Jonathan Rea auf Repsol Honda in der MotoGP – die ist keine Fotomontage! Wäre der Nord-Ire nicht für viele Jahre seinem Arbeitgeber ab 2015 treu geblieben, hätte es bestimmt zum Zweikampf mit Marc Marquez in der Königsklasse der Prototypen kommen können. Kawasaki betrieb jedoch ihr Engagement in dieser Serie bei weitem nicht mit demselben Engagement wie in der WorldSBK. Weil Rea auf Honda in der WorldSBK jahrelang auf unterlegenem Material unterwegs war, entschied er sich letztlich jedoch für einen Wechsel. Ab dann startete er ähnlich durch wie Marc Marquez direkt nach seinem Einstieg in die MotoGP.

Marc Marquez und Jonathan Rea – die Unbeugsamen

Auch wenn die beiden Ausnahmetalente in ihren Klassen über viele Jahre beinahe unschlagbar waren, es gibt nebst zahlreichen Parallelen zwischen ihnen auch deutliche Unterschiede. Einige Gemeinsamkeiten springen einem jedoch bei eingehender Betrachtung sofort ins Auge. Sofort nach ihrem Einstieg in die höchste Kategorie ihrer Serie beeindruckten sie enorm durch ihre Kampfkraft und die Fähigkeit, selbst harte Rückschläge in erstaunlicher Manier umgehend wegzustecken. Vom Spanier ist allgemein bekannt, dass er einer der Piloten mit den meisten Stürzen pro Saison ist. Leider musste er auch zu Saisonbeginn 2023 dafür Tribut zollen und verpasste dadurch die ersten beiden Grand Prix des noch jungen Jahres. Genau wie Johnny Rea ab 2019 kämpft er zudem seit einigen Jahren mit unterlegenem Material.

Der fatale Crash von Marc Marquez (Repsol Honda) im ersten Rennen von Jerez de la Frontera in der Saison 2020 – ein Sturz, der mit seinen Folgen für seine Karriere eine empfindliche Wende einläuten sollte. Nach seiner Rückkehr in Portimão im Jahr danach war nichts mehr wie davor. Die Zeit seiner Dominanz scheint trotz einiger Siege seither abgelaufen und der Katalane musste immer wieder den Tribut für neue Stürze zahlen, die ihn wieder zurückwarfen. So auch zu Beginn der Saison 2023, obwohl es mit einem dritten Rang im ersten Tissot-Sprintrennen der Geschichte anfänglich sehr gut aussah.

Die überragenden Erfolge und ihre Ursachen

Weil beide im Rennen nur den Sieg im Kopf haben und sich mit einem Podestplatz nicht zufriedengeben wollen, mündet diese Konstellation oft in Stürzen, was beim Nord-Iren von 2015 bis 2020 jedoch eher selten passierte. Betrachtet man jedoch dessen erste Jahre ab 2010 auf Honda, sieht es gar nicht viel anders als bei Marquez ab 2020 aus. Immer wieder musste Johnny Rea zu Beginn seiner WorldSBK Karriere mit teils ernsthaften Verletzungen pausieren. Um zu gewinnen, musste er damals enorme Risiken eingehen, weil seine Honda CBR-1000RR der Konkurrenz viel zu oft deutlich unterlegen war. Aber genau wie der Spanier ist er ein Pilot, der selbst an schlechten Tagen das Maximum aus seiner Maschine holen kann.

Jonathan Rea (Ten Kate Honda) vor seinen Verfolgern, mit hinten der Nummer 22 seinem heutigen Teamkollegen Alex Lowes. Erst nach seinem Wechsel zu Kawasaki ging der Stern für den Fahrer mit, bis 2015 in seiner ersten Saison für die Grünen, der Nummer 65, erst richtig auf. Es folgte über 6 Jahre eine Serie mit unzähligen Siegen und jährlichem Titelgewinn, wie dies in der Neuzeit nur Marc Marquez gelang. Auch er schaffte 6 WM-Titel, wenn auch innert 7 Jahren, mit 2015 einem Unterbruch, als sich Jorge Lorenzo auf der Yamaha gegen ihn durchsetzen konnte.

Viele Handicaps und Rückschläge für beide Ausnahmepiloten

Wie Marquez auf der Honda seit seiner Rückkehr nach seiner Verletzungspause, kämpfte auch Rea ab demselben Jahr wieder mit unterlegenem Material. Für ihn sieht es seit 2021 mit der neuen Kawasaki ZX-10RR nicht viel anders aus, als für MM93. Dies bei Rea vor allem, weil die FIM auf recht hinterlistige Weise erst wenige Tage vor dem ersten Rennen deren Drehzahllimit mit sehr fragwürdiger Begründung auf ein absolutes Minimum kastriert hatte. Sämtliche Tests davor waren für den Nord-Iren, Kollege Alex Lowes und deren Team auf einen Schlag völlig wertlos geworden. Das Resultat davon waren diverse Stürze und der Verlust des WM-Titels an Toprak Razgatlioglu. Marquez hingegen musste sich infolge mangelnder Fitness und Konkurrenzfähigkeit seiner Honda bis über die Grenzen des Limits begeben, um eine echte Siegchance zu haben. Privat sehr zurückgezogen leben beide. Eskapaden wie bei „Playboy Jorge“ Lorenzo, der nach seinem Rücktritt mit Selfies vor Luxusfahrzeugen und am Pool mit Cocktail in der Hand, sind ihnen absolut fremd.

Der junge Marc, mit links im Bild Tito Rabat, als hoffnungsvoller Nachwuchsfahrer – genau wie Rea stammt der Katalane aus einfachen und bescheidenen Verhältnissen. Beide fuhren im Jahr 2008 ihre erste WM-Saison, Rea in der Supersport 600 Kategorie als Vizeweltmeister und Marquez als am Ende WM-13. in der 125 cm³ Weltmeisterschaft. Nach Rang 8 in der Saison 2009 folgte für den Spanier der erste Titel. Der Nord-Ire hingegen wechselte nach nur einem Jahr sofort in die höchste Kategorie und belegte auf Honda mit Rang 5 auf Anhieb einen Spitzenplatz in der WorldSBK, welchem ein 4. Platz folgen sollte.

Die grössten Stärken von Marquez und Rea

Nebst den bereits im Vorfeld erwähnten Vorzügen sticht bei beiden vor allem ihre Fähigkeit heraus, sich in kürzester Zeit von hinten durchs Feld zu pflügen. Bis 2018 war dies für den besten Superbike Fahrer aller Zeiten in der Regel jeden Sonntag, respektive beim zweiten Lauf auch notwendig. Erst 2019 wurde die für viele Beobachter fragwürdige Regelung nämlich aufgehoben, nach welcher die Startposition zum zweiten Rennen bis P9 in umgekehrter Reihenfolge des Resultats aus Lauf 1 erfolgte. Eine weitere Qualität der 2 Ausnahmekönner ist deren Fähigkeit, innert nur weniger Runden jeweils sofort eine Topzeit hinzulegen. Vielleicht am wichtigsten ist jedoch ihre Hartnäckigkeit im Zweikampf. Dass man auf diesem Weg nicht immer nur neue Freunde im Paddock gewinnt, liegt dabei in der Natur der Sache. Aber anders schafft man wohl keine 6 Weltmeistertitel in der höchsten Kategorie ihrer Serie, wie dies Marquez in der MotoGP und Rea in der WorldSBK gelang.

Die WM-Karriere von Marc Marquez bis 2022 in Zahlen

Mit 6 Weltmeistertiteln in der MotoGP innert 7 Jahren und davor je einem in der kleinsten und mittleren Kategorie gelang Marc Marquez eine unglaubliche Serie. In der Neuzeit schaffte nur Valentino Rossi (mit einem MotoGP Titel mehr, dies aber über einen wesentlich längeren Zeitraum) ein noch besseres Ergebnis.

Die WM-Karriere von Johnny Rea bis 2022 in Zahlen

Mit 6 Weltmeistertiteln in Folge und weit über 100 Rennsiegen bleibt der Nord-Ire vermutlich für alle Zeiten erfolgreichster Fahrer der seriennahen Königsklasse. Im Gegensatz zu Marquez kämpft er jedoch auch mit seiner Rückkehr zur Nummer 65 seit dem Titelverlust 2021 immer noch jedes Jahr um den Titel. Allerdings hatte Rea einen katastrophalen Start in die Saison 2023 zu beklagen. Bei der aktuellen Überlegenheit des amtierenden Weltmeisters Bautista (siehe dazu auch unseren Artikel „WorldSBK Europa Start“ auf dieser Seite: http://www.motoracers.eu/worldsbk-europa-start/ ) kämpft er voraussichtlich weiterhin mit stumpfen Waffen.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK oder © MotoGP).