Alberto Puig (Repsol Honda, stehend) am zweiten Jerez Wochenende, bei welchem Marc Marquez (sitzend) seinen frisch operierten Arm zu stark belastete und darauf die Titanplatte im Oberarm beschädigte. Die Verteidigung seines WM-Titels kann sich der Spanier mittlerweile abschreiben (© MotoGP).

Der geplagte Honda Teamchef und sein Fahrer-Lazarett

„Alles gut. Ich bin in Ordnung und kann am Wochenende am zweiten Rennen in Misano mitfahren“, berichtete Stefan Bradl am Mittwoch vor dem zweiten Rennen an seinen Arbeitgeber HRC Honda. Vier Einsätze fuhr der Bayer als Ersatz für Marc Marquez ab Brünn und viermal verpasste er auf der Werks-Honda dabei die Punkteränge. Der Teamchef schaute nach seiner Rückkehr in Misano nicht mehr lange zu, wie der Deutsche sich abmühte und auf keinen grünen Zweig kam. Daher entschied sich Puig, auf diese Arbeits-, Material- und Motoren-Verschwendung lieber gleich zu verzichten. Laut Reglement ist Repsol Honda dazu verpflichtet, einen Ersatzfahrer zu stellen, nachdem der Stammpilot mit Marc Marquez immer noch fehlt. Deshalb wurde ein eigentlich gesunder und laut seinem Arzt verletzungsfreier Ersatzfahrer vom Honda Teamchef Puig als verletzt gemeldet. Bradl ist offenbar bereits abgereist und dürfte keine Lust mehr darauf gehabt haben, bei Servus TV am Mikrofon Auskünfte zum Thema zu geben.

Die zwei Repsol Honda Fahrer im 1. von zwei Rennen in Misano (Alex Marquez vor Stefan Bradl). Beide schafften es nicht in die Punkteränge und mittlerweile ist das erfolgreichste Team der letzten 3 Jahrzehnte in de Königsklasse endgültig zum Gespött im Paddock geworden (© Repsol Honda).

Verständlicher Ärger von Puig über haltlose Gerüchte

Nachdem Marc Marquez die Team- und Hersteller-Wertung nebst dem Fahrer-Titel im Vorjahr praktisch im Alleingang geholt hatte, steht Honda durch dessen langes Fehlen mittlerweile mit abgesägten Hosen da. Nicht nur dieser Umstand, sondern auch Vorwürfe an seine Person und das Team, weil sie angeblich an der langwierigen Verletzung des amtierenden Weltmeisters mitschuldig sein sollen. Insbesondere in Spanien machte dieser Unfug die Runde, was natürlich schlicht absoluter Unsinn ist. Marc Marquez ist alt genug, selbst über seine Einsatzfähigkeit zu entscheiden und das Team hätte ihn weder dazu zwingen können, noch ihn zu seiner zu frühen Rückkehr gebeten. Was Puig aber noch viel mehr nervt, sind laut eigener Aussage die hanebüchenen Behauptungen über angebliche Performance-Probleme der 2020-er Honda RC213V. Daran ist Stefan Bradl alles andere als unschuldig. Als er nach Ausreden für seine schachen Resultate als Marquez-Ersatz suchte, kam ihm diese Ausrede mehr als gelegen.

Marc Marquez (Repsol Honda) lag im 1. Rennen von Jerez bereits in Führung, als er in Kurve 3 weit ging und durchs Kiesbett musste. Von weit hinten nahm er danach die verhängnisvolle Verfolgung seiner härtesten Gegner auf. Auf der angeblich nicht konkurrenzfähigen diesjährigen Werks-Honda fuhr der Katalane bei seiner Aufholjagd danach Bestzeit um Bestzeit. Doch kurz bevor er auf den zweitplatzierten Maverick Viñales (Monster Energy Yamaha) auflief, flog Marc ab und verletzte sich dabei. An den Folgen seiner zu frühen Rückkehr laboriert er noch heute (© MotoGP).

Die einzigen Fehler von Puig – er beging sie im Vorjahr, sofern es sie gibt

Dass er Dani Pedrosa nach dessen Rücktritt bei Repsol Honda nicht als Testfahrer weiterbeschäftigte, kann man weder Puig noch den Managern von Honda vorwerfen. Eher vielleicht noch, dass sie Jorge Lorenzo ziehen liessen, ohne ihm dabei ein Konkurrenzverbot aufzuerlegen. Letztlich war es ja der Mallorquiner, der seinen Vertrag bei Repsol Honda nach einem Jahr vorzeitig auflöste. Dadurch wäre es bestimmt machbar gewesen, ihn am Wechsel zu einem anderen Hersteller für eine gewisse Zeit zu hindern. Durch die Corona-Pandemie hatte Yamaha aber von dessen Verpflichtung als Testpilot wenig und somit ist Honda kein Versäumnis anzulasten. Der einzig gravierende Fehler war jedoch die Verpflichtung von Alex Marquez durch das Werksteam. Wer dessen Karriere aufmerksam verfolgte, hätte wissen müssen, dass dieser in der Moto2bis zum Durchbruch eine sehr lange Anlaufzeit brauchte. Genauso war es bei Tom Lüthi und daher müssten solche Fahrer ähnlich wie Jack Miller in seiner Anfangszeit der Königsklasse eine gewisse Eingewöhnungszeit zugestanden erhalten. Nicht alle sind so schnell konkurrenzfähig in der MotoGP wie seinerzeit Marc Marquez, Jorge Lorenzo, Johann Zarco oder Fabio Quartararo in ihrer Anfangszeit.

Alex Marquez (Repsol Honda) vor Iker Lecuona und Brad Binder (beide KTM). Der Bruder des amtierenden Weltmeisters hat mit Abstand am meisten Mühe nach dem Umstieg in die MotoGP. Womöglich liegt dies auch am Druck, im erfolgreichsten Team der letzten Jahrzehnte zu fahren und der fehlenden Unterstützung seines Bruders Marc (© MotoGP).

Trotz spezieller Reifensituation – Alex hat enorm Mühe

Obwohl wir nach seiner Verpflichtung im letzten Jahr darauf hinwiesen, dass Alex Marquez der falsche Mann für einen direkten Aufstieg in ein Werksteam der MotoGP sei, Alberto Puig beging zweifellos den Fehler zu dessen Verpflichtung. Obwohl andere Rookies wie Binder und Oliveira auf zum Teil vor kurzem noch fast unfahrbaren Bikes wie der KTM bereits Rennen gewannen, tut sich Alex unglaublich schwer. Laut Ducatis WM-Leader Andrea Dovizioso werden durch die neuen Michelin-Reifen aktuell Moto2 Umsteiger besonders bevorzugt. Die Leistungen von Marcs Bruder im Repsol Honda Werksteam bestätigen diese Aussage jedoch nicht. Wie es auch sei, Alex hat enorm Mühe, egal ob es an der Honda liegt oder am auf ihm lastenden Druck. Und mit seinem aktuell und offiziell 3-köpfigen Lazarett mit Marc Marquez, Cal Crutchlow und Stefan Bradl hat Alberto Puig derzeit nur wenig zu lachen. Doch der den Red Bullis als knorrig bezeichnete Spanier ist sowieso nicht der Typ, welchem man mehrere Scherze pro Tag zutraut.

Brad Binder (Red Bull KTM) – im Gegensatz zu Alex Marquez bekam er in Brünn eine, wenn auch laut vielen Beobachtern aufgrund der KTM-Testvorteile im Vorfeld, zweifelhafte Chance zum Sieg und nutzte diese. Für die Fahrer der österreichischen Marke kommt jetzt aber mit dem zweiten Rennen von Misano die Phase der notwendigen Bestätigung. Schaffen sie ab nun keine Spitzenplätze mehr, gibt dies den Kritikern an deren Vorteil in der Corona-Zwangspause absolut recht (© MotoGP).

Das Programm vom 2. Misano-Wochenende