Die MotoGP Saison 2019 – von wenig Spannung geprägt

Im Gegensatz zur MotoGP konnte sich 2019 zumindest niemand über mangelnde Spannung in der WSBK beschweren. Gegenüber dem Vorjahr hatte Seriensieger Jonathan Rea 2019 fast unmenschliche Hürden zu überwinden, bevor er sich letztlich souverän durchsetzte. Doch in der MotoGP drohte aufgrund der Dominanz von Marc Marquez im selben Jahr zumindest bezüglich dem Titelkampf schon nach kurzer Zeit gähnende Langeweile. Altmeister Valentino Rossi stürzte so oft wie seit seiner ersten Saison in der Königsklasse nicht mehr, als noch mit 500 cm³ Zweitakt Raketen gefahren wurde. Selbst Rossi tat sich im Jahr 2000 in seiner Rookie Saison schwer, in welcher er insgesamt 3 Crashes hinnehmen musste. Nach starkem Saisonbeginn kam Valentino letztes Jahr bei insgesamt 4 Rennen nicht ins Ziel, wobei nur der Crash in Barcelona nicht auf sein eigenes Konto ging. Während Teamkollege Maverick Viñales bereits schwach in die Saison startete, hatte auch Andrea Dovizioso (Ducati) nie die Konstanz, um Marquez im WM-Kampf ernsthaft herauszufordern. Auch Alex Rins (Suzuki) zeigte einige sehr starke Rennen. Doch zu viele Stürze und mangelnde Konstanz kosteten auch ihn die Chance, ein ernsthaftes Wörtchen um den WM-Titel mitzureden. Daher ging nach dem Sachsenring GP Marquez bereits mit deutlichem Vorsprung in die Sommerpause und baute danach die Führung laufend weiter aus. Insofern dürfen Kritiker durchaus davon reden, dass die MotoGP Saison 2019 als eine der langweiligsten in den letzten Jahren bezeichnet werden dürfte.

Maverick Viñales (Yamaha) vor Marc Marquez (Honda) beim GP von Australien in Phillip Island – kurz vor Schluss übertrieb er es im Kampf gegen Marquez und musste mit einem Nuller aus Australien abreisen (Bildquelle Monster Energy Yamaha).

Ein Vergleich mit 1968 – krasser geht es kaum

Der Titelkampf in der Saison 1968 um den Weltmeistertitel in der Kategorie bis 500 cm³, dem Vorläufer der heutigen MotoGP, fand im Prinzip gar nie ernsthaft statt. Auf der einen Seite gab es damals nur 10 WM Läufe, gegenüber 19 in der Saison 2019 und sogar deren 20 im Jahr 2020, in welchem die MotoGP einen neuen Höchstwert an Runden zu verzeichnen hat. Doch auf der anderen Seite spielte die Zahl der Runden kaum eine Rolle, weil nur ein und derselbe Fahrer nach jedem Rennen zuoberst auf dem Siegerpodest stand. Mit seiner MV Agusta war der Italiener Giacomo Agostini schlicht unschlagbar und gewann trotzdem nur mit einem Vorsprung von 48 zu 34 Punkten auf den Australier Jack Findlay (McIntyre-Matchless). Wie war das möglich?
Wenig Konkurrenz und Streichpunkte
Dafür gab es 2 Gründe, der eine davon ist das gegenüber heute komplett andere Reglement und dies insbesondere auch, weil es damals Streichpunkte gab. Eigentlich hatte Rekordweltmeister Agostini nämlich 80 Zähler auf seinem Konto, doch fast die Hälfte davon wurde gestrichen. Der andere Grund ist, dass beispielsweise beim Saisonfinale in Monza am 15. September 1968 gerade einmal 6 Fahrer im Ziel gewertet wurden. Übrigens hatte der Sieger Giacomo Agostini auf den zweitplatzierten Landsmann Renzo Pasolini (Benelli) im Ziel einen Vorsprung von 34.6 Sekunden. Knapp 5 Jahre später verlor Pasolini bei einem tragischen Massensturz zusammen mit dem Finnen Jarno Saarinen im 250 cm³ Rennen an selber Stätte sein Leben. Die Hauptschuld daran trug eine sture Rennleitung, welche das Rennen trotz zahlreicher Bedenken bezüglich der Sicherheit für die Fahrer freigab. Nebst Renzo Pasolini kostete dies mit Saarinen einem Fahrer das Leben, welcher auf dem Weg war, einer der erfolgreichsten Piloten seiner Zeit zu werden.

Die 3- und 4-Zylinder Rennmaschinen von MV Agusta sind heute bei Sammlern sehr beliebt – im Bild ein Exemplar am Rupert Hollaus Gedächtnisrennen im August 2019.

Haushoch überlegenes Material
Der wichtigste Faktor für die Dominanz des Italieners bei seinem 3. WM-Titel in Folge in der Königsklasse, dem noch 4 auf demselben Fabrikat ohne Unterbruch folgen sollten, war sein Material. Nach der Saison 1967 hatte sich Honda als einzig ernsthafter Konkurrent in der WM vom Rennsport zurückgezogen. Dadurch dominierten die Fahrer der italienischen Marke bis 1972 in der Königsklasse nach Belieben. Die mit völlig veralteten Zweizylindermotoren von Triumph und Norton ausgerüstete Konkurrenz hatte gegen die rund 85 PS starken 3-Zylinder DOHC Motoren von MV nicht den Hauch einer Chance.

Giacomo Agostini – auf MV Agusta über viele Jahre absolut unschlagbar.

Unglaubliche Abstände
Nimmt man das Resultat des vorletzten GP der Saison 1968 in Belfast als Beispiel, fand um den Sieg damals gar kein eigentlicher Kampf statt. Am 17. August 1968 gewann Agostini vor dem Engländer Rob Fitton auf Norton mit einem Vorsprung von 3:21.400 Minuten! Der dritte im Ziel, John Hartle (Metisse) lag bereits über dreieinhalb Minuten hinter dem Sieger zurück. Bei der viertletzten Runde auf dem Masaryk Ring in Brünn (damals eine Straßenrennstrecke) waren es unglaubliche 5:11.100 Minuten Vorsprung auf den Zweit klassierten Jack Findlay (Matchless) und über 15 Minuten auf dessen Markenkollegen Gyula Marsovszky aus der Schweiz. Damals wurden auch WM-Läufe auf der Isle of Man ausgetragen. Dort gewann „Ago Nazionale“ gar mit 8:29 Minuten Vorsprung auf Brian Ball (GBR, Seeley). Man muss sich das wohl so vorstellen, als würden die Gegner von Marquez auf Moto2 Maschinen antreten, im Vergleich zur heutigen Leistungsdichte in der MotoGP.

Die Wende – durch Yamaha und Suzuki

Eine MZ – mit Zweitakt-Spitzentechnik aus der damaligen DDR. Durch einen sogenannten „Republik-Flüchtling“ landeten Teile und Pläne von MZ in den früheren 60-er Jahren bei Suzuki. Darauf basierten die Erfolge der Japaner in den darauffolgenden Jahrzehnten.

Der Siegeszug der Zweitakt-Motoren
Während die Zweitakter in den unteren Klassen schon früh im Rennsport den Ton angaben, waren die Viertakt-Motoren in der Königsklasse seit jeher unangefochten. Erst ab 1973 wurde klar, dass die Zukunft den 2-Taktern gehören würde, als Yamaha mit der brandneuen OW 19 und dem Finnen Jarno Saarinen die ersten beiden WM Läufe der Saison gewann. Mit einer Bohrung und einem Hub von 54 mm und vier 34-mm-Vergasern entsprach der Motor im Prinzip einem doppelten TZ-250 cm³ Motor. Der per Membraneinlass gesteuerte und mit Mischungsschmierung versorgte Motor erreichte eine Leistung von 90 PS bei 10.000/min, das Leergewicht der kompletten Maschine lag bei 145 kg. Nachdem Saarinen beim GP von Monza tragisch verunfallt war, zog sich der japanische Hersteller für den Rest der Saison zurück.
Ende der 4-Takt Ära ab 1975
Zwei Jahre später wurde Giacomo Agostini mit Yamaha Weltmeister in der 500 cm³ Klasse. Im Jahr darauf begann die große Zeit für Barry Sheene und Suzuki, mit 2 WM-Titeln in Folge. Ohne Traktionskontrolle und mit schlagartig einsetzender Leistung waren die damaligen Bikes nur von absoluten Könnern im Grenzbereich beherrschbar. Wehe, ein Fahrer ging in der Kurve nicht mit größter Sorgfalt mit seinem Gasgriff um, andernfalls wurde er sofort per high-sider von seinem Arbeitsgerät getrennt. Da die Rennmaschine RG 500 von Suzuki ab 1975 käuflich erwerbbar war, konnten zahlreiche Privatfahrer damit auch Rennen gewinnen. Beispielsweise die 3 Niederländer Wil Hartog, Boet van Dulmen und der viel zu früh tragisch verunfallte Haudegen Jack Middelburg trugen sich in den folgenden Jahren auf Suzuki und später auch Yamaha TZ 500 in die GP-Siegesbücher ein. Bis zur Einführung der MotoGP mit Viertaktmotoren bis 990 cm³ im Jahr 2002 dauerte die Überlegenheit der Zweitakter.

Ausblick auf die Saison 2020

Wie sich die Stärke-Verhältnisse in der nächsten Saison präsentieren werden, steht derzeit noch in den Sternen. Viele Fans hoffen wohl insbesondere darauf, dass Altmeister Valentino Rossi per Ende 2020 nicht zurücktreten wird. Abhängig wird dies natürlich vor allem durch seine Resultate in der ersten Saisonhälfte. Fast sämtliche Fahrerverträge laufen dieses Jahr aus, wodurch das Transferkarussell sich bereits nach den ersten Rennen der Saison zu drehen beginnt. Wie stark die Herausforderer von Weltmeister Marc Marquez in der kommenden Saison sein werden, dürfte sich noch weisen. Die besten Chancen für eine Wachablösung dürften sich die beiden Spanier Alex Rins (Suzuki) und Maverick Viñales, sowie der Franzose Fabio Quartararo (beide Yamaha) ausrechnen. Dazu vielleicht noch Andrea Dovizioso (ITA, Ducati), während Valentino Rossi in Fachkreisen höchstens noch Außenseiterchancen zugebilligt werden.

Fabio Quartararo (Petronas SRT Yamaha) – wird er 2020 der große Herausforderer von Marc Marquez im Kampf um den WM-Titel? Mit einem GP-Sieg kann sich der Franzose unsterblich machen, als erst vierter Sieger in der Königsklasse aus seinem Land (Bildquelle Petronas SRT).