Alex Lowes (Kawasaki ZX-10RR Modell 2021) in Jerez beim Novembertest – der Engländer hatte seit 2013 in der BSB (British Superbike Championship), als er den Titel des nationalen Meisters holte, nie mehr so einen guten Start wie den von 2020 in der Superbike WM gehabt (© WorldSBK).

Ein Rück- und Ausblick zur Nr. 22 – Alex Lowes

Man könnte Alex Lowes auch als „Quax den Bruchpilot“ anstellen, um einen alten Film mit Heinz Rühmann neu zu verfilmen. Was seine Karriere auf zwei Rädern betrifft, wäre er für diese Rolle wesentlich glaubwürdiger als der privat gar nicht so lustige Schauspieler der Kriegs- und frühen Nachkriegszeit. Als wir beim Saisonauftakt 2020 in Phillip Island als einzige deutschsprachigen Kommentatoren vor Ort waren, wie man uns zumindest im Akkreditierungscenter versicherte, trauten wir vor dem ersten Rennen unseren Augen kaum. Natürlich überfliegen wir regelmäßig, was zu Hause von einigen Schreiberlingen zum Event berichtet wurde. Dabei lasen wir über Alex und Alvaro, wie diese angeblich Mühe gehabt hätten und kratzten uns dabei am Kopf. Ein gewisser Herr Rossi war jahrelang in der MotoGP dafür bekannt geworden, dass er fast immer nur für eine brauchbare Renn-Abstimmung arbeitete und nie auf eine schnelle Runde. Genau dies hatten wir auch bei Lowes und Bautista vor Ort beobachtet.

Alex Lowes vor Maximilian Scheib (beide Kawasaki ZX-10RR) von uns in der Superpole von Phiilip Island (Australien) am 29. Februar 2020 fotografiert. Mit den Startplätzen 8 und 11 hatte die beiden vor dem ersten Rennen fast niemand auf der Liste.

Vom Nobody zum angeblichen WM-Favoriten in 2 Tagen

Die meisten Journalisten hatten sich bei der Nennung ihrer Favoriten für das Rennen rein auf die schnellsten in Test und Qualifyings konzentriert. Aber sie sollten nur wenige Runden nach dem Ausgehen der Start-Ampeln am Samstagnachmittag per TV oder Streaming bald sehen, wie wenig Tom Sykes (BMW) seine Poleposition brachte. Bei Red Bull Media hatte man sich schon beinahe über Lowes lustig gemacht, als dieser nur 5 Tausendstel schneller als Cortese gewesen war. Doch Alex arbeitete sich von Startplatz 8 wie ein Champion Stück für Stück nach vorne. Den für seine Pole hochgelobten Sykes hatte er nach 13 von 22 Runden bereits kassiert und lag auf Position 4. Am Ende wurde der Zwillingsbruder von Moto2 Fahrer Sam von Pata Yamaha Neuzugang und damit seinem Nachfolger Toprak Razgatlioglu als Sieger nur um 7 Tausendstel geschlagen.

Unsere Aufnahme vor Ort am 29. Februar 2020 von Alex Lowes nach seinem ersten Rennen für Kawasaki in Phillip Island, welches er auf Platz 2 beendet hatte. Auf einen Schlag stopfte der Engländer seinen Kritikern damit das Maul und am Sonntag mussten diese endgültig umdenken.

Am Sonntag folgte der zweite Streich
Tom Sykes, das sei an dieser Stelle noch erwähnt, war im 1. Rennen nur als 9. ins Ziel gekommen. Auch im Superpole Race am Sonntagmorgen schlug Alex seinen Landsmann, der wie sein Team vor Saisonbeginn noch vom Kampf um den Titel fabuliert hatte. Und nach der Pflicht folgte wie im Kunst-Eislauf am Sonntagnachmittag dann endgültig die Kür. Der Kampf um den Sieg fand diesmal rein Kawasaki intern statt und um winzige 3,7 Hundertstel hatte dabei am Ende überraschend Lowes die Nase vor dem amtierenden Weltmeister. Emsig beschrieben danach genau dieselben Schreiberlinge, welche sich über den aus Lincoln stammenden Alex wenige Tage davor noch lustig gemacht hatten, ihn zum künftigen Albtraum von Teamkollege Rea. Auch dies sollte sich jedoch schon bald als Unsinn erweisen. Viele lernen wohl nie, wie Rennsport funktioniert und hatten vor allem seine Vergangenheit dabei völlig ausser Acht gelassen.

Alex Lowes im Sieger-Interview mit Eurosport nach seinem überraschenden Sieg in Phillip Island, der viele Journalisten zwang, schleunigst umzudenken. Postwendend stilisierten viele von ihnen den Kawasaki Neuzugang als WM-Leader vorschnell zum Titelfavoriten hoch (© WorldSBK).

Der Rückschlag in Jerez und der Verlust der WM-Führung

Wie schnell man in den Medien hochgejubelt werden kann und wenig später wieder zum Verlierer abgestempelt, dies haben bereits unzählige Sportler erlebt. Rea kannte dies natürlich zur Genüge und Schlagzeilen wie von Red Bull Media Journalist I.S. mit dem Titel „Rea von Lowes vorgeführt“ liessen den amtierenden Weltmeister völlig kalt. Wenn ein Hohlkopf einen Vorsprung von 0,037 Sekunden mit solchen Worten beschreibt, unterstreicht er damit lediglich, wie wenig er vom Rennsport versteht. So sieht dies der Champion und seine Fans schliessen sich ihm dabei gerne an. Lowes jedenfalls hatte in Jerez deutlich weniger Glück. Mehr als 21 Punkte lagen für den Engländer diesmal nicht drin, während Scott Redding deren 59 totalisierte und damit WM-Leader wurde. Rea hielt mit einem Sieg und 42 Punkten als Zweitbester den Schaden durchaus in Grenzen. Dies hielt Redaktor K.H. vom Red Bull Media Portal speedweek jedoch nicht davon ab zu titulieren „Rea versagt“. Vielleicht macht das Blubbergetränk wirklich blöd, dachte sich beim Lesen dieser Schlagzeile wohl mancher Betrachter.

Von uns in der Zielkurve von Jerez im Juni 2019 fotografiert: Bautista (Ducati) vor Rea (Kawasaki), Lowes, van der Mark und Melandri (alle Yamaha). Es wurde ein rabenschwarzes Wochenende für Alex Lowes in Andalusien, mit am Ende nur 2 WM-Punkten. Er war in jedem der 3 Rennen gestürzt und nur im 1. Lauf daran nicht alleine schuld, weil Rea ihn dabei berührt hatte.

Die Ernüchterung in Portimão und die Auferstehung des „Versagers“

Auf dem Autodromo do Algarve waren wir bereits öfters zu Gast gewesen. Aufgrund der endlos langen Start-Ziel-Geraden war hier Ducati mit deren Panigale V4R zu favorisieren. Aber einen „Versager“ wie ihn Kasperl Hutstich (Name von der Redaktion geändert) von Red Bull Media kurz davor noch nannte, sollte man besser nicht unterschätzen. Mit drei lupenreinen Laufsiegen in Folge stopfte der Rekordweltmeister sämtlichen Kritikern und insbesondere diesem Schreiberling in Portimão postwendend das Maul. Es war eine sensationelle Auferstehung des angeblichen Versagers und Lowes stand zu seinem Leidwesen erneut völlig in dessen Schatten. Mit einem Crash in Kurve 5 im 2. Rennen fiel er, wie von seinen Fans und uns früh befürchtet, damit wieder in alte Muster zurück. Zu einem Albtraum für Rea konnte er so wahrhaft nicht werden. Ab nun war wieder der Nord-Ire WM-Leader und Lowes mit bereits 45 Punkten Rückstand auf diesen auf P4 abgerutscht.

Alex Lowes (Kawasaki ZX-10RR) vor Michael Ruben Rinaldi (GoEleven Ducati V4R) und Loris Baz (Ten Kate Yamaha R1) im ersten Rennen von Portimão. Mit Platz 4 sein bestes Resultat der erst 3. von nur 8 WM-Runden aufgrund der Corona-Pandemie (© WorldSBK).

Keine Besserung in den 3 restlichen Spanien-Runden

Der Zwillingsbruder von Moto2 Spitzenfahrer Sam Lowes hatte am ersten von 2 Wochenenden in Aragon nur wenige Highlights. Im ersten Rennen landete er in Kurve 3 im Kiesbett und im Superpole Sprintrennen wurde es wenigstens ein 6. Platz. Neunter im zweiten Rennen danach zu werden war jedoch ein veritabler Tiefschlag für den Mann aus Lincoln. Am zweiten Wochenende holte er einen fünften und zwei sechste Plätze. Im Vergleich zum Saisonauftakt in Down Under kein wirklicher Quell der Freude. In Barcelona ging es mit den Rängen 9, 7 und 8 noch bescheidener weiter. Teamkollege Rea gewann in dieser Zeit 4 Rennen, wurde dreimal zweiter und stand mit Ausnahme von Platz 4 (aufgrund von Reifenproblemen) im 2. Lauf von Barcelona immer auf dem Podium.

WSBK 2019 Runde 2 in BuriRam (Thailand) – hier die drei führenden von uns fotografiert mit Alvaro Bautista (Ducati) vor Jonathan Rea (Kawasaki) und Jonathan Lowes (Yamaha) als einzigem, welcher den beiden anfänglich zu folgen vermochte.

Auf dem Boden der Tatsachen gelandet und bei Regen wieder brilliert

Der Spitzenreiter nach der ersten WM-Runde der verkürzten Corona-Saison war mittlerweile auf Platz 6 abgerutscht. Mit 145 Punkten hatte er nach sechs von 8 Runden exakt halb so viele Zähler wie sein Teamkollege Rea auf dem Konto. Nicht nur Alex, sondern auch die voreiligen Journalisten, welche ihn zu früh als Mitfavoriten auf den Titel bezeichnet hatten, sie alle waren auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Bei Regen konnte er wenigstens in Nevers endlich wieder seine Qualitäten ausspielen. Ein dritter und ein zweiter Platz im ersten und dem Superpole Rennen, sowie Platz sieben im 2. Lauf waren endlich wieder ansprechende Resultate des Kawasaki Piloten. Mannschaftskollege Rea stand nach zwei Siegen und einem vierten Platz kurz vor Sicherstellung seines 6. WM-Titels in Folge.

Jonathan Rea und Alex Lowes (beide Kawasaki) nach ihrem Doppelsieg im Superpole Race. Endlich wieder Erfolge für den Engländer und der Nord-Ire stand bereits kurz vor seinem nächsten Titelgewinn (© WorldSBK).

Der Schönheitsfleck auf der Weste beim Saisonfinale

Viel zu früh und nach nur gerade 8 Runden ging die verkürzte Saison 2020 mit dem Wochenende von Estoril wieder zu Ende. Diesmal leisteten sich gleich beide Kawasaki Piloten einen Schönheitsfleck auf der Weste. Genauso wie Scott Redding flog Johnny Rea gar bereits in der Superpole ab, doch damit verlor er keine Punkte. Lowes war dritter geworden und im ersten Rennen wurde danach der alte mit einem vierten Platz zum neuen Weltmeister. Alex wurde nur sechster, aber mit diesem Resultat kämpften die beiden immerhin auch noch um die Hersteller-Wertung, in welcher es eng zuging zwischen Ducati und Kawasaki. Im Superpole Race stürzte Lowes in Kurve 13 und Rea holte nur 5 Punkte. Beim 2. Rennen purzelten aber beide von ihren Kawasakis und nur Rea konnte danach noch 2 Zähler retten, was jedoch nicht zur Constructors Championship gereicht hätte. Mit seinem 8. Platz war es Xavi Fores, der diesen Titel für Kawasaki mit einem Punkt Vorsprung auf Ducati sicherte.

Alex Lowes (Kawasaki) vor Michael van der Mark (Pata Yamaha) und Chaz Davies (Ducati) auf dem Circuit de Nevers Magny-Cours. Bei Regen konnte der Engländer zum ersten Mal sein Australien wieder einen Podestplatz holen. Zwei Wochen später purzelte er beim Finale in Estoril aber wieder in 2 von 3 Rennen von seiner Kawasaki (© WorldSBK).

Die WorldSBK-Karriere von Alex Lowes in Zahlen

Endstand der Fahrer-WM 2020

Die WM-Chancen von Lowes für die kommende Saison

Wie meist in seiner bisherigen Karriere stürzte der Engländer 2020 öfter als er auf dem Podest stand. Er war zudem nur eine Position besser als sein viel geschmähter Vorgänger Leon Haslam im Jahr davor klassiert. Dieser hatte jedoch mit 6 Podestplätzen zwei mehr als sein Landsmann geholt, dafür war kein Sieg dabei. Alex Lowes wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kommende Saison nicht Weltmeister, soviel steht so gut wie bereits fest. Weil gegenüber Jonathan Rea hatte bisher jeder Fahrer im selben Team alt ausgesehen, samt den Weltmeistern Carlos Checa und Tom Sykes. Ab er trotzdem eine gute Saison haben wird, hängt bei ihm vor allem davon ab, ob er oft genug sitzenbleibt. Am Material wird es voraussichtlich kaum liegen und er fährt für das erfolgreichste Team der letzten 8 Jahre. Ein Top 4 Endergebnis dürfte für ihn aber wohl das höchste der Gefühle bleiben, viel mehr liegt für Alex 2021 kaum drin.

Alex Lowes (Kawasaki ZX-10RR) – der Engländer wurde von einigen voreiligen Berichterstattern (welche allerdings allesamt gar nicht vor Ort waren) nach dem Saisonauftakt und seiner WM-Führung definitiv zu früh hochgejubelt. Wie alle Teamkollegen von Johnny Rea vor ihm, stand er jedoch danach meist völlig im Schatten des Nordiren (© WorldSBK).

Provisorischer Kalender für 2021

Eigentlich wollte der WSBK-Verantwortliche der Dorna, Gregorio Lavilla mit drei für die Superbike WM neuen Strecken überraschen (mehr über seine Karriere als Fahrer siehe in unserer History). Dessen sehr spät veröffentlichter provisorischer Kalender enthielt jedoch nur eine und zum Leidwesen vieler Deutschen Fans fehlt darin Oschersleben. Genau deshalb barg der Kalender auch so viele Überraschungen, vor allem den indonesischen Ort auf der Insel Lombok und Donington ohne WorldSSP. Während Red Bull Media fälschlicherweise bis kurz vor Veröffentlichung über deren Seite speedweek von einem angeblichen Start in Jerez berichtete, soll dieser Termin nun erst im September stattfinden. Saisonstart im April in Assen tönt jedenfalls gut. Aber viele befürchten, das Event fällt ohne Bewilligung für Zuschauer am Ende flach. Derzeit muss daher noch mit einigen Modifikationen gerechnet werden.

Der Vertrag mit Phillip Island steht noch nicht, genauso wie der Termin dafür, für welchen es fast nur die beiden von uns genannten Daten als vernünftige Möglichkeit gibt. Zumindest gilt dies für den Fall, dass auch wirklich der noch im Bau befindliche Mandalika Circuit bis im Herbst fertiggestellt und homologiert ist. Dazu müssen außerdem die Leute wieder reisen dürfen und es müsste ohne Einreisebeschränkungen gehen, was derzeit aufgrund Corona aber alles andere als sicher ist.