu verkraften): Wir haben uns am zweiten Tag gut erholt, aber das Superpole-Rennen war unglaublich hart. Vom zehnten Startplatz aus gestartet und die erste Kurve ist so eng, dass es schwierig ist, viele Plätze gutzumachen. Der Start aus der vierten Reihe war eine Hypothek, aber ich habe mich trotzdem hinter die Spitzengruppe und Rinaldi vorgekämpft. Zwar fühlte ich mich ein bisschen schneller als er, aber ich konnte ihn nirgendwo auf der Strecke überholen. Beim zweiten Rennen hatte ich zwar einen Start aus der zweiten Reihe, aber auch das war schwierig. Unter den heißeren Bedingungen habe ich den SCO-Reifen nicht so gut gemanagt wie Jonathan. Im letzten Teil des Rennens, als Razgatlioglu mich wieder überholte, dachte ich, ich bin nicht schnell genug, um heute bei ihm zu bleiben. Diesmal wollte ich lieber schlau sein und ein paar weitere Punkte holen. Es waren zwei ziemlich gute Sonntagsrennen, viele Informationen und viel besser als wir es letztes Jahr hier geschafft haben.

Alex Lowes (Kawasaki) vor Yamaha Werkspilot Andrea Locatelli – im Gegensatz zum Italiener wurde Lowes von ahnungslosen Journalisten für eine angeblich schlechte Leistung in Estoril kritisiert. Dabei hatte er trotz Sturz am Samstag nicht weniger Punkte als „Loca“ geholt und hat im Gegensatz zu diesem bereits drei Podestplätze auf dem Konto. Zudem ist er WM-Vierter, nur 10 Punkte hinter Redding, gar nicht so schlecht!

Die wenigen Gewinner und vielen Verlierer nach den ersten 2 Runden

Nebst Jonathan Rea, Toprak Razgatlioglu und Alex Lowes gab es nur wenige, die mit dem Wochenende in Portugal wirklich zufrieden sein konnten. Sie waren die drei besten am Sonntag, auch wenn dies nicht alle Schreiberlinge so wahrhaben wollten. Redding gehört als Herausforderer im Titelkampf nach nur 32 Punkten in Estoril gegenüber 53 von Rea natürlich zu den Verlierern. Genauso HRC Honda mit einem starken Einbruch gegenüber einem starken Resultat im Vorjahr an selber Stätte. Aber auch BMW blieb mit einem sechsten Rang von „Magic Michael“ als Bestresultat unter den Erwartungen. Nach zwei vierten Plätzen in den ersten beiden Rennen patzte Garrett Gerloff wie in Aragon erneut im letzten Rennen des Wochenendes und sein Nuller ist nicht der einzige Ärger für den US-Boy. Er muss im ersten Rennen von Misano zur Strafe für seinen Abschuss von Rinaldi aus der Boxengasse starten und kann froh sein, so noch in die Top Ten zu kommen.

Garrett Gerloff (GRT Yamaha) war nach zwei starken vierten Plätzen mal wieder der Crashpilot vom Dienst und trotzdem liegt er noch vor sämtlichen Honda und BMW Fahrern. Auch sein Markenkollege Andrea Locatelli liegt in der WM mit P9 deutlich hinter ihm, was für einen Fahrer des Werksteams nicht leicht zu verdauen ist, sonst hätte nämlich der Texaner dessen Platz verdient.

Schaffen Honda und BMW den notwendigen Schritt?
Dies scheint die wichtigste Frage vor der Runde in Misano zu sein, weil eigentlich kann es fast nur aufwärtsgehen. BMW hat mit der M-1000RR eigens ein neues Modell aufgelegt und mit Michael van der Mark einen zweiten Podiums-Kandidaten für das Werksteam verpflichtet. Nun müssen genauso wie bei Honda auch die notwendigen Resultate her. Ansonsten müssen sich die Blau-Weißen den Vorwurf gefallen lassen, ihren Werkseinsatz nur halbherzig zu betreiben. Bereits deren Testverzicht im letzten Jahr bei den November-Tests hatte für Verwunderung gesorgt und diese Saison waren sie dazu noch die letzten, welche auf der Rennstrecke gingen. Ebenfalls unter Druck stehen die beiden jungen Werksfahrer von Ducati und Yamaha. Sowohl Locatelli wie auch Rinaldi haben je einen Privatfahrer derselben Marke für welche sie antreten in der WM deutlich vor sich. Deshalb muss für Misano eine deutliche Steigerung her, ansonsten gehören die beiden ins B-Team.

Alvaro Bautista (HRC Honda) war am Freitag dreimal gestürzt – trotzdem schaffte er es in sämtlichen 3 Rennen danach in die Top Ten. Dies war besser als in Aragon, aber schlechter als im Oktober 2020 in Estoril beim ersten Mal mit der neuen CBR-1000RR-R SP Fireblade.

Tom Sykes (BMW) nach dem Sonntag:Das Motorrad war viel besser als am Samstag. Wir hatten eine kleine Änderung vorgenommen und eine deutliche Verbesserung am Motorrad gespürt. Aber trotzdem strauchelte ich im Rennen und es ist eine Schande, wenn man derart Positionen verliert. Aus welchen Gründen auch immer, aber derzeit verlieren wir zu viel an Boden gegenüber einigen anderen Fahrern. Die BMW M-1000RR ist in einigen Streckenabschnitten sicherlich stark und wir verstehen auch weshalb. Leider bin ich hinter einigen anderen Fahrern stecken geblieben und das hat ein Problem mit dem Bremssystem ausgelöst. Als ich wieder eine freie Strecke hatte, konnte ich mehr Tempo aufnehmen und hatte einen viel besseren Rhythmus gefunden. Natürlich bin ich mit dem Ergebnis nicht zufrieden, aber wenn man bedenkt, wo wir im ersten Rennen waren, ist es trotzdem eine große Verbesserung. Wir haben an diesem Sonntag in Estoril definitiv viel gelernt und müssen uns jetzt weiter verbessern.

Tom Sykes (BMW M-1000RR) vor dem Start – nach zwei top sechs Resultaten in Aragon war das beste Ergebnis der Mannes aus Huddersfield im Superpole Race Rang 7, was jedoch nur 3 Punkte einbrachte. Scott Redding hat trotz eines Sturzes in 6 Rennen bereits doppelt so viele Punkte.

Das Resultat der beiden Sonntagsrennen

Der Stand in der Weltmeisterschaft mit vielen Überraschungen

Zu den wichtigsten-Erkenntnissen nach der WSBK Runde in Estoril gehört auch die Tatsache, dass Fahrer wie Jonas Folger trotz im Gegensatz zu zahlreichen Konkurrenten angeblich guter Saisonvorbereitung extrem Mühe haben. Bei Eugene Laverty mit nur einem Test vor Saisonbeginn hätte man dies noch erwarten können. Aber die anderen BMW Piloten tönten nach den ersten beiden Tests durchaus zuversichtlich. Der Katzenjammer begann erst, nachdem die Saison gestartet wurde. Beim Deutschen sieht es ganz danach aus, als habe er mit BMW trotz anderslautender Lippenbekenntnisse kurz vor den ersten Rennen keinen Goldgriff getan. In der WM mit 8 Punkten nach 6 Rennen gleicht einem veritablen Desaster. Ähnlich Tito Rabat, der nur 5 Zähler mehr als der Deutsche auf dem Konto hat, aber damit immerhin in Portugal eine steigende Tendenz gegenüber Aragon aufwies.

Position 16 bei Scott Redding ist in Rotschrift, weil es die Folge einer Bestrafung nach einem Jump-Start war, wodurch er von Platz 14 um zwei Ränge nach hinten gerutscht ist und im 2. Rennen am Sonntag keine Punkte holte.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK, BMW, HRC Honda und Kawasaki Racing).