Wie von MotoRacers.eu am 2.8. vorgeschlagen

Wir hatten am Anfang August 2019 darüber berichtet, dass Kiefer Racing in der Moto2 für 2020 keinen Platz mehr erhalten wird. Die Hiobsbotschaft wurde von vielen MotoGP Fans als Schlag ins Gesicht für den Deutschen Rennsport verstanden. Ein absolut schuldenfreies Team welches 2 WM-Titel vorzuweisen hat, schlicht aus der Moto2 rauszuwerfen, kann nur als extrem kaltschnäuziger Akt bezeichnet werden. Hierzu gibt es nichts schönzureden, insbesondere wenn äusserst illustre Figuren und GP-Teams gleichzeitig unangetastet bleiben und ihren Platz im Paddock behalten dürfen. Sogar vorbestrafte Teamchefs wie der umstrittene Forward-Besitzer Giovanni Cuzari dürfen ihren Platz in der Moto2 behalten. Viele Entscheide von Dorna und IRTA (Team-Vereinigung unter dem Vorsitz des Franzosen Hervé Poncharal, Teamchef von Tech 3) sind selbst für Experten und Insider im GP-Sport nicht nachvollziehbar. Man erinnere sich an Ende 2017, als der Schweizer Jesko Raffin bereits einen Vertrag für die Saison 2018 in der Tasche hatte, aber wegen angeblich mangelnder Qualifikation keine Startberechtigung in der Moto2 mehr erhielt. Er gewann danach locker die spanische CEV-Meisterschaft, welche nebst der Moto3 als wichtiges Sprungbrett für die mittlere Klasse gilt. Als Ersatzfahrer fuhr er im selben Jahr in der Moto2 locker in die Top Ten und hatte Ende Saison mit 10 WM–Punkten genauso viele Zähler wie der ehemalige MotoGP Fahrer Hector Barbera vorzuweisen. Damit unterstrich er auf der Rennstrecke, wie skandalös dieser Fehlentscheid im Jahr davor war und was man von den sauberen Herren von IRTA und Co. zu halten hat.

Von der Moto2 zur WSBK

Letztes Jahr noch bei Kiefer Racing KTM unter Vertrag – Dominique Aegerter (vorne im Bild), diese Saison für Forward MV unterwegs.

Nachdem Jochen Kiefer zuerst verlautbarte, er habe an der seriennahen WSSP und WSBK kein Interesse, fand in der Zwischenzeit offensichtlich ein Umdenken statt. Wie von uns bereits Anfangs August als logischer Schritt vorgeschlagen, schaut man sich bei Kiefer Racing nun doch nach einer Möglichkeit in der WSBK um, was definitiv die vernünftigste Lösung sein dürfte. Man darf gespannt sein, was dabei herauskommt, aber die Zahl an interessierten Deutschen Fahrern ist aktuell beeindruckend. Nebst dem aktuellen Kiefer Moto2 Fahrer Lukas Tulovic suchen auch Sandro Cortese, Jonas Folger, Philipp Öttl und Markus Reiterberger nach einer Lösung, aktiv im Rennsport auf WM-Level zu bleiben. Zwei davon haben in der WSBK bereits respektable Leistungen erzielt, laufen jedoch aktuell Gefahr, keinen Platz mehr für die nächste Saison zu finden. Sandro startete bereits mehrmals aus der 1. Reihe, genauso wie Reiti, der in Assen das bisher beste Resultat in der World Superbike Saison 2019 zeigen konnte. Nur die Top vier in der aktuellen WM-Zwischenrangliste dieser Serie holten auf dem TT Circuit in Holland mehr Punkte als Markus.

Falsche oder teils ungeschickte Entscheidungen

Es kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, ob dies das Kiefer Racing Team gerettet hätte, aber wir wissen von einem Angebot an Jochen Kiefer. Nicht nur arbeitstechnische Unterstützung, sondern auch ein finanzielles Engagement war angedacht, aber vorsichtshalber noch nicht versprochen. Nach der Enttäuschung mit der zwielichtigen Wiener Investmentfigur, welche zuerst das Team mit angeblicher Finanzierung aus Russland übernehmen wollte, war das Angebot noch ohne Details an Jochen Kiefer herangetragen worden. Er meldete sich allerdings gar nicht erst zurück und verpasste womöglich dadurch eine deutliche Entlastung für sich und sein Team. Dazu kommt, dass er den unerfahrenen Nachwuchsfahrer Lukas Tulovic aus Deutschland verpflichtete, der es in dieser Saison bisher nur einmal in die Punkteränge schaffte. Mit Domi Aegerter hatte Kiefer im Vorjahr einen Fahrer mit grossem Bekanntheitsgrad und einer sehr breiten Fan Base. Die Werbe-Wirksamkeit eines jungen und beinahe unbekannten Deutschen ist nahe null, dadurch fiel es auch immens schwer, finanzkräftige Sponsoren zu gewinnen.

Aufs falsche Pferd gesetzt

Weshalb der vermeintliche Hauptsponsor von Kiefer Racing noch vor Saisonbeginn 2019 wieder ausstieg, bleibt schleierhaft. Grundsätzlich ist es für ein deutsches Team immer schwer, genügend Sponsorengelder für ein langfristiges Engagement zu finden. Die (zumindest finanziell gesehen) goldenen Zeiten von Tabakwerbung und Alkoholika auf den Verschalungen von Rennmotorrädern sind vorbei. Selbst ein Top-Sponsor wie Red Bull verspricht heute keine sorglosen Zeiten mehr, man denke nur an den Rücktritt von KTM aus der Moto2, wodurch Tech 3 in die Moto3 gezwungen wurde. Nach der erfolglosen 1. Saisonhälfte zog der mächtige Red Bull Chef Dietrich Mateschitz in Spielberg den Stecker, weshalb man bei KTM nach nur 3 Jahren sang- und klanglos wieder den Schwanz einziehen musste und das Engagement in der mittleren Klassse per 2020 schon wieder aufgibt. Bei Kiefer Racing hatte man mit dem Vertrag für KTM-Motorräder eindeutig aufs falsche Pferd gesetzt. Unter den 7 letzten Fahrern im aktuellen WM-Klassement sind 4 KTM-Piloten zu finden, dazu NTS Ersatzfahrer Jesko Raffin (nur wenige Einsätze) und der für lange Zeit verletzte Indonesier Pawi, sowie der Niederländer Bo Bentsneyder. Letzterer wurde von seinem Team in der Zwischenzeit aufgrund mangelnder Leistungen bereits entlassen. Das Tech 3 Team von Hervé Poncharal verschwand nach dem Wechsel zu KTM in der Bedeutungslosigkeit. Dank den fetten Sponsorengeldern von Red Bull würde sich der Franzose jedoch hüten, auch nur ein schlechtes Wort über KTM zu verlieren. Jochen Kiefer kann dies egal sein, ironischerweise ist ausgerechnet Poncharal IRTA-Präsident und daher mitverantwortlich für den Rauswurf von Kiefer Racing. Gegenüber der Zeit, als Gustl „Tut-anch-Auinger“ noch in der GP-Szene fahrerisch mitwirkte, hat die Serie um Welten an Menschlichkeit verloren. Genau deshalb wird sich Jochen Kiefer in der WSBK unglaublich wohl fühlen, sollte sich die Möglichkeit für einen Wechsel in diese Serie bieten. Wir drücken zusammen mit vielen Rennsportfans aus Deutschland die Daumen und hoffen, es gelingt!