Von links Alex Lowes (Kawasaki), Toprak Razgatlioglu (Yamaha), Jonathan Rea (Kawasaki), Andrea Locatelli (Yamaha), Michael van der Mark (BMW) und dahinter mit der 7 Chaz Davies (Ducati) und daneben mit der 19 Alvaro Bautista (Honda). Der Mann mit der 54 hatte diese Saison bereits mehrmals viel Glück gehabt.

Weshalb Toprak trotz Bestrafung in Nevers froh sein kann

Die von der FIM auf diese Saison eingeführten Bestrafungen für sogenannte Track-Limit-Vergehen sind eine Geissel für Fahrer, Teams und Zuschauer. Speziell natürlich die nachträglichen, wie beispielsweise bei Steven Odendaal in Misano nach seinem Sieg, oder umgekehrt die Nichtbestrafung von Razgatlioglu im WSBK Rennen danach. Genau wie der Südafrikaner hatte sich der Türke zweimal dieses „Vergehens“ schuldig gemacht, was sogar in der Live-Übertragung zu sehen war. Aber die FIM Kommissare hatten dies beim ersten Mal entweder nicht gesehen oder absichtlich mal kurz weggeschaut. Auch in der MotoGP wurde völlig willkürlich bestraft, siehe unseren Bericht über das Rennen im Juni 2021 von Mugello. In der Prototypen WM passierte der Gipfel der Unsportlichkeit dann jedoch in Silverstone. Seither verzichten wir auf detaillierte Berichterstattungen der MotoGP. Dort war Marc Marquez seinem Landsmann Jorge Martin direkt vors Vorderrad gefahren. Dabei waren beide Piloten gestürzt und der 8-fache Weltmeister erhielt dafür nachher nicht einmal eine Bestrafung von den Stewards. Dies war ein Schlag ins Gesicht des Motorrad-Rennsports und der endgültige Beweis, dass der Katalane gegenüber seinen Konkurrenten immer wieder eindeutig bevorteilt wird.

Diese Aufnahme von der Kamera an der Kawasaki von Jonathan Rea vom zweiten Rennen in Misano beweist eindeutig, wie Razgatlioglu in Runde 3 eindeutig in der grün markierten, aber trotzdem verbotenen Zone mit seinem Hinterrad war. Die Stewards übersahen dies jedoch und er bekam weder eine Verwarnung, noch bei seinem späteren erneuten Vergehen eine Bestrafung.

Weitere Glücksfälle für den WM-Leader
Die Bestrafung am Sonntagabend nach seinem Track-Limit Vergehen kann der Yamaha Werkspilot verschmerzen. Auf der einen Seite hatte er in Misano viele Punkte von der FIM geschenkt bekommen, statt bestraft zu werden. Auf der anderen Seite hatte Toprak gleich mehrmals schlicht unglaubliches Wetterglück. In Donington Park war für praktisch jedes Rennen Regen vorhergesagt, aber nur gerade im Sprintrennen war es am Ende feucht. Prompt verlor der Türke trotz Rang 6 daher nur wenige Punkte auf seine Konkurrenten. Im Hauptrennen wären es deutlich mehr gewesen und auch für am Samstag in Magny-Cours lautete die Prognose einen Tag davor mit 90 prozentiger Wahrscheinlichkeit auf Regen, doch es blieb trocken. Im Vorjahr hatte Razgatlioglu an selber Stätte auf nasser Piste deutlich Federn gelassen. Diesmal hatte er jedoch pures Wetterglück und somit darf er sich nicht beschweren, nur weil er einmal erwischt wurde, während in Misano straffrei ausgegangen. Nachfolgend sein Fazit zum Frankreich Wochenende.

Toprak Razgatlıoğlu (Pata Yamaha mit BRIXX): Für mich ein unglaubliches Wochenende, denn das war mein Traum – drei Siege an einem Wochenende einzufahren und ich bin wirklich glücklich. Ok, jemand anderes hat entschieden, dass wir das Superpole-Rennen nicht gewonnen haben, aber für mich habe ich das Rennen gewonnen und ich genieße diesen Kampf sehr. Wir haben alles getan, was wir können, also auch ein großes Dankeschön an mein Team, weil sie einen unglaublichen Job gemacht haben. In jedem Rennen verbessern sie mein Bike und auch wir kämpfen jedes Rennen um den Sieg. Ich schaue nicht auf die Meisterschaft, weil ich in jedem Rennen immer auf Sieg und gute Punkte fokussiert bin. Auch in diesem Rennen versuchte ich nur zu gewinnen. Letztlich haben wir im zweiten Rennen wieder einen tollen Sieg errungen und ich bin heute wirklich glücklich.“

Der Beleg für das denkbar knappe „Vergehen“ des Yamaha Piloten im Superpole Race, wofür er den Sieg im Sprintrennen verlor und hinter Rea damit nur zweiter wurde, obwohl als Sieger die Zielflagge gesehen.

Der Track-Limit-Wahnsinn
Natürlich kann Toprak für sein Glück nichts und seine Siege fuhr er sich mit Ausnahme von Lauf 2 in Misano rein durch seine fahrerische Qualität ein. Der Mann aus Alanya ist auch nicht an den völlig fragwürdigen Regeln der FIM Schuld, noch trägt er für deren willkürliche Anwendung der Stewards irgendeine Verantwortung. Er war im Gegensatz zu WSSP 600 Pilot Steven Odendaal einfach der Glücklichere, weil er in Misano trotz selbem Vergehen ungeschoren davonkam. Auf der anderen Seite sind seine etwas unglücklich gewählten Worte zum Vorfall durchaus verständlich. Die Fahrer bewegen sich am absoluten Limit und dabei auf grüne Markierungen am Boden zu achten, die man nicht berühren oder überfahren soll, ist im Prinzip völliger Unsinn. Vor allem dient die neue Regel auch nicht der Sicherheit, wie bereits viele aktiven und ehemaligen Piloten mehrmals betont haben. Seltsam wird es bei genauer Betrachtung der offiziellen Daten an, siehe dazu als Erstes nachfolgendes Beispiel aus dem FP2 in Magny-Cours.

Der absolute Witz – in allen drei Rennen gab es angeblich nur eine Verfehlung

Laut den offiziellen Blättern gab es lediglich die Verfehlung von Toprak und diese auch nur aufgrund eines von einem gegnerischen Team eingereichten Protests. Wir hatten dies auch bereits in vorherigen Runden beobachtet und man kann dabei eigentlich nur einen Schluss ziehen. Nach ihrem eigenen Vergehen durch die Nichtbestrafung des Türken nach dem zweiten Rennen in Misano verzichteten die Taugenichtse der FIM fortan auf die Anwendung des von ihnen ausgeheckten Unsinns im Rennen. Nicht aber im Training, weil auch in Donington Park und seither allen anderen Runden gab es gestrichene Rundenzeiten, aber in der Regel immer nur im freien Training. Lediglich in Assen wurden ausgerechnet Razgatlioglu und sein Yamaha Teamkollege Locatelli im Superpole Race dafür bestraft. Die Bilder waren danach eindeutig und beide hatten in der letzten Schikane den grünen Bereich eindeutig überfahren. Wir sahen im Gegensatz zu Nevers dazu jedoch nie eine offizielle sogenannte „Notification of Sanction“. Dies unterstreicht ganz klar die völlig willkürliche Anwendung der FIM Leute, ihrer von ihnen selbst ins Spiel gebrachten, absolut unsinnigen Regeln. Yamaha Teammanager Paul Denning meldete sich offenbar nach der Sanktion von Toprak enttäuscht. Aber der gute Mann sollte sich besser einmal das zweite Rennen von Misano zu Gemüte führen, bevor er sich öffentlich als höchst unsportlich outet.

Toprak Razgatlioglu (Pata Yamaha with BRIXX) im Interview, bevor er von seiner „Verfehlung“ erfuhr – seine Reaktion ist ein gutes Stück weit verständlich, weil eigentlich kein Fahrer der WorldSBK und MotoGP mit den neuen Regeln wirklich einverstanden ist.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).