Jorge Martin (Prima Pramac Ducati) war im Sprintrennen eine Klasse für sich – als Privatfahrer liess er nicht zum ersten Mal sämtliche Werksmaschinen deutlich hinter sich. Marc Marquez auf der Repsol Honda war als mit Abstand bestbezahlter Pilot des Feldes auf einer seiner absoluten Lieblingsstrecken in Sachsen hingegen nur ein Schatten seiner besten Tage. Dies nur auf die Honda RC213V zu schieben ist nach dem Sieg von Alex Rins in Runde 3 in Austin (Texas/USA) jedoch mehr als fragwürdig. Trotzdem tut dies derzeit die Mehrzahl aller Journalisten, Kommentatoren und sogenannten Experten (© ADAC).

Bagnaia und Marquez empfindlich geschlagen

Sowohl der WM-Leader, wie auch Sachsenring-Seriensieger Marquez hatten der entfesselten Fahrt von Privatfahrer Jorge Martin etwas entgegenzusetzen. Als Polesitter hatten viele Francesco „Pecco“ Bagnaia als Favoriten gesehen, der nach dem Vorjahr die Rennen zum zweiten Mal von Startplatz 1 aus in Angriff nehmen darf. Gegen den anfänglich aufsässigen Jack Miller konnte er sich am Ende deutlich durchsetzen, aber gegen seinen spanischen Ducati Markenkollegen war der amtierende Weltmeister chancenlos. Auch Marc Marquez kämpfte im Tissot Sprintrace mit stumpfen Waffen. Der Rekordsieger auf dem kürzesten Kurs im Kalender hatte nach zahlreichen Stürzen nicht die traumwandlerische Sicherheit, welche es in der Regel für Siege braucht. Rang 11 war für den Katalanen wie ein Schlag ins Gesicht, was genauso für Fabio Quartararo als dreizehntem gilt. Als Sieger von 2021 verapasste der schnelle Mann aus Cannes ebenfalls die Punkteränge. Nach nur 7 von 20 Runden können sich die beiden ihre Ambitionen auf den Titelkampf jedenfalls mittlerweile endgültig an den Hut stecken.

Das Wetter war an den ersten beiden Tagen nicht immer so freundlich, wie auf unserer Aufnahme vom Freitagmorgen. Auf der Herfahrt aus Chemnitz per eBike hatte es sogar kurz geregnet, was sich teils auch am Samstag wiederholte. Wie viele deutschen Fans fragten wir uns nach dem Verbleib von Honda Ersatz- und Testfahrer Stefan Bradl.

Wo ist Bradl?

Während wir es vorziehen, über die Ergebnisse von Jonas Folger als Langzeitersatz für den in Portugal bei seinem Freitagssturz zum Saisonauftakt schwer verletzten Pol Espargaró lieber zu schweigen, stellten nicht nur wir uns die Frage nach dem Verbleib seines Landsmannes Bradl. Mit den beiden Spaniern Joan Mir und Alex Rins hatte Honda gleich zwei Verletzte aus der sechsten Runde von Mugello zu beklagen. Auf die Idee, einen der beiden durch Stefan Bradl zu ersetzen, verzichteten die Verantwortlichen von Honda offensichtlich lieber. Dass er in Assen zum Einsatz kommen wird, erfuhren die Zuschauer von Servus TV. Für den kommende Saison vermutlich auf die MotoGP Übertragungen verzichtenden Österreicher amtet der Bayer meist als Co-Kommentator, weshalb er auch am Sachsenring vor Ort anwesend war. Schade für die zahlreichen deutschen Fans, dass nicht wenigstens er anstelle von Folger für ein Resultat sorgen konnte, welches als halbwegs ansprechend durchgehen könnte.

Eine der besten Stellen für Fans von uns während dem Moto3 Training fotografiert. Die Kurze Gerade vor der letzten Kurve bietet in der Schlussrunde die letzte Chance für eine Attacke. Im Jahr 2017 wuchs Jonas Folger als Tech 3 Yamaha Privatpilot auf dem Sachsenring über sich hinaus und belegte nach einem sensationellem Rennen hinter Sieger Marc Marquez (Honda) Rang zwei. Leider beendete ein Burn-Out gegen Saisonende eine der hoffnungsvollsten Karrieren des deutschen Rennsports. Von Leistungen wie vor 6 Jahren können die Deutschen Fans und ihre Helden derzeit leider nur träumen. Weder Deutschland noch die Schweiz und auch Österreich stellen derzeit einen Fahrer in Moto3, Moto2 oder MotoGP.

Das ewige Warten auf Pol
Übrigens ist das Fehlen von GasGas-KTM Hoffnung Espargaró bis mindestens im Spätsommer, zumindest für Realisten keine Überraschung. Nur wer Leuten wie seinem Tech 3 Teamchef Herve Poncharal heute noch Glauben schenkt, träumte von einer früheren Rückkehr des katalanischen Sonnyboys. Doch mit Wirbelverletzungen ist nicht zu spassen, wovon auch Sandro Cortese nach seinem fürchterlichen Crash auf dem Autodromo do Algarve ein Liedchen singen kann. Insofern ist das ewige Warten auf Pol trotz viel zu optimisischer Worte von Poncharal eigentlich zu erwarten gewesen, trotz mehrfach vom Franzosen gegenüber der Presse geweckter Hoffnungen auf eine baldige Rückkehr. Leider ist der Umgang mit der Wahrheit im MotoGP Paddock eine immer schwieriger werdende Übung. Siehe dazu auch die Aussage der Dorna bei Bekanntgabe des MotoGP Kalenders 2023, als man Kasachstan und Indien als neue Events präsentierte. Es sollten 21 Runden werden, womit ein neuer Rekordwert angestrebt worden war. Derzeit ist jedoch noch nicht einmal sicher, ob nach dem Wegfall der kasachischen Veranstaltung in Grand Prix von Indien realität wird.

Die einzige vom ehemaligen Traditionskurs Sachsenring heute noch existierende Stelle ist für Besucher ohne Tribünen-Ticket heute leider kaum mehr einsehbar. Die Queckenberg Kurve mit der ansteigenden Start-Ziel Gerade ist eine der Schlüßelstellen und auch Marc Marquez legte sich an der von uns fotografierten Stelle nur wenig später hin.

Allgemeine Eindrücke vom Wochenendauftakt am Sachsenring

Es lag nicht nur an der Leistung von Jonas Folger, dass wir uns hier 6 Jahre zuvor als Zuschauer und Fans wesentlich wohler fühlten. Auch danach bis 2019 fanden wir es als Besucher angenehmer. Wer wie die meisten einfach ein Tribünenticket kauft, hält sich in der Regel dort auf. Für viele und dies gilt auch für uns, ist dies jedoch zu wenig. Wer wie in Jerez de la Frontera, Le Mans oder Barcelona gerne die Strecke zu Fuß umrundet, wird am Sachsenring bitter enttäuscht. Einerseits ist dies hier gar nicht erst möglich und auf der anderen Seite ist gegenüber früheren Jahren nur noch an wenigen Stellen ein halbweg freier Blick auf das Geschehen möglich. Ähnlich wie in Mugello wird man hier auch den Eindruck kaum los, dass es sich an vielen Stellen mehr wie ein Jahrmarkt anfühlt, als wie eine Sportveranstaltung. Über die sogenante Action am berüchtigten Ankerberg oder im Campingberich der Toscana mag jeder denken, was er will. Allerdings ist es schwierig, Unterschiede zu sogenannten Partymeilen wie in Mallorca oder ähnlichen Orten zu erkennen. Positiv werden uns jedoch zumindest die Begeisterung der lokalen Bevölkerung in Erinnerung bleiben. Deshalb sollte Sachsen dieses Event unbedingt erhalten bleiben.

Das Interesse am Red Bull Rennzirkus wirkte reichlich bescheiden. Natürlich kann man sich auch fragen, was so etwas soll und ob es dies an einem eigentlich sportlich spannenden Rennwochenende überhaupt braucht. Wir verzichteten jedenfalls dankend und widmeten unser Interesse lieber dem Besuch der spärlichen heute noch zugänglichen Beobachtungsstellen an der Strecke, nachdem wir diese Aufnahme gemacht hatten.

Was erwartet uns am Sonntag?

Zumindest gehört Marc Marquez seit dieser Saison definitiv zu den Aussenseitern und dies ist in Sachsen eine kleine Sensation für sich. Nach seinem Crash in der ersten Kurve im zweiten freien Training fragen sich viele Beobachter vor allem auch, wie es um seinen Gemütszustand geht. Seine Honda räumte Johann Zarco ab, der nur mit viel Geschick und Glück eine schwere Verletzung dabei vermeiden konnte. Aber nicht dies, sondern die befremdliche Reaktion des Spaniers danach gab zu denken. Der Franzose blieb unverletzt, wurde jedoch von Marquez danach beschuldigt, für den Vorfall verantwortlich zu sein. Dies und der Umstand, dass der wütende Honda Mann davor nach einer schiefgelaufenen Attacke auf die Bestzeit einen beinahe Sturz verzeichnete und danach den Stinkefinger in die Kamera auf seinem Bike hielt, zeigen den neuen Marc von 2023. Sollte er auch am Sonntag erfolglos bleiben, verpasst er eine der letzten Siegchancen des Jahres und damit kommt der siegverwöhnte Superstar offensichtlich nicht klar. Wir tippen diesmal auf Johann Zarco in der MotoGP und lassen uns überraschen, wer in den kleineren Klassen zuoberst auf dem Podium stehen wird. Dramatisch dürfte es so oder so werden und Verletzte gibt es in dieser Saison leider viel zu viele. Nur 7 Piloten aus der Königsklasse blieben im ersten Saisondrittel ohne schwere Blessuren. Hoffentlich steigt deren Zahl am Grand Prix von Deutschland nicht noch weiter.

Die Einfahrt in das sogenannte Omega mit im Vordergrund der ersten von 10 Linkskurven. Im Hintergrund der Ankerberg mit einem Zeltplatz, auf welchem Fans nicht campieren sollten, welche sich gerne früh in der Nacht schlafen legen. Ducati Ass Johann Zarco wurde in Runde 1 des Sprintrennens in der Omega Rechts-Kurve von Brad Binder gerempelt, worauf er auf P8 zurückfiel und sich danach mühselig bis auf Rang fünf zurückkämpfen konnte. Dabei schaffte er es unter anderem auch wieder am Südafrikaner vorbei, wobei er diesen für einmal ebenfalls recht unzimperlich zu überholen vermochte.

Der WM-Stand nach dem Sprintrennen

motogp.com · GP RESULTS – 2023 MOTORRAD GRAND PRIX DEUTSCHLAND MotoGP SPR WorldStanding-sprint

Zeitplan für den Grand Prix von Deutschland

motogp.com · Calendar – 2023 Germany

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).