Pedro Acosta gilt als Moto2 Spitzenfahrer für das KTM Team (auf Kalex Fahrwerken antretend) bei vielen MotoGP Teams als absoluter Wunschkandidat. Doch der junge Spanier soll laut offiziellen Aussagen seiner Teamverantwortlichen besser noch ein Jahr in der mittleren Katagorie bleiben. Hauptgrund dafür ist, dass die Orangen infolge ungünstiger Planung keinen Sitz in der Königsklasse für ihr vielleicht größtes Talent aller Zeiten für 2024 frei haben. Natürlich droht deshalb nun dessen Weggang zur Konkurrenz.

KTM und ihre dauernden Fahrerprobleme

Bei KTM haben Motorsportdirektor Pit Beirer und Big Boss Pierer vieles gemeinsam. Insbesondere ihre öffentlichen Aussagen wirken auf viele oft, als hätten Sie die Weisheit mit Löffeln gegessen und ihre Gegner seien mehrheitlich Dummköpfe. In Tat und Wahrheit ist es jedoch nicht ganz so einfach, was die Orangen und ihre Erfolge und Entscheidungen betrifft. Zumindest glasklar bekannt ist der Umstand, dass die von Pierer offiziell beim MotoGP Antritt genannten Ziele meilenweit verpasst wurden. Man muss festhalten, dass sie den Beweis seit Jahren schuldig blieben, ob sie jemals um den Titel in der Königsklasse mitkämpfen können, wie spätestens für 3 bis 5 Jahre nach ihrem Einstieg auf die Saison 2017 vollmundig versprochen. Dies, obwohl mit Red Bull einer der potentesten Sponsoren der Sportgeschichte voll hinter KTM steht. Am Geld kann es demnach kaum liegen. Einige gravierende Fehler sind jedoch schwer zu übersehen.

Pit Beirer von uns am Rand des nicht mehr im Kalender stehenden Tschechien Grand Prix fotografiert. Der seit einem fürchterlichen Sturz an den Rollstuhl gebundene ehemalige deutsche MotoCross Spitzenfahrer spaltet mit seinen Aussagen oft die Gemüter von Fans und Experten. Viele seiner Entscheidungen wirken zumindest ungeschickt, wenn nicht gar ungklug und in ihren Auswirkungen höchts unglücklich.

Dem ersten Fehler 2019 folgten zahlreiche weiteren

Mit Johann Zarco wurde auf die dritte Saison der Orangen in der MotoGP der Engländer Bradley Smith ersetzt. Doch 2019 wurde für den Franzosen und KTM zu einem wahren Desaster. Offensichtlich hatte man nicht auf den schnellen Mann auf Cannes gehört und seine Beschwerden über Fahrwerksprobleme als Majestätsbeleidigung verstanden, weshalb Zarco ernüchtert und enttäuscht schon zur Saisonmitte um die Auflösung seines mehrjährigen Vertrags bat. Die danach von KTM folgende öffentliche Diffamierung des Franzosen war von übelster Sorte und muss als höchst unsportlich bezeichnet werden. Doch Johann Zarco gab seine Antwort auf der Strecke und fuhr den Piloten der Orangen danach unzählige Male um die Ohren. Fast gleichzeitig mit dem Ausstieg des Franzosen warf KTM dazu auch noch in der Moto2 den Löffel hin und gab es auf, mit eigenen Fahrwerken in der mittleren Kategorie anzutreten. Wie unglücklich dieser Entscheid war, zeigte sich vor allem am Ende der Saison, als Brad Binder trotz argen Problemen am Saisonbeginn den Weltmeistertitel um lächerliche 3 Punkte verpasste. Und es sollte für KTM in den Jahren danach noch wesentlich schlimmer kommen.

Johann Zarco mit der nur schwer zu beherrschenden KTM am Boden – kurz nach diesem Sturz im Rennen auf dem Sachsenring 2019 sollte er jedoch erlöst werden. Statt nach seiner Vertragsauflösung auf das Saisonende zu warten, stellte man ihn bei KTM schon nach dem Misano Wochenende vor der 14. Runde frei. Als bester KTM Pilot wurde Pol Espargaró nur WM-elfter und blieb 2019 wie all seine Kollegen in Orange ohne Podestplatz.

Die Fehlentscheidungen bei Fahrerfragen häuften sich

Eigentlich muss man kein Rechenkünstler sein, wenn man sich vorstellt, dass KTM und sein Kundenteam Tech 3 nur über vier Startplätze in der Königsklasse verfügt, in den unteren Kategorien jedoch 8 Piloten unter Vertrag hat. Ebenso ist es kein Geheimnis, dass ein Nachwuchsfahrer sobald er in einer kleineren Klasse erfolgreich ist, aufsteigen möchte und sein Talent auch dort zu beweisen. Letzteres braucht jedoch vor allem in der Königsklasse manchmal seine Zeit, wie die Karriere von Jack Miller eindrücklich beweist. Ohne den Überraschungssieg in seinem zweiten MotoGP Jahr 2016 bei schwierigsten Bedingungen und einem Regenabbruch mit folgendem Restart, sieht die Bilanz des Australiers in seinen ersten 4 Jahren sehr bescheiden aus. Diese Zeit gibt KTM seinen Fahrern jedoch nicht. Deshalb fährt ein Iker Lecuona statt bei Tech 3 in der MotoGP. Seit 2022 kämpft der Katalane für Honda in der WorldSBK und dies mit besserer Bilanz als sein von den meisten völlig überschätzter Vorgänger Alvaro Bautista, welcher ohne die Ducati Panigale V4R in 2 Jahren nur 2 dritte Plätze auf der CBR-1000RR-R zustande brachte.

Iker Lecuona (Tech 3 KTM) auf der Verfolgung von Aleix Espargaró (Aprilia) und Andrea Dovizioso (Ducati) – als der junge Mann mit der Nummer 27 sich in der Königsklasse 2021 begann zu etablieren, wurde er von KTM zum Saisonende entlassen.

Fehlbesetzungen, mangelnde Geduld und blamiert beim Heimrennen

Nebst Lecuona wurde von KTM auch Grand Prix Sieger Danilo Petrucci verheizt und nach nur einer Saison geschasst. Es fehlte offensichtlich immer wieder an Geduld und Übersicht. Nach WM-Rang 5 in der ersten Pandemiesaison 2020 verlor man sogar Aushängeschild Pol Espargaró an Repsol Honda, wo dieser jedoch genauso wie sein spanischer Vorgänger Jorge Lorenzo gnadenlos strauchelte. Auf die Saison 2023 kehrte er wieder zurück, doch ein schrecklicher Unfall in Portugal hält ihn bis heute von der Rennstrecke fern. Ein krasses Beispiel für das KTM Missmanagement in Pilotenfragen ist definitiv auch Jorge Martin. Mit dem beim Team von Aki Ajo in der Moto2 gereiften Spanier hatte man ab der Saison 2019 ein wahres Juwel in den eigenen Reihen. Nach 2 Siegen im Jahr 2020 und drei weiteren Podestplätzen verpasste man es bei den Orangen, den Madrilenen zu behalten und verlor ihn an Ducati. Beim Pramac Team startete der Spanier auf Anhieb durch und holte sich bereits im zweiten Saisonrennen in Losail (Katar) den ersten Podestplatz. Nach einer Verletzungspause nach fürchterlichem Sturz auf dem Autodromo do Algarve in Portugal folgten ausgerechnet auf dem Red Bull Ring im KTM Heimrennen sein erster Sieg und ein dritter Rang!

Danilo „Petrux“ Petrucci auf seiner geliebten Ducati vor dem Start – der Sympathieträger fährt nun in der WorldSBK und isst als Privatfahrer auf der Panigale V4R durchaus hartes Brot. Sein Wechsel zu Tech 3 KTM auf die Saison 2021 war mit Hauptsponsor Red Bull von den Orangen zuvor nicht abgesprochen worden und am Ende kam nach vielen Stürzen und Rückschlägen bereits nach einem Jahr das aus.

Die heutige Situation – kein Ruhmesblatt für KTM

Wie bei KTM nicht unüblich, rühmten sich die Verantwortlichen wie Beirer und Pierer in der Öffentlichkeit gerne selbst. Als genialen Schachzug bezeichneten sie ihre Strategie, als einziges MotoGP Team in allen drei Klassen vertreten zu sein. Damit hätten sie die Möglichkeit, ihre Eigengewächse von der Moto3 über die mittlere Klasse bis in die Königskategorie MotoGP aufzubauen. Soweit die Theorie, aber wo stehen sie heute damit? Aktuell sind zwar beide derzeitigen Werksfahrer früher auch schon für KTM gefahren, aber Brad Binder wurde von den Orangen zu Beginn seiner Grand Prix Karriere böse im Stich gelassen. Ohne die finanzielle Hilfe seiner Eltern wäre die Fortsetzung seiner Karriere bereits 2013 zu Ende gewesen, nachdem ihn KTM davor fallen gelassen hatte. Jack Miller verloren sie nach seinem Vizeweltmeistertitel 2014 für KTM, da er von LCR Honda für die Folgesaison ein Angebot direkt in die MotoGP erhalten hatte. Nach durchaus erfolgreichen Jahren ab 2018 auf Ducati, wechselte der Australier für 2023 erst zu KTM, weil er von den Roten im Werksteam fallen gelassen wurde.

Während die KTM Piloten seit Runde 4 in Jerez nie mehr auf dem Podium standen, fuhren in Le Mans und auch Mugello mit Jorge Martin (links) und Johann Zarco (rechts, beide Pramac Ducati) zwei ehemals für die Orangen unter Vertrag stehende Fahrer in die Podestränge. Immer wieder werden Pit Beirer und seine Leute damit an ihre zahlreichen Fehler bei der Personalpolitik erinnert.

Das Problem mit laufenden Abgängen und nur einem Moto2 Team

Die auf diese Saison verlorenen Miguel Oliveira und Raul Fernandez überzeugen nun auf RNF Aprilia mit hervorragenden Leistungen. Sie beide wurden von den Orangen sorgsam in den kleineren Klassen aufgebaut und in die MotoGP geführt. Würde KTM mit nur einem Moto2 Team nun Acosta gegen seinen Willen in der mittleren Klasse behalten, stehen sie vor einem weiteren Problem. Mit zwei Moto3 Fahrern wie Deniz Oncü und WM-Leader Daniel Holgado drängen sich zumindest zwei ihrer vier Piloten in der Nachwuchsklasse für die Moto2 förmlich auf. Behält KTM dort jedoch Acosta, haben sie höchstens einen Platz neben ihm frei. Damit drohen Abgänge ihrer Nachwuchstalente aus der Moto3.

Raul Fernandez in Aragon im freien Training der Moto2 in der Saison 2021, in welcher er für das Ajo-KTM Team auf Anhieb Vizeweltmeister in der Moto2 wurde. Nach einer enttäuschenden Rookie Saison auf der MotoGP KTM im Jahr darauf, wurde er von den Orangen zum Jahresende fallengelassen. Für RNF Aprilia fuhr er 2023 bereits zweimal in die Punkte und beeindruckte in Mugello am Freitag mit schnellen Rundenzeiten.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).