Rekordweltmeister Jonathan Rea (bis 2023 auf Kawasaki) – hier bei einem sehenswerten Stoppie auf der ZX-10RR, nach einem seiner unzähligen Siege. Weil sein japanischer Hersteller sich nach einem kurzen Gast-Spiel viel zu früh wieder aus der MotoGP zurückzog, fehlte ihm die Möglichkeit, seine Stärke auch in der MotoGP weiter beweisen zu können. Lediglich im Jahr 2012 als Repsol Honda Ersatzpilot gab der Nord-Ire mit zwei Top-Ten Resultaten in Misano und Aragon eine Kostprobe seines Könnens.

Über die Gefahr der Dorna-Übernahme durch die Formel 1

Was anfänglich als Gerücht durch die Medien geisterte, wurde über Ostern erstaunlich rasch offiziell. Der Formel 1 TV- und Werbungs-Rechte-Inhaber Liberty Media beabsichtigt, bis zum Jahresende 2024 die Dorna zu übernehmen, sofern die Ankündigung am 1. April nicht als Scherz angedacht war. Damit wären die Straßen-Weltmeisterschaften für Motorräder mit MotoGP und WorldSBK ab nächstem Jahr unter der Fuchtel der F1, sofern die dafür zuständige EU-Kommission dies nicht verhindern sollte. Die Übernahme steht allerdings noch unter dem Vorbehalt der Genehmigungen durch die Wettbewerbs- und Investitions-Schutzbehörden in verschiedenen Ländern. Wenig überraschend soll mit Dorna CEO Carmelo Ezpeleta sogar eine der umstrittensten Figuren des Rennsports der letzten Jahrzehnte laut offizieller Verlautbarung bis auf weiteres im Amt bleiben. Beim biblischen Alter des 1946 in Barcelona geborenen Ingenieurs ist dies wenig verwunderlich, weil deshalb seine Ablösung nur eine Frage von wenigen Jahren sein kann. Aus sportlicher Sicht besonders bedrohlich ist eher ein pikantes Detail der offiziellen Verlautbarung zur Dorna-Übernahme.

Valentino Rossi auf seiner geliebten Yamaha M1 von uns in der Startaufstellung von Jerez de la Frontera 2019 fotografiert. Seit die Lichtgestalt der MotoGP zurücktrat, gingen die Besucherzahlen vor allem in Italien wie im Vorfeld bereits befürchtet, drastisch zurück. Mit sündhaft teuren VIP-Packages steuerten Veranstalter und Dorna zur Verärgerung vieler altgedienten Fans seither dem Einkommens-Schwund entgegen.

Keine Erwähnung der WorldSBK im offiziellen Statement

Laut der der offiziellen Verlautbarung sei vorgesehen, dass Dorna Sports S.L. als exklusiver Inhaber der Werbe- und Fernsehrechte an der MotoGP, ein unabhängig geführtes Unternehmen bleibe, welches den Aktien der Formula One Group von Liberty Media zugeordnet sei. Sitz des Unternehmens solle weiterhin Madrid bleiben. Die Dorna hält die Exklusivrechte der MotoGP, sowie der zugehörigen Serien Moto und Moto3, sowie der bei Fans und Medien wenig beachteten FIM Enel MotoE Weltmeisterschaft, die lediglich in Europa auftritt und mehr als Rahmenrennen gilt. Dazu aber auch für die MOTUL FIM Superbike World Championship, inklusive natürlich WorldSSP, WSSP 300 und die neue FIM Women’s Circuit Racing WM, welche wie die MotoE mit nur wenigen Runden lediglich in Europa ausgetragen wird. Für die Fans der seriennahen Weltmeisterschaft wahrhaft beängstigend ist jedoch die Tatsache, das weder seitens Liberty Media noch Dorna die WorldSBK im offiziellen Statement auch nur am Rande erwähnt wurde.

WorldSBK Ikone „King“ Carl Fogarty im Jahr 2000 auf seiner Werks-Ducati – der Engländer war zusammen mit Piloten wie Pierfranchesco „Frankie“ Chili, Noriyuki „Nitro Nori“ Haga, Colin Edwards, Troy Corser und „Foggys“ Nachfolger Troy Bayliss damit verantortlich, dass in den goldenen Jahren der Superbike WM die MotoGP bezüglich Zuschauerzahlen über viele Jahre in deren Schatten stand.

Irritierendes Detail im Rahmen der öffentlichen Verlautbarung

Liberty Media soll etwa 86% der Dorna erwerben, wobei das Management der Dorna damit 14% seiner Anteile an dem Unternehmen behalten würde. Die Transaktion entspreche einem Unternehmenswert für Dorna mit MotoGP von 4,2 Mrd. € und einem Eigenkapitalwert von 3,5 Mrd. €, wobei die bestehenden Schulden der MotoGP nach Abschluss der Transaktion voraussichtlich bestehen bleiben würden. Hallo, war hier wirklich die Rede von Schulden? Der geneigte Betrachter wundert sich dabei, wie bei den mehr als 20 Veranstaltungen pro Jahr und dem enormen Zuschauer- und Besucher-Interesse dabei trotz allem rote Zahlen entstanden sein sollen. Wo gingen all die dutzende Millionen pro Veranstaltung überhaupt dann hin? Rechnen wir mit TV-Übertragungsgebühren, MotoGP Streaming-App Kosten (von pro Person weit über 100 EUR pro Jahr), Zuschauerreinnahmen von 5 bis 15 Millionen Euro pro Event, teils horrende Gebühren für Parken und dazu die dutzenden Millionen für VIP-Packages an Firmen und wohlhabende Privatpersonen, sowie Hospitality-Einnahmen. Wie vor diesem Hintergrund Schulden angelaufen sein können, irritiert selbst Menschen mit mathematisch überdurchschnittlicher Begabung.

Am ersten Grand Prix in Jerez de la Frontera in der ersten Covid-Pandemie-Saison 2020 herrschte Masken-Pflicht und es waren offiziell keine Besucher zugelassen. Trotzdem tummelten sich Selfie-Jäger, hier von uns in der Startaufstellung am ersten Rennwochenende in Rot eingerahmt, in der Startaufstellung herum. Jeder kann sich dabei bestimmt vorstellen, wie viel es diese Leute gekostet haben muss, trotzdem mittendrin dabei sein zu können. Manch wahrem MotoGP Fan dürfte angesichts solcher Szenen die Zornesröte im Gesicht gestanden haben, von den üblicherweise akkreditierten Journalisten gar nicht erst zu reden.

Das Gegenstück vom ehemaligen Formel 1 Zampano Bernie Ecclestone

Carmelo Ezpeleta amtierte von 1974-1978 als Streckendirektor am damaligen Calafat Circuit in Barcelona. Anschließend wechselte er von Barcelona nach Madrid an den Jarama Circuit. Er wurde Manager für alle rennsportlichen Aktivitäten des Spanischen Automobilverbandes. Per 1991 wurde Ezpeleta Direktor der Motorsport Abteilung der Dorna und seit 1994 ist der kleine Katalane deren CEO. Damit ist der 78-jährige ohne Zweifel Hauptverantwortlicher, was die von vielen Beobachtern als ungesunde Entwicklung in Bezug auf die immer ausgeprägtere Kommerzialisierung der MotoGP sehen. Dazu passt die Bezeichnung, welche kritische Stimmen ihm im Paddock immer öfter gaben, als seine Kritiker ihn begannen, den Eccclestone für Arme zu nennen. An dessen Reichtum (zumindest vor seiner Scheidung) dürfte er jedoch kaum je herankommen und womöglich sind seine Tage als Dorna-Zampano durch die bevorstehende Übernahme auch so gut wie gezählt.

Carmelo Ezpeleta 1992 – nicht umsonst stand er in letzter Zeit auch in der Kritik, weil auffällig viele seiner Verwandten in Schlüsselpositionen der Dorna befördert wurden. Beispielsweise ist sein Sohn Carlos heute Sport-Direktor der MotoGP, dessen Schwester Ana für den Nachwuchsbereich zuständig und deren Cousin Tome Alfonso kürzlich zum FIM-Sicherheitschef berufen worden.

Die lange Liste von Verfehlungen, Pleiten und Pannen der Dorna

An erster Stelle ist dabei das Ungeschick in Bezug auf die gemeinsam mit der von seinem Busenfreund Jorge Viegas geführten FIM ausgeheckten Kalenderplanung zu nennen. Nach dem Debakel des damals erst auf dem Papier existierenden Balaton-Circuit für die Saison 2009 der MotoGP bekannt gegebenen Rückkehr von Ungarn in die Motorrad-Weltmeisterschaft nach 1990 und 1992 schienen er und seine Mitarbeiter nichts gelernt zu haben. Die Strecke wurde gar nie fertiggestellt und trotz dieser peinlichen Panne steht für 2024 erneut der zumindest existierende Balaton Park Circuit am oberen Ende des riesigen Binnensees für die WorldSBK im Kalender. Sollten sich aktuelle Gerüchte im Paddock aber bewahrheiten, wird auch daraus nichts. Genauso nach dem Vorjahr der Absage für die WSBK, einem GP von Argentinien 2024, der kurz vor Saisonauftakt bereits wieder gestrichen werden musste. Die Begründung lautete wenig verwunderlich analog derer ein halbes Jahr davor für die Superbike Weltmeisterschaft. Aber auch früher ist die Liste der Fehlplanungen seitens Dorna höchst beeindruckend. Dies selbst ohne die Wetterprobleme von 2010 mit dem abgesagten Grand Prix von Japan infolge Vulkanausbruchs in Island und daraus für ganz Europa resultierendem Flugverbot. Nachfolgend unsere Aufstellung der Dorna-Fehlplanungen und Absagen, ohne die infolge Covid-19 notwendigen Mutationen von 2020 bis 2022.

Argentinien GP2024Knapp 2,5 Monate vor Termin: Infolge „politischer Turbulenzen“ gestrichen.
Kasachstan GP2023Zweieinhalb Monate vor Termin: Absage mangels Fertigstellung.
GP von Finnland2022Fünfte Absage, obwohl bis kurz davor verneint, wahrer Grund Geldmangel.
Ungarn GP2022Vertrag 2019 für 2022 bis 2026 in Debrecen, auch daraus wurde nichts.
GP von Brasilien2022Vertrag für 2022 – 2026 per Anfang 2021 verworfen (Umweltschutz-Gründe).
GP von England2015Trotz Vertrag für einen Circuit of Wales wieder Silverstone, Projekt verworfen.
GP von Brasilien2014Zu Jahresbeginn bereits Absage für das Event Ende September in Brasilia.
Ungarn GP2009Statt am 20.9. Absage und auch im Jahr danach, mangels Bau der Strecke.
GP von Brasilien1998Absage infolge unzureichender Sicherheit der Strecke von Jacarepagua.
GP von Italien1995Kurzfristige Absage infolge unzureichender Sicherheit.
Beinahe unglaublich wirken dabei die vielen Pleiten in Ungarn, bei welchen es gleich mehrmals um gar nicht existierende Rennstrecken ging, welche letztlich auch nie gebaut wurden. Die hohe Zahl an Absagen könnte die Vermutung bestätigen, dass zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnungen mit den Veranstaltern durch die Dorna Anzahlungen kassiert wurden, ohne dass die Wahrscheinlichkeit für eine Austragung überhaupt ernsthaft bestand. Besonders die wiederholte Pannen-Geschichte in Ungarn nährt diesen Verdacht.

Nicht nur Geisterveranstaltungen zehrten an Ezpeletas Glaubwürdigkeit

Ein Spezialfall war der KymiRing in Finnland, dessen Trägerschaft aufgrund der Covid-19 Pandemie nach der fünften Absage einer MotoGP Veranstaltung in Folge in die Insolvenz rutschte. Noch kurz davor hatte Ezpeleta das im Paddock aufgetauchte Gerücht über die bevorstehende Absage öffentlich dementiert. Seine zahlreichen Kritiker sahen ihn verständlicherweise wenig später als Lügner, da er letztlich doch eingestehen musste, dass es auch 2022 keinen GP von Finnland geben würde. Vor allem seine damals genannte Begründung mit Hinweis auf die geopolitische Lage, bezogen auf den Krieg von Russland mit der Ukraine, war aus obgenanntem Grund schlicht nicht wahrheitsgetreu, sondern eine reine Ausrede. Mächtig unbeliebt machte sich der Spanier kürzlich auch bei zahlreichen Herstellern und Teams der WorldSBK, als er deren Entscheid auf Einführung eines Minimalgewichts für Pilot und Maschine kraft seines Veto-Rechts zusammen mit FIM Präsident Viegas rückgängig machte. Erst als daraufhin einige Firmen mit dem Ausstieg aus der Superbike Weltmeisterschaft drohten, gaben die beiden nach. Sie gelten darüber hinaus auch als Hauptverantwortliche dafür, dass die WSBK aufgrund der zahlreichen Kalender-Überschneidungen von der MotoGP förmlich kannibalisiert wird.

Unser kombinierter Kalender für 2023 von MotoGP und WorldSBK mit in Rotschrift beim Datum den zahlreichen Überschneidungen. Um Kollisionen der Prototypen Weltmeisterschaft mit der Formel 1 damit aus dem Weg zu gehen, wird auf die Superbike Weltmeisterschaft seit Jahren nie Rücksicht genommen. Leidtragende davon sind unzählige Fans beider Serien, aber vor allem natürlich auch die Teams und deren Sponsoren, aufgrund daraus resultierender mangelnder TV und Medien-Präsenz.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).