Alex Lowes (Pata Yamaha) beim Rennen in BuriRam/Thailand 2019 – man beachte sein rechtes Bein (© WorldSBK).

Einige erstaunliche Vergleiche damals zu heute

Was in der MotoGP mittlerweile die meisten Fahrer tun, kennen auch die Fans der Motul WorldSBK von ihren Stars: Der kurveninnere Fuss geht beim Anbremsen von Kurven oft wie beim Motocross nach vorne. Was selbst Valentino Rossi irgendwann von jüngeren Fahrern übernahm, wurde oft als neue Kurventechnik beschrieben, aber stimmt das auch wirklich? Wir haben in unserem unermesslich grossen Archiv durch die Covid-19 bedingte Pause in den letzten Wochen oft herumgestöbert und sind gerade daran, unsere History komplett zu überarbeiten. Bei dieser Gelegenheit stiessen wir auf ein Bild, welches wir unseren Lesern nicht vorenthalten wollen. Doch zuerst ein Beispiel aus der Neuzeit, man beachte das rechte Bein von Sandro Cortese (im Bild auf der Verfolgung von Chaz Davies):

Aufnahme vom 2. Rennen vom Sonntag in San Juan in Argentinien 2019 (© WorldSBK).

Beispiel von 1952
Und nun zum Vergleich die Kurventechnik eines Teilnehmers des Salzburg-Liefering Rennens von 1952, von verblüffender Ähnlichkeit:

Und weil es so schön aussieht, hier noch ein Beispiel mit dem Niederländer Michael van der Mark (Pata Yamaha) vom Rennen in Jerez 2019:

Genau wie 1952 bereits, nur ganz bestimmt bei „Magic“ Michael ein gutes Stück schneller (© WorldSBK).

Kein Einzelfall damals
Und noch ein Beweis aus den 50-er Jahren, dass diese Technik gar nicht so neu ist, wie sie mittlerweile von fast sämtlichen Stars von heute genauso nachgeahmt wird. Man beachte den hinteren Fahrer mit der Nummer 21:

Verbesserungen im GP Sport

Start zum GP von Salzburg 1971 der Kategorie 500 cm³, ganz rechts im Bild MV Agusta Werkspilot Giacomo Agostini. Links von ihm in der ersten Reihe Eric Offenstadt, Christian Ravel (beide Kawasaki, Frankreich), Lothar John (BRD, Yamaha), Ginger Molloy (NZL, Kawasaki) und ganz links in der 1. Reihe Agos italienischer Landsmann Alberto Pagani (Linto). Agostini gewann überlegen die ersten 8 Rennen der Saison in Folge und wurde Weltmeister. Gegen die MV Agusta war damals noch kein Kraut gewachsen.

Abschaffung von Leitplanken und Schiebestarts

Die absolute Stille vor den Rennen war bis in die späten 1980-er Jahre seit jeher im Motorradrennsport der Normalzustand. Meist hätte man eine Stecknadel fallen hören, kurz bevor der Startschuss fiel. Der Kupplungsstart mit laufendem Motor wurde erstmals 1971 beim Mallory Park Race of the Year praktiziert. Doch es sollte noch ganze 16 Jahre dauern, bis aus Sicherheits-Gründen durch die FIM ab 1987 der bis dahin übliche Schiebestart verboten und damit endlich abgelöst wurde. Seither wird diese Startform in erster Linie noch bei historischen Motorsport-Veranstaltungen praktiziert.

Solitude Rennen bei Stuttgart in den 30-er Jahren, hier kurz vor dem Start zum 250 cm³ Lauf.

Leitplanken und Strohballen
Das zweite Übel, was dem aufmerksamen Betrachter bei vorherigem Bild auf den ersten Blick auffällt, sind die Leitplanken an der Strecke. In der Regel wurden diese bis in die 70-er Jahre an den gefährlichsten Stellen einfach mit Strohballen versehen. Stürzte ein Fahrer, waren schwere Verletzungen oder Todesfälle bis zu dieser Zeit keine Seltenheit. Leider musste erst die Tragödie von Monza passieren, bevor ein Umdenken stattfand. In der ersten Runde des 250 cm³ GP brach das Motorrad des an zweiter Stelle liegenden Renzo Pasolini in der Curva Grande bei über 200 km/h nach links aus. Der Italiener wurde in die Streckenbegrenzung geschleudert und verstarb dabei auf der Stelle. Sein Bike flog zurück auf die Strecke und traf den nachfolgenden Jarno Saarinen. Der Finne wurde dadurch weit durch die Luft geschleudert und verletzte sich beim Aufprall auf die Strecke ebenfalls tödlich. Austretendes Benzin und die Funken der umherfliegenden Unfallmaschinen führten zum Brand der zur Sicherung angebrachten Strohballen. Es kamen auch zwölf nachfolgende Fahrer zu Sturz, kamen jedoch wie durch ein Wunder „nur“ mit Knochenbrüchen, Prellungen und Schürfwunden davon. Jarno Saarinen war der kommende Superstar der 2-Rad Szene und vor dem tödlichen Unfall auf bestem Weg, einer der ganz Großen zu werden.

Die Unfallstelle des Italieners Lorenzo Ghiselli in Imola, der bei diesem Unfall im Jahr 1985 sein Leben verlor.

Weitere Verbesserungen der Sicherheitsvorkehrungen

In der heutigen Zeit rühmen sich viele Österreicher über ihre vorbildliche Haltung zur Corona Pandemie. Bei Wiedereröffnung der Baumärkte nach dem Covid-19 Lockdown horteten Kunden der Alpenrepublik nach Ostern allerdings umgehend Klobrillen. Mit Vernunft haben diese Panik-Käufe absolut gar nichts zu tun, vor diesem Hintergrund besteht wenig Grund für Eigenlob. Das Volk in der Alpenrepublik war zudem auch früher bereits nicht immer für seine Vorbildfunktion bekannt und dies gilt nicht nur für die Wiedervereinigung mit Nazi-Deutschland vor dem 2. Weltkrieg. Wie nachfolgender Bericht beweist, gab es auch im Rennsport in Österreichs Geschichte haarsträubende Unzulänglichkeiten.

Bei solchen Streckenbegrenzungen stürzte man lieber nicht – Rennen auf dem Salzburgring in den 70-er Jahren.

Das Drama vom Salzburgring 1977
Der 1. Mai dieses Jahres war ein Sonntag wie aus dem Bilderbuchwetter, als der GP-Zirkus nach dem GP von Venezuela für die 2. Runde der Motorrad-Weltmeisterschaft zu Gast war. Der hinter Jon Ekerold an zweiter Stelle liegende Franco Uncini stürzte mit fast 200 km/h in der Fahrerlagerkurve. Darauf wurde sein Motorrad von den Strohballen auf die Strecke zurückgeschleudert und verursachte einen Massensturz der nachfolgenden Fahrer mit Johnny Cecotto (VEN), Patrick Fernandez (FRA) und dem Schwaben Dieter Braun. Der Schweizer Hans Stadelmann konnte infolge Verunreinigung der Fahrbahn durch ausgelaufenes Öl und Benzin einen Sturz nicht mehr verhindern. Der 35-jährige Schweizer verstarb nach Erstversorgung an der Strecke noch auf dem Weg zum Krankenhaus.

Ausschnitt aus dem damaligen Zeitungsbericht mit der Bergung des verunfallten Schweizers.

Viele Unzulänglichkeiten und verantwortungslose Organisatoren
Nach dem Unfall zeigten die Marshalls und Streckenhelfer laut zahlreicher Augenzeugen eine unverständliche Passivität, was zu Pfeifkonzerten der Zuschauer führte. Es sollen damals angeblich sogar Steine gegen die unfähigen Streckenposten geflogen sein. Nach dem Absturz von Uncini wurden zudem keine gelben Flaggen angezeigt, wodurch Hans Stadelmann anschließend überhaupt erst zu Sturz kam. Viele Fahrer fuhren an der Unfallstelle vorbei und weiter. Es gab keine Warnung über Trümmer und die Körper der gestürzten Fahrer, welche noch auf der Fahrbahn lagen. Eine Gruppe von Rennfahrern hielt an und eilte zu einem Streckenposten, griff nach den gelben Fahnen und winkte wütend, um weitere Fahrer auf die Gefahr aufmerksam zu machen. Es dauerte noch volle acht Runden, bis das Rennen endgültig abgebrochen und als nicht gewertet erklärt wurde. Bis zum Eintreffen des offiziellen Krankenwagens und zweier Ärzte verging viel zu viel Zeit.

Im Memoriam – Hans Stadelmann, Schweizer Meister im Jahr 1964 (125 cm³) und 1965 (250 cm³) und GP Pilot ab 1975. In seiner ersten WM-Saison wurde er fünfter beim GP von Deutschland und belegte in der WM-Endabrechnung bis 350 cm³ Rang 15.

Der eigentliche Skandal am Rand des tragischen Ereignisses
Die verletzten Fahrer wurden zunächst vom Team vom anwesenden Italiener Dr. Claudio Costa betreut, der später das „Clinica Mobile“ gründete. Dr. Costa und eine Gruppe italienischer Ärzte waren an den Salzburgring gekommen, um den italienischen Fahrern mit einem voll ausgestatteten medizinischen Bereitschaftsfahrzeug beizustehen. Als sie anboten, sich dem Notfallpersonal auf der Strecke anzuschließen, lehnten die Organisatoren jedoch ab. Dr. Costa und sein Team wurden angewiesen, ihr Fahrzeug auf dem großen Zuschauerparkplatz abzustellen. Zufällig befand sich dieser Parkplatz nahe am Unfallort. Dadurch war durch das italienische Team eine Erstversorgung mit ihrer Erste-Hilfe-Ausrüstung. Der Vorfall führte zu einem Massenboykott der meisten Spitzen-Fahrer der später stattfindenden 500 cm³ und 125 cm³ Rennen. Ironischerweise gewannen dadurch ausgerechnet österreichische Fahrer wie Harald Bartol und Max Wiener WM-Punkte und der Erstgenannte holte aus diesem Grund sogar seine erste Podiumsplatzierung der Karriere. Praktisch sämtliche Stars der Königsklasse hatten auf den Start verzichtet und trotz nur 6 Fahrern im Ziel wurde der 500 cm³ Lauf von der FIM skandalöser Weise gewertet.

Teuvo Länsivuori beim GP von Salzburg 1972. Der finnische 500 cm³ Vizeweltmeister von 1976 gehörte beim Skandal von 1977 zusammen mit fast sämtlichen Weltklassefahrern zu den Streikenden.

Prominente weitere Verletzte und ein Karrieren-Ende
Der Franzose Fernandez musste bis in die Abendstunden operiert werden. Für den beliebten Dieter Braun bedeutete eine bei diesem Unfall zugezogene Augenverletzung das Ende seiner Karriere. Der 2-fache Weltmeister wollte nach diversen im Vorjahr bei einem Unfall auf dem Nürburgring erlittenen Knochenbrüchen ein Comeback feiern. Deutschlands zu dieser Zeit populärster Rennfahrer Dieter Braun erlitt auf dem Salzburgring zudem eine Gehirnerschütterung und eine Stauchung der Halswirbelsäule. Der Venezolaner Johnny Cecotto brach sich die linke Hand, was eine längere Verletzungspause für den 350 cm³ Weltmeister von 1975 nach sich zog. Unfallverursacher Franco Uncini trug Prellungen davon und ein Streckenposten wurde am Arm verletzt. Der Italiener Uncini ist heute bei der FIM unter anderem für die Homologation von GP-Strecken verantwortlich. Er gehörte auch zu der Gruppe von Fahrern, die sich nach dem schrecklichen Unfall vom Salzburgring für mehr Sturzräume bei GP-Strecken stark machte. Er und Dr. Costa retteten mit ihrer Initiative vielen späteren Fahrern das Leben und halfen mit, den Motorrad-Rennsport wesentlich sicherer zu machen. Der Salzburgring fiel einige Zeit später aus dem WM-Kalender. Hauptgrund dafür waren die fehlenden Sturzräume für Motorradrennen.

Giacomo Agostini (hinten im Bild auf MV Agusta mit Startnummer 1) beim GP von Österreich 1972. Der 15-fache Rekordweltmeister gehörte zusammen mit Superstar Barry Sheene und Teuvo Länsivuori zu den Streikenden im Skandaljahr von 1977.