James Toseland (Ducati Fila) beim Saisonauftakt in Phillip Island – der Engländer sorgte mit einem Sieg und einem 2. Platz anfänglich für die WM-Führung, doch ab der 3. Runde trumpfte sein Teamkollege Régis Laconi immer stärker auf (© WorldSBK).

Die 2. Saisonhälfte von 2004 – dem 17. Jahr der WorldSBK

Während im Vorjahr die Ducati Fila Werksfahrer zusammen die Weltmeisterschaft beinahe nach Belieben dominiert hatten, herrschten 2004 komplett andere Vorzeichen. Die Situation bezüglich der Titelentscheidung war noch völlig offen, als es in die USA zur 7. von 11 Runden ging. Die Reihenfolge lautete:
R. Laconi, Ducati, 171 Punkte
J. Toseland, Ducati, 168
N. Haga, Ducati, 139
C. Vermeulen, Honda, 137
P. Chili, Ducati, 129
G. McCoy, Ducati, 128
L. Haslam, Ducati, 113
T. Corser, Petronas, 95
S. Martin, Ducati, 93

Die Entry List des Jahre 2004 aus einem Programmheft von damals:

Chris Walker (Foggy Petronas SP1) vor „Frankie“ Chili, Marco Borciani (Ducai), Maurso Sanchini (Kawasaki), Troy Corser (Foggy SP1) und Chris Vermeulen auf Ten Kate Honda. All diese Fahrer waren jederzeit für vordere Plätze, das Podium oder gar Siege gut (© WorldSBK).

Runde 7 – Laguna Seca (Kalifornien/USA)

In den ersten 10 Jahren der US-Amerikanischen Läufe der WorldSBK Geschichte wurden in Brainerd und Laguna Seca je 6 Läufe ausgetragen. Dabei hatten die Lokalmatadoren im Ursprungsland der Superbike Rennen genau die Hälfte gewonnen. Wie früher auch in Sugo (Japan) waren die einheimischen Piloten dabei jederzeit für Siege und vorderste Plätze gut. Aber mittlerweile war dies vorbei und im Prinzip war es eine völlige Schande, dass kein einziger Fahrer aus dem Gastland in Kalifornien mit am Start war. Kaum mehr vorstellbar war zu dieser Zeit bereits, dass von den ersten 6 Weltmeistern der WorldSBK mit Raymond Roche 1990 nur einer nicht aus den USA kam.

Pierfrancesco Chili (PSG – 1 Corse Ducati) – der Vorjahressieger in Laguna Seca, der Bademeister aus Rimini hatte 2003 das erste Rennen für sich entschieden (© WorldSBK).

Der erste Lauf
Zu Beginn führte James Toseland vor Frankie Chili, Chris Vermeulen, Steve Martin und Régis Laconi. Ab der achten Runde übernahm der junge Honda Pilot die Führung, welche er bis ins Ziel nicht mehr abgab. Es wurde der bereits 8. Triumph eines Fahrers aus Australien im 19. Rennen in Laguna Seca. Zweiter hinter Vermeulen wurde Chili vor Martin, Toseland und Laconi. Platz 6 ging mit Nori Haga an einen Fahrer, der in der Vergangenheit hier bereits zweimal triumphiert hatte. Gary McCoy wurde siebter vor Sanchini, Haslam und Corser. Nur 14 Fahrer sahen die Zielflagge und als letzter davon war dies der Österreicher Horst Saiger auf Yamaha.

James Toseland vor Frankie Chili und Steve Martin (alle Ducati) – trotzdem leider kein Landsmann mit am Star war, hatte eine beträchtliche Zahl einheimischer Zuschauer den Weg an die Strecke nahe dem Küstenstädtchen Monterey gefunden (© WorldSBK).

Das zweite Rennen von Laguna Seca
Was den ersten und den letzten Fahrer im Zieleinlauf betraf, war es eine Kopie des ersten Laufs. Aber diesmal wurde Toseland zweiter vor Laconi, Haga, Chili und Martin. Rang 7 ging an McCoy vor Borciani, Sanchini, Clementi und Pedercini. Chris Walker war mit einem Kupplungsdefekt ausgeschieden und Troy Corsers Foggy SP1 musste mit einem Öl-Leck abgestellt werden. Leon Haslam war 7 Runden vor Schluss gestürzt. Erneut kamen nur 14 Fahrer ins Ziel, wovon die letzten beiden eine Runde Rückstand hatten. Wiederum trug dabei Yamaha Pilot Saiger aus der Alpenrepublik die rote Laterne.

Offizielles Resultat 2. Rennen von Laguna Seca (© WorldSBK).
Chris Vermeulen (Ten Kate Honda) vor den beiden Fila Ducati Piloten Toseland und Laconi bei der Einfahrt in die berüchtigte Cork-Screw (© WorldSBK).

Die 8. WM-Runde in Brands Hatch

Zurück in Europa ging es wie vor der 7. Runde wieder nach England, wo in Brands Hatch das zweite Event auf der britischen Hauptinsel stattfand. In den bisherigen 22 Rennen auf der Strecke südöstlich von London hatten bisher 8 Mal US-Amerikaner gewonnen, 7 Siege gingen an einheimische Fahrer, an Italiener deren 4 und Australier 3. Im WM-Zwischenklassement hatte die Führung wieder gewechselt und nun hatte wieder Toseland um 3 Punkte die Nase vor seinem Ducati Fila Teamkollegen Laconi. Bevor es in die USA ging, war es noch umgekehrt gewesen und der Franzose lag mit drei Zählern in Führung.

James Toseland (Ducati Fila) – wie vor der Runde in Silverstone erneut als WM-Leader in seine Heimat für die viertletzter Runde in Brands Hatch zurückgekehrt (© WorldSBK).

Das erste Rennen
Es war kein Engländer, sondern mit „Nitro Nori“ Haga ein Japaner, der als Führender aus der ersten Runde zu Start-Ziel zurückkehrte. Dahinter mit Régis Laconi ein Franzose, dann die drei Australier Steve Martin, Chris Vermeulen und Troy Corser. Als nächster mit „Frankie“ Chili ein Italiener und erst auf P7 folgte der erste Engländer in der Person von Chris Walker, genannt „the Stalker“. Nur als neunter kreuzte WM-Leader Toseland die Ziellinie und viel weiter nach vorne schaffte er es auch nicht bis zum Ende des ersten Laufs.

An der Spitze entbrannte hingegen ein wilder Kampf zwischen Haga, Laconi, Chili und Martin. Aber wie McCoy, Haslam und einige andere Fahrer sah Frankie Chili die Zielflagge nicht, weil er durch Sturz ausschied. In einem Foto-Finish siegte am Ende Noriyuki Haga 0.134 Sekunden vor Régis Laconi und Steve Martin wurde Dritter. Vermeulen holte P4 vor Corser und James Ellison (Yamaha) als bestem Engländer. Für Toseland blieb nur Rang 7 vor dem Australier Craig Coxhell (Honda), seinem Landsmann Chris Walker und dem Italiener Gianluca Nannelli.

Nori Haga vor Steve Martin und Regis Laconi (alle Ducati) – in dieser Reihenfolge trafen die vordersten drei Fahrer im Bild im 1. Rennen im Ziel ein (© WorldSBK).

Der zweite Lauf von Brands Hatch
Nach 3 Runden folgte ein Abbruch aufgrund eines Massensturzes, dem unter anderem Troy Corser und James Toseland zum Opfer fielen. Beim Neustart fehlten die beiden, dazu auch der aufgrund von Fehlzündungen ausgefallene Leon Haslam. Nach dem Ende des zweiten Teils sahen die Zuschauer Pierfrancesco Chili als ersten durchs Ziel fahren, doch weil die Zeiten der beiden Läufe des 2. Rennens addiert wurden, siegte Haga. Nachfolgend das kombinierte offizielle Resultat.

Auch Régis Laconi war 7 Runden vor Schluss noch gestürzt, wodurch es im WM-Zwischenklassement noch enger als bereits zuvor wurde (© WorldSBK).

Runde 9 in Assen (Niederlande)

Dass drei Runden vor Schluss die ersten 4 Fahrer nur acht Punkte auseinander lagen, gab es bis dahin noch nie. Aktuell lag wieder Régis Laconi an der Spitze des Zwischenklassements und Toseland war hinter Vermeulen und Haga auf die vierte Position zurückgefallen. Nachfolgend der WM-Zwischenstand und die Entwicklung als Grafik vor dem Rennen von Assen dargestellt:

In nur einem Rennen veränderte sich wieder alles. Der WM-Vierte gewann nämlich den ersten Lauf in Assen vor Chili, Laconi, Haga und Vermeulen. Dadurch war der Engländer nach nur einem Rennen wieder mit genau einem Punkt Vorsprung auf seinen französischen Teamkollegen zum WM-Leader geworden. Platz sechs ging an Haslam vor Martin, McCoy, Borciani und Corser. Beinahe verwirrend wirkte vor dem Hintergrund des WM-Zwischenstandes die Statistik der Führungsrunden bis zu diesem Zeitpunkt. Mit 122 Runden führte hier Laconi vor Haga (94), Vermeulen (83) und Toseland mit nur 49.

Das zweite Rennen von Assen
Während der alte und nach Lauf 1 wieder neue WM-Leader James Toseland bei erst bei 2 Saisonsiegen stand, holte sich Chris Vermeulen Triumph Nummer vier. Mit winzigen 0.037 Sekunden Vorsprung auf den Engländer setzte sich diesmal der Rookie aus Australien als elfter WSBK-Sieger in Assen auf seiner Ten Kate Honda durch. Es war der bis dahin zwölft-knappste Sieg in der Geschichte der WorldSBK. Nori Haga als Gewinner des 2. Laufs im Jahr 2000 wurde mit nur gerade 0.117 Sekunden Rückstand dritter. Frankie Chili als Sieger im 1. Rennen von 1998 musste sich dahinter mit P4 begnügen. Fünfter wurde Régis Laconi vor Leon Haslam, Troy Corser, Marco Borciani, Ivan Clementi und Chris Walker. Zwei Runden vor Schluss trennten die ersten 4 Fahrer nur 14 Punkte, das gab es bisher noch nie. Mit 255 Punkten führte Toseland vor Vermeulen (252), Laconi (245) und Haga (241).

Chris Vermeulen (Ten Kate Honda) vor James Toseland (Ducati Fila), im Hintergrund Pierfrancesco Chili auf der PSG-1 Ducat (© WorldSBK).
Die Strecke von 2004 im damaligen Programmheft, mit den eingezeichneten Parkfeldern von dieser Zeit. Die große Schlaufe links im Bild fiel nach dem Umbau von 2006 weg und heute ist dort ein Museum und zusätzliche Parkfelder in der Nähe von Haupteingang und Unterführung ins Infield der Strecke.

Die vorletzte Runde in Imola

Das erste Rennen auf dem Autodromo Dino e Enzo Ferrari wurde eine Beute von Régis Laconi, während sein Teamkollege Toseland hinter dem erneut starken Vermeulen nur dritter wurde. Haga behielt mit Rang vier noch halbwegs den Anschluss an die in der WM vor im führenden. Fünfter wurde Gary McCoy vor Steve Martin, Frankie Chili, Marco Borciani, Gianluca Nannelli und Leon Haslam (alle Ducati). Es waren nur noch drei Rennen zu fahren und die drei ersten im Zwischenklassement lagen nur zwei Punkte auseinander. Auch Haga hatte mit 18 Punkten Rückstand auf den neuen Leader Vermeulen durchaus noch Titelchancen.

Chris Vermeulen (Ten Kate Honda) – drei Rennen vor Schluss neuer WM-Leader, aber nur mit je einem Punkt Vorsprung auf den Zweiten Toseland und den Dritten Laconi (© WorldSBK).

Der zweite Lauf von Imola
Bereits in Runde 5 schied Lokalmatador Chili mit technischen Problemen an seiner Ducati aus. Drei Umgänge später erwischte es auch Piergiorgio Bontempi auf seiner Suzuki. Für „Nitro Nori“ Haga kam es in der neunten Runde zur Katastrophe, als er in Führung liegend seine Sieg- und Titelchance mit einem Sturz wegwarf. Die beiden Ducati Fila Werksteam-Kameraden stritten sich bis ins Ziel um die Führung, wobei am Ende Laconi mit 0.041 Sekunden die Nase vorne hatte.

Noriyuki „Nitro Nori“ Haga (Ducati) – der Publikumsliebling hatte nach seiner Rückkehr aus der MotoGP das Limit erneut nicht im Griff gehabt. Mit seinem fünften Ausfall der Saison verlor er praktisch sämtliche Chancen auf seinen ersten WM-Titel (© WorldSBK).

Die weiteren Plätze und die veränderte WM-Situation
Mit seinem Doppelsieg hatte sich der Franzose gleichzeitig auch an die Spitze der WM-Zwischenwertung katapultiert. Steve Martin wurde dritter vor seinen Ducati Markenkollegen Nannelli und McCoy. Diesmal nur Sechster wurde Vermeulen, womit er in der WM wichtige Punkte verlor und nun 13 Zähler hinter Laconi lag. Luca Pedercini holte sich in seinem Heimrennen P7 vor Borciani, Clementi und Corser. Elfter wurde Giovanni Bussei vor Haslam (beide Ducati), Luca Pini (Suzuki) und Doriano „Rambo“ Romboni (Yamaha).

Leon Haslam (Renegade Ducati Koji) – in seiner ersten vollen Saison in der Superbike Weltmeisterschaft schlug sich der Sohn von „Rocket Ron“ durchaus achtbar und holte sich einen soliden Top Ten Rang in der Endabrechnung (© WorldSBK).

Das Saisonfinale auf dem Circuit de Nevers Magny-Cours

Der erste Lauf auf dem Kurs mit einer der kürzesten Zielgeraden, welche es weltweit wohl gibt, brachte noch keine Vorentscheidung um den Titel. Es gewann diesmal Toseland vor Haga und Laconi. Damit lag wieder der Engländer vor seinem französischen Teamkollegen 5 Punkte in Führung. Chris Vermeulen war in der elften Runde mit einem Elektrik-Schaden an seiner Honda ausgefallen. Damit hatte der Australier nur noch theoretische Titelchancen. Könnte es aber sein, dass der im WM-Kampf nach seinem Imola-Crash bereits vorzeitig ausgeschiedene Haga damit noch das Zünglein an der Waage spielte? Der zweite Lauf sollte die endgültige Entscheidung bringen. Nachfolgend das offizielle Resultat vom 1. Rennen.

Mauro Sanchini (Kawasaki) – der italienische Privatpilot fehlte verletzt beim Saisonfinale. Mit WM-Rang 13 lag er am Ende knapp hinter seinem Kawasaki Bertocchi Teamkollegen Ivan Clementi (© WorldSBK).

Das zweite Rennen von Nevers mit der knappen Titelentscheidung
Ein Stück weit hatte Nori Haga mit seinem zweiten Platz vor Laconi im 1. Lauf die WM mitentschieden. Sein Sieg beim letzten Rennen der Saison hatte jedoch keinen Einfluss auf den Titelkampf mehr. Da James Toseland sich Platz zwei beim Heimrennen des Teamkollegen holte, verteidigte der Engländer seinen winzigen Vorsprung auf den Franzosen damit bis ins Ziel. Mit nur 3 Siegen gegenüber deren 7 von Régis Laconi war es in erster Linie ein Sieg der größeren Konstanz des Briten, die entscheidend war. Vierter im letzten Rennen der Saison wurde der Franzose Sébastian Gimbert (Yamaha) vor Frankie Chili, Leon Haslam (beide Ducati), Troy Corser, Chris Walker (beide Foggy SP1) und Gary McCoy.

Chris Vermeulen (Ten Kate Honda) vor seinem australischen Landsmann Troy Corser auf der enttäuschenden Foggy SP1. Letzterer sollte auf die nächste Saison zu Suzuki wechseln und damit zu neuer Blüte gelangen (© WorldSBK).
Das Siegerpodest von Valencia mit von links dem zweiten Pierfrancesco Chili, Sieger James Toseland (beide Ducati) und Chris Walker. Letzterer hatte mit der Foggy Petronas SP1 zum ersten Mal in deren Geschichte ein Podium geholt (© WorldSBK).

WM-Endstand 2004

James Toseland und einige Mitglieder des Ducati Fila Teams bei der Feier seines Weltmeistertitels im Paddock von Magny-Cours (© WorldSBK).

WorldSBK Herstellerwertung 2004 – einmal mehr Ducati

>>weiter siehe in Kürze Teil 35 über die Geschichte der WorldSBK