Joan Mir und Suzuki sind MotoGP Weltmeister!
Barry Sheene (1976 und 1977), Marco Lucchinelli (1981), Franco Uncini (1982), im Jahr 1993 Kevin Schwantz und seit 15. November 2020 Joan Mir – das sind die Weltmeister für Suzuki in der Königsklasse. Noch bevor sich Marc Marquez beim ersten Rennen der Corona-Saison verletzte, galt die im japanischen Hamamatsu beheimatete Firma als Mitfavorit auf den Titel. Mit seinem Sieg im ersten Rennen von Valencia hatte der Spanier auch den möglichen Makel eines sieglosen WM-Titels bereits aus dem Weg geschafft. Am Ende galt es für Rins nach der konstantesten Leistung sämtlicher MotoGP Helden am zweiten Wochenende auf dem Circuito Ricardo Tormo sicher ins Ziel zu kommen. Da sein Teamkollege Alex Rins mit P4 das Podium verfehlte, reichte dem Mann aus Palma de Mallorca ein siebter Platz zur vorzeitigen Feier seines MotoGP Weltmeister-Titels.
Morbidelli verhinderte schwarzes Wochenende für Yamaha
Fabio Quartararo (Petronas Yamaha SRT) war bereits in der 6. Runde aus dem Rennen um seinen ersten MotoGP. Zu behaupten, der junge Mann aus Nizza hätte einfach seine Nerven nicht im Griff gehabt, greift jedoch zu kurz. Wer das Rennen genau beobachtete, stellte auch bei dessen Monster Energy Yamaha Kollegen Maverick Viñales und Valentino Rossi fest, dass seine 2020-er Yamaha chancenlos waren. Es wäre ein wahrhaft schwarzes Wochenende für Yamaha geworden, als mit diesem Wochenende die letzte winzige Chance auf den WM-Titel sich in Luft auflöste.
Titelchancen verspielt – aber Morbido rettet Yamaha vor dem Desaster
Mit einem Sieg hätte sogar Viñales noch die Möglichkeit gehabt, die Entscheidung noch offen zu halten. Doch dank seinem Sieg auf der sogenannten A-Spec Yamaha, basierend auf dem Vorjahres-Bike des Werksteams, verhinderte Franco Morbidelli ein Drama für die Marke mit den gekreuzten Stimmgabeln im Logo. Der Italiener mit brasilianischen Wurzeln mütterlicherseits musste jedoch bis zur letzten Runde kämpfen, um Jack Miller auf der Pramac Ducati hinter sich zu lassen. Pol Espargaró (Red Bull KTM) hatte hingegen das Glück, dass Takaaki Nakagami (LCR Honda Idemitsu) unmittelbar nachdem er den Spanier überholt hatte, in Kurve 14 acht Runden vor Schluss gestürzt war.
Auch Ducati mit Höhen und Tiefen
Nebst Yamaha erlebte auch Ducati seine Höhen und Tiefen am zweiten Valencia Wochenende. Mit Johann Zarco (Esponsorama Racing Ducati) flog der auf Position 6 liegende zweitbeste Fahrer der Roten bereits nach 6 Runden ab. Der Franzose wurde in der Zielkurve davor von Alex Rins (Suzuki) überholt und konnte den Spanier auf der Start-Ziel-Geraden danach wieder schnappen. Während Jack Miller auf der Pramac Ducati bis zur letzten Kurve um den Sieg kämpfte, blieb sein Teamkollege Pecco Bagnaia mit Rang 11 erneut mehr als blass. Auch Andrea Dovizioso vermochte auf der Werks-Ducati mit P8 genauso wenig zu glänzen, wie sein Mannschaftskamerad Danilo Petrucci auf dem enttäuschenden 15. Platz.
Honda erneut im Jammertal
Weitaus am schlimmsten verlief abgesehen von Fabio Quartararos Verlust der noch dünnen Chance um den Titel vor allem für Honda. Mit Platz 13 blieb Cal Crutchlow (LCR Honda) trotz blasser Leistung bester Pilot der erfolgreichsten Marke der letzten 3 Jahrzehnte in der Königsklasse. Während Alex Marquez mit P16 trotz drei Stürzen vor ihm liegender Fahrer mit P16 sogar die Punkteränge verpasste, enttäuschte auch Stefan Bradls Rang 14. Bestimmt findet der schlagfertige Bayer dafür aber noch die ein- oder andere Ausrede, ansonsten übernimmt bestimmt Red Bull Media wie sonst oft üblich diesen Part.
Ergebnis Grand Prix Valencia 2 der MotoGP
WM-Zwischenstand MotoGP nach 13 von 14 Runden
WM-Zwischenstand Teamwertung – Suzuki Ecstar Gewinner
Auch in der Teamwertung ist dem Suzuki Ecstar der Titel in der Teamwertung nicht mehr zu nehmen. Zwischen den beiden Werksteams von KTM und Ducati geht es noch um Platz 3 oder gar 2 gegen Petronas Yamaha SRT sehr eng zu. Für den Vize-Titel müssten aber wohl gleich beide Piloten des malaysischen Teams ausfallen, was allerdings nicht zu hoffen ist.
Herstellerwertung – Suzuki und Ducati Kopf an Kopf
Immerhin fällt die Entscheidung um die Herstellerwertung in der MotoGP erst beim Saisonfinale in Portugal, bereits eine Woche nach dem zweiten Rennen in Valencia. Während KTM als angeblich bester Hersteller (laut reichlich voreiliger Behauptung im Sommer 2020 in einem österreichischen Magazin) bereits aus dem Rennen ist, hat auch Yamaha noch Chancen. Doch eher zeichnet sich hier ein Kopf-an-Kopf-Rennen der punktgleichen Marken Suzuki und Ducati ab. Hier kommt im Gegensatz zur Team-Meisterschaft immer nur der beste Platz eines Fahrers zur Wertung. Im Vorjahr hatte noch Honda dank Marc Marquez sämtliche 3 Titel für sich geholt. Wie wenig sie mit dessen Bruder und Ersatzfahrer Bradl wert sind, lässt sich auch am drittletzten Platz der Teamwertung gut ablesen.
Der Circuito Ricardo Tormo
Im Rückblick
Der Suzuki Triumph und die vielen Verlierer
In einem der spannendsten Jahre der MotoGP der letzten zwei Jahrzehnte war für die meisten Beobachter und Teilnehmer kaum etwas, wie es sein sollte oder zumindest erwartet wurde. Trotzdem gibt es kaum jemanden, der den Suzuki Triumph nicht als verdienten Erfolg einer starken und konstanten Leistung über die auf 4 Monate verkürzte Corona-Saison anerkennt. Auf der anderen Seite gibt es aber unzählige Verlierer, denen man vor Saisonbeginn ein Scheitern niemals in diesem Mass zugetraut hätte. Beim Repsol Honda Team war zumindest früh klar, dass die Last in erster Linie und fast allein auf den Schultern von Marc Marquez ruhte. Als amtierender Weltmeister hatte er im Vorjahr derart dominiert, dass ab Jahresmitte kaum mehr Spannung aufkam.
Die verpasste Chance für Yamaha
An erster Stelle ist nach dem frühen Ausfall von Marc Marquez nach seinem fatalen Crash beim ersten Rennen in Jerez natürlich Yamaha zu nennen, sobald es um verpasste Chancen geht. Mit einem Doppel- und danach sogar dreifachen Sieg begann der Saisonauftakt für Yamaha auf den ersten Blick nach Maß. Doch bereits im ersten Rennen war Valentino Rossi mit einem Motorschaden stehengeblieben und im zweiten WM-Lauf dann auch sein früherer Schützling Franco Morbidelli. Niemand konnte damals ahnen, dass daraus später eine üble Schmierenkomödie würde. Offenbar schadhafte Ventile führten zu Motorproblemen und später gar zur Punkte-Abzügen. Die Konkurrenz spielte dabei jedoch auch keine vorbildliche Rolle, erst recht als das KTM Sprachrohr Red Bull Media im Anschluss über die gebeutelte Truppe wie Aasgeier herfiel.
Performance das Hauptproblem – nicht etwa unterschiedliche Ventile
Klar war für Fachleute und Experten von Beginn an, dass mit der Verwendung unterschiedlicher Ventile kein Leistungsplus zu holen ist. Nur jemand, der von Technik absolut null Ahnung hat, wagt dies zu behaupten. Dazu gehörten in der Regel daher sowieso nur die üblichen Schreibtischtäter. Am Ende war es jedoch in erster Linie die fehlende Performance, welche bei dafür verantwortlich war, dass Yamaha nicht aus der Abwesenheit des amtierenden Weltmeisters ausreichend Kapital schlug. Die lange im Titelkampf mitspielenden Fabio Quartararo und Maverick Viñales waren auf einzelnen Strecken schlicht chancenlos. Wie weit dabei die Fahrer eine zusätzliche Rolle spielten, können nur deren Teams und die Techniker von Yamaha beantworten.
KTM – der Wettbewerbs-Vorteil nützte nur bis Misano
Das KTM Großmaul Pol Espargaró bezeichnete sich selbst noch in Misano als Mitfavoriten auf den MotoGP WM-Titel. Doch der laut Markenkollege Oliveira mit Abstand dümmste Fahrer im Feld hatte einen wichtigen Faktor dabei vergessen. Zu Saisonbeginn hatte KTM durch die frühe Aufhebung des ersten Lockdowns in Österreich einen riesigen Testvorsprung auf den Rest des Paddocks. In Brünn, natürlich Spielberg und auch Misano spulten Dani Pedrosa (im Beisein von Michelin Technikern) und teils auch Einsatzfahrer unzählige Runden ab. Die neuen Michelin Reifen waren daher für die Orangen kein Geheimnis mehr und vor allem auf den genannten Strecken spielten sie ihren Testvorsprung auch eiskalt aus. Nur bei der großen Hitze im Juli in Jerez hatten auch sie teils ihre Probleme, doch trotzdem profitierte KTM von einer Unmenge im Vorfeld gesammelter Daten und Erfahrungswerte.
Die harte Landung auf dem Boden der Tatsachen
Wir hatten im Vorfeld bereits erwähnt, dass KTM zu hoffen sei, dass sie ihre guten Leistungen auch auf Strecken ohne Testvorteil ausspielen können. Exakt in unserem Vorbericht zum GP von Barcelona hatten wir den wunden Punkt angesprochen, weil dort hatten die Österreich im Vorfeld nie testen können. Prompt kam es wie auch vom Team befürchtet und weg war es mit ihrem Vorteil, welcher ihnen unzählige unerwartete Erfolge bis dahin beschert hatte. Es war eine harte Landung auf dem Boden der Tatsachen, kein einziger ihrer vier Fahrer landete in den der top ten. In Le Mans kam das erste Regenrennen und danach kam mit Aragon das nächste Debakel. Als bester KTM Pilot verfehlte Brad Binder die ersten 10 um beinahe 4 Sekunden. Erst danach lief es besser, doch da war die Chance um in der WM ein ernsthaftes Wörtchen mitzureden, bereits vertan.
Ducati und die Reifenprobleme
Im Gegensatz zu KTM kämpfte die Mehrheit der Ducati Piloten an den meisten Grand Prix Wochenenden mit einem passenden Setup und der Wahl ihrer Reifen. Danilo Petrucci und Andrea Dovizioso kämpften daher meist mit stumpfen Waffen, während oft Johann Zarco auf der Vorjahres-Ducati GP-19 zu brillieren vermochte. Francesco Bagnaia zeigte genau genommen nur zwei wirklich gute Rennen in dieser Saison. Immerhin kamen er und sein Pramac Ducati Teamkollege Jack Miller oft mit den neuen Gummis aus Frankreich wesentlich besser klar, als ihre Kameraden aus der Werks-Mannschaft. Doch wie auch die Konkurrenz bei Honda und Yamaha, kämpften auch sie oft genug mit „Michelin-Problemen“. Nur KTM hatte vor allem zu Saisonbeginn dank ihrem Testvorsprung kaum Ärger.
Der einzige Hoffnungsträger mit viel Pech und Missgeschick
Ohne seinen Ausfall mit technischen Ursachen im GP von Frankreich und den Abschuss durch Binder beim Teruel Rennen von Aragon hätte es vor allem für „Jack-Ass“ deutlich besser in der WM ausgesehen. Doch in Jerez 2 war der Australier an seinem Sturz genauso selbst schuld gewesen, wie im zweiten Rennen von Misano. Nimmt man noch die Rennen dazu, in welchen der schnelle Australier mit Reifenproblemen kämpfte, wundert man sich über seinen nur 8. Platz im WM-Zwischenklassement kaum. Doch am Ende war auch der einzig echte Hoffnungsträger von Ducati bis auf den austretenden Dovizioso nie wirklich nahe dran, um den Titel ernsthaft mitkämpfen zu können.
Honda und die Bruchpiloten – Absturz ins Bodenlose
Der amtierende Weltmeister war seit Jahren für seine „Saves“, mit welchen er oft Stürze vermeiden konnte, sehr populär geworden. Dazu auch seine teils erdrückende Dominanz, besonders auch in der Saison 2019, mit welcher er sämtliche Gegner vor meist unlösbare Aufgaben stellte. Doch er hatte auch pro Saison teils bis an die 30 Stürze wegstecken müssen, davon sahen nicht alle harmlos aus. Prompt passierte der übelste Crash im ersten Rennen der verkürzten Corona-Saison. Dass der Katalane nur 4 Tage danach sein Comeback mit frisch operiertem Oberarmbruch versuchen wollte, kann weder seinem Team, noch den ihn behandelnden Ärzten angelastet werden. Immerhin erwies sich mittlerweile sein Bruder als veritabler Ersatz beim Thema „Bruchpilot vom Dienst“.
Der weitere Bruchpilot und sein Karrieren-Ende als Stammpilot
Mit Cal Crutchlow scheidet ein langjähriger Honda Mitarbeiter nach dem Portugal GP bei LCR aus, der schon sehr viel Schrott in seiner Karriere produziert hatte. Sehr oft hatte er seine Lichtblicke und konnte gar Rennen gewinnen. Doch der Engländer stürzte in seiner MotoGP Zeit viel zu oft, als dass es ihm für mehr als WM-Rang 5 gereicht hätte. In seiner dritten MotoGP Saison für Monster Energy Tech 3 Yamaha im Jahr 2013 war dies, als er je zweimal zweiter und dritter wurde. Die Siege in 10 Jahren Königsklasse lassen sich bei Crutchlow jedoch an einer Hand abzählen. Genaugenommen schafft dies auch ein Schreiner, der bereits zwei Finger verloren hat.
Die zu großen Schuhe und die zwei Seiten des einzigen Japaners im Feld
Dass Stefan Bradl sich als Ersatzpilot von Marc Marquez ab dem GP von Brünn nicht wohlfühlte, sah man dem erfahrenen Bayern schon vor dem Start jeweils an. Auf der Weltmeistermaschine den Dominator des Vorjahres zu ersetzen, waren deutlich zu große Schuhe für den Bayern. Platz 20 nach 10 von 13 bestrittenen Rennen und mit Platz 8 nur einmal in den top ten, dazu nur gerade dreimal in den Punkterängen ist ernüchternd. Wesentlich besser unterwegs war Takaaki Nakagami. In den ersten zehn WM-Runden war er definitiv der beständigste aller MotoGP Piloten. Doch als es ab Aragon 2 um die Wurst ging und der Japaner Siegchancen hatte, versagten ihm die Nerven. Im Teruel GP kam er nur bis Runde 4 und beim zweiten Rennen in Valencia stürzte er im Kampf um Platz 3. Trotzdem ist Takaaki auf der Vorjahres-Honda mit Abstand bester Pilot der Marke 2020. Sein nächstjähriger Teamkollege Alex Marquez kann ihm diese Saison bei weitem nicht das Wasser reichen.
Einige Gemeinsamkeiten und die Magie des Gummis
Die Corona-Saison wird zweifellos als eines der merkwürdigsten Jahre in die Geschichte der MotoGP eingehen. Anfänglich war mit Fabio Quartararo hauptsächlich und allein ein Fahrer der vermeintliche Hauptfavorit auf den Titel. Doch immer mehr kristallisierte sich heraus, dass bis auf KTM sämtliche Teams an den neuen Michelin Reifen beinahe verzweifelten. Als weitere Gemeinsamkeit mit Ausnahme von KTM und Suzuki (die gar keine solchen im Einsatz haben) hatten oft die wenigen Fahrer auf Vorjahres-Maschinen weniger Probleme mit den neuen Gummi-Mischungen. Johann Zarco (Esponsorama Ducati), Takaaki Nakagami (LCR Honda Idemitsu) und Franky Morbidelli (Petronas Yamaha SRT) kamen nicht selten besser zurecht als die Werkspiloten auf den neuesten Bikes. Dies machte jedoch weder für Ducati, noch Yamaha oder Honda deren Aufgabe leichter.
Die Aussicht auf das WM-Finale
Während in der MotoGP nur noch die Entscheidung um die Hersteller-Wertung zwischen Ducati und Suzuki offen ist, geht es in der mittleren und kleinsten Klasse noch um den Fahrer-Titel. Die Strecke von Portimão ist sehr spektakulär und für Spannung ist beim Saisonfinale daher ausreichend gesorgt. Dass keine Zuschauer anwesend sein werden, müssen die Fahrer mittlerweile gewohnt sein. Ausnahmen gab es in der Corona-Saison verständlicherweise nur selten. Wir sind heute noch froh, hatten wir zum WorldSBK Saisonauftakt Ende Februar in Australien die weite Reise auf uns genommen. Ab nächstem Jahr werden wir hoffentlich auch wieder unsere Reisetipps und Infos für Besucher vor den Rennen veröffentlichen. Diese Saison waren wir in der Regel sowieso die einzigen „Aussenstehenden“ vor Ort. Dies hatte immerhin den seltenen Vorteil von wesentlich weniger Gedränge an den Rennwochenenden.