Jonathan Rea (Kawasaki ZX-10RR) stand selbst auf der Strecke, auf welcher er den unglaublichen Rekord von 17 Siegen hält, auf verlorenem Posten. Auf seiner seit 2021 verbesserten Kawasaki fehlen im durch die künstliche Kastration der FIM gegenüber der Ducati nach wie vor Drehzahl und Motorleistung gegenüber vor allem der Ducati Panigale V4R. Mit geschätzt 10 bis 15 PS mehr Leistung als der Nord-Ire und dazu seinem zusätzlichen Vorteil durch sein Leichtgewicht, kann sich Alvaro Bautista fast nur selber schlagen.

Gähnende Langweile beim ersten WorldSBK Rennen von Europa

Selbst der weltbeste Fahrer der Geschichte konnte sich im ersten Lauf von Assen die Seele aus dem Leib fahren. Trotzdem wurde Johnny Rea hinter dem amtierenden Weltmeister und WM-Leader nur „best of the Rest“. Auch der stets kampflustige Toprak Razgatlioglu stand gegen die Fahrer vor ihm auf verlorenen Posten und musste sich mit Platz 3 hinter dem Nord-Iren begnügen. Der Türke hatte in den ersten beiden freien Trainings vom Freitag kein gutes Gefühl auf seiner Yamaha R1 finden können. Am Samstag war es morgens im FP3 dazu noch nass, womit keine Verbesserung des Setups für trockene Bedingungen mehr möglich war. Damit hatte Alvaro Bautista leichtes Spiel und die Weltmeisterschaft ist nach seinem sechsten Sieg im siebten Rennen der Saison noch langweiliger als im Vorjahr. Der kleine Spanier kann sich nur noch selbst schlagen und so ist es dem aus dem selben Land stammenden Rechteinhaber Dorna ganz offensichtlich auch am liebsten. Nachfolgend das Resultat eines weiteren einseitig verlaufenen siebten Rennens der Saison.

Die Tops und Flops vom Samstag in den Niederlanden

Vom guten siebten Startplatz ins Rennen gegangen, fiel Dominique Aegerter kurzfristig in der zweiten Runde bis auf Position 13 zurück. Doch der zweifache Supersport 600 Weltmeister ließ sich dadurch nicht beirren. Es war erneut sehr eindrücklich, wie kampfstark sich der Schweizer danach zeigte, als er im Lauf des Rennens noch bis auf Rang sechs nach vorne fuhr und im Finish sogar Kawasaki Werkspilot Alex Lowes noch abfing. Hinter dem Engländer kam mit Remy Gardner auch der Teamkollege von Aegerter aus dem GYTR GRT Yamaha WorldSBK Team auf dem guten achten Rang ins Ziel. Der australische Moto2 Weltmeister von 2021 war bereits im feuchten FP3 als schnellster positiv aufgefallen und gehört wie Dominique zu den hoffnungsvollsten Rookies in der WorldSBK. Mit Bradley Ray war auch ein anderer Neuling in Assen am Start. Ebenfalls auf Yamaha R1, aber mit einem deutlich finanzschwächeren Team (Motoxracing) nur für die europäischen Rennen antretend, schlug sich der amtierende BSB (British Superbike) Meister tapfer und holte sich bei seinem WSBK Debut hinter dem angeschlagenen Loris Baz (Bonovo BMW Racing) P18.

Dominique Aegerter (GYTR GRT Yamaha WorldSBK Team) – nach Randy Krummenacher als WSSP600 Weltmeister 2019 ein weiterer starker Schweizer. Mit hervorragenden Leistungen mischt er in seiner Rookie-Saison nun auch in der WorldSBK ganz vorne mit. Als WM-neunter liegt der Mann aus Rohrbach im Kanton Bern nach 7 von 36 Rennen im Zwischenklassement vor zahlreichen Werkspiloten klassiert.

Die Flops – allen voran Puccetti Racing mit Tom Sykes
Bedenkt man, wie gut trotz diverser Sturzverletzungen Lucas Mahias für das Kawasaki Kundenteam im Vorjahr teils abgeschnitten hatte, kommen einem angesichts der Resultate von Ex-Weltmeister Tom Sykes (2013) die Tränen. Als viertletzter in der Superpole von Phillip Island (Australien) in das Jahr 2023 gestartet schaffte der Mann aus Huddersfield es nur als zwanzigster und letzter im Sprintrennen ins Ziel, während er in beiden Rennen über die volle Distanz aufgeben musste. Genauso in Mandalika (Indonesien) in der zweiten Runde, als er im ersten Lauf auf P18 als letzter die Zielflagge sah und in den anderen beiden Rennen erneut ausschied. Genauso wie nun auch am Samstag in Assen mit technischen Problemen. Dies ist eine wahre Schande für ein Team, welches mit Toprak Razgatlioglu vor vier Jahren noch Siege feiern durfte. Nicht ganz so schlimm, aber ebenfalls katastrophal sieht es für BMW aus, mit einem kurz vor Rennmitte noch auf P4 liegenden und als zehnter ins Ziel gekommenen Scott Redding als bestem Piloten. Garrett Gerloff (Bonovo Action BMW) auf Rang 12 und dahinter „Magic“ Michael van der Mark als Lokalmatador und Teamkollege von Redding rundeten die miserable Bilanz der Blau-Weißen an einem unrühmlichen Europa-Auftakt ab.

Remy Gardner (GYTR GRT Yamaha WorldSBK Team) – endlich wieder ein starker Australier in der WorldSBK. Der Sohn des ehemaligen 500-er Weltmeisters Wayne ist schon seit 2021 mit seinem Moto2 Titel endgültig aus den Fußstapfen seines berühmten Vaters getreten. Mit ihm und Teamkollege Dominique Aegerter ist den Verantwortlichen von Yamaha mit Europa Manager Andrea Dosoli an der Spitze ein wahrer Glücksgriff gelungen.
Der offizielle Zwischenstand in der WSBK-Weltmeisterschaft. Man beachte in dieser Aufstellung die immer noch fehlende 12. Runde von Imola, welche eigentlich zwischen Donington und Most aufgeführt sein sollte. Übrigens enthält auch das offizielle Resultatblatt der WorldSSP 600 einen gravierenden Fehler, da dort der erste Lauf von Assen in der Spalte von Mandalika aufgeführt ist.

Bulega siegt trotz Drosselung der V2-Ducati weiter – Schrötter auf Rang 2

Während am Assen-Wochenende die Drosselung der Ducati Panigale V2 aufgrund gegenüber der Konkurrenz zu hoher Leistung bekanntgegeben wurde, siegte Aruba.it Ducati Werkspilot Nicolo Bulega trotzdem. Der aus der VR46 Academy stammende Italiener baute damit seine WM-Führung nach seinem souveränen Sieg im ersten Lauf von Assen weiter aus. Von P8 kommend fuhr der ehemalige Moto2 Grand Prix Sieger Marcel Schrötter das Rennen seines Lebens. Der MV Agusta Pilot kämpfte Gegner um Gegner nieder und schnappte sich kurz vor dem Ziel als Krönung seiner bravourösen Leistung auch noch Glenn van Straalen (Yamaha R6). Der Niederländer gab sich im Interview als drittplatzierter jedoch trotzdem vor heimischem Publikum absolut zufrieden. In der Weltmeisterschaft führt nach 5 von 24 Rennen mit 102 Punkten Nicolo Bulega (Ducati) vor Stefano Manzi (Yamaha, 70), Marcel Schrötter (MV Agusta, 66), Deniz Öncü (Kawasaki, 63), Federico Caricasulo (Ducati, 61) und Niki Tuuli (Triumph, 50). Damit ist die durch das neu eingeführte Reglement gewünschte Markenvielfalt mit fünf verschiedenen Marken in den Top sechs mehr als erfüllt.

Vor dem Sonntag – die Hoffnung auf Regen?

Als Zuschauer liebt man den Regen nicht unbedingt, aber mit Ausnahme des Sprintrennens dürften die Gegner von Bautista bei trockenen Verhältnissen keine Chance auf den Sieg haben. Während mit seinem zweiten Rang am Samstag Rekordweltmeister Rea sich im Zwischenklassement von Position sechs auf vier verbessern konnte, hat er vor allem im Superpole Race auch ohne Regen durchaus Siegchancen. Über die volle Distanz steht er gegen den in Beschleunigung und Topspeed dank PS-Vorteil haushoch überlegenen Bautista im trockenen voraussichtlich jedoch auf verlorenem Posten. Wer sich Spannung wünscht, muss demnach auf Regen hoffen, selbst sofern er sich als Zuschauer vor Ort dann einen Schirm oder Dach über dem Kopf sichern muss.

Alex Lowes (Kawasaki ZX-10RR) war anfänglich vierter und fiel im Lauf des ersten Rennens danach noch auf Rang 7 zurück. Als starker Regenfahrer hat er genauso wie sein Teamkollege Jonathan Rea die besten Chancen auf eine Spitzenplatzierung, sofern es am Sonntag nass sein sollte. Immerhin ist der Engländer diesmal nicht gestürzt, nachdem er in den ersten 6 Rennen der Saison zweimal keine Punkte eingefahren hatte.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).